Schock-Trauma / Entwicklungstrauma

Hier können Sie Fragen zu Begriffen, Diagnosen und sonstigen Fachworten stellen, die einem gelegentlich im Zusammenhang mit Psychologie und Psychotherapie begegnen oder die Bedeutung von Begriffen diskutieren.
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Möbius
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Beitrag Sa., 19.09.2015, 20:02

Also ich finde da immer wieder das Theorem Freuds vom "Reizschutz" sehr luzide: die Psyche hat eine Art von Panzer oder Filter, die nur Reize bis zu einer gewissen Stärke durchlässt: das sind die Reize, die wir auch verarbeiten, "integrieren" können. Reize, die darüber hinaus reichen, werden abgewehrt. Nun ist dieser Panzer nicht vollkommen, nicht perfekt. Er ist manchmal dicker, manchmal dünner. Er hat Lücken, schwache und starke Stellen. Er verändert sich auch im Laufe des Lebens. Meistens wird er widerstandsfähiger, je älter wir werden.

Aber es ist immer möglich, daß wir mit Reizen konfrontiert werden, die diesen Panzer entweder in einem einmaligen Schock, einem Schlag (griechisch: Trauma) durchdringen, oder ihn aber langsam aufweichen, errodieren, zerbröseln, so daß der Reiz von aussen dann doch schließlich in das Innere, das geschützt werden soll, eindringen kann: das ist das "slain traum" oder Entwicklungstrauma. Beide können übrigens auch zusammentreffen - bei mir war es jedenfalls so, ich glaube, ich bin insofern ein typisches Opfer von mißbräuchlichem Inzest: ich bin meiner Täterin jahrelang wehrlos ausgeliefert geblieben, so daß sie ihre "unterschwelligen" Reize immer wieder auf meinen nach dem Schock des Mißbrauchs und der Mißhandlungen notdürftig reparierten Reizschutz hat einwirken können, so daß eine zweite Traumatisierung schleichend nachfolgte. Wobei andere Faktoren hier mal ausgeblendet bleiben sollen - es geht ja um abstrakte Begriffe.

Der stete Tropfen kann den Stein ebenso aushöhlen, wie ein mächtiger Schlag ihn zerbrechen kann. Der Schlag kann auch verhältnismässigwenig Macht haben, wenn er nur eine dünne Stelle des Panzers triff - das ist wohl häufig so bei den Re-Vicitmisierungen: wer einmal Opfer war, traumatisiert worden ist, neigt aufgrund des Wiederholungszwanges dazu, die Situationen immer wieder aufzusuchen oder herbeizuführen, die das erste Trauma herbeigeführt haben, und wird natürlich bei diesen Gelegenheiten immer wieder auf's neue traumatisiert, weil auch die Täter ein Gespür für solche Opfer haben. Aber auch ein andauernder, mittelstarker Reiz, dem der Panzer zunächst einmal problemlos widerstehen kann, aber über einen mittleren Zeitraum anhält, kann ihn schließlich "durchbiegen".

Das Wesentliche scheint mir stets zu sein, daß die innerpsychische Organisation durcheinandergebracht wird. Die Psyche kommt mir inzwischen generell eher vor, wie ein Organismus, eine Organisation von unterschiedlichen Elementen, Instanzen oder Fraktionen, deren harmonisches Zusammenspiel die psychische Gesundheit ausmacht, und von jenem Reizschutz "geschützt" wird. Genau darauf kommt es an: daß ein von aussen kommender Reiz nicht so stark sein darf, daß diese Harmonie gestört wird. Die Reize düfen nur solche sein, daß sie im Zusammenspiel der einzelnen "player" dieser Organisation, die wir Psyche nennen, nach kürzerer oder längerer Zeit "ad acta" gelegt werden, "erledigt" und als Potential abbgebaut werden kann. Gelingt das nicht, dann bleibt dieser Reiz als Fremdkörper in der Psyche stecken, wie ein Projektil, das in den Körper eingedrungen ist und nicht wieder ausschieden werden kann, wie ein Splitter im Finger. Das ist: das Trauma.

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Tupsy71
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Beitrag Sa., 19.09.2015, 21:46

Möbius, sehr präzise und kopflastig erklärt. Wie fühlst du dich aber dabei, wenn du es so niederschreibst?
Denke Traumatas sind sehr vielschichtig und wie schon oft erwähnt, die Betroffenen unterschiedlich geeicht um mit diversen Erlebnissen umgehen zu können. Ich gehöre wohl zu der Sorte, welche sich eher verkriechen möchte und kaum Alltagsenergie aufbringen kann, während Andere so überleben, indem sie ur viel Energie aufbringen können, und ihre Verletzungen sozusagen weg putzen oder weg lernen usw. schaffen.( das mich manchmal etw. neidisch werden lässt).
Also kurz gesagt- jede(r) hat eine(n) anderen Weg mit Traumatas umzugehen und da das im Unterbewusstsein sich abspielt, man es auch nicht beeinflussen kann.
So genug- verzeiht bitte- ich weiß gar nimmer was ich da überhaupt verzapfe.
Sorry.

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Möbius
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Beitrag So., 20.09.2015, 11:58

Ich bin nun mal ein kopfgesteuerter Typ - Schizoide wie ich haben oftmals mit einer Affektverflachung zu tun, darüber habe ich mal einen gesonderten thread begonnen. Ich "fühle" nur verhältnismässig selten, wenig und dünn, um es bildlich zu sagen. Natürlich brechen von Zeit zu Zeit Emotionen aus - meistens ist das nicht sehr schön, eher in die depressive Richtung als umgekehrt. Emotionen, Gefühle - die haben ihren Sitz im Über-Ich, kommen von dort ins Bewußtsein, ins Ich. Mein Über-Ich ist eine komplizierte Angelegenheit geworden durch diverse Introjektionen. Das haben wir noch nicht auseinandergedröselt, mein Über-Psycho und ich. Ich glaube, sie blockieren sich gegenseitig in der Hinsicht, als daß sie "Sendungen" ins Ich, ins Bewußtsein nicht zulassen oder erschweren. Auch mein Ich wehrt sich "mit Händen und Füßen" gegen Affekte - vielleicht eine Folge der Mißhandlungen. Meine lieben Eltern haben mir ja recht brutal abgewöhnt, irgendwelche Gefühle zu haben.

Bei der Analyse kommt es auch immer wieder zu solchen Ausbrüchen - das sind eher so Fallgefühle: ins "Bodenlose" zu stürzen - wenn mal wieder irgendeine "psychische Tatsache" bewußt wird. Ich neige auch sehr zu Affektabspaltungen - dh wenn ich Erfahrungen mache, die normalerweise starke Affekte auslösen, dann bleibe ich merkwürdig "kalt" und ruhig. Das hat ziemliche Vorteile - man ist ein "Mensch mit eisernen Nerven", der auch dann obercool bleibt, wenn alle anderen am Rad drehen. Das hat mich übrigens mein Leben lang gewundert: warum ich so gute "Nerven" habe - jetzt weiß ich es.

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lamedia
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Beitrag So., 20.09.2015, 12:19

Äußern sich die inneren Konflikte und nicht gelebten/lebbaren Gefühle bei dir dann körperlich, Möbius? Wäre ja auch eine Verarbeitungsform für Traumata: Nicht (mehr) spüren (wollen) und "verlagern". Wobei ich die Seele häufig wie einen Dampfkessel verstehe: Jede ist verschieden aufnahmefähig, was Reize und Überreizungen/Irritationen angeht. Und ist ein Punkt erreicht, wo der Kessel zu platzen droht, entstehen Löcher - das sind dann die Verhaltens- und Ausdrucksweisen, die andere für mehr oder weniger verrückt halten. Man sagt ja auch, "Dampf ablassen"....

Was mich wundert, ist, dass du Gefühle dem Über-Ich zuschreibst, kommen die nicht eigentlich physiologisch gesehen aus dem Es/Unbewußten, also auch aus einer entwicklungsbiologisch älteren Hirnschicht? (Amygdala/Mandelkern) Ich dachte bisher, dass das Über-Ich eher so etwas wie der Dompteur für die Gefühle ist.

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lamedia
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Beitrag So., 20.09.2015, 12:48

Vielen Dank auch noch an mio, ziegenkind, mitplauderin und tupsy für eure Überlegungen und Erfahrungen. Es scheint also oftmals gar nicht so leicht, ein "einmaliges" Schocktrauma zu isolieren.
Das könnte dann so etwas wie ein Unfall/Überfall/Naturkatastrophe bei ansonsten "gesund" aufgewachsenen Menschen sein. Vielleicht können "halbwegs gesunde" Menschen mit gut arbeitendem Nervensystem, denen solche Schicksale widerfahren, ein solches einmaliges Trauma besser verarbeiten, bzw. schlagen klassische Therapien wie Verhaltenstherapie gegen Ängste bei ihnen besser an. (Ich weiß es aber nicht genau.)
Ich denke gerade auch an Kriegstraumata bei Soldaten. Ich weiß nicht mehr, wo ich es gelesen habe, aber es war wohl so, dass der Eintritt in eine Armee/der Einzug in einen Krieg auch eine Bewältigungsstrategie für Traumata sein kann (bei Berufssoldaten, die sich dem freiwillig aussetzen) - kommt dann ein neues Trauma im realen Krieg dazu, sind diese Menschen häufig "gebrochen".


Vincent
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Beitrag So., 20.09.2015, 13:22

lamedia hat geschrieben:Was mich wundert, ist, dass du Gefühle dem Über-Ich zuschreibst, kommen die nicht eigentlich physiologisch gesehen aus dem Es/Unbewußten, also auch aus einer entwicklungsbiologisch älteren Hirnschicht?
Was mich wundert, ist, dass das Über-Ich hier so selbstverständlich als (empirische) Tatsache angenommen wird.
"Eigentlich bin ich ganz anders, aber ich komme so selten dazu." (Horvàth)

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lamedia
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Beitrag So., 20.09.2015, 13:49

Nein, Vincent, das ist ja nicht implizit empirisch. Man kann aucht theoretisch am Modell diskutieren, das Über-Ich als Hypothese innerhalb eines möglichen Erklärungsmodells annehmen, ohne eine Tatsachen-Behauptung damit aufzustellen.

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mitplauderin
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Beitrag So., 20.09.2015, 14:05

Wie ich es sehe und empfinde:
Einteilungen sind grundsätzlich hilfreich. War auch für mich so: Schocktrauma/Entwicklungstrauma. Ich hatte ja überhaupt keine Ahnung, was in und bei mir so abläuft, ausser, dass es Leiden verursachte/produzierte. Da empfand ich es schon entlastend, zu erfahren, dass sich hinter meinem Leid ein Trauma verbirgt. Das Ding bekam sozusagen einen Namen: Posttraumatische Belastungsstörung. Jetzt "wusste" ich, mit wem ich es zu tun hatte (auch wenn ich noch ziemlich ahnungslos war), und war nicht mehr nur "gestört". Ok, meine PTBS, gehen wir es an. Die nächste Erkenntnis. Obwohl meine Schwestern in derselben Familie aufgewachsen sind und vom selben Täter missbraucht wurden, haben sie andere Überlebens-strategien entwickelt und gehen auch heute noch anders damit um. Also: Meine Strategien haben mit mir zu tun. Mein Empfinden hat mit mir zu tun. Es gibt keine einheitlichen, keine allgemein gültigen Regeln. Es gibt nur die Frage: Weshalb geht jemand wie mit einer Erfahrung um? Und die Antwort auf diese Frage ist so individuell und so vielfältig, wie es Menschen auf der Welt gibt. Das ist Einzig-Art-igkeit!

@vincent
Was mich wundert, ist, dass das Über-Ich hier so selbstverständlich als (empirische) Tatsache angenommen wird.
Tatsache war, dass in mir verschiedene Anteile operierten. Das Über-ich maskierte sich als innerer "Antreiber", innerer "Papst", innere "Kritikerin" und ich bin froh, Frieden mit allen gefunden zu haben


Vincent
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Beitrag So., 20.09.2015, 22:00

lamedia hat geschrieben:Nein, Vincent, das ist ja nicht implizit empirisch. Man kann aucht theoretisch am Modell diskutieren, das Über-Ich als Hypothese innerhalb eines möglichen Erklärungsmodells annehmen, ohne eine Tatsachen-Behauptung damit aufzustellen.
Ja, sicher. Das Modell finde ich als Orientierungshilfe für mich auch immer wieder reizvoll. Wenn man mit mehreren Beteiligten darüber diskutiert, muss man eben nur wissen, was jeder jeweils da subjektiv hineinlegt.

Meine Bemerkung oben galt lediglich den scheinbar faktischen Feststellungen, dies und jenes gehörte (unbedingt) hierzu und dazu, als sei das Konzept eine klar umrissene Realität.

mitplauderin hat geschrieben:Tatsache war, dass in mir verschiedene Anteile operierten. Das Über-ich maskierte sich als innerer "Antreiber", innerer "Papst", innere "Kritikerin" und ich bin froh, Frieden mit allen gefunden zu haben

Das ist doch wunderbar!
"Eigentlich bin ich ganz anders, aber ich komme so selten dazu." (Horvàth)


Widow
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Beitrag So., 20.09.2015, 22:20

Zum Betreff/Topic:

Warum? Warum schon wieder diese Differenzierung zwischen "Trauma" und "Trauma"?
Ist in diesem Forum nicht schon unzählige Male darüber geschrieben - und irgendwann immer gestritten - worden?

Dass bereits das Eingangsposting - nachdem es zwischen "Trauma" und "Trauma" zu unterscheiden versucht hat - dann von einem "Kontinuum" spricht und die zuvor selbstzementierte Differenz zwischen "Trauma" und "Trauma" damit aufzuheben versucht, das finde ich verräterisch.

Ebenso, dass postings danach darauf abheben, dass ein "Trauma" allein (in diesem Falle das "Entwicklungstrauma") ja noch kein "Trauma" sei, sondern meistens noch das andere "Trauma" hinzukommen müsse, damit "Trauma" draus werde, so als Psychodiagnose. - Auch das finde ich verräterisch.

Geht es hier wieder, immer noch, nach wie vor um's Messen?
Nun nicht mehr nur à la "Wer hat welches Trauma?", sondern à la "Wer hat wieviel von welchem Trauma?"

Ist das nun der - zweifelsohne ggf. weitaus höher ausdifferenzierte - Sprachgebrauch samt Erkenntnisbedarf hier?

Fragt, müde,
Widow


mio
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Beitrag So., 20.09.2015, 22:44

Hallo Möbius,

ich bin nicht so sehr "Freud-kundig" und auch nicht so sehr "Freud affin" (auch wenn ich denke, dass er das wohl für die damalige Zeit ganz gut überschaut hat), mag daran liegen, dass ich da einfach von der "Hirn-Ebene" die ich sehr stimmig finde für mich selbst und mein eigenes Erleben nur schwer wegkomme, aber im Prinzip liest es sich für mich, so wie Du es beschreibst, ähnlich, wie ich es "hirnorganisch" verstehe (und ich verstehe unsere neuronalen Netzwerke als bedingt veränderbar und beeinflussbar).

Das, was Freud als "ES", "ICH" und "ÜBERICH" festgelegt hat, würde ich (ähnlich wie von Lamedia ja bereits erwähnt) in "Amygdala" und "Präfrontalen Kortex" einteilen, wobei die "Amygdala" für mich mit dem "emotionalen, unmittelbaren" Erleben verbunden ist (ähnlich Freud's ES) und der präfrontale Kortex mit der "Bewertung, Einteilung" dessen (ähnlich Freud's ÜBERICH). Die "normale" Verknüpfung (kohärente Zusammenarbeit) beider Bereiche bildet für mich das stabile ICH, das sowohl individuell unterscheidet, als auch individuell zusammenführt, so dass beides gut miteinander arbeitet.

Freud's Thesen dazu finde ich in Deiner Interpretation/Ausführung sehr spannend, aber sie bilden für mich ein damals noch recht "unerforschtes" Gebiet zwar "Menschen-/Gestaltstypisch" gerecht ab, aber eben meiner Meinung nach auch eingeschränkt, aufgrund dessen. Meint, ich finde er hat es gut beobachtet, aber konnte es nur unzureichend erklären und damit wohl auch nur unzureichend "behandeln", teilweise. Ich denke mal, dass sich da in den nächsten Jahren noch vieles tun wird, gerade im Bereich Neuropsychologie. Mich persönlich fasziniert das, aber ich habe auch kaum Problem mehr damit, mich als "Prozess" zu erleben bzw. dieses Erleben zuzulassen. Jenseits von diesem "Ich-Gedanken", der mir zunehmend konstruiert und fehlerhaft er- und einzig der menschlichen Angstbewältigung zu dienen scheint.

Lieben Gruss,

mio


mio
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Beiträge: 9268

Beitrag So., 20.09.2015, 23:01

Hallo Widow,
Widow hat geschrieben: Geht es hier wieder, immer noch, nach wie vor um's Messen?
Nun nicht mehr nur à la "Wer hat welches Trauma?", sondern à la "Wer hat wieviel von welchem Trauma?"
ich kann nur von mir sprechen, aber mir geht es nicht um ein "messen" von irgendwas, sondern darum, etwas zu verstehen, indem ich sowohl die Unterschiede als auch die Ähnlichkeiten betrachte. Ich persönlich finde es hilfreich, da so ranzugehen, da mir so eine Differenzierung (und da meine ich vor allem meine "innenpsychische", aber auch eine "lösungsorientierte allgemein") vorzunehmen.

Ein Loch im Reifen braucht ja auch eine andere Lösung als ein undichtes Ventil, ums mal blöd zu formulieren. Die Konsequenz scheint vielleicht erst einmal ähnlich zu sein: Beide Reifen haben keine Luft mehr. Aber bei dem einen Reifen wird mir ein neues Ventil nix helfen, beim anderen nicht die Suche nach dem vermeintlichen Loch.

Gerade das Rausnehmen dieses "es ist ein Messen" oder ein "Bewerten" Gedankens, eröffnet meiner Meinung nach erst die individuelle "Lösungswelt". Und es liegt bei jedem Individuum selbst, ob es diesen Gedanken rausnehmen mag und kann.

Lieben Gruss,

mio


Widow
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Beiträge: 2240

Beitrag So., 20.09.2015, 23:22

Sich über Differenzierungen hinsichtlich psychologischer Diagnosen (zum Beispiel zum Begriff "Trauma") klar werden zu wollen, ist zweifelsohne als betroffener Mensch wichtig.

Dieser Weg führt aber nicht über eine Selbsthilfegruppe und nicht über dieses Psychotherapie-Forum hier.
Denn sobald man sich in die FACH-Literatur zum Thema einliest, begreift man, dass da kein Konsenz existiert. Dass es, auf unser Beispiel bezogen, keinen ausdefinierten Trauma-Begriff gibt.

Wie also könnten Laien, Dilettantinnen und Diletaten, Menschen, die sich niemals jahrelang ausschließlich erst im Studium, dann im Beruf und ggf. schließlich in jahrelanger TherapeutInnenausbildung und -berufsausübung damit beschäftig haben, - wie könnten solche Laien, die wir hier allesamt sind,
solche hochkomplexen Begriffe wie "Trauma"
klären können?

Das einzige, was nach meinen nunmehr jahrelangen Beobachtung in einem Forum wie unserem dabei rauskommt, ist:
"Dein Trauma ist kleiner als meins!!!"

Wer den steinigen Weg über das Studium von Fachliteratur scheut, mag sich der Illusion hingeben, hier Antworten auf seine Fragen zu erhalten.
- Fragen, auf die nach absovierter Lektüre der Fachliteratur keine Antwort erfolgt.
So ist das mit der Wissenschaft: Da gibt es oft einfach keine Antwort.

Möge messen, wer messen muss - Zwanghaftigkeit ist mir wohlvertraut;
möge aber auch lachen können, wer lachen kann - Humor ist Leben.

w


mio
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Beitrag So., 20.09.2015, 23:39

Hallo Widow,

nun, niemand zwingt Dich, Dich mit einem dilletantischen Austausch auseinanderzusetzen. Wenn Dir das persönlich zu "wenig" ist, dann ist das doch in Ordnung. Es gibt andere Wege, die Du dann gehen kannst. Für Dich, Deinem Anspruch gemäss.

Und wenn Du darin nichts als einen "Vergleich" sehen kannst, dann ist das eben so. Für Dich.

Besonders "lebenszugewand" humorvoll kommst Du mir dabei aber nicht gerade vor. Eher sarkastisch/bitter. Aber auch Galgenhumor beinhaltet ja Humor, von daher? Jedem das seine.


Lieben Gruss,

mio

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lamedia
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Beitrag Mo., 21.09.2015, 11:43

Widow hat geschrieben:Zum Betreff/Topic:
Warum? Warum schon wieder diese Differenzierung zwischen "Trauma" und "Trauma"?
Ist in diesem Forum nicht schon unzählige Male darüber geschrieben - und irgendwann immer gestritten - worden?
Hm, warum eigentlich nicht? Ist es falsch, moralisch verwerflich? Oder redundant? (Ich glaube aber, dass sich hier eigentlich nur die melden, für die es nicht redundant ist und die Themen und Gedanken mit den eigenen Themen und Gedanken verbauen.)
Widow hat geschrieben:Dieser Weg führt aber nicht über eine Selbsthilfegruppe und nicht über dieses Psychotherapie-Forum hier.
Denn sobald man sich in die FACH-Literatur zum Thema einliest, begreift man, dass da kein Konsenz existiert.
Das ist doch das Spannende an Diskussionen und medizinischen und psychotherapeutischen Themen: Konsens existiert nicht so häufig, es gibt Schulen, Richtungen, Äquivokationen (man spricht den gleichen Begriff aus, meint aber Verschiedenes). Deswegen ist es gut, über Begriffe zu reden. Für mich ist fast jede Diskussion offen. Ich revidiere meine Ansichten, wenn bessere Argumente kommen, werfe Theorien über den Haufen, wenn das Modell nicht mehr passt.
Was spricht dagegen, dass Wissen/Sprache verschiedene Richtungen nimmt: Von der medizinisch-psychotherapeutischen "Hochkultur" hinein in die Selbsthilfegruppen und Foren, von den Betroffenen zurück zu den "Fachmenschen" , von Betroffenen zu Betroffenen und von Fachmenschen zu Fachmenschen. Jede dieser Ebenen hat ihre Berechtigung und ihre spezfischen Soziotope und Regeln, aber ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass wir hier so meilenweit entfernt vom medizinisch-therapeutischen Bedeutungsumfang sind.
Widow hat geschrieben:Wie also könnten Laien, Dilettantinnen und Diletaten, Menschen, die sich niemals jahrelang ausschließlich erst im Studium, dann im Beruf und ggf. schließlich in jahrelanger TherapeutInnenausbildung und -berufsausübung damit beschäftig haben, - wie könnten solche Laien, die wir hier allesamt sind,
solche hochkomplexen Begriffe wie "Trauma"
klären können?
Ich glaube erstens, dass hier sicher schon bei einigen jahrelange Auseinandersetzungen stattgefunden haben - und "klären" und "definieren" scheint mir weniger die Intention als der Austausch und das Gespräch und das Verstehen-Wollen.

Widow hat geschrieben:Ebenso, dass postings danach darauf abheben, dass ein "Trauma" allein (in diesem Falle das "Entwicklungstrauma") ja noch kein "Trauma" sei, sondern meistens noch das andere "Trauma" hinzukommen müsse, damit "Trauma" draus werde, so als Psychodiagnose. - Auch das finde ich verräterisch.
"verräterisch?" Warum so emotional? Ich hab die Diskussion ganz anders verstanden. Habe das Messen und Vergleichen hier gerade nicht gefunden. Hab mich jetzt ein wenig von der Aufregung anstecken lassen, aber merke eigentlich, dass ich ihr inhaltlich gar nicht so richtig folgen kann?

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