Liebe, Lügen, Betrug in der Therapie :(

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.

leberblümchen
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Beitrag Sa., 05.09.2015, 11:45

Zu deiner Frage: Ich glaube, das sind fließende Übergänge. Ich hab hier noch von niemandem gelesen, der eine sogenannte "klassiche Analyse" macht. Die ist dadurch charakterisiert, dass sie quasi ziellos ist und nur zum besseren Verständnis der eigenen Persönlichkeit dient, deren Hauptziel also kein therapeutisches ist. Die zahlt man dann selbst, und man geht ca. 4x die Woche auf die Couch.

Das, was du hier liest, sind Berichte von analytischen Therapien, die zunächst mal von der Kasse bezahlt werden - es sei denn, das Kontingent reicht nicht oder man möchte die Kasse nicht "dabei haben". Innerhalb dieser Therapien ist alles Mögliche denkbar: liegen oder sitzen, 1x oder (vorübergehend) 4x usw. Meist spielt sich alles im Rahmen von 2-3 Stunden pro Woche ab für insgesamt 240-300h. Es gibt aber auch analytische Therapien, die kürzer oder länger sind.

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Tilda
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Beitrag Sa., 05.09.2015, 11:49

Danke für die Erklärung! Es hat sich oft so angehört, als würden viele hier eine "richtige" Analyse machen. Vielleicht hatte ich auch falsche Vorstellungen. Ich dachte immer: liegend auf der Couch = klassische Analyse.
Für mich wäre es ein Alptraum, da so ausgeliefert zu liegen und den anderen nicht mal sehen zu können.


Darf ich noch eine Frage stellen? Wie ist das mit den Diagnosen... Habt ihr sie auch nicht erfahren und was soll da der Sinn dahinter sein?

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mondlicht
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Beitrag Sa., 05.09.2015, 11:53

Hallo Tilda,

ich kenne dein Problem aus meiner eigenen Erfahrung. Ich empfinde deine Worte als sehr selbstgeißelnd. Ja - du sehnst dich nach mehr Aufmerksamkeit. Dafür wirst du deine guten Gründe haben. Und du hast, um sie zu bekommen, etwas erzählt, das nicht der Wahrheit entspricht.
Dass man die Wirklichkeit in ein anderes Licht rückt, Dinge verschweigt oder beschönigt, gehört zur "normalen" Kommunikation dazu. Die Grenzen zwischen "qualitativer" und quantitativer" Lüge verschwimmen oft.
Und für Therapien gilt - du thematisierst das, das du bereit bist zu thematisieren. Du bist deiner Therapeutin nichts schuldig. Du könntest zum Beispiel aufhören, deine Lügen weiterzuspinnen und dich mit deiner Therapeutin auf deine Probleme konzentrieren. Du musst auch das "Thema" deiner Lüge nicht vertiefen. Wenn ihr analytisch arbeitet, kann ich mir nicht vorstellen, dass sie von sich aus dieses Thema aufgreift oder daran festhält.

Wichtig ist für dich - ohne Selbstverurteilung - deine Sehnsüchte nach Angenommen-Werden zu spüren. Die kannst du auch der Therapeutin sagen. Du könntest ihr auch sagen, dass du das Gefühl hast, krank sein zu müssen oder schlimme Dinge erlebt haben zu müssen, um von ihr angenommen zu werden. Oder dass du dir manchmal wünschst, noch kränker und hilfloser zu sein, um mehr Zuwendung und Mitgefühl zu bekommen. Du brauchst ihr nichts zu "gestehen".
Wenn sie eine gute Therapeutin ist, wäre sie wohl auch nicht enttäuscht von deiner Lüge. Es geht um dich, nicht um sie. Die Frage ist, ob du dir selbst so ins Gesicht schauen und dieses Thema mit seiner ganzen Wucht einbringen möchtest. Ob dir das helfen würde. Du musst diesen Weg (aus moralischen Gründen) nicht wählen. Es gibt viele andere Wege, mit ihr an deinen Problemen zu arbeiten.
Ich habe es meiner Therapeutin nicht gesagt.
Sei nicht so streng mit dir!


leberblümchen
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Beitrag Sa., 05.09.2015, 11:59

Naja, "man" sagt das - nicht nur hier, sondern allgemein - so, dass eine analytische Therapie eine "Analyse" ist.

Die Diagnose ist eigentlich als Schlagwort nur für die Kasse relevant. Denn die sollen ja bezahlen. Was halt schon interessant ist, finde ich, ist die Frage: "Wie sieht mich der Therapeut?" Aber stell dir vor, du fragst ihn und er sagt dann sofort: "Ich sehe Sie so und so" - wo bleibst dann du mit deiner Sicht auf dich? Die ist eigentlich viel spannender, weil es dir ja nichts nützt, wenn du mit dem Etikett, das der Therapeut dir anheftet, rumläufst.

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münchnerkindl
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Beitrag Sa., 05.09.2015, 13:00

leberblümchen hat geschrieben: Die Diagnose ist eigentlich als Schlagwort nur für die Kasse relevant. Denn die sollen ja bezahlen. .


Also ich persönlich empfinde eine korrekte Diagnose als sehr relevant.

Ich kann mit so einem vagen "mir gehts scheisse und ich komme mit dem Leben nicht klar" nicht umgehen, wenn ich keinen klaren Namen, keinen klar umrissenen "Feind" habe mit dem ich mich da dann rumschlagen muss. Ohne Diagnose, das wäre der Umgang mit meinen Problemen für mich ungefähr so wie der Versuch, einen Pudding an die Wand nageln zu wollen.

Ich muss den "Feind" kennen, gerade auch um ihn von meinen gesunden Anteilen klar abgrenzen zu können, also sagen zu können, das ist gesund an mir, und da fängt die Symptomatik an, auf die ich ein Auge haben muss, damit sie mich möglichst nicht kalt von hinten erwischen kann weil ich alles einfach so laufen lasse (zB depressive oder ängstliche Gedankengänge nicht wie Unkraut wuchern lassen bis ich im Loch sitzte wo ich mich wieder rausschaufen muss, gewisse Dinge die ich besser meide damit ich keine dissoziativen Zustände bekomme, genug unter Leute kommen damit ich nicht zu sehr mit ungesundem Rumhocken und Grübeln mich selbst runterziehe etc).

Das Verständnis von dem was da bei mir abläuft ist für mich ungeheuer wichtig, das hat auch nur am Rande was mit Therapie zu tun. Nur wenn ich etwas verstehe habe ich eine Chance, das selbst aktiv beeinflussen zu können. In etwa so wie wenn du einen Hund mit nervtötenden Gewohnheiten so dressieren willst, dass er weder dich beisst noch die Wohnung zerlegt, noch alle Passanten wild ankläfft, da musst du erst mal verstehen wie ein Hund so tickt und was dieser Hund für ein Problem hat.

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Tilda
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Beitrag Sa., 05.09.2015, 13:37

leberblümchen hat geschrieben:Die Diagnose ist eigentlich als Schlagwort nur für die Kasse relevant. Denn die sollen ja bezahlen. Was halt schon interessant ist, finde ich, ist die Frage: "Wie sieht mich der Therapeut?" Aber stell dir vor, du fragst ihn und er sagt dann sofort: "Ich sehe Sie so und so" - wo bleibst dann du mit deiner Sicht auf dich? Die ist eigentlich viel spannender, weil es dir ja nichts nützt, wenn du mit dem Etikett, das der Therapeut dir anheftet, rumläufst.
Wie sie mich sieht, das hat sie mir schon öfters ausführlich beschrieben. Sie betont auch immer, dass ich nachfragen soll,wenn ich das wissen möchte, denn sowas ist ja auch im Fluss und kann sich verändern.
Aaaaaber ( ) bei diesen Schilderungen ist sie immer sehr darauf bedacht, die letztendliche Diagnose aussen vor zu lassen. Und das empfinde ich eher so wie münchnerkindl es beschrieben hat: Warum das Kind nicht beim Namen nennen??? Ich möchte mich ja nicht ewig daran aufhängen, aber es wäre doch interessant zu wissen.
Letztlich stehe ich nun alleine damit da und grüble immer noch. Ich vermute bei mir eine Borderline Persönlichkeitsstörung, traue mich aber nicht das an- oder auszusprechen. Aus Angst falsch zu liegen oder dass sie dann darüber amüsiert ist. Aber vielleicht könnte man sagen: ja, das ist meine Sicht auf mich selbst, bzw. meine Vermutung über mich selbst. Bestätigen wird sie mir das wohl nicht. Oder noch nicht. Wer weiß.
münchnerkindl hat geschrieben:Ich kann mit so einem vagen "mir gehts sch*** und ich komme mit dem Leben nicht klar" nicht umgehen, wenn ich keinen klaren Namen, keinen klar umrissenen "Feind" habe mit dem ich mich da dann rumschlagen muss. Ohne Diagnose, das wäre der Umgang mit meinen Problemen für mich ungefähr so wie der Versuch, einen Pudding an die Wand nageln zu wollen.
Jetzt musste ich gerade schmunzeln - einen Pudding an die Wand nageln, ja, das trifft es gut. Genau so fühle ich mich oft in meiner Therapie. Zu vieles ist noch zu schwammig. Was mich dann besonders nervt sind diese typischen Gegenfragen eines Analytikers: "Mich würde interessieren, warum Sie das wissen möchten? Was macht es mit Ihnen?"

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Tilda
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Beitrag Sa., 05.09.2015, 13:48

Liebe mondlicht,
danke für deine Worte, sie geben mir ganz viel.
Insgeheim hofft man ja, dass sich jemand meldet, der das Beschriebene so oder so ähnlich auch erlebt hat.
mondlicht hat geschrieben:Dass man die Wirklichkeit in ein anderes Licht rückt, Dinge verschweigt oder beschönigt, gehört zur "normalen" Kommunikation dazu. Die Grenzen zwischen "qualitativer" und quantitativer" Lüge verschwimmen oft.
Vielleicht ist es selbstgeißelnd, aber ich möchte doch betonen, dass ich nicht bloß Dinge verschwiegen, beschönigt oder abgewandelt habe... Sondern erfunden. Ich brauche jetzt gerade diese Offenheit gegenüber mir selbst, um das nicht weiter fortzuführen...

mondlicht hat geschrieben:Und für Therapien gilt - du thematisierst das, das du bereit bist zu thematisieren. Du bist deiner Therapeutin nichts schuldig. Du könntest zum Beispiel aufhören, deine Lügen weiterzuspinnen und dich mit deiner Therapeutin auf deine Probleme konzentrieren. Du musst auch das "Thema" deiner Lüge nicht vertiefen. Wenn ihr analytisch arbeitet, kann ich mir nicht vorstellen, dass sie von sich aus dieses Thema aufgreift oder daran festhält.
Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Ja, vermutlich wird sie nicht von selbst darauf zurückkommen. Ich unterschätze wohl meinen Einflussbereich in der Therapie. Und ja, ich denke tatsächlich oft, ihr etwas "schuldig" zu sein, bzw. möchte ich ihr gefallen, mich "korrekt" verhalten, was immer das in einer Therapie heißen mag, das weiß ich selbst nicht.
mondlicht hat geschrieben:Wichtig ist für dich - ohne Selbstverurteilung - deine Sehnsüchte nach Angenommen-Werden zu spüren. Die kannst du auch der Therapeutin sagen. Du könntest ihr auch sagen, dass du das Gefühl hast, krank sein zu müssen oder schlimme Dinge erlebt haben zu müssen, um von ihr angenommen zu werden. Oder dass du dir manchmal wünschst, noch kränker und hilfloser zu sein, um mehr Zuwendung und Mitgefühl zu bekommen. Du brauchst ihr nichts zu "gestehen".
Wenn sie eine gute Therapeutin ist, wäre sie wohl auch nicht enttäuscht von deiner Lüge. Es geht um dich, nicht um sie. Die Frage ist, ob du dir selbst so ins Gesicht schauen und dieses Thema mit seiner ganzen Wucht einbringen möchtest. Ob dir das helfen würde. Du musst diesen Weg (aus moralischen Gründen) nicht wählen. Es gibt viele andere Wege, mit ihr an deinen Problemen zu arbeiten.
Ich habe es meiner Therapeutin nicht gesagt.
Sei nicht so streng mit dir!
Das klingt nach einem guten Weg für mich. Ich werde es vermutlich nicht schaffen, es direkt zu beichten, das spüre ich irgendwie. Aber ihr das so zu sagen - ja, ich habe das Gefühl, noch verletzlicher sein zu müssen, damit Sie mich wahrnehmen und sich meiner annehmen - das kann ich mir vorstellen ihr zu sagen. Vielleicht ahnt sie es ohnehin, oder erkannte es bereits, bevor ich es selbst mir eingestanden habe.
Und bis dahin wird sie mir weiterhin so fehlen...
Vielleicht ist das einer der zentralen Punkte, den es zu bearbeiten gilt. Ich möchte nicht am Ende einer Analyse noch ein größeres Wrack sein als zuvor, weil ich mich in die Abhängigkeit begeben und nicht mehr herausgefunden habe...


leberblümchen
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Beitrag Sa., 05.09.2015, 15:28

Ich sehe das mit der Diagnose anders, und ich wollte damit sozusagen versuchen zu erklären, warum viele Therapeuten das nicht so gerne machen. Ich weiß auch nicht, wie es in anderen Therapieformen gehandhabt wird, aber die Analyse betrachtet ja gerade nicht isolierte Probleme, die man behebt, sondern - so sehe ich das jedenfalls - die gesamte Persönlichkeit. Und die wird ja nicht anders, indem man sie irgendwie benennt und in eine Schublade steckt. Abgesehen davon, trifft sie selten 100% zu. Es gibt Menschen mit Borderline-Tendenzen, zum Beispiel. Aber was gibt dir das jetzt, wenn sie das bestätigt oder leugnet? Du hast die Vermutung ja nicht ganz ohne Grund. Du wirst bestimmte Verhaltensweisen an dir erkannt haben oder bestimmte Gedankengänge, die typisch sind für Borderliner. Die gehen ja nicht weg, nur weil sie sagt: "Ihre Diagnose lautet anders".

Das Schwammige kommt ja nicht daher, dass SIE dir nicht sagt, wer du bist; sondern es kommt daher, dass du es selbst nicht weißt. Du würdest dich aber auch nicht besser kennen lernen, wenn sie dir das abnimmt.

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münchnerkindl
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Beitrag Sa., 05.09.2015, 15:33

Tilda hat geschrieben:
münchnerkindl hat geschrieben:Ich kann mit so einem vagen "mir gehts sch*** und ich komme mit dem Leben nicht klar" nicht umgehen, wenn ich keinen klaren Namen, keinen klar umrissenen "Feind" habe mit dem ich mich da dann rumschlagen muss. Ohne Diagnose, das wäre der Umgang mit meinen Problemen für mich ungefähr so wie der Versuch, einen Pudding an die Wand nageln zu wollen.
Jetzt musste ich gerade schmunzeln - einen Pudding an die Wand nageln, ja, das trifft es gut. Genau so fühle ich mich oft in meiner Therapie. Zu vieles ist noch zu schwammig. Was mich dann besonders nervt sind diese typischen Gegenfragen eines Analytikers: "Mich würde interessieren, warum Sie das wissen möchten? Was macht es mit Ihnen?"

Da gibt es eine ganz einfache Antwort: Ich würde ja auch bei einem Magengeschwür, einem Rückenproblem oder einer Autoimmunerkrankung eine klare Diagnose haben wollen. Warum also bei einer psychischen Krankheit nicht. Ist schliesslich genauso eine Krankheit wie etwas körperliches. Ich will auch wissen was kaputt ist wenn ich mein Auto in die Werkstatt bringe oder der Klempner im Haus eine Reparatur machen muss.

Wenn du eine Diagnose haben willst, dann würde ich eine Diagnostik machen lassen. Da ist natürlich ein Analytiker nicht die geeignete Anlaufstelle sondern ein Psychiater oder eine psychiatrische Klinikambulanz.

Es gibt anscheinend schon auch Leute, bei denen das Wissen um eine Diagnose behindernd sein kann, wenn sich dann alle Gedanken nur um die Diagnose drehen.


leberblümchen
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Beitrag Sa., 05.09.2015, 15:41

Warum also bei einer psychischen Krankheit nicht. Ist schliesslich genauso eine Krankheit wie etwas körperliches
Jein, würde ich sagen. Bei einer körperlichen Krankheit ist die Behandlung ja viel konkreter: Es gibt Medikamente oder evtl. einen chirurgischen Eingriff usw. Die Seele des Arztes und die des Patienten spielen keine Rolle. Theroretisch könnte auch der größte A.rsch die OP durchführen - sie würde trotzdem u.U. gelingen. Weil der Erfolg nicht von persönlichen Eigenschaften abhängt, sondern einzig von den praktischen Fertigkeiten. Die Seele heilt aber durch die Beziehung zum Therapeuten, und die Seele lässt sich auch nicht in einer Summe von Symptomen ganzheitlich erfassen. Wenn aber die Beziehung das Wichtigste ist, dann ist es nicht der Name der Störung - anders als bei einer körperlichen Krankheit.

Ich finde das auch nicht uninteressant, weil es schon eine Rolle spielt, ob ich nun leicht neurotisch oder schwer psychotisch bin. Aber meiner Meinung nach ist der beste Weg, solche Fragen herauszufinden, mit dem Therapeuten über sich selbst zu sprechen, u.U. auch anhand von einzelnen Fragestellungen (z.B. Realitätsprüfung usw.).

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münchnerkindl
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Beitrag Sa., 05.09.2015, 15:45

leberblümchen hat geschrieben: aber die Analyse betrachtet ja gerade nicht isolierte Probleme, die man behebt, sondern - so sehe ich das jedenfalls - die gesamte Persönlichkeit. .

Ich sehe nicht, wieso sich das ausschliessen solle oder müsste. Und klar kann man auch isolierte Probleme, die einem das Leben schwermachen angehen. Es ist doch auch gut fürs allgemeine Selbstwertgefühl, wenn man sich auch selbst helfen kann mit Befindlichkeitsproblemen.


mio
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Beitrag Sa., 05.09.2015, 15:46

Hallo Tilda,

ich denke mal das mit den Diagnosen hat zwei Aspekte:

1. Da ist was, was eine Erklärung für meine Probleme möglich macht. Damit kann ich auch nach einer geeigneten Lösung dafür suchen, so ich mir nicht alles "anziehe" was diese Diagnose umfasst und weiterhin in der Lage bin zu differenzieren, womit ich Probleme habe und womit nicht.

2. Ich werde zur "Diagnose". Und ich denke mal, dass wollen Therapeuten vermeiden.

Ich bin auch eher bei 1., weil es für mich einen WEG bedeutet, keine SCHUBLADE. Und vielleicht kannst Du ja nochmal mit ihr genau darüber sprechen? Also was es für Dich bedeutet, wie Du Dich siehst und mit ihr abgleichen, wie sie Dich sieht? In Bezug auf das "Lügen und Übertreiben" so gibt es da einen Begriff dafür:

https://de.wikipedia.org/wiki/Pseudologie

Wenn ich es richtig verstehe, geht es da tatsächlich um einen "fehlgeleiteten/verbotenen" Aufmerksamkeitswunsch, der nicht eingestanden werden kann, bzw. es wird wohl befürchtet (wurde gelernt), dass anders keine Aufmerksamkeit geschenkt wird, erhalten werden kann. Die Gründe hierfür dürften in Deinen bisherigen Lebenserfahrungen zu suchen sein und genau dies kannst Du Dir in der Therapie mit Deiner Therapeutin erarbeiten: Ein Verstehen Deiner Selbst und Deiner Handlungen. Willst Du ja auch , wie Dein Thread hier zeigt. Fehlt nur noch das "mit zu ihr" bringen...

Lieben Gruss,

mio


leberblümchen
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Beitrag Sa., 05.09.2015, 15:48

Münchnerkindl: Ja, klar, aber da ist es doch gut, wenn man dann über das Problem selbst spricht, also hier z.B.: "Ich hab Sie angelogen" - und wenn dann sozusagen als Antwort kommt: "Kein Wunder, Sie sind Borderliner", dann hilft das doch gar nicht. Dazu braucht es das Wort doch nicht wirklich, oder?

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Tilda
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Beitrag Sa., 05.09.2015, 15:53

Ich kann euch beide verstehen. Aber man ist doch neugierig und möchte es auch allein deswegen wissen, oder? leberblümchen, bist du deshalb so entspannt, weil du deine Diagnose bereits kennst? Oder ist das für dich tatsächlich eher unbedeutend?
leberblümchen hat geschrieben:Es gibt Menschen mit Borderline-Tendenzen, zum Beispiel. Aber was gibt dir das jetzt, wenn sie das bestätigt oder leugnet? Du hast die Vermutung ja nicht ganz ohne Grund. Du wirst bestimmte Verhaltensweisen an dir erkannt haben oder bestimmte Gedankengänge, die typisch sind für Borderliner. Die gehen ja nicht weg, nur weil sie sagt: "Ihre Diagnose lautet anders".
Es gibt mir irgendwie ein Stück innere Sicherheit, so stelle ich mir das jedenfalls vor. Also wie einen Punkt, den ich abhaken kann, weil ich dann endlich weiß: ja, okay, hier kann ich mich einordnen, das bin ich irgendwie, hier finde ich mich wieder. Ich finde mich zwar auch ohne ihre Bestätigung dort wieder, aber nun ja, so sicher ist das dann auch wieder nicht, was ich mir zusammen spinne.
leberblümchen hat geschrieben:Das Schwammige kommt ja nicht daher, dass SIE dir nicht sagt, wer du bist; sondern es kommt daher, dass du es selbst nicht weißt. Du würdest dich aber auch nicht besser kennen lernen, wenn sie dir das abnimmt.
DAS stimmt allerdings! Danke, ich hätte es so nicht formulieren können, aber es ist absolut wahr.


@münchnerkindl

Was ihr alles wisst! Ich habe bislang nicht gewusst, dass ein Analytiker nicht "der Richtige" ist, wenn es um Diagnosen geht. Der Analytiker ist dann wohl eher dazu da, sich zu verlieben und das Gefühlswirrwarr zu komplettieren... Hach ja. :(

Absurd fand ich die Szene, als mich meine Psychiaterin nach meiner Diagnose gefragt hat. "Ähm ja, ich würde Ihnen das gerne beantworten, aber rufen Sie doch einfach mal meine Therapeutin an, denn leider Gottes ist das streng geheim!"

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münchnerkindl
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Beitrag Sa., 05.09.2015, 15:58

leberblümchen hat geschrieben:Die Seele heilt aber durch die Beziehung zum Therapeuten, und die Seele lässt sich auch nicht in einer Summe von Symptomen ganzheitlich erfassen. Wenn aber die Beziehung das Wichtigste ist, dann ist es nicht der Name der Störung - anders als bei einer körperlichen Krankheit..

Die Seele kann aber auch heilten, wenn man selbst ungesunde Denk- und Lebensgewohnheiten ändert. Man ist dann nicht mehr das Opfer seiner Psyche und abhängig von einem Therapeuten der einen retten soll, sondern jemand der aktiv gestalten kann.

Gerade Depression und Selbstwertgefühlprobleme sind ja auch davon abhängig ob man passiv in entsprechenden Denkgewohnheiten abhängt oder nicht, ob man sich körperlich bewegt, wie viel Stress man sich aussetzt, welche Art von sozialen Kontakten man aufsucht etc.

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