Das Vergessen von Therapeuten / Therapeutinnen

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Solage
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Beitrag Di., 26.05.2015, 22:12

Mein Ex-Thera hatte nie etwas vergessen und sich alles gemerkt, auch wenn ich es nur einmal erwähnt hatte, so auch wie der Hund vom Nachbarn heißt. Also für mich eigentlich nicht so wichtige Sachen, der hat sich alles gemerkt. Hat mir natürlich geschmeichelt.

Der jetzige Therapeut kann sich nicht alles merken und vergisst auch mal was. Hat mich am Anfang etwas enttäuscht, war ich doch verwöhnt. Aber auch total verständlich, nachdem ich ihn mit Informationen regelrecht zugeballert habe. Ich sage ihm dann schon, dass ich mich da wiederhole, oder wenn er mich fragt: "Habe ich Ihnen schon erzählt...?" Sage ich, dass er es mir schon erzählt hat.
Er meint, dass es auch wenn es manchmal so wirke, dass er nicht ordentlich zuhöre, er trotzdem konzentriert sei und auch auf meine Gefühle achte, wenn ich etwas erzähle. Also, dass es nicht immer nur auf den Inhalt ankäme, sondern eben auch oder vor allem auf das Gefühl, das hinter dem Gesagten steckt. Bezieht das Gesagte dann auch gerne mal auf die therapeutische Beziehung. Passt manchmal, aber...naja, naja, ich habe ihn dann angegrinst und er gab zu, dass er eben auch manchmal einfach etwas vergisst.
Dass er das zugegeben hat, war mir wichtiger als alle anderen gescheiten Erklärungen drumherum.

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Wandelröschen
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Beitrag Di., 26.05.2015, 22:29

Hallo Landkärtchen,
Ich habe da eine etwas andere Sicht auf dein Problem als meine Vorrednerinnen.
Du schreibst:
Landkärtchen hat geschrieben: Das Thema Vergessen / vergessen werden ist für mich ein ganz zentrales. Als Kind wurde ich mal absichtlich (aus erzieherischen Gründen) draußen vergessen. Ich hatte Todesangst, denn ich wusste nicht wie ich wieder nach Hause kam.
(…) Das Vergessen [seitens deiner Analytikerin] verletzt und verunsichert mich zutiefst. (…) Wir sprachen auch darüber was ihr Vergessen bei mir auslöst und wie sehr es mich in Panik versetzt .Und trotzdem passiert es immer wieder. Klar sie kann es wohl nicht einfach so abstellen. Doch wie damit weiter umgehen? Heute passierte es bereits nach fünf Minuten. Ich war so geschockt, dass ich nicht darauf reagieren konnte, aber Alles krampfte sich zusammen.
Landkärtchen hat geschrieben: Ich war so geschockt darüber, dass ich ihr Vergessen nicht mehr ansprechen konnte und stattdessen ging ich in die perfekte Spaltung. Ich spaltete die total schmerzhaften Gefühle die ihr Vergessen bei mir auslösten sofort ab, (…) Zu Hause angekommen begann ich fürchterlich zu zittern und mir war eiskalt.
Das was du als Kind erlebt hast, dieses absichtliche Vergessen, bei dem du Todesangst verspürt hast, war ein handfestes Trauma. Deine Therapeutin ist eine wichtige Beziehungsperson, ähnlich wie deine Eltern. Wenn irgendwelche (unwichtige) Leute etwas von dir Vergessen, mag es nicht so schlimm in den Auswirkungen für dich sein.
Aber die Vergesslichkeit deiner Therapeutin triggert dein Trauma. Es löst nicht „nur“ irgendwelche unwohligen Gefühle aus.
leberblümchen hat geschrieben: es könnte sein, dass das zu 'eurer' gemeinsamen Inszenierung gehört: dass gerade DAS, was für dich so zentral ist, durch euch beide irgendwie so reinszeniert wird, BIS das Thema durch ist und bis sie es vielleicht besser verstanden hat, was das für dich bedeutet.
Landkärtchen, das, was dir da momentan wiederfährt, getriggert durch die Vergesslichkeit deiner Therapeutin, ist nicht eure gemeinsame Inszenierung, sondern eine handfeste Retraumatisierung. Schau dir an, wie du reagierst.
Frag mal deine Thera diesbezüglich. Hat sie Wissen/Erfahrung um die Behandlung von Traumata?
Gruß
Wandelröschen

Wann, wenn nicht jetzt. Wo, wenn nicht hier. Wer, wenn nicht ich.


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Landkärtchen
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Beitrag Di., 26.05.2015, 22:44

Guten Abend Leberblümchen,

Danke zunächst für deinen Beitrag, der mir sehr hilft die Situation besser zu verstehen und aus einem anderen Blickwinkel neu zu betrachten.

An einen Wechsel der Therapeutin, bzw. Abbruch der Therapie denke ich nicht, denn ich glaube, dass ich von ihr etwas „mitnehmen“ und „bekommen“ kann, was weit über das Vergessen hinaus geht.

Vor einem Monat sagte ich ihr, dass es schon seltsam ist, dass ich an eine Therapeutin geraten bin die vergisst, während ich nie was vergessen durfte und bis heute nicht darf. Kein Detail, kein Datum, kein Ort nichts. Abgespeichert für den Fall in dem ich vor Gericht gestellt werde. Dem persönlichen Gericht und dem wirklichen (z.B. bei der Anzeige vom übergriffigen Therapeuten). Ich sagte, dass ich sie ein wenig beneide, dass sie vergessen kann. Sie schaute mich an und meinte, dass sie sich das sehr anstrengend vorstellt sich Alles!!! merken zu müssen.

Ich glaube schon, dass sie mitbekommen hat, dass das Thema „Vergessen“ ein ganz zentrales von mir ist. Ob sie von der Größe / der Dimension weiß, kann ich nicht einschätzen. In unterschiedlichen Kontexten sprachen wir in drei Stunden intensiver darüber. In der einen Stunde, in der ich ihr erzählte das ich als Kind mit Absicht von meiner Mutter vergessen wurde, nahm ich bei ihr auch Betroffenheit wahr. Wenn ich jetzt in meinen Therapietagebüchern blättere dann taucht das Thema ständig (unterschwellig) mit Beginn der Analyse auf und ich spüre deutlich, dass es noch viel vielschichtiger ist.
Mir kommt z.B. gerade der Gedanke, dass ich das „Nichtvergessen“ schon oft wie eine Waffe benutzte. Als ich damals von der Kripo vernommen wurde war die Beamtin so überrascht, dass ich mir sämtliche Tage, Orte, Uhrzeiten über einen Zeitraum von 4 1/2 Jahren detailliert merken konnte. Waffe deswegen, weil der damalige Therapeut aufgrund meiner Aussage verurteilt wurde.
Vielleicht fühlt sich die Analytikerin ja unbewusst bedroht oder kontrolliert von mir und reagiert mit Verweigerung / Vergessen? Es würde mich nicht wundern.

Doch Leberblümchen, für mich ist es ein Unterschied, ob sie weiß, ob ich getrennt lebe oder geschieden bin. Denn bereits in den probatorischen Vorgesprächen vor einem Jahr thematisierte ich mein „nicht handeln“ können bezüglich der Beziehung zu meinem Mann. Das mich dies belastet und ich dadurch mit dafür sorge, dass ich mich (finanziell) selbst schädige. Das es mein Wunsch ist, mir dieses Verhalten in dieser Therapie genauer anzusehen und es verstehen möchte um es dann ändern zu können. Aus diesem Grund hat es mich besonders verletzt das sie gerade dies (mehrmals) vergessen hat.

„Was dir wohl nur bleibt, ist, DEINE Reaktion darauf immer wieder zu thematisieren. Nicht unbedingt vorwurfsvoll, sondern - wie es so schön heißt - bei dir bleibend: dass es dich gerade schmerzt.“ Ja, das werde ich tun. Sobald sie wieder aus dem Urlaub zurück ist. Ganz sicher!

LG-Landkärtchen
Was wäre das Leben, hätten wir nicht den Mut, etwas zu riskieren?

Vincent van Gogh


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Landkärtchen
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Beitrag Di., 26.05.2015, 23:38

Lieber Fundevogel,

ja, ich denke auch, dass sich da etwas ganz Wichtiges und Schmerzhaftes aus meiner Kindheit wiederholt.
Auslöser ist stets das Vergessen werden. Dies hat zur Folge, dass ich alleine bin und die Vorstellung, dass ich der Person, die mich vergisst, egal bin. Um beide Schmerzen / Gefühle nicht ertragen / spüren zu müssen gehe ich dann über zum Auslöschen / Auflösen meiner Person. Dahin habe ich die Analytikerin allerdings noch nicht „mitgenommen“. Vielleicht kann sie erst in diesem Moment wirklich verstehen wie furchtbar es für mich ist wenn sie vergisst. Und vielleicht verknüpfe ich in der Therapie die kindliche Vorstellung das wenn jemand vergisst ich dann vergessen werde.

Da ich sehr genau Therapietagebuch nach jeder Stunde schreibe kann ich sehr gut nachvollziehen wann ich was angesprochen habe. Bei all den Beispielen die ich aufzählte gab es mindestens drei Momente in denen ich z.B. deutlich sagte, dass ich noch nie in der Psychiatrie gewesen bin.

Ich vermute, dass es eher so ist wie Leberblümchen es beschrieb. Das sie nicht immer beim Zusammensein den Fokus auf die „Fakten“ legt, sondern die Konzentration und Aufmerksamkeit an manchen Tagen eher bei den Gefühlen liegen, die mein Erzählen bei ihr auslösen und welche ich noch nicht in der Lage bin selber zu fühlen.

Hab Dank für deinen Beitrag.
LG-Landkärtchen

P.S. Ich gehe jetzt zu Bett, lese und antworte später!
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Vincent van Gogh

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Widow
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Beitrag Di., 26.05.2015, 23:45

Liebe Landkärtchen,

nicht alles hier habe ich gelesen, also kann einfach Redundantes neben meinem sonstigen Schwachsinn in meinen Zeilen sein.
Ich mag nur zweierlei zu Deiner Thread-Frage mitteilen:

1. Der Analytiker, auf dessen Couch ich ab und an liege, hat mich im ersten Jahr der "Therapie" zweimal vergessen. Er hatte 'meinen' Termin jemand anderem gegeben. Ich habe jeweils eine Stunde auf einer Parkbank gesessen. Das erste Mal zu unserer allerersten 'richtigen' Stunde.
- Ja, das sagt was, da bin ich mir sicher.
Als es das zweite Mal geschehen war, sagte der Analytiker hinterher, dass ich hoffentlich nicht seinen Rekord brechen und dreimal falsch terminiert werden würde. Bis heute ist es ihm gelungen, seinen Rekord zu halten.

2. Das zweite Vergessen war für mich ähnlich zentral wie kürzlich für Dich. Der Analytiker, auf dessen Couch ich ab und an liege, hatte vergessen, was die letzten Worte des Liebsten an mich waren, bevor er kurze Zeit später starb (es waren nur zwei Worte, das eine davon war mein Name).
Andere Menschen finden solche Worte/Situationen nicht so wichtig wie man selbst. (Den gravierenden Unterschied zwischen "Trennung" und "Scheidung" habe ich nur kennengelernt durch das Leben von Freundinnen. Vorher dachte ich auch: "So what?! Hauptsache nicht mehr zusammen!")
Der Analytiker, auf dessen Couch ich ab und an liege, hat sich damals nicht entschuldigt. Er hat mir gesagt, dass der Fehler bei mir liege. Dass ich gewissermaßen andere systematisch von der Erfahrung unserer Liebe ausschlösse und man dementsprechend mich da immer irgendwann missverstehen müsse, weil ich es so wolle.

Vielleicht hat er Recht.

Mir ist das zunehmend egal.

Menschen vergessen einen. Und Menschen vergessen, was man ihnen als etwas Wichtiges gesagt hat. So ist das.
PsychoanalytikerInnen sollen und wollen einem beibringen, wie das geht mit dem Normalmenschsein.
Das sollten wir vielleicht nicht vergessen ...

LG
w

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Bergkristall
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Beitrag Mi., 27.05.2015, 05:57

Ich dachte manchmal, sie testet mich. Sie "vergaß" z. B. die Anzahl meiner Enkelkinder, das Alter meiner Kinder.
Aber einige Termine später, wusste sie es wieder ganz genau.
Ich habe sie nie darauf angesprochen, war eher nachsichtig, dachte, o. k. bei 8 Leuten am Tag ist das schwierig.
Ich vermute mal, wenn ich zu "cool" war, wollte sie mich aus der Reserve locken.

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luftikus
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Beitrag Mi., 27.05.2015, 07:02

Ich kenne das Problem auch. Mein erster Therapeut hatte meistens von einer Sitzung zur nächsten größere Teile dessen wieder vergessen, was ich erzählt hatte. Überdies wirkte er meistens gelangweilt, und einmal ist er sogar eingenickt.

Naja, nach einigen Monaten hatte ich die Therapie abgebrochen, denn das hatte mich auch geärgert.


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Landkärtchen
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Beiträge: 453

Beitrag Mi., 27.05.2015, 07:12

Guten Morgen Wandelröschen,

also was die Heftigkeit meiner Reaktionen auf ihr Vergessen betrifft bin ich selber überrascht.

Ich habe mich in der Nacht gefragt, welcher Anteil in mir so verletzt wurde. Es ist nicht nur der kindliche, sondern auch der erwachsene Anteil. Doch ich bin mir unsicher, ob ich es gleich als Retraumatisierung beschreiben würde was gestern in der Stunde passierte. Klar, ihr Vergessen löste in mir zunächst kindliche Panik, Todesangst und anschließend auf sie gerichtete Wut aus und nichts davon konnte ich ihr in der Stunde zeigen geschweige denn mitteilen. Telefonisch war sie gestern nicht mehr erreichbar.
Ich, die Erwachsene weiß, dass Menschen vergessen und das es zum Mensch sein mit dazu gehört. Das dieses Vergessen mit unter auch eine sympathische Seite haben kann. Aber ich wurde zu oft nicht nur als Kind vergessen, sondern auch als Erwachsene und ich spüre gerade, dass das unheimlich weh tut und tiefe Verzweiflung in mir auslöst mit der Folge, dass der erwachsene Anteil den kindlichen nicht trösten und beruhigen kann, weil beide vom Vergessen betroffen sind. Mir bricht gerade mein mich stabilisierender Anteil weg.

Eine ausgewiesene Traumatherapeutin ist die Analytikerin nicht. Ich wollte in dieser Therapie aber auch nicht den Schwerpunkt auf die Aufarbeitung der Traumata legen, sondern eher wünsche ich mir ein arbeiten in und an der gemeinsamen Beziehung, welches für mich Voraussetzung ist um sich anschließend die traumatischen Erlebnisse in der Tiefe ansehen zu können. Ich habe den Eindruck, dass sie für diese „Beziehungsarbeit“ genau die Richtige für mich ist und deshalb werde ich das "Vergessen" gleich nach ihrer Urlaubspause ansprechen. Ich werde es nicht verhindern können das sie weiter vergisst, aber ich möchte mit ihr zusammen einen Weg finden, wie wir langfristig damit umgehen können ohne das die Beziehung / Therapie erodiert und damit auf der Kippe steht.

LG-Landkärtchen
Was wäre das Leben, hätten wir nicht den Mut, etwas zu riskieren?

Vincent van Gogh


Leslie
Helferlein
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Beitrag Mi., 27.05.2015, 07:41

Hallo Landkärtchen,
bei mir hat das Vergessen meiner Therapeutin eine andere Dimension, keine traumatische. Eher eine beziehungsklärende. Ich stell meine einfach mal etwas zusammenhanglos daneben.

Als meine Therapeutin einmal den Namen meines Kindes nicht nur vergessen, sondern es mit einem anderen mir völlig fremden Namen belegt hat, war ich richtig erschüttert. Nicht weil sie vergessen hatte, sondern weil mir plötzlich bewusst wurde, dass sie mich nicht kennt, nicht wirklich kennt. Dass wir im Grunde Fremde sind. Dass sie meine tiefsten Schattenseiten kennt, aber nicht mich als Ganze.

Würde ich sie normal kennen lernen, würde sie mein Haus durch den Vordereingang betreten, würde mich und ganz selbstverständlich meine Familie von Gesicht zu Gesicht kennenlernen (und umgekehrt). Und vielleicht würde ich ihr eines Tages mein ganzes Haus zeigen, wenn wir uns ausreichend kennengelernt hätten.
So bin ich mit ihr sofort und ohne Umstände in blindem Vertrauen in meinen Kohlenkeller gestiegen, wo wir seitdem herumwühlen - mein Wohnzimmer kennt sie nur vom Erzählen, es bleibt unwirklich für sie.

An dieser eigentlich banalen Verwechslung habe ich das gemerkt. Was eigentlich klar ist, hat mich in diesem Moment schockiert. Ich habe einige Zeit gebraucht, um diesen unüblichen Weg zu akzeptieren und anzunehmen. Sie kennt persönlich nur meinen Keller. Wir arbeiten dort zusammen: das verbindet und schafft Nähe. Dass mein Alltag ein anderer ist, vergisst sie manchmal. Den kennt sie ja nur vom Hörensagen, er verbindet uns nicht. Manchmal vergisst sie auch, dass ich nicht nur die im Kohlenkeller bin.

Das damalige Vergessen hat mir so gesehen geholfen, dass ich mich ganz in den Blick bekomme und ganz bewusst merke: jetzt steige ich in den Keller, allein oder mit meiner Therapeutin, jetzt lebe ich in Gemeinschaft mit meiner Familie. Mit dieser Trennung komme ich inzwischen gut zurecht und sie hilft mir gleichzeitig, die unterschiedlichen Ebenen zu integrieren.


leberblümchen
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Beitrag Mi., 27.05.2015, 07:50

Ich würde mal beim Begriff der Retraumatisierung differenzieren:

Der Patient fühlt sich wie retraumatisiert. Das kenne ich auch. Reaktionen, die so heftig sind, dass sie sich nicht objektiv durch das in der Therapie Geschehene erklären lassen. Passiert bei traumatisierten Patienten auch im Alltag. Es gibt etwas, das, wenn es geschieht, regelmäßig dafür sorgt, dass ich austicke und denke, ich sterbe. Nein, ich denke es nicht: Ich fühle es. Trotzdem ist der Anlass selbst nicht mal einer. Neudeutsch ist es ein Trigger, aber für den kann niemand was. Es ist mein Film, der läuft.

Dann kann man gucken: Wie ist das mit dem Auslöser? Ist die 'Tat' des Anderen objektiv so schlimm, dass sie geeignet ist, eine solche Reaktion hervorzurufen? Und weiter: WILL der Andere das? KANN der nur so mit mir umgehen, in diesem Moment oder grundsätzlich? Eine 'klassische' Retraumatisierung in der Therapie ist der Missbrauch, sexuell oder emotional. Da, wo ein neues Trauma auf das alte 'draufgepackt' wird und der Patient am Ende vor einem noch größeren Scherbenhaufen steht - weil solche Traumata in der Therapie selten IN der Therapie wieder 'aufgelöst' werden können; so was geschieht nämlich durch schwerste Verstrickungen, die sich kaum mehr steuern lassen.

Auch diese Traumata sind eine Reinszenierung: Die Reinszenierung ist erst mal 'alles'. Das ist das, was sich auf der Bühne abspielt. Die kann unterschiedlich sinnvoll oder gravierend sein. Das schlimmste Extrem ist die Retraumatisierung. Das ist aber nicht automatisch gleichzusetzen mit der Reaktion des Patienten auf das 'Ereignis'. Das Gefühl kann dasselbe sein, aber bei einer Traumatisierung steht das Verhalten des Anderen im Vordergrund; bei einer 'Nicht-Traumatisierung' sind es auch und sehr stark die eigenen Anteile, die reaktiviert werden.

Ich finde diese Unterscheidung deshalb wichtig, weil man mit dem Label 'Retraumatisierung' schnell dabei ist, einen Schuldigen auszumachen, von wegen: "Wenn DU nicht so agiert hättest, wäre alles in Ordnung. DU schadest mir".
Zuletzt geändert von leberblümchen am Mi., 27.05.2015, 08:00, insgesamt 1-mal geändert.


leberblümchen
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Beitrag Mi., 27.05.2015, 07:56

Leslie, die Erfahrung hab ich auch gemacht, relativ am Anfang der ersten Therapie. Mein Kind bekam einen Namen vom Therapeuten 'verpasst' (glücklicherweise war es nicht Chantal), und ich schämte mich, weil ich dachte: "Der 'denkt', da liegt jemand anders auf der Couch. Der weiß gar nicht, dass ICH es bin". Hätte er gesagt: "Wie heißt noch mal Ihr Kind?", wäre die Situation gaaaaaaaaaaanz anders gewesen, weil er so signalisiert hätte: "Ich WÜRDE gerne mehr von Ihnen wissen". So aber war es ein: "Ich hab ein Bild und das reicht mir".

Es kam nur ein einziges Mal vor, war auch 'objektiv' nicht schlimm. Deine Erklärung mit dem Wohnzimmer klingt schön; allerdings hab ich auch die Erfahrung gemacht, dass Therapeuten durchaus gerne mal das Wohnzimmer sehen möchten...


Jenny Doe
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Beitrag Mi., 27.05.2015, 08:00

@ Landkärtchen,

ich kenne das "Vergessen" der Therapeuten aus eigener Erfahrung auch. Beim einen Therapeuten trat es mehr auf, beim anderen weniger. Klar enttäuscht das. Schließlich möchte man ja auch irgendwie, dass man dem Therapeuten wichtig ist. Wenn er vergisst, was an ihm erzählt hat, ist man ihm das wirklich wichtig?
Doch dann stellte ich bei mir selber fest, dass auch ich mir nicht alles merken kann, was mir all die vielen Menschen, denen ich am Tag/in der Woche/im Monat so begegne. Das, was ich als wichtig und relevant halte (von dem, was ich höre), das merke ich mir, aber so Sachen wie, "gestern war ich bei meiner Mutter Hannelore", nehme ich zur Kenntnis, doch ich könnte am nächsten Tag beim besten Willen nicht mehr sagen, wie die Mutter hieß. Erzählt mir jedoch jemand, dass er gestern einen Unfall hatte, das bleibt bei mir hängen.
Da auch Therapeuten nur Menschen sind denke ich mal, dass auch sie genauso funktionieren, wie der Rest der Menschheit. Das, was sie für relevant halten, werden sie sich merken. Was nicht relevant ist, wird auch durch ihr Sieb fallen.
Zudem, überleg mal, wieviele Klienten deinem Therapeuten innerhalb von 6 Monaten erzählen, die wievielte sie in der Geschwisterrangfolge sind, ...
Ich denke, dass kein Mensch 8 Stunden lang am Tag so aufmerksam zuhören kann, dass er sich abends noch an jedes Detail erinnert, was all die Klienten so erzählt haben - außer sie haben das "Hyperthymestische Syndrom". Auch Therapeuten filtern Informationen aus dem 8-stündigen Informationsfluss.

Wie dem auch sei. Dich belastet das. Deshlab möchte ich Dir den Tipp geben, mit Deinem Therapeuten darüber zu reden und bei Dir nachspüren, warum Dich das so belastet.

Alles Gute für Deine weitere Therapie.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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Gelli
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Beitrag Mi., 27.05.2015, 08:05

Solange ich mich zurück erinnern kann,(ich war 10 Jahre bei meinem Thera,meinen einzigen wahrhaftigen Thera)er hat nie etwas aus meinem Leben oder irgentwelche Details die ich ihm offebarte vergessen.
Es gab so oft momente,wo er mich zurück erinnerte was ich schon lange vergass oder nicht mehr auf meinem Schirm hatte,es waren Dinge,die weit zurücklagen die ich mal thematisiert hatte.
In den Gesprächen hat er in meinem Beisein nie etwas aufgeschrieben,die ersten Jahre hatte er auch keinen Computer in seinem Büro,ob er sich irgentwo Stichpunkte gemacht hatte,das bezweifle ich,und war mir auch nie wichtig,weil ich immer spürte er ist mit ganzem Herzem und Gefühl dabei mir zuzuhören und weiter zu helfen.
Ich glaube,wenn mein Thera des öfteren vergessen hätte,was ich ihm mal offenbart habe,egal ob das schon Tage,oder Wochen oder gar Monate her gewesen wäre,das hätte mich irgentwie gekränkt,weil das Gefühl aufgekommen wäre,ich bin nicht wichtig genug um wichtige Dinge zu behalten.
Mein damaliger und einstiger Thera war es selbst wichtig mich als wichtig zu sehen,sich in den Gesprächen und vielseitigen therapeutischen Handlungen voll einzulassen,mich mit allem ernst zu nehmen,und spüren zu lassen,das er mich verstehen möchte in allem was meine Geschichte ist,dazu sind Details aus früheren Gesprächen oft der Schlüssel gewesen.
GUT DING WILL WEILE HABEN

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Tannenbaum
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Beiträge: 85

Beitrag Mi., 27.05.2015, 10:29

Meine Therapeutin vergisst zum Glück nicht oft etwas. Es ist auch schon vorgekommen und hat mich schon etwas irritiert aber ich habe mir dann gesagt, dass es einfach unmöglich ist, sich alles zu merken. Selbst wenn es für mich etwas Wichtiges war. Ich hab es dann einfach noch einmal erklärt und die Stunde ging weiter. Wenn es allerdings dauernd vorkommen würde, könnte ich nicht bei dieser Therapeutin bleiben. Ich würde es immer wieder ansprechen, Landkärtchen. Es ist schliesslich sehr mühsam für dich, nehme ich an. Du musst ja immer Angst haben, dass sie dich wieder enttäuscht. Und sie sagt echt nur, dass sie durchschnittlich viel vergisst?

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**AufdemWeg**
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Beiträge: 3753

Beitrag Mi., 27.05.2015, 11:06

Wandelröschen,

auch meine Analytikerin spricht -wie du- von Retraumatisierung,
die noch dazu verstärkt wurde, dass sie die Situation wohl verkannte,
was ich nicht glauben kann, denn blöd war meine TFP irgendwo nicht.
Es lief einfach grundlegend schief.
Das, was meine TFP vergaß, war eines der beiden Themen, weswegen ich überhaupt zu ihr gekommen bin.

Es ist auch -für mich- nicht das Ausschlaggebende, dass es passiert ist
sondern wie danach damit umgegangen wurde - in meinem Fall: gar nicht.

Ich wünsche dir, liebe Landkärtchen sehr, dass es einen Weg gibt.

LG ADW
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