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Sa., 25.04.2015, 12:02
Hallo B-Moll,
entschuldige, wenn ich das so deutlich sage, aber ich finde das Verhalten deines Mannes unmöglich.
Ich habe das Wort "Verhalten" bewußt gewählt, es geht hier nicht um verbale Gewalt, es geht auch nicht um ein paar Aussetzer. Ich habe den Eindruck, dass dein Mann macht, was er will und es ihm völlig egal ist, wie es dir damit geht.
Die Aussage, "Wenn du mich wieder reizt, weiß ich nicht, was ich tue", ist eine klassische Täter-Opfer-Umkehr.
Die Männer, die ihre Frauen und Kinder prügeln, sagen denen auch immer "Du hast mich dazu gebracht".
Sein liebevolles Verhalten kann er nur dann an den Tag legen, wenn du als Gegenleistung den Mund hältst über seine unmögliche Seite und so tust als wäre alles in Ordnung. Es ist als ob er sagen würde, "Sieh her, ich bin ja so liebevoll" und dich und deine Verletzungen und Gefühle damit ins Unrecht setzt.
Was soll man von einem Mann halten, der auf die Aussage seiner Frau "Ich war traurig, dass du mich nicht im Krankenhaus besucht hast" mit Todesdrohungen reagiert? Jetzt mal ganz abgesehen von der Frage, warum er dich wirklich nicht im Krankenhaus besucht hat?
DAS ist KEIN liebevolles Verhalten.
Was geht in einem Mann vor, der seine Frau, die die Kinder alleine aufzieht, in der Firma mithilft und ihm ansonsten von allem Unangenehmen den Rücken frei hält als Parasit beschimpft? Mir fehlen die Worte für so einen Menschen, dem solche Worte nichtmal dann leid tun, wenn die Wut verraucht ist. Was ist so schwierig daran, sich zu entschuldigen und zu bedauern, verletzt zu haben, selbst wenn man sich immer noch im Recht fühlt. Die "Aussetzer" wie du es nennst, sind meiner Meinung nach nur die Spitze des Eisberges und ein deutliches Zeichen, dass in Eurer Beziehung ganz grundsätzlich etwas nicht in Ordnung ist.
Und ich finde es sehr gut und sehr richtig und wichtig, dass du beginnst, dich auf eigene Beine zu stellen.
Ich würde dir auch sehr ans Herz legen, dich um diese Autonomie in äußeren Angelegenheiten zu kümmern - zum Beispiel darauf zu achten, dass ihr beide auf eurem Konto zeichnungsberechtigt seid, damit er nicht mit Eurem Geld machen kann, was er will. Ich würde auch empfehlen über berufliche Alternativen nachzudenken, auch wenn es vielleicht im Moment bequem erscheint. Die Tätigkeit als Angestellte deines Mannes wird ohnehin nicht geschätzt, vielleicht auch von dir nicht? Hast du dich über deine rechtliche Situation informiert? Wie ist es mit der Firma und dem Familienvermögen im Fall einer Trennung, was bedeuten deine jeweiligen Lebensituationen für dein späteres Auskommen, in der Pension zum Beispiel. Entschuldige, das ist jetzt vielleicht nicht sehr nett, aber ich habe in letzter Zeit so viele Geschichten von Freunden und Bekannten gehört, dass es mir wichtig erscheint, jetzt und ohne zeitlichen und emotionalen Druck zu klären, woran du bist und wo du stehst und welche Rechte du hast.
Ich bin überzeugt, dass Veränderung wichtig ist für langjährige Beziehungen (bin selbst auch sehr lange verheiratet), nicht nur durch äußere Umstände, wenn zum Beispiel die Kinder aus dem Haus gehen, auch für die Lebendigkeit der Beziehung ist es wichtig.
Wenn du stärker wirst, wird das letzten Endes auch deinen Mann entlasten. Veränderung, auch die Änderung langjähriger Beziehungsmuster, die nicht mehr funktionieren, macht erstmal allen Beteiligten Angst, aber sie ist unausweichlich. Es wäre gut, den Tatsachen ins Auge zu blicken und Veränderung offensiv anzugehen.
Du kannst nicht erwarten, dass er sich ändert, du mußt damit beginnen. Schau auf dich selbst und versuche dein Leben so weit möglich autonom zu gestalten, dann verändert sich Beziehung und Gesprächsebene ebenfalls. Bei sich selbst zu beginnen, kann aber durchaus auch heißen, Grenzen zu ziehen und eine klare Ansage zu machen, durch Worte und/oder Verhalten: Bis hierher und nicht weiter.
Eine letzte Frage habe ich noch: Wo ist eigentlich deine Wut?
Mich hat es sehr wütend gemacht, deine Schilderungen zu lesen und ich habe mich gefragt, wo ist deine Wut geblieben?
Bei allem Verständnis, auch für psychische Belastungen und Erklärungen jeglicher Art, sollte meiner Meinung nach dein Mann nicht von seiner persönlichen Verantwortung für sein Verhalten entbunden werden, nicht etwas entschuldigen, was nicht einmal bedauert wurde.
Und manchmal heißt Liebe genau das: Jemandem zuzutrauen, die Verantwortung für sein Verhalten zu übernehmen. Jemanden wichtig genug nehmen, um Auseinandersetzung und Streit zu wagen - ihn und aber auch dich selbst.
Ich wünsche euch alles Gute für diesen Veränderungsprozeß!
Fundevogel