wann ist es verbale Gewalt?

Körperliche und seelische Gewalt ebenso wie die verschiedenen Formen von Gewalt (wie etwa der Gewalt gegen sich selbst (SvV) oder Missbrauchserfahrungen) sind in diesem Forumsbereich das Thema.
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B-Moll
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Beitrag Di., 21.04.2015, 13:14

Liebe BillieJane, danke für deine Antwort! Da sind auch sehr hilfreiche Gedanken für mich drin!
BillieJane hat geschrieben:Ich frage mich gerade ob das so eine grundsätzliche Sache bei euch ist. In dem Sinne, dass in eurer Dynamik ein Ungleichgewicht für euch ist...Also, ich würde meinen, ihr habt diese Firma gemeinsam aufgebaut...Also du machst drei Jobs gleichzeitig, damit er nur einen Job machen kann.
Danke, das tat gut!

Ja, in guten Zeiten ist genau DAS schon auch die Meinung meines Mannes. Dann betont er, dass er das ohne mich alles gar nicht hätte erreichen können und dass WIR das ZUSAMMEN aufgebaut haben.
Aber im Streit sagt er dann Alles plötzlich ganz anders und nennt mich einen Parasiten usw.

Genau das ist dieses Gefühl, einen Mann mit zwei Gesichtern zu haben.

Wäre er immer so negativ, ich hätte mich schon lange getrennt. Das Problem ist, dass ich dann, wenn er liebevolle Sachen zu mir sagt, immer so ein kleines "Männchen im Ohr" habe, das dann denkt, meint er das jetzt ganz ehrlich? Meint er wirklich MICH? Ich zweifle langsam an seiner Authentizität. Verstehst du, was ich meine?

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BillieJane
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Beitrag Mi., 22.04.2015, 11:05

B-Moll hat geschrieben:
Wäre er immer so negativ, ich hätte mich schon lange getrennt. Das Problem ist, dass ich dann, wenn er liebevolle Sachen zu mir sagt, immer so ein kleines "Männchen im Ohr" habe, das dann denkt, meint er das jetzt ganz ehrlich? Meint er wirklich MICH? Ich zweifle langsam an seiner Authentizität. Verstehst du, was ich meine?
Hallo B-Moll,

ich verstehe was du meinst. Deswegen habe ich mich auch gefragt, ob es seine Grundhaltung dir gegenüber ist, oder etwas was er im Affekt sagt.

In einem Forum ist es natur gemäß schwer in eure Ehe reinzublicken. Deswegen bleibt mir nur über Umwegen etwas zu deuten und in diesem Sinne kann ich nur von mir sprechen. Also, wenn ich auf berufliche Selbstverwirklichung und eine Rente verzichtet hätte um meinem Mann zu ermöglichen sich zu verwirklichen, wenn ich wesentlich die Kinder erziehe und noch in seiner Firma für einen Niedriglohn arbeite, dann würde ich sagen, ja, mein Mann wertschätzt meinen Einsatz und ebenso auch meinen Verzicht, wenn ich materiell auch die Hälfte dessen was wir gemeinsam erwirtschaftet haben besitze und dazu auch jederzeit Zugang habe. Für mich würden hier Liebes Bekundungen nicht reichen wenn die harten materiellen Fakten etwas anderes beweisen würden,zB wenn ich keinen Zugang zum gemeinsam erwirtschafteten Geld hätte oder nicht im Grundbuch stehen würde usw. Ja, dann hätte ich das Gefühl, ver. zu werden. Vielleicht ist es bei euch nicht so.Dass kann ich schwer sagen.

Ich kann dir von hier aus auch schwer sagen ob dein Mann authentisch ist oder nicht. Wesentlich wäre jedoch neben diesen Ausbrüchen ihn an seine Taten zu messen und vielleicht nicht zu sehr an den Worten. ZB, anhand dessen, was er wesentlich für dich tut und leistet. So könntest du im Zweifel sagen, OK, dass war ein emotionaler Ausbruch seinerseits, doch die harten Fakten sprechen eine andere Sprache. So könntest du vielleicht Tatsachen von Worten auseinander halten.

Liebe Grüsse, BillieJane

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B-Moll
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Beitrag Mi., 22.04.2015, 18:11

Liebe BillieJane,

vielen lieben Dank, dass du versuchst, mir mit deinen Gedanken zu helfen. Du bringst einen für mich guten und wesentlichen Impuls, ihn auch an seinen Taten zu messen. Dort kann ich nur sagen, dass er oft für mich da ist und eben auch liebevoll ist. Wenn ich also seinen Taten mehr Gewicht gebe als seinen Worten, dann kann ich den Schmerz über die Verletzungen ein Stück weit relativieren.

Ich habe (bisher) schon auch Zugang zu den Finanzen, aber falls er diesen im Affekt sperren würde....dann weiß ich nicht wirklich weiter. Ich fragte ihn ja erst kürzlich, wie er heute über seine harten Worte in dem letzten Streit denkt. Ich hoffte, er würde mir Entlastung geben und vielleicht sagen, dass er es nicht so gemeint habe. Aber seine Ansage war: Wenn du mich wieder so reizt, dann kann ich für nichts garantieren...
Bleibt mir scheinbar doch nur, immer in hab-Acht-Stellung zu bleiben und ihn nie zu kritisieren oder zu verärgern. Aber das fühlt sich auch nicht wirklich gut an. Denn dann kann ich nicht authentisch sein und muss meine Gefühle weiterhin verdrängen, wenn mir mal was quer liegt.
Es ist wirklich schwer, nach vielen Jahren etwas ändern zu wollen. Da ist halt eine Dynamik entstanden, die nicht so leicht zu verändern ist.

Liebe Grüße, B-Moll

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candle.
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Beitrag Mi., 22.04.2015, 20:04

Hallo B-Moll!

Was sagt denn deine Therapeutin dazu? Ich hätte jetzt erwartet, dass sie dich da stützt in deinem Vorhaben- wie auch immer dein Weg aussehen soll?! Nur zu sagen, wenn du nichts änderst, bleibt alles so, ist meiner Meinung nach etwas wenig.
B-Moll hat geschrieben:Du bringst einen für mich guten und wesentlichen Impuls, ihn auch an seinen Taten zu messen. Dort kann ich nur sagen, dass er oft für mich da ist und eben auch liebevoll ist. Wenn ich also seinen Taten mehr Gewicht gebe als seinen Worten, dann kann ich den Schmerz über die Verletzungen ein Stück weit relativieren.
Vom Prinzip finde ich das auch gut, aber du klingst ja gerade so verzweifelt, dass ich vermute, dass diese Situation sich eher verschärft für dich.

Hier wurde wohl schon angemerkt, dass es für deinen Mann jetzt auch nicht einfach ist mit deiner Veränderung mitzugehen, allerdings sieht es ja nun auch so aus als wenn du dann auch wieder in deine Passivität zurück gleitest.
Ich habe (bisher) schon auch Zugang zu den Finanzen, aber falls er diesen im Affekt sperren würde....dann weiß ich nicht wirklich weiter.
Allein sich auf sowas schon fast verlassen zu müssen, ist doch schon- Verzeihung- krank!
Ich fragte ihn ja erst kürzlich, wie er heute über seine harten Worte in dem letzten Streit denkt. Ich hoffte, er würde mir Entlastung geben und vielleicht sagen, dass er es nicht so gemeint habe. Aber seine Ansage war: Wenn du mich wieder so reizt, dann kann ich für nichts garantieren...
Ich glaube, das ist der Klassiker, den Männer sagen, wenn sie ihre Frauen schlagen. Du siehst ja, dass er gar nicht reagiert. Er nimmt dir nichts ab, das mußt du irgendwie alleine hinbekommen und selbstbewußter auftreten. Nur wie? Da sollte dir deine Therapeutin weiterhelfen können.

Hast du dir mal überlegt dir einen anderen Minijob zu suchen um von ihm etwas Distanz zu bekommen?
Bleibt mir scheinbar doch nur, immer in hab-Acht-Stellung zu bleiben und ihn nie zu kritisieren oder zu verärgern.
Genau das solltest du lieber nicht tun, weil ich weiß wie quälerisch das ist. Du bist ja nur noch unter Stress. Sag mal, was ist das bloß für ein Mann? WO ist er dann liebevoll? Kannst du ihm das denn abkaufen? Es kommt ja auch ein wenig darauf an in welchen Situationen das ist, wobei ich mir das jetzt kaum noch vorstellen kann bei seiner Haltung.
Es ist wirklich schwer, nach vielen Jahren etwas ändern zu wollen. Da ist halt eine Dynamik entstanden, die nicht so leicht zu verändern ist.
Wäre denn eine Paarberatung möglich? Das stelle ich mir momentan am effektivsten vor für euch, weil er sich ja direkt mit dir auseinander setzen muß.

Lieben Gruß!
candle
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B-Moll
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Beitrag Do., 23.04.2015, 17:37

Danke, liebe Candle, für deine Impulse!

Ja, das mit der Paartherapie finde ich auch nicht schlecht. Das hatte ich ihm sogar vorgeschlagen. Leider wollte er davon nichts hören. Ich vermute mal, dass er ganz im Inneren doch ein schlechtes Gewissen hat und deshalb nicht zustimmte.

Du fragst mich, was meine Therapeutin dazu sagt. Naja, sie riet mir auf jeden Fall offen mit ihm über diesen Streit zu reden. Sie ermuntert mich, gibt mir schon auch ihre Sicht zu den Dingen. Und als ich sagte, dass ich Angst davor und vor einer erneuten Krise dann habe, und mir kaum zutraue die richtigen Worte zu finden, meinte sie, dass ich schlicht und einfach Angst hätte, weil ich abhängig bin.

Ich spüre, sie will mir wirklich helfen, allerdings ist sie niemals direktiv. Sie ist ein wunderbarer Zuhörer, gibt mir auch oft ihre Einschätzung zu bestimmten Situationen. Aber es ist niemals so, dass sie mir konkrete Tipps gibt.

Einen anderen Minijob zu suchen, dazu fehlt mir schon lange der Mut. Ich trau mir seit vielen Jahren nur noch wenig zu zu. Hab auch keinen Beruf, der mir was nützen würde. Noch dazu bin ich seit einigen Jahren sehr krank, habe immer starke Schmerzen und Erschöpfungszustände schon nach wenigen Stunden Arbeit, als hätte ich sonst was geleistet. Ich könnte das nicht mehr bewältigen. In der Firma meines Mannes darf ich es mir selbst einteilen, wann ich wie viel arbeite. Nur so geht es überhaupt noch.

Du fragst, wann mein Mann liebevoll ist.
Es sind die kleinen Gesten, die mich berühren. Seine Frage abends: Kann ich dir noch was Liebes tun? (Obst aufschneiden, was zum Trinken holen etc.) Oder wenn er mir täglich sagt, dass er mich liebt. Oder wenn er oft früh den Tisch deckt oder sogar frische Brötchen holt. Ich fühle mich im normalen Alltag schon von ihm geliebt. Definitiv!
Und dann diese Aussetzer, die so gar nicht dazu passen....

Danke für alle Tipps bisher. Liebe Grüsse von B-Moll


redred
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Beitrag Fr., 24.04.2015, 10:28

Ich fragte ihn ja erst kürzlich, wie er heute über seine harten Worte in dem letzten Streit denkt. Ich hoffte, er würde mir Entlastung geben und vielleicht sagen, dass er es nicht so gemeint habe. Aber seine Ansage war: Wenn du mich wieder so reizt, dann kann ich für nichts garantieren...
Das ist ja ne regelrechte Drohung. Das hat mit Affekt nichts mehr zu tun.
Ich glaube Du bist eine geliebte "Gefangene" Deines Mannes.
Ob Dir eine Katze, die Dir über den Weg läuft, Unglück bringt oder nicht, hängt davon ab, ob du ein Mensch bist oder eine Maus!

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B-Moll
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Beitrag Fr., 24.04.2015, 16:03

Danke, redred, für dein Feedback. Ja, seine Aussage hat mich in dem Moment auch sehr erschreckt.

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candle.
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Beitrag Fr., 24.04.2015, 18:01

Hallo B-Moll!
B-Moll hat geschrieben: Ja, das mit der Paartherapie finde ich auch nicht schlecht. Das hatte ich ihm sogar vorgeschlagen. Leider wollte er davon nichts hören. Ich vermute mal, dass er ganz im Inneren doch ein schlechtes Gewissen hat und deshalb nicht zustimmte.
Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass er ein schlechtes Gewissen hat. Das muß irgendwie anders sein. Wieso sollte er auch diese Rolle gerade aufgeben, wenn sie für ihn funktioniert? Ich denke, er denkt da gar nicht drüber nach, weil es für ihn so paßt wie es ist. Das zeigen ja die Inhalte der verbalen Aussetzer.
Du fragst mich, was meine Therapeutin dazu sagt. Naja, sie riet mir auf jeden Fall offen mit ihm über diesen Streit zu reden. Sie ermuntert mich, gibt mir schon auch ihre Sicht zu den Dingen. Und als ich sagte, dass ich Angst davor und vor einer erneuten Krise dann habe, und mir kaum zutraue die richtigen Worte zu finden, meinte sie, dass ich schlicht und einfach Angst hätte, weil ich abhängig bin.
Ja Ok, aber das ist ja nun keine Zielvorgabe für eine Veränderung der Beziehung. Es macht ja nur Sinn, wenn sie dir hilft die Abhängigkeit aufzulösen bzw. erstmal eine Bilanz ziehen wovon, weil finanzielle Existenz ja schon eine große Rolle spielt. Vielleicht findet ihr ja etwas wie ihr dein Selbstbewußtsein stärken könnt. Ich kann mir vorstellen, dass du übst diese Ausbrüche deines Mannes nicht mehr so ernst zu nehmen als Beispiel. Wovor auch Angst haben, schlimmer kommt es vermutlich nicht. Das mußt du halt mal ausprobieren.
Ich spüre, sie will mir wirklich helfen, allerdings ist sie niemals direktiv. Sie ist ein wunderbarer Zuhörer, gibt mir auch oft ihre Einschätzung zu bestimmten Situationen. Aber es ist niemals so, dass sie mir konkrete Tipps gibt.
Vielleicht kommt ja von dir auch nicht viel, aber das kann ich ja gar nicht bewerten. Ich würde wirklich mal ganz stark und ausschließlich an dieser beschriebenen Situation arbeiten.
Einen anderen Minijob zu suchen, dazu fehlt mir schon lange der Mut. Ich trau mir seit vielen Jahren nur noch wenig zu zu. Hab auch keinen Beruf, der mir was nützen würde. Noch dazu bin ich seit einigen Jahren sehr krank, habe immer starke Schmerzen und Erschöpfungszustände schon nach wenigen Stunden Arbeit, als hätte ich sonst was geleistet. Ich könnte das nicht mehr bewältigen. In der Firma meines Mannes darf ich es mir selbst einteilen, wann ich wie viel arbeite. Nur so geht es überhaupt noch.
OK, das geht also nicht. Hast du dich mal mit Rente beschäftigt? Was ich damit sagen will ist, dass du irgendwie für dich mehr in Aktion kommen mußt, wenn es dir besser gehen soll.
Du fragst, wann mein Mann liebevoll ist.
Es sind die kleinen Gesten, die mich berühren. Seine Frage abends: Kann ich dir noch was Liebes tun? (Obst aufschneiden, was zum Trinken holen etc.) Oder wenn er mir täglich sagt, dass er mich liebt. Oder wenn er oft früh den Tisch deckt oder sogar frische Brötchen holt. Ich fühle mich im normalen Alltag schon von ihm geliebt. Definitiv!
Und dann diese Aussetzer, die so gar nicht dazu passen....
Ja, das paßt wirklich nicht zusammen, wenn er das nicht aus einem bestimmten (alten) Verhaltensmechnismus tut.

Liebe Grüße!
candle
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Fundevogel
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Beitrag Sa., 25.04.2015, 12:02

Hallo B-Moll,

entschuldige, wenn ich das so deutlich sage, aber ich finde das Verhalten deines Mannes unmöglich.

Ich habe das Wort "Verhalten" bewußt gewählt, es geht hier nicht um verbale Gewalt, es geht auch nicht um ein paar Aussetzer. Ich habe den Eindruck, dass dein Mann macht, was er will und es ihm völlig egal ist, wie es dir damit geht.

Die Aussage, "Wenn du mich wieder reizt, weiß ich nicht, was ich tue", ist eine klassische Täter-Opfer-Umkehr.
Die Männer, die ihre Frauen und Kinder prügeln, sagen denen auch immer "Du hast mich dazu gebracht".
Sein liebevolles Verhalten kann er nur dann an den Tag legen, wenn du als Gegenleistung den Mund hältst über seine unmögliche Seite und so tust als wäre alles in Ordnung. Es ist als ob er sagen würde, "Sieh her, ich bin ja so liebevoll" und dich und deine Verletzungen und Gefühle damit ins Unrecht setzt.

Was soll man von einem Mann halten, der auf die Aussage seiner Frau "Ich war traurig, dass du mich nicht im Krankenhaus besucht hast" mit Todesdrohungen reagiert? Jetzt mal ganz abgesehen von der Frage, warum er dich wirklich nicht im Krankenhaus besucht hat?
DAS ist KEIN liebevolles Verhalten.

Was geht in einem Mann vor, der seine Frau, die die Kinder alleine aufzieht, in der Firma mithilft und ihm ansonsten von allem Unangenehmen den Rücken frei hält als Parasit beschimpft? Mir fehlen die Worte für so einen Menschen, dem solche Worte nichtmal dann leid tun, wenn die Wut verraucht ist. Was ist so schwierig daran, sich zu entschuldigen und zu bedauern, verletzt zu haben, selbst wenn man sich immer noch im Recht fühlt. Die "Aussetzer" wie du es nennst, sind meiner Meinung nach nur die Spitze des Eisberges und ein deutliches Zeichen, dass in Eurer Beziehung ganz grundsätzlich etwas nicht in Ordnung ist.

Und ich finde es sehr gut und sehr richtig und wichtig, dass du beginnst, dich auf eigene Beine zu stellen.
Ich würde dir auch sehr ans Herz legen, dich um diese Autonomie in äußeren Angelegenheiten zu kümmern - zum Beispiel darauf zu achten, dass ihr beide auf eurem Konto zeichnungsberechtigt seid, damit er nicht mit Eurem Geld machen kann, was er will. Ich würde auch empfehlen über berufliche Alternativen nachzudenken, auch wenn es vielleicht im Moment bequem erscheint. Die Tätigkeit als Angestellte deines Mannes wird ohnehin nicht geschätzt, vielleicht auch von dir nicht? Hast du dich über deine rechtliche Situation informiert? Wie ist es mit der Firma und dem Familienvermögen im Fall einer Trennung, was bedeuten deine jeweiligen Lebensituationen für dein späteres Auskommen, in der Pension zum Beispiel. Entschuldige, das ist jetzt vielleicht nicht sehr nett, aber ich habe in letzter Zeit so viele Geschichten von Freunden und Bekannten gehört, dass es mir wichtig erscheint, jetzt und ohne zeitlichen und emotionalen Druck zu klären, woran du bist und wo du stehst und welche Rechte du hast.

Ich bin überzeugt, dass Veränderung wichtig ist für langjährige Beziehungen (bin selbst auch sehr lange verheiratet), nicht nur durch äußere Umstände, wenn zum Beispiel die Kinder aus dem Haus gehen, auch für die Lebendigkeit der Beziehung ist es wichtig.
Wenn du stärker wirst, wird das letzten Endes auch deinen Mann entlasten. Veränderung, auch die Änderung langjähriger Beziehungsmuster, die nicht mehr funktionieren, macht erstmal allen Beteiligten Angst, aber sie ist unausweichlich. Es wäre gut, den Tatsachen ins Auge zu blicken und Veränderung offensiv anzugehen.
Du kannst nicht erwarten, dass er sich ändert, du mußt damit beginnen. Schau auf dich selbst und versuche dein Leben so weit möglich autonom zu gestalten, dann verändert sich Beziehung und Gesprächsebene ebenfalls. Bei sich selbst zu beginnen, kann aber durchaus auch heißen, Grenzen zu ziehen und eine klare Ansage zu machen, durch Worte und/oder Verhalten: Bis hierher und nicht weiter.

Eine letzte Frage habe ich noch: Wo ist eigentlich deine Wut?
Mich hat es sehr wütend gemacht, deine Schilderungen zu lesen und ich habe mich gefragt, wo ist deine Wut geblieben?
Bei allem Verständnis, auch für psychische Belastungen und Erklärungen jeglicher Art, sollte meiner Meinung nach dein Mann nicht von seiner persönlichen Verantwortung für sein Verhalten entbunden werden, nicht etwas entschuldigen, was nicht einmal bedauert wurde.
Und manchmal heißt Liebe genau das: Jemandem zuzutrauen, die Verantwortung für sein Verhalten zu übernehmen. Jemanden wichtig genug nehmen, um Auseinandersetzung und Streit zu wagen - ihn und aber auch dich selbst.

Ich wünsche euch alles Gute für diesen Veränderungsprozeß!
Fundevogel

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B-Moll
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Beitrag Di., 28.04.2015, 08:02

Liebe Fundevogel,

deine klaren Worte sind gut bei mir angekommen. Ich war erst einmal sprachlos, wie genau du meine ganze Situation auf den Punkt bringst. Vieles macht mir Angst, weil es mir ganz gnadenlos einen Spiegel vor die Nase hält. Aber ich kann viele deiner Gedanken mit einem betroffenen Nicken quittieren.

Ich werde versuchen, Einiges davon anzugehen und Schritt für Schritt zu verändern. Das mit den beruflichen Alternativen ist nur schwierig, wenn man a) keinen Beruf hat, auf den man zurückgreifen könnte und b) sehr krank ist. Das gekoppelt mit geringen Selbstvertrauen steht mir seit Jahren sehr im Weg. Bewusst ist mir diese Schieflage schon lange.

Du hast Recht, ich werde mal eine äußerst geringe Pension bekommen, da ich nur wenige Jahre überhaupt was eingezahlt habe. Irgendwie habe ich mich ganz naiv immer drauf verlassen, dass, wenn ich meinen Mann optimal unterstütze, es das Beste für UNS beide wäre und seine Rente dann für uns gut reichen würde. Ich hatte mal eine private Rente, die ging dann für den Erwerb unserer Eigentumswohnung mit drauf....

Die Tätigkeit als geringfügig Beschäftigte bei meinem Mann als Bürohilfe schätzt mein Mann normalerweise schon (also zumindest außerhalb einer Krise) Oft betont er, wie gut es sei, dass ich ihn dort so unterstütze und wie wichtig meine Arbeit sei. Ich mag diese Arbeit dort in der Firma, ich fühle mich dort gut integriert und auch von den anderen Angestellten angenommen.
Ich habe in den letzten Jahren schon Versuche unternommen, nochmal etwas Eigenes zu starten, war sogar mal paar Jahre selbständig, aber meine Firma konnte sich finanziell nicht etablieren. Ich musste es aufgeben. Einen anderen Versuch mit einer Umschulung musste ich wegen massiver Angstzustände, absoluter Schlaflosigkeit und akuter Suizidalität aufgeben....

Du fragst, wo meine Wut ist. Das ist eine gute Frage. Ich weiß, in der Regel geht sie nach innen. Ich richte sie auf mich selbst, auf meine Unfähigkeit, Etwas zu verändern.

Danke für deine konfrontative und klare Antwort, liebe Fundevogel.

Liebe Grüße, B-Moll

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Grashalm
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Beitrag Di., 28.04.2015, 10:50

Liebe B-Moll,

nachdem ich ein Weilchen überlegt habe, ob ich mich an dem Gespräch beteiligen soll oder nicht, möchte ich es nun doch versuchen. Natürlich kann ich nicht mitreden, was die jahrzehntelange Ehe betrifft...

Darf ich fragen, wie alt deine Kinder sind und wie sie zu der Situation stehen? Leben sie noch bei euch?

Ehrlich gesagt erkenne ich einige Parallelen zu meinem Elternhaus. Es macht mich wütend und traurig, wie manche Frauen sich aus tatsächlicher und gefühlter Abhängigkeit in ihrer Beziehung unterordnen. Zwar kann ich die Beweggründe absolut verstehen, gebe jedoch auch zu bedenken mit welchem Preis man die materielle Sicherheit bezahlt...

Was die Aussprüche deines Mannes betrifft, bin ich fassungslos. Ich frage mich ehrlich gesagt, wie man so etwas dulden kann... Mal abgesehen davon, dass sie unberechtigt sind, offenbaren sie (wie meine Vorrednerinnen bereits sagten) ein hohes Maß an Geringschätzung. Kann dies - sofern wirklich ernst gemeint - Basis für eine Beziehung sein? Hast du ihn mal gefragt, wie seine Aussagen zu verstehen sind bzw. welche Vorwürfe er dir konkret macht?
Wenn ihr ansonsten glücklich miteinander seid... Was spricht dagegen, dich zur Wehr zu setzen und deine Bedürfnisse zu artikulieren? Eine langjährige Beziehung sollte auch größere Streitigkeiten verkraften können.
Mich würde außerdem interessieren, wie du nach einem solchen Streit auf ihn reagierst. Du beschreibst schließlich, dass er an den folgenden Tagen sehr bemüht um dich ist... Nimmst du seine liebevollen Gesten ohne Einspruch an oder zeigst du ihm auch mal die kalte Schulter?

Vielleicht sehe ich das mit meinen jungen Jahren zu naiv und radikal. Ich hoffe, dass du meine Meinung nicht anmaßend findest...

Liebe Grüße
Grashalm
"Wer a sagt, der muß nicht b sagen. Er kann auch erkennen, daß a falsch war." - Bertolt Brecht -

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mitplauderin
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Beitrag Di., 28.04.2015, 12:45

Da sich der Umgang in meiner Beziehung jahrelang (Jahrzehnte?) ähnlich abgespielt hat, erlaube ich mir, aus meiner Sicht, einige gewonnene Erkenntnisse mitzuteilen.
Von aussen betrachtet, keine Frage, stellt es einem sämtliche Nackenhaare auf.
Dieser Prozess verläuft schleichend. Es ist nicht so, dass eines Tages der Partner plötzlich extrem übergriffig wird.
Man lernt einen Menschen kennen. Verliebt sich. Und wie wir wissen, den Zustand der Verliebtheit kann man mit Blindheit gleichsetzen. Alle Alarmzeichen werden nicht nur ignoriert, sie werden schlichtweg kaum wahrgenommen bzw. sofort verdrängt und zur Seite geschoben. Dann kommt es eines Tages zu einem Streit und der Partner flippt total aus. Was war denn das?, fragt man sich hinterher erschüttert. Ach bestimmt nur ein Ausrutscher, beruhigt man sich. Und tatsächlich, lange Zeit geschieht nichts. Man wähnt sich in Sicherheit, es war nur ein einmaliger Ausrutscher, kann ja Jedem mal passieren, wir sind alle nur Menschen. Dann kommt der nächste. Das Erschrecken wird intensiver. Hat es wirklich mit mir zu tun? Bin ich schuld? Ok, ich werde mich bemühen. Werde den anderen nicht mehr provozieren. Ich werde mich zurücknehmen. Mich still und klein verhalten. Der andere soll sich nur ja nicht bedrängt fühlen.
Und ausserdem, hinterher tut es dem anderen ja immer leid. Das nährt die Hoffnung, dass es jetzt besser/anders wird. Er wird sich jetzt zusammenreißen, sich bemühen. Und dann stellt man fest: Alles sich-klein-machen, sich-zurücknehmen, sich-unsichtbar-machen schützt weder vor verbaler, noch vor körperlicher Gewalt. Im Gegenteil die Gewalt nimmt zu. Und das Leid-Tun des anderen, sein sich bemühen wollen und zusammenreißen sind genauso untaugliche Mittel.
Inzwischen sitzen beide tief in der Falle der gegenseitigen Abhängigkeit, auch wenn die Ursachen der Abhängigkeit verschiedene sein können. Un das vorherrschende Gefühl in der Beziehung ist Angst, Ansgt, Angst.

Wie aussteigen?
Professionelle Hilfe annehmen. Schluß mit Heimlichkeiten (aus Scham meidet man mit anderen darüber zu sprechen). Grenzen setzen. u.v.m.

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mitplauderin
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Beitrag Di., 28.04.2015, 14:27

Und so habe ich, nachdem meine körperlichen Beschwerden immer größer und die Ausflipper meines Mannes immer häufiger und intensiver wurden, therapeutische Hilfe gesucht, gefunden und als Ziel formuliert: Damit es meinem Mann besser geht. Ihr dürft gerne laut auflachen, alle, die sich fragen: Wie kann man so etwas erdulden?
So weit hatte ich jeden Bezug zu meinem Selbst verloren.
Schritt für Schritt habe ich den Weg wieder zu mir beschritten. Ich habe mich informiert. Bei frauenspezifischen Einrichtungen: Rechtsberatung, Scheidungsberatung. Gewaltberatung. Ich veränderte mich. Wissen ist Macht. Mein Auftreten ihm gegenüber wurde immer selbstbestimmter. Erst mit und unter Angst. Dann angstfreier. Und welch ein "Wunder": Unsere Beziehung veränderte sich. Das Verhalten meines Mannes veränderte sich. Nein, es ist mir nicht in den Schoß gefallen! Es brauchte noch viele und jahrelange Herausforderungen und ständiges Dranbleiben und Hinterfragen.
Heute ist unsere Beziehung stressfrei. Wir begegnen uns auf Augenhöhe. Beide haben wir viel gelernt.

Du wirst es tief drinnen spüren B-Moll, ob und wann es Zeit ist oder nicht ist, die Beziehung zu beenden. Vertraue deiner inneren Stimme.

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B-Moll
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Beitrag Mi., 29.04.2015, 11:33

Wow, liebe Mitplauderin! Ich danke dir herzlich für ALLES!!! Du schreibst derart reflektiert und hast so einen klaren und umfassenden Blick auf die ganze Situation, dass ich nur nicke und staune. Genau so fühle ich mich seit langer Zeit.
Deine Erfahrung und Entwicklung zeigt mir aber, dass es machbar sein kann. Ich werde auch weiter um meine Beziehung kämpfen.

Du machst mir wirklich Mut zur Veränderung.
Ich glaube, wenn es wieder passieren sollte, werde ich mich ganz anders fühlen, viel stärker! Ich werde ihm deutlich Grenzen setzen. Nicht das Rechtfertigen und Erklären bringt mich weiter, das erkenne ich jetzt.

Ich werde ihm sagen: Bis hier her und nicht weiter! Und wenn er das dann nicht einsieht und Hilfe sucht, sondern so weiter mit mir umgeht, dann werde ich ihm sagen, dass es dann keinen gemeinsamen Weg mehr geben wird.

Ich fühle mich schon jetzt viel stärker durch die vielen klaren Worte und hilfreichen Gedanken von dir, liebe Mitplauderin und allen anderen. Danke!!!

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mitplauderin
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Beitrag Do., 30.04.2015, 09:41

B-Moll hat geschrieben: Ich glaube, wenn es wieder passieren sollte, werde ich mich ganz anders fühlen, viel stärker!
Und womöglich werden, wenn du die Veränderung in dir spürst und die Veränderung möglich wurde, dann Gedanken auftauchen wie: Warum nur habe ich mir das so lange gefallen lassen? Hätte ich doch schon viel früher . . . usw. Im Schlepptau dieser Gedanken stellen sich Gefühle der Selbstverachtung, Selbstverurteilung, der Schuld womöglich ein. Dann braucht es Barmherzigkeit sich selber gegenüber.

Wie hängen Denken und Fühlen, Fühlen und Denken zusammen?

Ich habe im Buch von Dr. Joe Dispenza "Du bist das Placebo" nachvollziehbare Erklärungen gefunden. Er schreibt:

"So wie Gedanken die Sprache des Gehirns sind, sind Gefühle die Sprache des Körpers. Wie wir denken und fühlen, erzeugt einen Seinszustand bzw. eine Befindlichkeit. ... Jedes Mal, wenn ein Gedanke hochkommt, erzeugt das Gehirn nichtnur Neurotransmitter, sondern produziert noch eine weitere Sustanz - ein kleines Protein, ein Neuropeptid, welches als Botenstofffungiert und eine Botschaft ann den Körper schickt. Derr Körper reagiert darauf mit einem Gefühl. Das Gehirn bemerkt dieses Gefühl des Körpers und erzeugt daraufhin einen weiteren Gedanken, der genau zu diesem Gefühl passt und noch mehr von denselben chemischen Botschaften erzeugt, die uns das denken lassen, was wir gerade fühlen. Denken erzeugt alos Gefühle, und Gefühle erzeugen daraufhin wiederum Gedanken, die diesen Gefühlen entsprechen - wie in einer Schleife. ... Ist diese Denk- und Gefühlsschleife dann lange genug gelaufen, verinnerlicht der Körper die vom Gehirn signalisierten Emotionen. ... Diese Emotionen sind nichts weiter als die chemischen Aufzeichnungen vergangener Erfahrungen. ... Wenn dies jahrelang geschieht, weil immer wieder die gleichen Signale von außerhalb der Zelle von denselben mentalen Ebenen geschickt werden (weil die Person jeden Tag das Gleiche denkt, macht, fühlt), dann werden logischerweise auch immer wieder dieselben Gene auf dieselbe Weise aktiviert. Es werden keine neuen Gedanken entzündet, keine neuen Entscheidungen getroffen, keine neuen Verhaltensweisen an den Tag gelegt, keine neuen Erfahrungen angenommen und keine neuen Gefühle erzeugt."

Kein Wunder, dass es uns so schwerfällt, unsere Zukunft zu verändern.

mlg
mp

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