Validität von Diagnosen

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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ENA
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Beitrag Sa., 17.01.2015, 22:26

Ich finde nicht, dass eine Anpassungsstörung ein Zimperlein ist. Die Leute leiden auch und echt!

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Tristezza
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Beitrag Sa., 17.01.2015, 22:48

Aber eine Anpassungsstörung dauert in der Regel nicht länger als sechs Monate. Schon von daher kann die Diagnose eigentlich nicht stimmen, Sandrin. Du bist doch schon ein paar Jahre in Therapie - in die Zeit würde eine ganze Serie von Anpassungsstörungen passen ...

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Miss_Understood
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Beitrag Sa., 17.01.2015, 23:59

Sandrin, verstehe. Hier und da im Forum war ja auch schon öfter zu lesen, dass 'Anpassungsstörung' eine sehr häufige und in vielen Fällen zuerst gestellte Diagnose ist. In einem anderen Thread (weiß jetzt gerade nicht wo) - genügte das offenbar nicht mal als Diagnose, um eine Therapie bei einer nicht zugelassenen Therapeutin genehmigt zu bekommen, da dies - so der Tenor - zu oft eher eine 'Verlegenheitsdiagnose' sei. Jetzt verstehe ich dein Problem auch mehr. Es geht dir darum ernster genommen zu werden als zuvor. Ich wünsche dir auf jeden Fall, dass du die richtige TherapeutIn findest, der/die dich ernst nimmt und Mittel findet, dass es dir nachhaltig besser geht und den Depressionen auf den Grund geht,
ch-ch-ch-chaaaaaaange

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Lena
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Beitrag So., 18.01.2015, 10:36

Hallo sandrin,

bei mir wurde in einer Klinik, in der ich sehr viel Zeit verbracht habe, eine "falsche Diagnose" mit weitreichenden Konsequenzen gestellt. Die Behandlung war nämlich nicht mehr "nur" Therapie", sondern mit sehr vielen, sehr starken Medikamenten verbunden. Dass die nicht geholfen haben, sondern es mir dadurch - und dank der sehr ausgeprägten Nebenwirkungen - immer schlechter ging, wurde nicht gesehen, sondern nur noch durch zusätzliche neue Medikamente ergänzt.
Wäre ich nicht durch Zufall an einen Fachmann geraten, der nach kurzer Zeit die Diagnose in Frage gestellt und einen völlig anderen Behandlungsweg - ohne jegliche Medikamente - vorgeschlagen hat, weiß ich nicht, wo ich heute wäre. Wahrscheinlich zugedröhnt in einer Klinik.

Also bei mir passt es nicht, dass man in der Klinik besser beobachtet und diagnostiziert werden kann. Ich hatte einfach Pech, an einen Oberarzt geraten zu sein, der großer Fan von Medikamenten war und sich scheinbar nie mit Traumafolgestörungen beschäftigt hat.

Viele Grüße
Lena

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sandrin
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Beitrag So., 18.01.2015, 10:40

Ok, das ist dann natürlich krass. Das kann ich jetzt aber von der Klinik, in der ich war, nicht behaupten. Es handelt sich um dieselbe therapeutische Ausrichtung als in der ambulanten Therapie, nur dass sich die Therapien trotzdem grundlegend unterschieden, auch dahingegend, wie man mit mir umgegangen ist.

Aber ich kann mir schon vorstellen, dass gerade Psychiater oft grundlegend anders vorgehen wie Psychotherapeuten, Analytiker usw. Wie gesagt, das war jetzt bei mir nicht die Frage, weil ich in derselben Fachrichtung geblieben bin. Medikamente waren da zwar nicht "verboten", waren aber bei weitem nicht im Fokus der Behandlung.

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pseudologia
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Beitrag So., 18.01.2015, 12:27

Zeigt doch schön, wie Diagnosen verstanden werden können: Manche erleben sie als Würdigung ihres Leidens, andere erleben Sie als Entmündigung und Pathologisierung. Aus meiner Sicht gibt es noch andere Wege, Leid zu würdigen, als durch eine Diagnose. In Zusammenhang mit Krankenkasse, Invaliditätsversicherung etc. kann es aber schon wichtig sein.

Fakt ist sicher, dass es viele Fehldiagnosen gibt. Aber auch richtig diagnostizierte Patienten kann man falsch behandeln. Therapie nach Schema F für Störung X halte ich immer für gefährlich.
Ehemals EinTheraput - Jetzt aber krankheitseinsichtig!

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sandrin
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Beitrag So., 18.01.2015, 12:43

Davon habe ich auch nie gesprochen. Jedoch stellt sich für mich im Zusammenhang mit den bei mir vergebenen Diagnosen schon die Fragen, ob ich mich einfach zu sehr hängen lasse, oder ob es - bedingt durch die Schwere der Störung - im Moment einfach ein Kampf gegen Windmühlen ist, ständig gegen mich selbst anzukämpfen. Und da macht es eben schon einen Unterschied, ob man depressiv auf ein bestimmtes Lebensereignis reagiert (was im Falle der Anpassungsstörung durchaus zeitlich begrenzt wäre) oder ob ich an einer chronischen Depression leide. Im ersten Fall würde ich mir nämlich denken,, ich mache irgendetwas falsch, weil ich aus dieser Anpassungsstörung nicht rauskomme, während die andere Diagnose impliziert, dass es unter den gegebenen Umständen eben gar nicht so leicht sein kann. Es ist doch auch ein Unterschied, ob jemand leichten Spannungskopfschmerz auf Grund von einer akuten Stresssituation oder chronische Migräne bescheinigt kriegt. Und das beziehe ich jetzt in erster Linie auf die Schwere und die Aussicht, das Kopfweh bald wieder weg zu haben.


Lena
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Beitrag So., 18.01.2015, 12:57

Hmm, die Klinik hat auch nicht vorrangig mit Medikamenten gearbeitet. War eine Psychosomatik, die tiefenpsychologisch und verhaltenstherapeutisch und körpertherapeutisch gearbeitet. Und der Arzt war kein Psychiater, sondern Facharzt für psychosomatische Medizin und Tiefenpsychologie.
Aber es ist halt ein Unterschied, ob man eine Traumafolgestörung oder eine Psychose diagnostiziert bekommt und in der Folge, seine Diagnose eigenkritisch infrage stellt, wenn Medikamente den Zustand der Patientin offensichtlich null verbessern. Ich hab phasenweise 8 starke Medikamente parallel bekommen - nach dem fraglichen Motto "viel hilft viel". Ich hoffe, dass ich da ein Einzelfall bin.... aber mich hat es zumindest gegenüber Kliniken ein bisschen misstrauischer gemacht.

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sandrin
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Beitrag So., 18.01.2015, 13:44

Oje, oje. Das klingt ja schrecklich. Ich hätte jetzt drauf getippt, dass du an einen sehr wissenschaftlich orientierten Psychiater geraten bist. Aber in der Psychsomatik bei einem Tiefenpsychologen? Uff... Das ist krass. Kann ich verstehen, dass du da misstrauisch geworden bist. Man merkt mal wieder, was man mit Diagnosen so alles anrichten kann.

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ENA
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Beitrag So., 18.01.2015, 16:53

Wenn es um Medikamente geht, sehe ich es auch nochmal anders, weil die ja auch noch auf den Körper wirken. Klar.

...Was die Anpassungsstörung angeht,...nun, ich finde schon, dass das auch etwas ist, worunter Menschen sehr leiden können und die geht auch nicht so schnell weg, wie Spannungskopfschmerzen, weil es grade mal ein bisschen stressig war. ...und ne chronische Depression? Kann etwas weg gehen, wenn etwas chronisch ist oder nur besser werden?


Lena
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Beitrag So., 18.01.2015, 17:08

Ena, das sagt doch auch keiner, dass man unter einer Anpassungsstörung nicht auch leiden kann. Ich glaube, Du fühlst Dich da gerade angesprochen und reagierst stärker darauf als nötig.
Und "Zimperlein" war dazu noch in "" gesetzt - ich hab das nicht als Herabwürdigung dieser Diagnose verstanden. Aber es ist auch tatsächlich so, dass es oft eine Verlegenheitsdiagnose sein kann.
Ich hab zum Beispiel mal eine Rechnung für eine privat bezahlte ambulante Gruppentherapie bekommen. In dieser Therapie ging es gar nicht um das, was die einzelnen dahin geführt hat, trotzdem war dort meine Diagnose durch meinen ambulanten Therapeuten bekannt. Auf der Rechnung stand dann "Anpassungsstörung" - ich hab nachgefragt, warum das da steht und bekam als Antwort, dass das oft eine Diagnose ist, die man hinschreibt, wenn keine genauere Diagnostik stattgefunden hat, aber man für die Kasse eben etwas angeben muss (dabei ging es nicht mal um eine Kostenerstattung und meine Kasse hat diese Rechnung auch nie gesehen".

Und es hat auch keiner gesagt, dass das "so schnell weg geht". Also ich glaube, Du liest da aus sehr eigener Betroffenheit.

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Schnuckmuck
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Beitrag So., 18.01.2015, 17:09

Hallo zusammen,

Wofür ist die Diagnose wichtig? Ich kenne meine überhaupt nicht.

iebe Grüße
schnuckmuck

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Marzipanschnute
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Beitrag So., 18.01.2015, 17:14

Eine Anpassungsstörung ist aber eine zeitlich abzugrenzende Episode der in der Regel ein belastendes Ereignis voraus geht und die nicht viel länger als 6 Monate anhält. (Vgl. http://www.psychosoziale-gesundheit.net ... erung.html )

Chronifizierung bedeutet den Übergang von einem vorübergehenden zu einem dauerhaften Leiden. (vgl. Bodenheimer T. et al 'Patient Self-Management of chronic disease in primary care, 2002' - hab ich zufälligerweise gerade für die Uni gelesen). Das heißt, ganz weg geht es nicht mehr aber es kann auf eine Linderung hin gearbeitet werden und eine erneute Exazerbation (also starke Verschlimmerung) der bestehenden Symptomatik versucht verhindert zu werden.
Zuletzt geändert von Marzipanschnute am So., 18.01.2015, 17:16, insgesamt 1-mal geändert.
“Das Schöne an der Zeit ist, das sie ohne Hilfestellung vergeht und sich nicht an dem stört, was in ihr geschieht.” Juli Zeh

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sandrin
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Beitrag So., 18.01.2015, 17:15

Das muss jeder für sich selber wissen, ob ihm die Diagnose wichtig ist. Für mich ist sie das, weil sie mir auch widerspiegelt, ob mein Gegenüber mich tatsächlich versteht und richtig einschätzt. Zwar bin ich selber nicht vom Fach, aber wenn ich eine Diagnose bekomme, mit der ich mich gar nicht identifizieren kann (und ich erkundige mich da sehr genau), dann zeigt das auch, dass der Therapeut möglicherweise der falsche ist. Damit meine ich im Übrigen nicht, dass ich eine Wunschdiagnose will. Ich möchte nur das Gefühl haben, dass das, was jemand über mich denkt, wenigstens im Ansatz das widerspiegelt, was tatsächlich mit mir los ist.

@ENA: Auch ich finde, dass du etwas in das, was ich geschrieben habe, hineininterpretierst, was ich gar nicht gemeint habe. Aber ich finde es etwas schwierig, darüber mit dir zu diskutieren, weil ich das Gefühl habe, wir reden immer aneinander vorbei.

@ Marzi: Danke fürs Auf-den-Punkt-Bringen


Lena
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Beitrag So., 18.01.2015, 17:15

Hallo Schnuckmuck,

zum einen für die Krankenkasse.

Zum anderen - da spreche ich nur für mich - habe ich es gebraucht, um mich gesehen zu fühlen. Damals habe ich dann alles darüber gelesen, was ich finden konnte und hab mich verstanden gefühlt (und nicht mehr allein). Heute ist das anders. Aber es gab eine Zeit, in der ich es gebraucht habe, dass mir jemand gesagt hat "Sie haben das und das und das kommt vermutlich daher", um aufzuhören mich selbst damit fertigzumachen, dass ich mich doch einfach mehr anstrengen muss und nicht so schwach sein darf.

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