Quälendes Grübeln

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stadtwolf
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Beitrag Do., 04.12.2014, 13:31

Schneeblume hat geschrieben: Es ist zum Verrücktwerden. Ich muss doch vernünftig handeln können!
Hallo Schneeblume,

ich habe wiederholt erlebt daß mein Bestreben immer "vernünftig zu handeln" mich massiv am leben hindert.
Zwar ÜBERLEBE ich, aber von einem erfüllten Leben kann so gar nicht die Rede sein.
Dazu kommt ja noch daß es völlig unmöglich ist immer zu wissen was vernünftig ist.
Ein Mensch ist keine Maschine die feste Parameter hat. Menschsein heißt eben Weinen und Lachen.
Mir geht es immer dann am besten wenn ich akzeptieren kann wie ich bin und ich mache immer wieder die Erfahrung daß
nie Katastrophen passieren wenn ich "unvernünftig" bin und mich einfach lasse.
Mir selbst Vorwürfe zu machen heißt nicht selbstkritisch zu sein sondern heißt mich am Kopf zu hauen.
Leistungsdruck ist Verhindern des Fließenlassens.
Alleine die Bereitschaft alles loszulassen und zu vertrauen daß es gut ist wie es ist hat Wunder gewirkt.
Inklusive dem immer wieder Zurückfallen in alte Denk-und Verhaltensweisen.
Ich habe in vielen harten Lektionen gelernt daß ich mich mit meinem Verstand und meiner Logik alleine immer nur im Kreis drehe.
Leben ist mehr als rationale Zusammenhänge. Leben ist auch Lernen durch Schmerz, irrational handeln, verrückt sein.
Und es ist andauernde unaufhaltsame Veränderung.
Ein alter Freund hat sich vor Jahren mit einem Satz bei mir unsterblich gemacht:
"Das wichtigste ist elastisch bleiben!"

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Verocasa
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Beitrag Do., 04.12.2014, 15:57

Ja, Stadtwolf hat Recht: Man muss es philosophisch sehen - und ganzheitlich aufs Leben bezogen.

Während wir vorwärts schreiten, sehen wir das Webmuster nur von nahem vor uns, als Stückwerk. Erst vom Ende her werden wir es im Ganzen erkennen und eher wissen, was alles zu bedeuten hat.

Wir werden dann weniger die Schwere im Sinn haben, sondern vermutlich das ganze Werkstück unseres Lebens in seiner Schönheit erkennen können. Und kleine Webfehler sind wirklich keine, sondern erhöhen die Echtheit und Einmaligkeit.

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Schneeblume
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Beitrag Do., 04.12.2014, 22:00

Hallo Tristezza!

Ja du hast recht, eine Verhaltenstherapie wäre richtig. Ich bräuchte wirklich dringend Hilfe beim Ändern meiner Gedankenmuster und auch Strategien, wie ich negative Gedanken rechtzeitig stoppe, bevor sie zu Stress führen und mich verrückt machen.

Liebe Grüße

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Schneeblume
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Beitrag Do., 04.12.2014, 22:02

Hallo Verocasa!

Vielen Dank für deine Worte! Deine Sicht auf die Dinge hilft mir sehr! Wahrscheinlich ist es so, wie du geschrieben hast. Wir gehen einen bestimmten Weg, weil es so sein muss, weil wir dadurch reifen, und Entscheidungen, von denen wir meinen sie wären falsch, führen dann vielleicht genau zu den Ereignissen und Erkenntnissen, die für uns wichtig sind. Das kann ich mir gut vorstellen und diese Sicht ist auch wirklich eine Erleichterung!
Du hast recht, wir meinen wahrscheinlich nur, wir hätten anders entscheiden können, aber in diesen Momenten war ja das Wissen von heute noch nicht da und wir haben so entschieden, wie es uns in dem Moment richtig erschien bzw. wie es uns möglich war. Trotzdem fällt mir dieses Akzeptieren, dass ich nun mal so und so entschieden habe, sehr schwer, weil ich mir dann ständig denke, dass ich doch so glücklich gewesen oder geworden wäre, wenn ich das und das anders entschieden hätte, wenn ich einen anderen Weg eingeschlagen hätte oder früher besser gehandelt hätte und dann stelle ich mir immer vor, wie mein Leben dann aussehen würde, und dass ich dann jetzt sicher nicht so unglücklich wäre. Die Wahrheit ist aber, dass ich das nicht wissen kann und vieles auch im Nachhinein so leicht machbar erscheint, was aber zu dem Zeitpunkt unglaublich schwierig war bis unmöglich, weil man damals ein anderer Mensch war oder anders gedacht hat usw. Und auch wenn ich mir denke, dass ich dies und jenes doch hätte wissen müssen. Zum damaligen Zeitpunkt waren das aber nun einmal andere Umstände und ich war in einer anderen Verfassung und mit anderen Gedanken beschäftigt. Ich hätte diese Gedanken dazu abstellen müssen, aber es gelang mir zum damaligen Zeitpunkt eben nicht und es macht keinen Sinn, mir das vorzuwerfen (auch wenn es schwer ist, weil eben wie gesagt im Nachhinein alles so leicht und vollkommen logisch erscheint, aber wie du geschrieben hast; das ist eben ein Irrtum, weil man eben nur MEINT, dass man es hätte ganz leicht anders machen/entscheiden können).
Ich fand deine Analogie mit dem Webmuster toll! Ja, vielleicht erkennt man irgendwann einmal, wenn man aufs Leben oder bestimmte Phasen zurückblickt, dass alles genauso sein musste, dass es gut so war und einen tieferen Sinn hatte, weil man dadurch sehr viel gelernt hat und gereift ist und dadurch vielleicht sogar glücklicher wird, als man es ohne die Krisen geworden wäre? Oder weil man so zu einer wichtigen Station im Leben gelangt ist, die man ohne diese Schwierigkeiten nicht erreicht hätte? Wer weiß…

Ja, ich würde das auch als wahnsinnige Befreiung empfinden, diese Reuegedanken endlich über Bord zu werfen! Ich hoffe, ich schaffe es bald! Deine Sicht hat mir auf jeden Fall sehr geholfen, meinen Blickwinkel zu ändern und ich habe richtige Erleichterung gespürt. Vielen Dank nochmal dafür!

Liebe Grüße

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Schneeblume
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Beitrag Do., 04.12.2014, 22:04

Hallo stadtwolf!

Auch deine Antwort war sehr wertvoll für mich! Vielen Dank dafür!
Das worüber du geschrieben hast, ist genau mein Thema. Ich mache so viel mit dem Kopf, habe ein total starkes Sicherheits- und Kontrollbedürfnis, weil ich nicht genügend Vertrauen in mich selbst und das Leben habe. Dabei bin ich in meinen glücklichen Momenten immer mehr im Bauch. Auch wenn ich kreativ bin, was ein wichtiger Teil meines Lebens ist und was ich momentan viel zu wenig beachte, geschieht das immer ohne viel Kopfarbeit. Die Gedanken fließen einfach und das Gefühl und die Lebendigkeit stehen im Vordergrund. Ich würde so gern einfach leben, unbeschwert sein und auch mal verrückte Dinge tun. Wäre da nicht diese ständige Angst davor.
Ich habe vor Kurzem was Schlimmes erkannt. Schon seit 15 Jahren erfahre ich mich immer wieder in Problemen mit mir selber. Erst durch die Panikattacken in meiner Teenagerzeit, dann durch meine Orientierungslosigkeit und die Ängste in meinen Twens, ständig gab es da irgendwas und ich galt in meiner Familie immer als die, die Probleme hat, ängstlich ist und sich schwer damit tut, das Leben in den Griff zu kriegen (auch wenn ich vieles geschafft habe und z.B. gelernt habe, mit meiner Angststörung gut zu leben und ein normales Leben zu führen). Auf jeden Fall habe ich diese Ängste und Probleme quasi als meine Identität übernommen und ich glaube, dass ich unbewusst Angst davor habe, diese Probleme loszulassen, weil ich dann auch meine jetzige Identität loslassen müsste und übertrieben ausgedrückt dann vielleicht gar nicht mehr wüsste, wer ich eigentlich bin, weil eben so lange diese Probleme die Hauptsache in meinem Leben waren. Ich habe natürlich auch andere Seiten meiner Persönlichkeit und kenne mich auch lustig und ausgelassen und kreativ usw., aber dennoch hat irgendetwas in mir Angst, einfach loszulassen, die Kontrolle abzugeben, dieses Sicherheitsbedürfnis mal außen vor zu lassen und meine Identität einfach neu zu erfinden, weil ich Angst davor habe, mich dann zu verlieren. Und da mir Vertrautes über alles geht (Stichwort Sicherheit)ist das natürlich sehr schwer für mich. Ich habe ein richtiges Verlustgefühl, wenn ich daran denke. Ich weiß nicht, wer ich ohne die Ängste und Grübeleien wäre, was dann passieren würde. Und dieses Neue, die mögliche Veränderung (die ich mir ja eigentlich sehnlich wünsche) macht mir Angst und lässt mich immer wieder in die sicheren, vertrauten, alten Verhaltensmuster zurückkehren. Leider ist mir Sicherheit und Geborgenheit wichtiger (auch wenn es mich unzufrieden macht), als Lebendigkeit. Und die Aussicht darauf glücklicher zu sein scheint mir oft nicht so viel Gewicht zu haben, wie dieses verdammte Sicherheitsbedürfnis. Ich würde am liebsten beides haben. Und ich hoffe so sehr, dass ich mich trauen werde, die Sicherheit und Kontrolle ein Stück weit zu opfern um endlich Erfüllung in meinem Leben zu erfahren und viel mehr Freude. Das wünsche ich mir so sehr!

Aber es ist so wie du (und dein Freund) gemeint habt; man muss elastisch bleiben, weil Leben nun einmal ständig in Bewegung ist und sich verändert. Du hast so recht damit! Es hilft nicht, dagegen anzukämpfen, weil man dort bleiben möchte wo man ist, aus lauter Angst und Traurigkeit darüber, den sicheren, warmen, vertrauten Ort verlassen zu müssen, auch wenn er längst ausgedient hat und einen eher behindert als zufrieden macht (und das ist eine meiner größten Schwierigkeiten). Das funktioniert so aber nicht und macht einen nur unglücklich. Man muss sich dem Fluss des Lebens anschließen und lernen, diesem Lebensfluss zu vertrauen.

Liebe Grüße


stadtwolf
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Beitrag Do., 04.12.2014, 22:32

Schneeblume hat geschrieben:Man muss sich dem Fluss des Lebens anschließen und lernen, diesem Lebensfluss zu vertrauen.
Also ich würde den Satz umformulieren, leicht modifizieren :

Ich will mich dem Fluss des Lebens anschließen und lernen, diesem Lebensfluss zu vertrauen.

Dann würde er perfekt das zum Ausdruck bringen was ich möchte.
Mit "müssen" habe ich mein Leben lang ein Problem gehabt, meist habe ich das Gegenteil getan von dem was ich mußte.
Ich möchte leben, ich möchte lieben, ich möchte vertrauen. Ich versuche es. Immer wieder.
Und manchmal hasse ich und bin neidisch und rücksichtslos. Bis es mir bewußt wird und ich gebe allem Raum.
Weil JEDES Gefühl berechtigt ist. Ausnahmslos jedes. Die Versuche zu selektieren bewirken Verdrängung und die wiederum
bewirkt alle Arten von Symptomen.
Zumindest erlebe ich das immer wieder, sehr deutlich und klar.
Menschsein heißt Gefühle zu besitzen. Die lassen sich aber nicht steuern sondern kommen & gehen wie die Leute am Bahnhof.
Sie lassen sich nicht hindern und nicht bewußt verändern. Und je mehr sie unterdrückt werden umso mächtiger werden sie.
Je mehr sie angenommen werden umso hilfreicher werden sie.

Ich bin nicht im Besitz der allumfassenden Weisheit.
Mir ist wichtig zu erwähnen daß ich nur von meinen Erfahrungen mit mir und meinem Umfeld berichte und keine
Postulate aufstelle.

Schneeblume, ich hab da noch einen Satz meines guten alten Freundes Carlo Carretto für Dich.
Wenn Du ihn nicht brauchen kannst, liquidier ihn einfach.

" Der Liebe könnt ihr nicht entkommen ! "

Mir hat dieser Satz schon des öfteren geholfen wenn ich wieder mal in meiner finsteren Welt die schwarze Katze in der Ölquelle gesucht habe.
Leider kein Zauberspruch, auch nicht immer abrufbar, aber für mich ein kleiner Helfer in der großen Welt.
Einer von vielen. Sie sind immer da aber ich will sie nicht immer sehen.
Weil, wie Du schon sinngemäß erwähnt hast, mein bequemes Elend immer noch ein (jämmerliches) Asyl bietet.

Walk on with hope in your heart.............

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MissX
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Beitrag Do., 04.12.2014, 22:32

Und das Schlimme ist, hätte ich die Ist-Situation am Anfang akzeptiert, dann wäre es gar nicht soweit gekommen!
Damit man eine Situation akzeptieren kann, muss man sie erst mal verarbeiten.
Du bist doch keine Maschine. Und im Leben geht es jedem Menschen immer mal wieder schlecht. Man kann nicht alles Unglück vermeiden. Denn das Unglück ist mindestens genauso wichtig wie das Glück!!!
Je mehr man versucht Unglück zu vermeiden, desto unglücklicher wird man.
Unglück dient dazu, über sich selbst nachzudenken, sich weiter zu entwickeln.
Es hat einen großen Vorteil in der Evolution. Denn ein Mensch, der überwiegend glücklich ist, hat kein Grund etwas zu verändern ...
So sind wir Menschen eben und so ist das lEBEN:
Ich finde nicht, dass du die Situation von Anfang an hättest akzeptieren müssen, um glücklich zu sein. Ich denke, es würde dir vielleicht etwas helfen, wenn du Unglück nicht als etwas siehst, was man unbedingt vermeiden muss, sondern als etwas was einem viel beibringt.
Schneeblume hat geschrieben:Ich würde so gern einfach leben, unbeschwert sein und auch mal verrückte Dinge tun. Wäre da nicht diese ständige Angst davor.
Schneeblume hat geschrieben:Und ich hoffe so sehr, dass ich mich trauen werde, die Sicherheit und Kontrolle ein Stück weit zu opfern um endlich Erfüllung in meinem Leben zu erfahren und viel mehr Freude. Das wünsche ich mir so sehr!
Eben. Hättest du das jemals erkannt, wenn du immer glücklich gewesen wärst?
Das Leben ist für mich eine lebenslange Suche, nach der Art und Weise, WIE man leben möchte. Und jede Krise bringt einen diesem Ziel ein Stück näher.
Manche Menschen sind eben etwas empfindlicher. Ja, kann ein Nachteil sein. Aber es kann einem auch dabei helfen ein viel intensiveres Leben zu leben, als die meisten anderen Menschen. Im Glück und im Unglück.
Ich denke, wenn du es zulässt, könntest du genauso viel Glück empfinden, wie du Unglück empfindest. Und darum geht es, die Balance zu finden.
Natürlich geht es dir schlecht, wenn du das Unglück bedingungslos zulässt, aber das Glück aus Angst abwehrst.

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Schneeblume
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Beitrag So., 07.12.2014, 01:18

Hallo stadtwolf!

Vielen Dank für deine Worte! Ich finde, du formulierst so schön und ich mag deine Analogien.

Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass es nicht gut ist, Gefühle zu unterdrücken. Ich denke schon, dass ich die Gefühle meistens zulasse, aber manche Gefühle machen mir auch Angst und diese versuche ich sicherlich unbewusst zu dämpfen. Ich denke, ich muss da noch mehr nachforschen, ob es Gefühle in meinem Inneren gibt, die ich unbewusst abschirme. Vielleicht sind das sogar die positiven Gefühle? Ich hab irgendwie immer ein bisschen Angst, dass wenn ich positive Gefühle voll und ganz zulasse ich die Kontrolle verliere im Sinne von, dass dann gleich etwas passiert, was mir wieder negative Gefühle bringt. Also bin ich lieber vorbereitet. Schon furchtbar. Ist es ein Glaubenssatz? Es ist irgendwie so, als würde ich mir nicht gönnen, längere Zeit positive Gefühle zu haben oder mich nicht fähig fühlen, dass ich die meiste Zeit positiv und nicht negativ empfinde bzw. es nicht gewohnt sein und deswegen ständig das stille Leiden vorzuziehen. Sind die negativen Stimmungen mitsamt der empfundenen Probleme schon so vertraut, dass mir das Neue (also mal längere Zeit hindurch glücklich zu sein) Angst macht? Es ist so, als ob ich diesem Zustand dann nicht trauen würde, als wäre er mir nicht geheuer und stattdessen bleibe ich lieber im bekannten Zustand, wo mich nichts überraschen (erschrecken) kann. Schon schlimm. Wie kann man denn aus dieser Einstellung herauskommen?

Der Satz "Der Liebe könnt ihr nicht entkommen" ist wirklich schön. Vielen Dank dafür.

Liebe Grüße


Hallo MissX!

Vielen Dank für deine Antwort! Ich fand sie sehr hilfreich und sie hat mich zum Nachdenken angeregt.
Stimmt, Unglück führt wirklich oft dazu, dass man sich weiterentwickelt und wichtige Dinge erkennt. Nur manchmal denke ich mir, dass es die Hälfte dieses Unglückes auch getan hätte, hätte ich früher etwas geändert bzw. wäre ich nicht so lange tatenlos geblieben. Und dann beginnen wieder die Reuegefühle. Aber vielleicht ist es wirklich so, dass es eben einen bestimmten Punkt braucht, eine Situation sozusagen den Siedepunkt erreichen muss, ehe sich dann wirklich etwas in Richtung Veränderung bewegt. Oder passiert das vielleicht sogar stückchenweise mit jeder Situation die man erlebt und man wird quasi Schritt für Schritt auf die notwenige Veränderung vorbereitet?
MissX hat geschrieben:Eben. Hättest du das jemals erkannt, wenn du immer glücklich gewesen wärst?
Aber diese Dinge habe ich ja schon vorher gewusst. Ich wünsche mir schon seit Jahren, dass ich unbeschwerter sein will und mehr Lebendigkeit in meinem Leben spüren will. Aber vielleicht musste das ja geschehen, damit ich die Dinge auch wirklich anpacke? Aber dann mache ich mir wie eben oben erwähnt, gleich wieder Vorwürfe, wieso es soweit kommen musste, und dass wenn ich schon früher was verändert hätte, es nicht so schlimm hätte kommen müssen bzw. weniger Unglück zum Erkennen notwendig gewesen wäre. Dieser Gedanke tut weh.
MissX hat geschrieben:Ich denke, wenn du es zulässt, könntest du genauso viel Glück empfinden, wie du Unglück empfindest. Und darum geht es, die Balance zu finden.
Natürlich geht es dir schlecht, wenn du das Unglück bedingungslos zulässt, aber das Glück aus Angst abwehrst.
Dieser Absatz hat mich sehr nachdenklich gemacht und auch traurig. Ich finde es schlimm, dass ich kein Glück zulassen kann, während ich Unglück bedingungslos willkommen heiße und es als normal empfinde im Gegensatz zum Glück. Was stimmt nicht mit mir? Das kann es doch nicht sein. Und es tut mir so leid, dass es in meinem Leben so gelaufen ist. Ich hätte viel glücklicher sein können. Wieso hab ich es nicht geschafft im Gegensatz zu anderen, die sich nicht so sehr den Kopf über unwichtige Dinge zerbrechen? Ich hoffe so sehr, dass ich lerne, das Glück voll und ganz zuzulassen und die Angst davor zu verlieren, dass wenn ich das tue, es mir gleich wieder weggenommen wird, weil mein Unterbewusstsein mit neuen Situationen nicht umgehen kann (oder ich mir unbewusst kein Glück gönne, aus welchem Grund auch immer) und gleich wieder auf die altvertraute Sicherheit im Unglücklichsein zurückgreift. Wie kommt man aus diesem Teufelskreis wieder heraus?

Nachdenkliche Grüße,

Schneeblume

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Verocasa
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Beitrag So., 07.12.2014, 17:26

Was stimmt nicht mit mir? Das kann es doch nicht sein.
Das ist es auch nicht. Mit Dir stimmt alles, Schneeblume. Du gibst nur wieder den quälenden Gedanken Recht.
Und es tut mir so leid, dass es in meinem Leben so gelaufen ist.
Ja, das ist gut zu verstehen. Aber es nützt nun mal nichts, über verschüttete Milch zu weinen. Wir können aus der Vergangenheit lernen, bestenfalls. Aber selbst wenn wir den Rest unseres Lebens mit dem Bedauern verbringen … wir setzen nur noch eins oben drauf damit.
Ich hätte viel glücklicher sein können. Wieso hab ich es nicht geschafft im Gegensatz zu anderen, die sich nicht so sehr den Kopf über unwichtige Dinge zerbrechen?
Da ist es wieder: Du "hättest …" Merkst Du es? Nein, Du hättest nicht … weil Du damals noch nicht so weit warst wie heute.

Es ist mit der Reue immer so vertrackt. Wir sind kreuzunglücklich, wenn wir uns einreden, damals doch anders hätten handeln zu können und diesem Gedanken glauben. Wenn Du Dich dann mit anderen vergleichst, wird es noch schwieriger: Das ist ein fast todsicheres Rezept, um Dich unglücklich zu fühlen, denn dann kommt noch das Aufbegehren hinzu, der Gedanke, dass die Welt ungerecht sei.

Wir war das? Ein anderes Verhalten wäre nur möglich gewesen mit Deinem heutigen Wissen - und vielleicht nicht mal das. - Also immer, wenn solche Gedanken sich heranschleichen, Dir das wieder bewusst machen.


stadtwolf
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Beitrag So., 07.12.2014, 18:00

Schneeblume hat geschrieben:Wie kann man denn aus dieser Einstellung herauskommen?
Ich fürchte daß es das Generalrezept nicht gibt. Jeder Mensch ist anders, deshalb sind genaue Anleitungen praktisch immer irreführend.
Aber ich bin fest davon überzeugt daß es für jeden einen möglichen Weg gibt aus dem Dilemma.
Ich kann meine Erfahrung weitergeben, aber nicht als Patentlösung sondern als Anregung.

In Kurzfassung:
Ich versuche täglich aufs Neue authentisch zu sein und kein Theater zu spielen.
Ich versuche mich mit der Wahrheit zu konfrontieren. Das erlebe ich oft als grausam.
Dennoch erlebe ich immer wieder daß nichts Böses passiert. Mein Gefühl sagt ganz was anderes.
Aber das ist was altes, das kommt aus der Zeit als es für mich noch wirklich lebensbedrohend war z.B.zornig oder passiv zu sein.
Wir sind erwachsen und kein Gefühl kann uns jetzt mehr umbringen.
Das zu verinnerlichen erlebe ich oft als harte Übung. Aber mit der Zeit wirds leichter und jetzt ist das Leben zeitweise tatsächlich
unbeschwert für mich. Hätte nie geglaubt daß ich das in diesem Leben noch erfahren kann.
Wenn das innere Verlies der verbotenen Gefühle nicht langsam geknackt wird kann es nach meiner Erfahrung keinen Frieden geben.
Der Weg dorthin kann 1000 Gesichter haben, oft habe ich erlebt daß mich eine winzige Beobachtung so bewegt daß mich wieder
überwinden konnte ich selbst zu sein. Zu jeder Sekunde kann alles passieren.
Das ist furchterregend und herausfordernd zugleich, und es ist die Wahrheit die ich nie sehen wollte / konnte.

Soweit ein paar Gedanken von mir.
Würd sagen: Einfach weitermachen !

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Verocasa
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Beitrag Mo., 08.12.2014, 11:17

Wir kommen raus, indem wir uns bewusst machen, dass wir heute keine wehrlosen Kinder mehr sind. Solange uns das nicht klar ist, fühlen wir uns noch so wie damals.

Vieles von dem, welchem wir als Kind wehrlos ausgeliefert waren und von dem wir zudem verinnerlicht hatten, dass es ewig so bleiben würde - als kleines Kind sind wir kaum in der Lage, zeitlich zu relativieren - können wir aber als Erwachsene handelt angehen. Und wenn nicht das, können wir mit unseren Gefühlen anders umgehen.

Dieses Wissen schenkt eine Menge Freiheit. Danach gibts natürlich immer noch Arbeit, aber da sie von anderen Voraussetzungen ausgeht, sind die Erfolge andere.

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Schneeblume
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Beitrag Fr., 12.12.2014, 22:48

Hallo Verocasa und stadtwolf!

Bitte entschuldigt meine verspätete Antwort, ich hatte heute eine wichtige Prüfung und war die letzten Tage im Lernstress.
Verocasa hat geschrieben:Ja, das ist gut zu verstehen. Aber es nützt nun mal nichts, über verschüttete Milch zu weinen. Wir können aus der Vergangenheit lernen, bestenfalls. Aber selbst wenn wir den Rest unseres Lebens mit dem Bedauern verbringen … wir setzen nur noch eins oben drauf damit.
Und genau das fällt mir so unglaublich schwer. Dieses Akzeptieren, dass es keinen Sinn macht. Dabei weiß ich es theoretisch ganz genau und trotzdem mache ich weiter und setze immer wieder eins oben drauf. Und dann bereue ich, dass ich noch eins oben drauf gesetzt habe und nicht damit aufgehört habe, als es noch nicht so schlimm war und bedauere, dass ich es jetzt noch schlimmer gemacht habe und im gleichen Moment bereue ich dann wieder, dass doch tatsächlich noch eins oben drauf gesetzt habe mit diesen Gedanken und Reuegefühlen, obwohl ich damit endlich aufhören wollte, weil ich endlich wieder inneren Frieden haben wollte! Bin ich bitte noch normal? Einfach furchtbar! Und dann bin ich traurig, weil ich es nicht geschafft habe, mit dem Noch-eins-drauf-setzen aufzuhören und bedaure die vergeudete Zeit. Aber es ist nunmal so. Ich habe es eben nicht früher geschafft, ich war, wie du geschrieben hast, noch nicht so weit. Aber genau das finde ich so schade. Ich habe das Gefühl, ich bin die einzige, die noch nicht so weit gewesen wäre und andere hätten das in meiner Situation viel besser und schneller hingekriegt und hätten sich wie Erwachsene verhalten, während ich nur gejammert habe und mich mit der Ist-Situation nicht abfinden konnte, was ein total irrationales Verhalten war. Ich vergleiche mich da immer mit meinen Schwestern, die so souverän ihr Leben meistern, die einfach normal sind, während ich immer die Problembehaftete bin, die Ängstliche, die, die sich in allem schwer tut, und das, obwohl ich die Älteste bin. Das wiegt doppelt so schwer...
Aber du hast aber absolut recht, es bringt nichts, es bringt einfach überhaupt gar nichts über bereits Geschehenes nachzugrübeln und es zu bedauern.
Verocasa hat geschrieben:Da ist es wieder: Du "hättest …" Merkst Du es? Nein, Du hättest nicht … weil Du damals noch nicht so weit warst wie heute.

Wir war das? Ein anderes Verhalten wäre nur möglich gewesen mit Deinem heutigen Wissen - und vielleicht nicht mal das. - Also immer, wenn solche Gedanken sich heranschleichen, Dir das wieder bewusst machen.
Dieser Absatz hat mich wieder sehr beruhigt. Deine Worte helfen mir sehr, liebe Verocasa, auch wenn ich zur Zeit leider noch nicht ganz in der Lage bin, diesen Gedanken vollkommen umzusetzen. Ich erkenne, dass der Gedanke wahr ist, kann mich aber noch nicht von dem "Aber ich hätte doch...war es nicht vielleicht doch möglich, dass...Wenn ich bloß das und das anders gemacht, dann wäre..."-Gedanken frei machen... War ich damals wirklich noch nicht so weit? Ich wusste ja, dass mir diese Gedanken und diese Fixierung auf das Problem nicht gut tun. Wieso konnte ich nicht dagegen steuern? Ich war aber eben leider in meiner Handlungsfähigkeit total gelähmt, weil ich so in den Emotionen verfangen war. Ich schaffte es einfach nicht, mich auf schönere Dinge zu konzentrieren. Ich war leider absolut blind und fixiert auf etwas, das eigentlich keine Wichtigkeit hatte. Das macht es noch schlimmer ; dass mein Problem ein Eingebildetes, vollkommen Nebensächliches war. Und ich habe es zum Mittelpunkt meiner Welt gemacht und eine riesengroße Katastrophe daraus gebastelt. Oh Mann. Ich sollte meine Energie dringend auf konstruktivere Pfade lenken...
Aber wahrscheinlich hast du recht. Zu dem Zeitpunkt hätte ich nicht anders handeln können.

Meine Hoffnung ist, dass das alles irgendeinen tieferen Sinn hat und ich nicht einfach eine unnötige Ansammlung von Fehlentscheidungen war aufgrund von Irrationalität.
Ich werde mir deine Sätze immer wieder durchlesen, Verocasa. Sie sind sehr wichtig für mich und ich wünsche mir, dass sie bald in Fleisch und Blut übergehen, und dass ich es endlich schaffe, mich selbst und mein bisheriges Leben so zu akzeptieren wie sie sind und vor allem auch das Schöne und Wertvolle daran zu sehen und mir immer wieder in Erinnerung zu rufen.

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Schneeblume
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Beitrag Fr., 12.12.2014, 22:51

stadtwolf hat geschrieben:Wenn das innere Verlies der verbotenen Gefühle nicht langsam geknackt wird kann es nach meiner Erfahrung keinen Frieden geben.
Der Weg dorthin kann 1000 Gesichter haben, oft habe ich erlebt daß mich eine winzige Beobachtung so bewegt daß mich wieder
überwinden konnte ich selbst zu sein. Zu jeder Sekunde kann alles passieren.
Das ist furchterregend und herausfordernd zugleich, und es ist die Wahrheit die ich nie sehen wollte / konnte.
Wieder so ein schöner Absatz. Ich finde ebenfalls, dass es wichtig ist, verbotene Gefühle wieder an die Oberfläche kommen zu lassen. Oft sind sie aber im hintersten Winkel des Unterbewusstseins verborgen und es ist schwierig, an sie heranzukommen bzw. überhaupt erst zu erkennen, dass sie da sind und aus dem tiefen, dunklen Keller ins Bewusstsein kommen wollen. Ich denke, dass es hauptsächlich die Angst ist, welche diese Gefühle verborgen hält. Und den Kampf gegen die Angst zu gewinnen, ist eine große Herausforderung. Aber wie du geschrieben hast (und was ich beruhigend fand); "Wir sind erwachsen und kein Gefühl kann uns jetzt mehr umbringen." Ja, vermutlich ist das so. Wie Verocasa geschrieben hat, sind wir ja jetzt keine Kinder mehr und unserer Umgebung hilflos ausgeliefert. Wir sind handlungsfähig und es liegt in unserer Macht, Dinge in unserem Leben zu verändern und einen andere Weg einzuschlagen, auch wenn das nicht so einfach ist, wie es klingt (und wie ich täglich feststellen muss- aber man kann ja langsam voranschreiten, Schritt für Schritt). Aber zumindest wissen wir als Erwachsene, dass wir es versuchen müssen und dass am Ende des Weges ein besseres Leben mit uns selbst auf uns wartet. So hoffe ich zumindest...
stadtwolf hat geschrieben:Soweit ein paar Gedanken von mir.
Würd sagen: Einfach weitermachen !
Das werde ich machen.

Ganz liebe Grüße an euch zwei und ein schönes Wochenende,

Schneeblume

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