Gegensätze ziehen sich an - auch in der Therapie?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Madja
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Beitrag Fr., 14.03.2014, 14:25

Das Phänomen der Übertragung beschäftigt mich auch zur Zeit. Wie entsteht die? Welche Bedienungen müssen erfüllt werden? Wird die Übertragung immer in einer Beziehung (Therapeut/Patient) stattfinden? Oder müssen sich doch die Gegensätze (Schloss und Schlüssel) finden? Und wie passiert das? Wie in 'echtem' Leben? Muss die Chemie stimmen?
Ich begreife das immer noch nicht...
Bei mir fand die Übertragung von der ersten Sekunde statt. Intensiv, sehr intensiv... Die Therapeutin hat nichts (außer Guten Tag) zu mir gesagt und ich steckte schon mittendrin. Ist das gut oder schlecht? Ich weiß es wirklich nicht...
Ich bin erst ganz am Anfang der Analyse (8 + 8 Sitzungen) und obwohl auch wunderschöne Momente gegeben hat, im Moment dominiert der Schmerz. Es kommt soviel negatives hoch, dass ich mich immer wieder frage, ob das so richtig ist. Ist das das, was mir helfen soll? Ist das, was ich wahrnehme nur "meine"? Oder vielleicht hat der Spiegel auch Risse und es sickert da auch was anders durch? Und ja ich momentan am leiden bin, frage ich mich auch:
weisserAdler hat geschrieben:WARUM oder wozu, "gerate" ich immer an Menschen, die mir meinen Lebensschmerz immer wieder durchleben lassen,
auch in Therapie,
warum nicht mal "eine gute Erfahrung machen dürfen", warum gerade in der Therapie nicht?
Freiheit heißt Verantwortung. Deshalb wird sie von den meisten Menschen gefürchtet. - George Bernard Shaw

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weisserAdler
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Beitrag Fr., 14.03.2014, 14:30

Hallo an euch,

"mein Thera" meinte schon mal, dass er nicht zu jedem freundlich sein könnte, in diesem Sinne habe ich es auch so verstanden, dass er "nicht jeden Menschen als sympathisch findet...geschweige denn, mit dem zu arbeiten"...

@maika,
ja, ich sehe es mittlerweile auch so, dass ich die ERFAHRUNG Therapie (Psyche) erstmal nicht mehr machen möchte...
ich habs mir tatsächlich anders vorgestellt so einen Prozess, und bin in diesem Sinne schon auch enttäuscht,
aber, gerade heute habe ich mit einer Freundin (langes Weiber-Frühstück) geplaudert, und musste erkennen,
dass ich durch "diesen hardline Prozessgang" JETZT selbstbewusster bin und auch auf andere wirke...
so erkenne ich, dass es absolut richtig war "hier" die Therapie zu beenden,
der Weg bis hier hin aber wieder ein notwendiger in meinem Werdegang war,
um immer und immer wieder meine alten Wunden durch zu lecken,
"nur schließen tun sie sich nicht"... - und da ziehe ich immer wieder die selben Menschen an, um daran lecken zu dürfen, müssen...
und das möcht ich nicht mehr...
und ich glaube, dass man da selber einiges durch eigene Einstellung (Mentaltraining) ändern, lernen, umpolen kann...
ABER WIE...???
sowas hätte ich mir durch die Therapie erhofft...
aber das ging daneben...

um der Frage ganz am Anfang zu antworten:
Es war meine erste Therapie (fast 3 Jahre lang) -
ich hatte nur zwischendurch einpaar Termine bei anderen Thera´s um
meine schwierige Therapiesituation zu reflektieren...
aber ich war in einer extremen PSYCHODYNAMIK verfangen,
"aus der ich mich nun endlich lösen konnte"....
ich fühle mich echt gut,
es geht mir gut nach der Therapie,
aber man macht sich halt trotzdem Gedanken über alles was war, wie es passiert ist...ect.

LG
wA

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Tristezza
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Beitrag Fr., 14.03.2014, 14:37

Manchmal "muss" man in der Therapie erstmal schlechte Erfahrungen machen, um zu wissen, worauf man beim nächsten Mal achten muss. Bei jemandem wie meiner ersten Therapeutin würde ich heute nie und nimmer Therapie machen. Sie hatte deutliche Züge meiner Mutter, bei ihr habe ich also mehr oder weniger wiederholt, was mir früher geschadet hatte. Inzwischen weiß ich, wer mir wirklich gut tut und wer nicht und worauf ich bei einem Erstgespräch mit Therapeuten achten muss.

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Maika
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Beitrag Fr., 14.03.2014, 14:43

weisserAdler hat geschrieben: @maika,
ja, ich sehe es mittlerweile auch so, dass ich die ERFAHRUNG Therapie (Psyche) erstmal nicht mehr machen möchte...
Ähm - das hab ich so nicht geschrieben.

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leberblümchen
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Beitrag Fr., 14.03.2014, 14:55

Madja, ich glaube, die Übertragung hängt nicht nur von der 'Zielperson' und ihrem Verhalten ab, sondern auch von den eigenen Ängsten, Wünschen und Hoffnungen. Sonst müsste ja jeder Therapeut mit jedem Patienten fast identische Erfahrungen machen. Man sieht immer auch ein bisschen das, was man sehen will (ob bewusst oder unbewusst). Und dann beeinflusst man wiederum mit seinem Verhalten den Anderen, der dann entweder wohlwollend ist oder genervt.

Das Gute an einer guten Therapie ist, dass bestimmte Muster nicht lange unentdeckt bleiben. Das ist natürlich schmerzhaft, aber es ist halt der Unterschied zu rein stabilisierenden Therapien. Dafür setzt es auch ganz woanders an.

Also, mal vereinfacht gesagt (und nicht auf dich bezogen): Wenn der Therapeut sagt: "Frau Patientin, Sie tun mir ja so leid, und ich tue alles, damit es ihnen schnell besser geht", dann GEHT es dem Patienten natürlich auch besser. Wenn er sagt: "Aha, Sie halten mich für ein Monster; wollen wir doch mal gucken, woran das liegt", dann geht es dir dadurch nicht unbedingt besser; womöglich kommen noch richtig fiese Gefühle hinzu, weil du nicht weißt, ob er nicht doch ein Monster ist. Aber hinterher bist du - wenn es gut läuft - in der Lage, an dir selbst anzusetzen, und du brauchst niemanden mehr, der dir erklärt, wie blöd alle Anderen sind.

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stern
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Beitrag Fr., 14.03.2014, 16:53

Madja hat geschrieben:Das Phänomen der Übertragung beschäftigt mich auch zur Zeit. Wie entsteht die? Welche Bedienungen müssen erfüllt werden? Wird die Übertragung immer in einer Beziehung (Therapeut/Patient) stattfinden? Oder müssen sich doch die Gegensätze (Schloss und Schlüssel) finden? Und wie passiert das? Wie in 'echtem' Leben? Muss die Chemie stimmen?
Ich begreife das immer noch nicht...
Bei mir fand die Übertragung von der ersten Sekunde statt. Intensiv, sehr intensiv... Die Therapeutin hat nichts (außer Guten Tag) zu mir gesagt und ich steckte schon mittendrin. Ist das gut oder schlecht? Ich weiß es wirklich nicht...
Was sagt dein Gefühl? Ich glaube nicht, dass man das allgemeingültig beantworten kann, sondern kann nur für mich sprechen: Bei mir ist in dem Fall weniger mehr. Intensive "negativ" gefärbte Übertragungen erweisen sich bei mir eher (=> Tendenzbetrachtung) als hinderlich (Erfahrung). ICH würde mir niemandem ins Boot holen, wo gleich von Anfang spüre, dass sozusagen die Post abgeht (denn das kommt aller Wahrscheinlichkeit nach noch früh genug bei mir. Erfahrung). Was ich als Übertragung bezeichnen würde, hat auch meist nicht wirklich viel mit der Person des Theras zu tun. Manchmal kommt die eine oder andere Übertragung zwar bei einer anderem Thera (amb./stationär) etwas schwächer oder stärker zur Entfaltung, aber es sind im Kern (inhaltlich) nicht wesentliche andere. Zugänglicher bin ich, wenn es weniger intensiv zugeht (was nicht Besprechungsniveau bedeuten muss, bei dem man sich nicht mehr berührt. Sondern es gibt ja Graustufen. Intensität ist für mich auch nicht gleichbedeutend mit Krach und Knall... auch leise Töne können intensiv sein). Dass es auch schmerzhaft ist/werden kann, liegt wohl in der Natur der Sache (insofern wäre ich wohl nicht beunruhigt, wenn etwas schmerzt, denn ich wage zu bezweifeln, dass es eine schmerzneutrale Therapie gibt). Aber ich sag' mal so: Ich versuche, meine Schmerzgrenzen zu beachten, und ich HABE Grenzen (wäre z.B. in der Klinik der Therapeut nicht darauf eingegangen und hätte daraufhin einen Gang zurückgeschalten, hätte ich diese Therapie vermutlich sogar abgebrochen). Wie wie gesagt: ich wage in hohem Maße Generalisierbarkeit zu bezweifeln. Sondern man kann vermutlich nur für sich schauen, was stimmig ist.

Die Schlüssel-und-Schloss-Theorie bzgl. Übertragung passt auf mich also nicht wirklich... denn ich wäre wohl sowas wie ein Dietrich, der in vielen Schlössern überträgt . Kritisch fände ich, wie gesagt, wenn Thera (wie Topf zu Deckel oder Schlüssel zu Schloss) mitagiert.
Liebe Grüße
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Madja
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Beitrag Fr., 14.03.2014, 17:28

stern hat geschrieben:Was sagt dein Gefühl?
Mein Gefühl sagt mir, dass es keine Ahnung hat (was mir auch eigentlich noch nie passiert ist - bis jetzt konnte ich mich immer auf meine Intuition verlassen). Das, was mir mit meiner Therapeutin passiert und die Tatsache, dass ich das überhaupt nicht einschätzen kann, war der Grund, warum ich mich hier im Forum angemeldet habe. Ja ich mich auf mein Gefühl nicht verlassen konnte, suchte ich Menschen, die mir vielleicht helfen würden. (Und bis jetzt habe ich das nicht bereut. Im Gegenteil. Ich bin froh, dass ich manche Menschen hier "kennenlernen" durfte)
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weisserAdler
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Beitrag Fr., 14.03.2014, 18:31

Maika hat geschrieben:
weisserAdler hat geschrieben: @maika,
ja, ich sehe es mittlerweile auch so, dass ich die ERFAHRUNG Therapie (Psyche) erstmal nicht mehr machen möchte...
Ähm - das hab ich so nicht geschrieben.
sorry - hab ich dann falsch interpretiert - Wahrnehmung ist auch defekt bei mir - aber ich mach jetzt trotzdem LAAAAANNNNNGGGGEEEEEE Therapie"pause"

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weisserAdler
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Beitrag Fr., 14.03.2014, 18:36

Für mich stellt sich die Frage wie Übertragung entsteht irgendwie schon "komplizierter" (aber Betonung wirklich auf FÜR MICH!!!)

Denn,
meinen Thera kannte ich ja vorher nicht,
ALSO WARUM
TREFFE ICH AUSGERECHNET IHN???
"also welches Gesetz von Anziehung brachte mich da zu ihm???"
hm, das macht mich einfach

irgendwie ist es für mich so,
als wenn da irgendein Magnet draussen im Universum schwebt,
der alle Magneten reguliert,
"du dahin, du dorthin, du diese Erfahrung, ect.ect."
wie kommt man sonst immer und immer wieder an diese Situationen,
ich mein,
das ist doch auch irgendwie alles ZU ---- FALL...

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Forums-Gruftie
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Beitrag So., 16.03.2014, 08:34

weisserAdler hat geschrieben: irgendwie ist es für mich so,
als wenn da irgendein Magnet draussen im Universum schwebt,
der alle Magneten reguliert,
"du dahin, du dorthin, du diese Erfahrung, ect.ect."
also ich würde nicht dieser Vorstellung anhängen, dass es wirklich so kosmisch zugehen muss, die Geschicke schicken mich immer wieder da und dorthin, da fühlt man sich dann eher machtlos. Hier eine etwas hausbackenere Erklärung:

A. Mit einer gewissen Frequenz laufen draußen Menschen herum, die wie ein Schlüssel/Schloss auf deine Thematik passen.
Es ist also quasi normal und erwartbar, dass du manchmal auf so jemanden triffst. Zufall.

B. Durch dein Verhalten kannst du bei Menschen treffsicher induzieren, dass sie sich genauso verhalten, wie es zu deinem Muster passt. - Manchmal so stark, dass selbst Menschen, die gar nicht via Schlüssel/Schloss zu dir passen würden, sich trotzdem so verhalten. Ich geb dir ein Beispiel:

Ich bin ein ziemlich freundlicher Mensch (glaub ich halt
Ich saß in der Ubahn und hatte einen Rucksack mit und auch noch eine Tasche, also ziemlich voll bepackt. Es waren viele Plätze in der Ubahn frei, deshalb legte ich die Tasche auf den Platz neben mich.
Plötzlich stieg eine ältere Frau ein, sie schien sich auf den Platz neben mich setzen zu wollen und machte Anstalten sich hinzusetzen, aber so schnell, dass sie sich einfach auf meine Tasche draufgesetzt hätte, wenn ich nicht reagiert hätte! Das fand ich ärgerlich. Ich wollte die Tasche schon wegräumen, sagte aber aus Ärger im letzten Moment: Da gegenüber ist auch noch ein Sitzplatz frei - worauf sie sich empört auf den anderen Platz setzte. Ich konnte an ihrer Mimik erkennen dass sie irgendetwas dachte wie: Diese unfreundlichen jungen Menschen räumen nicht mal einen Sitzplatz frei.

Ich staunte: Normalerweise hätte ich den zweiten Platz nie weiter besetzt. Aber diese Frau hatte mich durch ihre Art dazugebracht, dass ich mich ganz anders verhalten hatte, als es meiner Natur entspricht.
Und ganz sicher hatte sie bestätigt bekommen, was sie davor schon immer gedacht hatte: Diese unverschämten jungen Menschen...

also ich glaube, dass der Schlüssel nicht in kosmischen Magneten liegt, sondern viel einfacher in dir.
Wenn du den Schlüssel änderst, passt er nicht mehr in das alte Schloss


leberblümchen
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Beitrag So., 16.03.2014, 09:13

Kann aber auch sein, dass die Frau genau die unfreundlichen Anteile in dir geweckt hat, die schon DA SIND. Ich glaube nicht, dass jemand in der Lage ist, einen anderen Menschen durch projektive Identifizierung zu etwas zu bringen, wenn derjenige dieses 'etwas' nicht schon auch in sich hat!

Es gibt ja durchaus Menschen, die tatsächlich auch in deiner Situation freundlich-entspannt geblieben wären und mit einem herzlichen Lächeln gesagt hätten: "Oh, Sie möchten sich neben mich setzen? Das ist aber nett. Warten Sie doch einen Augenblick, ich mache gerne Platz". Ich kenne einige wenige Leute, die tatsächlich so sind, und ich bewundere das.

Ich selbst hätte ähnlich reagiert wie du, und ich muss zugeben, dass mich solche Situationen sogar 'kitzeln' und ich Spaß daran habe, mir irgendwelche Schlagfertigkeiten auszudenken, mit denen ich den Anderen 'überraschen' kann, ohne ihn zu sehr zu beleidigen. Daran würde man also meine Sprachgegabung erkennen und gleichzeitig meinen Hang zur Boshaftigkeit. Punkt. Ist so. Und 'deine Frau' hat vermutlich in sich so viel Frust, dass sie jemanden brauchte, der ihr Bedürfnis nach "ich will mich aufregen" befrieidigt. Du bist diesem Wunsch nachgekommen, weil ihr beide in dieser Beziehung gut zueinander gepasst habt wie Schlüssel und Schloss.

In der Therapie ist es ähnlich: Wenn man sagt: "Patient XY mit seinen Borderline-Anteilen bringt mich immer dazu, auf ihn wütend zu sein oder mit ihm intim werden zu wollen - während harmlosere Patienten viel angenehmer sind; also kann es ja nicht an mir liegen", wird man der Beziehung wohl kaum gerecht: Viel eher ist es so, dass der schwierige Patient genau DIE 'archaischen' Anteile im Therapeuten weckt, die er selbst nur zu gerne ignorieren würde (weil peinlich).

Es ist also nicht der Borderline-Patient an sich, der die Beziehung schwierig macht (abgesehen mal von suizidalen Zuständen, vielleicht), sondern es ist die Tatsache, dass der Borderline-Patient mit seinem 'Bohrer' (Schlüssel kann man das wohl kaum noch nennen...) zuverlässig im Therapeuten das winzige Loch findet, in das reinzustechen sich lohnt, weil sich genau an dieser Stelle etwas bewegt, das wiederum eine bestimmte ersehnte Dynamik in Gang setzt.

Und dass das bei jedem Therapeuten so möglich ist, glaub ich nicht. Irgendein 'Loch' im Innenleben des Therapeuten muss schon da sein; nur kann (bzw. MUSS) es halt nicht jeder aufspüren. Ich glaube, das ist es, was die Faszination des Gruselns bei den sog. schwierigen Patienten ausmacht (vgl. dazu auch deinen eigenen Thread).

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stern
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Beitrag So., 16.03.2014, 14:46

captcha hat geschrieben:Ich bin ein ziemlich freundlicher Mensch (glaub ich halt
Ich saß in der Ubahn und hatte einen Rucksack mit und auch noch eine Tasche, also ziemlich voll bepackt. Es waren viele Plätze in der Ubahn frei, deshalb legte ich die Tasche auf den Platz neben mich.
Plötzlich stieg eine ältere Frau ein, sie schien sich auf den Platz neben mich setzen zu wollen und machte Anstalten sich hinzusetzen, aber so schnell, dass sie sich einfach auf meine Tasche draufgesetzt hätte, wenn ich nicht reagiert hätte! Das fand ich ärgerlich. Ich wollte die Tasche schon wegräumen, sagte aber aus Ärger im letzten Moment: Da gegenüber ist auch noch ein Sitzplatz frei - worauf sie sich empört auf den anderen Platz setzte. Ich konnte an ihrer Mimik erkennen dass sie irgendetwas dachte wie: Diese unfreundlichen jungen Menschen räumen nicht mal einen Sitzplatz frei.
Sowas habe ich auch mal erlebt , allerdings nicht selbst, sondern als Zuschauer. Im Zug (Fahrradabteil): Sehr viele Plätze frei, eine feinere Dame (ich glaube Lehrerin, geschlossen aus dem Gespräch und ihrer Tätigkeit: Korrekturen) mit viel Gepäck hatte manche Gepäck auch auf dem Sitz neben sich verteilt. Ein weniger feiner Herr wollte EXAKT den Platz einnehmen, wo Teile ihres Gepäcks lagen (obwohl sogar auf der anderen Seite unmittelbar neben ihr noch freie Plätze waren und auch sonst im Abteil). Ich glaube, er äußerte, dass er sich an diesen Platz setzen möchte. Ich glaube, ich hätte ähnlich reagiert, ihn zu bitten, ob er woanders Platz nehmen könnte. Er: nein, er möchte genau dahin. Und plötzlich legt er los, dass sie sich nicht einbilden braucht, etwas besseres zu sein. Sie hätte wie er auch nur ein Ticket gekauft, daher könne sie nicht 2 Plätze belegen, usw. Also insges, recht abfällig. Die Dame regte sich dann auch auf, teilweise auch recht abfällig, was für ein primitiver Mensch er ist, usw., räumte aber ihr Gepäck zusammen und suchte sich einen anderen Platz. (Der Typ war schon nahe dran, sich an ihrem Gepäck zu vergreifen).

Nun ja, der Typ hat ihr wohl seine eigenen Komplexe überkippt... meine Meinung.

Ich weiß nicht, wie ich reagiert hätte, keine Ahnung. Rein auf der Sachebene hatte er vermutlich recht, also dass sie nicht 2 Plätze belegen kann (auch wenn der Zug nicht voll ist, vermutlich, keine Ahnung). Ansonsten äußerte er sich unverschämt und abfällig. Da er auch deutlicheren Körpergeruch verströmte, wäre ich wohl auch umgezogen, denn soviel ist mir kein Platz wert, dass ich mir das antue.

Nur dass sie das/ihn angezogen haben sollte, sehe ich nicht... wie sie dann darauf reagiert, wenn sie so angemacht wird, klar, das ist ihre Sache, die in ihrer Verantwortung liegt. Ärgerlich zu reagieren, wenn man angepöbelt wird, halte ich zwar für nicht abwegig, aber auch andere Reaktionen sind denkbar.

Dem Modell zweier abgegrenzter Personen stehe ich jedenfalls näher als "jeder ist mit alles und jedem über irgendwelche kosmischen Kräfte verbunden, die sich anziehen". Ich würde jedenfalls sagen, es sind erst Verstrickungen, die es erschweren können, adäquat zu reagieren. Mich macht es jedenfalls ein bisschen fuchsig, wenn ich doch auf etwas reagiere, auf das ich eigentlich nicht reagieren will (passiert manchmal, manchmal nicht).
Ich konnte an ihrer Mimik erkennen dass sie irgendetwas dachte wie: Diese unfreundlichen jungen Menschen räumen nicht mal einen Sitzplatz frei.
Ist natürlich spekulativ. Vielleicht weil sie diese Einstellung hatte, fragte sie gar nicht erst, ob du die Tasche wegnehmen könntest, sondern setzte sich darauf (was unverschämt und grenzüberschreitend ist, je nach Inhalt kann dabei auch etwas zu Schaden kommen...). Und wenn jemand bereits sitzt, hat man ja auch nicht mehr die Möglichkeit, freundlich den Platz anzubieten (was sie ich damit auch nimmt). Nur ist das halt irgendwo für ein hausgemachtes Problem, wenn man so agiert wie sie (und weniger ein kosmisches, meiner Lebensanschauung nach zumindest). Und je mehr unfreundliche Reaktionen sie erntet, desto häufiger wird sie sich vermutlich auch zukünftig auf Taschen setzen (weil in ihrer Welt mglw. eh niemand den Platz räumt, bestenfalls widerwillig). Sich einfach auf eine fremde Tasche zu setzen ist ein aggressiver Akt. Fragt sich nur, worin der Angriff besteht: Vermutlich im besetzten Platz... und dann auch noch um etwas bitten, was ohnehin zusteht oder sich jemand einfach nimmt. Könnte ich mir zumindest als eine Logik vorstellen...

Wenn ein Zug relativ leer ist, lege ich auch mal etwas auf den Sitz, solange sich niemanden setzen möchte. Wenn er voll ist, dann nicht... denn das geht nicht (denn ansonsten müsste ich natürlich damit rechnen, dass sich jemand ärgert. Das würde ich ja damit regelrecht provozieren, wenn ich mich breit mache... breiter als es mir zusteht).
Liebe Grüße
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Thread-EröffnerIn
weisserAdler
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Beitrag So., 16.03.2014, 19:34

hey,

die "Therapie-Nachwehen Arbeit" ist seit Freitag etwas mühsam für mich...
ich musste (am Weg zu einer Freundin) ganz in der Nähe "meines ehem. Thera´s" vorbei fahren...es war das erstemal seit mehreren Wochen, dass ich diese Strecke wieder gefahren bin...
und das Gefühl war enorm komisch.

Einerseits war ich so erleichtert, da in Therapie nicht mehr hin zu müssen,
und andererseits,
ist mir klar, dass "eine offene Gestalt" zurück bleibt...
am allermeisten "tut mir weh", dass ich froh bin nicht mehr in Therapie hin zu müssen, und der Gedanke,
dass ich über die Therapie enttäuscht bin,
und der "mögliche Gedanke", dass wieder "nur ich an allem Schuld bin" wie es gelaufen ist...
ich kann die LEERE einfach nicht zu lassen...
dabei wäre ich selber auf einen so guten Weg...

irgendwie, geht mein Dilemma jetzt ohne ihn in kleinem Rahmen so weiter,
wie mit ihm in der Therapie,
ich fühlte mich von ihm oft missverstanden, und ein bißchen so fühle ich mich jetzt auch, und das bleibt die offene Gestalt - dieses Schuldgefühl in einem drin, obwohl ich weiss, dass ich für mich richtig gehandelt habe...
und das ist auch das ständige wiederholen,
dieses alten Schmerzes,
und den konnte ich durch diese 3 Jahre Therapie nicht heilen, und das macht mich echt traurig.
Klar hab ich was gelernt, das wäre ja ganz und gar undankbar auch dem Th. gegenüber, er hat ja auch immer wohlwollend gehandelt,
das glaube ich ihm echt,
nur wenn ich heute nachfühle, wie sich das traurig sein anfühlt,
es ist wie immer, dieses zurück gelassene Gefühl, von
"er hat alles richitg gemacht" nur ich hab es ja vermasseln müssen...
obwohl, es für mich ok ist und auch gut, dass ich jetzt gegangen bin...
ohwei,
ich hoff ihr könnt es ein bisschen nachvollziehen, was ich gerade für ein Chaos fühle...

ich hab ihm in der Therapie oft gesagt, "ich fühle, dass auch er Fehler gegenüber mir gemacht hat, und ich mir wünschte, er würde sowas mal zugeben", das hätte mir soviel bedeutet,
das wäre richtig große Heilung für mich gewesen...
aber er sah das immer anders, und so bleibe ich zurück...

Und wenn ich heute drüber nachdenke,
ich "falle" schon immer auf die selben Typen Menschen rein,
ICH LIEBE DIESE MENSCHEN, sie haben Charisma,
und sind zugleich unnahbar für mich...
und das frisst mich auf, macht mich abhängig, macht mich zu einem völligem Idioten, bis ich das erkenne, vergehen Jahre,
und dann gehe ich, weil der Schmerz unerträglich wird...und zurück bleibt eine tiefe Wunde...
UND ich muss erkennen, ich "suche mir diese Menschen auch selber aus",
irgendwie fühle ich da von Anfang an, grosse Anziehung und zugleich, den Beginn des selben ewigen Schmerzkreislaufs,
ICH HATTE NUR DIE HOFFNUNG Therapie "wäre sicherer"... für mich...
naja, ich glaub es macht mich wieder ein Stück vorsichtiger im Leben...
vielleicht auch wachsamer...

LG

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Forums-Gruftie
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Beitrag Sa., 22.03.2014, 19:32

Hallo weißer Adler,

ja, ich versteh das sehr gut.
die kluge müncherkindl hat hier mal vor jahren etwas Scharfsichtiges und Tröstliches geschrieben - ich hoffe, ich darf sie mit allem Respekt zitieren:

"wenn man also in so einer beziehung bzw. situation einfach akzeptiert, dass man selbst -ohne den anderen- um eine lösung ringen muss.
und dass diese letztlich heißt: akzeptieren, dass man keine antwort bekommen wird. dem eigenen gefühl vertrauen, ohne dazu die absolution und die antwort des anderen zu brauchen.

dieser schritt: dem eigenen gefühl vertrauen. die gedankenspirale beenden, indem man sich sagt: ich habe in jeder situation das beste getan, was mir möglich war..."

vielleicht hilft dir das.

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Forums-Gruftie
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Beiträge: 709

Beitrag Sa., 22.03.2014, 19:38

Hallo Leberblümchen und Stern,

fand es sehr amüsant und lustig, was ihr zum Sitzplatz-Beispiel geschrieben habt

und leberblümchen, ja vielleicht braucht es zumindest irgendwo irgendwie einen korrespondierenden Anteil in einem Menschen, damit man in eine ähnliche Richtung reagiert. Also den Sitzplatz dann nicht frei macht.
In diesem Fall würde ich aber immer noch meinen, es gibt die typischen Schlüssel-Schloss-Kombinationen.
Die, wo beide ihren üblichen Part übernehmen.
Und dann gibt es Kombinationen, wo einer, wie der Borderline-Patient auch im sonst netten, kontrollierten Therapeuten das Tier herauskitzelt.
Aber auch in dem Fall müsste man sagen, dass das eben eine Erklärung ist, wie man ein Muster auslöst, die ohne kosmische Geschicke auskommt, was vielleicht für weißer Adler ein Trost ist...

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