Psychotherapie: Kassen stellen Reformkonzept vor (BRD)

Gibt es demnächst themenbezogene TV- oder Radio-Sendungen? Kinofilme? Fanden Sie interessante Artikel oder Pressemeldungen in Zeitschriften oder im Internet, Bücher oder DVD's? Hier können Sie die anderen davon informieren...

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Jenny Doe
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Beitrag Do., 12.12.2013, 19:02

@ Tristezza
Ja, aber "Einzelfallentscheidung" klingt für mich anders als "Möglichkeit, einen Verlängerungsantrag zu stellen"
Stimmt, klingt anders.

Interessant wäre mal in Erfahrung zu bringen, wie das im bisher gültigen Beschluss formuliert wurde, ob da auch von "Einzelfallprüfung" die Rede war oder von "Verlängerungsantrag".
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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Solage
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Beitrag Do., 12.12.2013, 19:28

Die Formulierung der Psychotherapie-Richtlinie des gemeinsamen Bundesausschusses......:
Seite 14 ab § 23b des unten stehenden Links:

"§ 23b Bewilligungsschritte für die Verfahren gemäß § 13
(1) Folgende Bewilligungsschritte sind möglich:
1. Analytische Psychotherapie bis 160 Stunden, in besonderen Fällen bis 240 Stunden, bei
Gruppenbehandlung bis 80 Doppelstunden, in besonderen Fällen bis 120 Doppelstunden.
2. 1
Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie bis 50 Stunden, in besonderen Fällen bis
80 Stunden, bei Gruppenbehandlung bis 40 Doppelstunden, in besonderen Fällen bis
60 Doppelstunden. 2
Behandlungen können als Einzeltherapie der Indexpatientin oder des
Indexpatienten auch in Doppelstunden bei intensiverer Einbeziehung von Partnerin oder
Partner oder Familie durchgeführt werden. 3
Die entsprechenden Stunden werden auf das
Gesamtkontingent angerechnet. 4....."


http://www.g-ba.de/downloads/62-492-713 ... -04-18.pdf

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stern
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Beitrag Do., 12.12.2013, 19:34

Tristezza hat geschrieben:Ja, aber "Einzelfallentscheidung" klingt für mich anders als "Möglichkeit, einen Verlängerungsantrag zu stellen" - nämlich nach großer Ausnahme, ...
ja, ähnlich lese ich es auch... habe es aber noch nicht gut gelesen. Witzig ist auch diese Aussage:
Da in allen
drei Richtlinien-Verfahren die gleichen Patienten
und Diagnosen behandelt werden, wurde die
Verhaltenstherapie als Maßstab für die Kontingen-
tierung zugrunde gelegt.
http://www.gkv-spitzenverband.de/media/ ... erapie.pdf
So kann man es natürlich auch machen, die Therapieform mit dem niedrigsten Kontingent als Messlatte nehmen .Und die Aussage
Aus diesem Grunde wurde die jet-
zige Kontingentierung, die maximal 300 Stunden
umfasst, modifiziert. Das zur Verfügung stehende
Therapievolumen liegt nun grundsätzlich bei 50
Stunden. Weitere Therapiestunden sind dann –
wie bislang – auf Grundlage einer Einzelfallent-
scheidung der Krankenkassen unter Gutachterein-
bezug möglich.
Quelle: siehe oben
müsste man dann wohl noch präzisieren, was Einzelfallentscheidung heißt.

Ich lese Kontingentkürzung. Und zwar dergestalt, dass man die Bewilligungsschritte verkleinert... und was darüber hinaus geht, ist Einzelfallentscheidung.
Über zwei Drittel der
Patienten in Psychotherapie beenden schon in der
zur Zeit bestehenden Struktur ihre Therapie vor
der 25. Therapiestunde.
Quelle: siehe oben
Na, ob man da genau hingeschaut hat, warum das der Fall ist... heißt doch nicht, dass 2/3 nach weniger als 25h (und somit VOR dem ersten Bewilligungsschritt) geheilt entlassen werden...

Ja, da geht es mal wieder darum, wie man Kosten drücken kann... ist doch immer das gleiche nur in neuer Gestalt und gut verkauft.
Liebe Grüße
stern 🌈💫
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sandrin
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Beitrag Do., 12.12.2013, 19:36

Das alles ist aber schon noch ein Vorschlag oder? Ich meine, dieses "wurde modifiziert" hat ja schon was Endgültiges. Allmählich wird mir angst.

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Tristezza
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Beitrag Do., 12.12.2013, 19:57

Ja, das sind nur Vorschläge, wie aus dem Titel des Dokuments hervorgeht. Wer weiß, wer da noch alles mit entscheidet und wie lange es dauert, bis die Reform tatsächlich durchgeführt wird. Außerdem gilt das nur für gesetzlich Versicherte, betrifft dich daher wohl gar nicht, Sandrin?

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sandrin
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Beitrag Do., 12.12.2013, 20:01

Doch, weil die Beihilfe sich an der gesetzlichen orientiert und die private Versicherung sich wiederum an der Beihilfe.

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stern
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Beitrag Do., 12.12.2013, 20:06

Eigentlich heißt es "Vorschläge", aber keine Ahnung, wie spruchreif das bereits ist.

Aber ich sehe schon einen gewaltigen Unterschied, ob man sagt:
Das zur Verfügung stehende
Therapievolumen liegt nun grundsätzlich bei 50
Stunden.
also Regelkontingent ist 50h (was darüberhinaus geht ist Ausnahme... und das ist der Aussagehalt des Begriffes "grundsätzlich", zumindest im Juristendeutsch)... und als Messlatte nehmen wir für alle Verfahren die VT, da jedes Verfahren die gleichen Patienten mit den gleichen Störungen behandeln kann.

Oder ob mal als Regelkontingent ("im Regelfall" heißt das glaube ich) die bisherige Regelung zugrunde legt.

Btw.: An der Stelle kann man sich auch Fragen: Warum ist es dann so wichtig, Patienten besser über Unterschiede aufzuklären, wenn andererseits gesagt wird, es kann eh jede Methode grundsätzlichen jeden Patienten behandeln.

Insofern hoffe ich ebenfalls, dass ich die Aussagen unzutreffend verstehe... dass Kürzungen aber natürlich schmackhaft verkauft werden müssen, versteht sich von selbst.
Liebe Grüße
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sandrin
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Beitrag Do., 12.12.2013, 20:11

Ganz genau. Ich glaube, das kommt meines Erachtens der Abschaffung der PA gleich, die man anders wohl nicht durchsetzen kann (wegen der großen Lobby?) Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ein seriöser Analytiker sich auf ein Kontingent von 50 Stunden einlässt.

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Tristezza
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Beitrag Do., 12.12.2013, 20:11

Am besten verdonnern die KK demnächst alle zur VT, wenn die am kostengünstigsten ist und damit jede Störung behandelt werden kann.

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sandrin
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Beitrag Do., 12.12.2013, 20:14

Ja, aber genau das steckt doch im Grunde auch dahinter. Das ist die Kernaussage: Wir brauchen gar keine längere Therapie, weil die VT sowieso alles heilen kann.

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Solage
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Beitrag Do., 12.12.2013, 21:12

Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats Psychotherapie nach § 11PsychThG zur Verhaltenstherapie


7. Wirksamkeit

Bei Erwachsenen kann nach den vom WBP entwickelten Kriterien für den Nachweis der Wirksamkeit von Therapieverfahren für die verschiedenen Anwendungsbereiche von Psychotherapie dieser Nachweis für alle geprüften 11 Anwendungsbereiche mit Ausnahme des Bereiches "Hirnorganische Störungen" festgestellt werden. Für diesen letztgenannten Indikationsbereich wird die Evidenzlage als noch ungenügend beurteilt. Der Wissenschaftliche Beirat hat demnach die wissenschaftliche Anerkennung der Verhaltenstherapie bei Erwachsenen für die folgenden 10 Anwendungsbereiche festgestellt:

Affektive Störungen (F 3)
Angststörungen (F 40-42)
Belastungsstörungen (F 43)
Dissoziative, Konversions- und somatoforme Störungen (F 44, 45, 48)
Essstörungen (F 50)
Andere Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen Störungen (F 5)
Psychische und soziale Faktoren bei somatischen Krankheiten (F 54)
Persönlichkeitsstörungen und Verhaltensstörungen (F 6)
Abhängigkeiten und Missbrauch (F 1, F 55)
Schizophrenie und wahnhafte Störungen (F 2)

Die Wirksamkeit der psychodynamischen Therapien bei:

Affektive Störungen (F 3)
Angststörungen (F 40-42)
Belastungsstörungen (F 43)
Dissoziative, Konversions- und somatoforme Störungen (F 44, 45, 48)
Essstörungen (F 50)
Psychische und soziale Faktoren bei somatischen Krankheiten (F 54)
Persönlichkeitsstörungen und Verhaltensstörungen (F 6)
Abhängigkeit und Missbrauch (F 1, 55)
Schizophrenie und wahnhafte Störungen (F 2)

http://www.wbpsychotherapie.de/page.asp ... 1.17.73.74

Da stellt sich dann schon die Frage, warum die Krankenkassen mehr Geld für psychodynamische Therapien ausgeben sollen, wenn doch beide Methoden bei den selben Krankheitsbildern hilfreich sind. Bei der Verhaltenstherapie sogar noch eine Störung mehr aufgeführt ist.
Kann mir vorstellen, dass diese Reform durchgeht.

Ich bin jetzt selbst in psychodynamischer Therapie und ich wäre jetzt auch nicht begeistert, wenn die Therapiedauer plötzlich gekürzt wird. Befürchte aber, dass sich die Krankenkassen da durchsetzen.
Dies kann man gut damit begründen, dass das Gesundheitswesen entlastet wird und dies dann wieder der Allgemeinheit zugute kommt.
Um Qualitätskontrolle geht es da vielleicht gar nicht so sehr.

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sandrin
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Beitrag Do., 12.12.2013, 21:25

Ich halte diese Haltung aber für gefährlich. Denn es gibt Menschen, die haben vielleicht eine affektiven Störung, die sich aber nicht durch tiefer liegende neurotische Störungen, sondern vielleicht reaktiv zustandekamen. Und dann sieht das schon wieder anders aus. Ich weigere mich zu glauben, dass VT in jedem Fall der PA oder den tiefenpsychologisch fundierten Verfahren ebenbürtig ist. Es kommt doch immer auf den Einzelfall an. Nicht jeder kommt mit VT klar, so wie auch nicht jeder mit PA klarkommt.

Ehrlich gesagt, entschuldigt, kotzt mich diese Arroganz der VT, für sich zu reklamieren, die beste und effizienteste Methode zu sein, allmählich an. Ich bin wahrlich kein fanatischer PA-Befürworter, ich hab mich hier schon öfter über meine Bedenken geäußert. Aber auch die VT hat nicht die Weisheit mit dem Löffel gefressen.

Es geht nur darum, weniger zahlen zu müssen. Um nicht mehr und nicht wieder.


leberblümchen
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Beitrag Do., 12.12.2013, 21:30

Ich habe sowieso nie verstanden, wieso überall nachzulesen ist, dass die 300 Stunden die absolute Ausnahme seien sollen und auch schon 240 Stunden keine Selbstverständlichkeit bei einer Analyse sind - wenn doch hier nachzulesen ist, dass niemand (?) unter 300 Stunden 'nach Hause' gegangen ist. Sollte es gar so sein, dass hier die besonderen Herausforderungen versammelt sind, während 'da draußen' jeder normale Analysand nach 160 Stunden fröhlich von der Couch hüpft?

Also, die Kassenleistung IST ja schon ein Abstrich im Vergleich zur klassischen Analyse. Wenn man das weiter kürzt, dann kann von einer Analyse gar keine Rede mehr sein. Das Problem ist nur: Wenn man erst mal anfängt mit der Therapie, kann einem nicht nach 50 Stunden schon der Gutachter im Nacken sitzen.

Es gibt ja sehr viele Analysen, die weit über die 300 fortgeführt werden - was einfach nur besagt, dass weitere Kürzungen nicht sinnvoll sind. Oder aber man reformiert es so, dass der Patient von der 1. Stunde an ein Teil des Honorars bezahlt wie das halt z.B. bei der Osteopathie auch so ist.

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Chakotay
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Beitrag Do., 12.12.2013, 21:49

Wenn schon die Psychotherapie-"Landschaft" umstrukturiert werden soll, sollte man m.M.n. vor allem auch darüber diskutieren, welche anderen Therapieverfahren (z.B. Gestalttherapie) in den Krankenkassenkatalog aufgenommen werden sollten. Siehe beispielsweise Österreich. Dass in Deutschland nur PA, Tiefenpsych. und VT anerkannt sind, halte ich persönlich für ein absolutes Unding...
Chakotay
Wenn ich mich niederwerfen würde,weinen u.erzählen,was wüßtest Du v. mir mehr als v. der Hölle,wenn jmd erzählt,sie ist fürchterlich.Darum sollten wir voreinander so ehrfürchtig,nachdenklich,liebend stehn wie vor dem Eingang zur Hölle.(Kafka,gekürzt)

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sandrin
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Beitrag Do., 12.12.2013, 21:52

Über 300 Stunden SIND die absolute Ausnahme lt. meinem Therapeuten. Ich finde auch nicht, dass das die Regel sein sollte. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass lange Therapien auch Gefahren beinhalten bzw. die Patienten aus der Realität rausziehen bzw. in die Abhängigkeit führen können. Und das ist auch nicht gesund und muss auch nicht über Beiträge finanziert werden.

Mich stört aber diese Deckelung auf 50 Stunden. Dieser Satz ist viel zu niedrig. Aber in nicht außergewöhnlichen Fällen sollten 160 Stunden bzw. ggf 240 schon reichen. Zumindest sollte danach eine Pause sein, um mal wieder aus dem T-Modus rauszukommen.

@ Chakotay: Absolut richtig. Dann sollte man endlich auch andere Verfahren aufnehmen. Super Hinweis!

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