candle. hat geschrieben:Habt ihr da eine Vereinbarung getroffen euch gegenseitig zu helfen?
Sagen wir so: Ich bin mit ihr aufgewachsen. Wir stehen uns sehr nahe. Sie bedeutet mir sehr viel. Wir haben gemeinsam die Hölle unserer Kindheit durchgemacht. Das schweißt zusammen. Ich habe ihr versprochen, ihr immer beizustehen, und ich werde mein Versprechen halten. Aber so weit bin ich auch, dass ich mich nicht mehr von ihr vereinnahmen lasse. Nur heißt das nicht, dass ich sie allein lassen muss. Sie bedeutet mir immer noch viel, gerade auch weil ich ihr nichts vorwerfen kann. Es ist deutlich spürbar ihr Borderline, das sie durch ihre traumatische Kindheit entwickelte. Da ich das alles von Kind an miterlebte mit ihr, stehen wir uns nahe wie Zwillinge, nur dass sie zum Bordi wurde und ich zum Anankast, der ihr Bordi ausgleicht. Das war auch nötig, denn sie hätte sonst nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Kinder in Gefahr gebracht. Durch ihr Vertrauen mir gegenüber hat sie mir immer alles erzählt, sodass ich es verhindern konnte.
Ich habe als Schwester eine Verantwortung ihr gegenüber, ebenso ihren Kindern und ihrem hilflosen Mann gegenüber, den ich mittlerweile auch vor ihr verteidigen muss. Der Mann ist todkrank. Ich gehöre nicht zu den Menschen, die einfach wegsehen und nur an sich denken. Ich habe meine ethischen, christlichen Vorstellungen, dazu gehört Solidarität, Familiensinn und Zivilcourage, das mag im therapeutischen Kontext nicht mehr modern sei, aber ich bin nun mal altmodisch und glaube sogar immer noch an Gott, vor dem ich einmal mit gutem Gewissen, wenigstens mein Bestes gegeben zu haben, stehen möchte, wenn ich mal abtrete.
Ich finde es wichtig, sich selbst immer achten zu können, weil man trotz all der Fehler wenigstens sein Bestes versuchte. Ehrlich gesagt verstehe ich nicht, wenn heute so viele in der Therapie den Bruch mit der Familie vollziehen. Mein Aspie-Bruder hat das auch getan in der Therapie, er hat mich nicht einmal gegrüßt, obwohl ich immer zugewandt und freundlich zu ihm war. Das werde ich nie verstehen. Na ja, später sah er es ein und kam von sich aus zurück. Da merkte man, dass wirklich der Therapeut dahinterstand bzw. er es als Aspie zu wörtlich nahm mit der Trennung von der Familie. Ich finde es extrem und auch nicht gesund, wenn die Familie gleich zum Teufel gejagt werden muss, das ist auch wieder diese Schwarz-Weiß-Denke. Es gibt auch andere, liebevollere Wege des Umgangs mit Angehörigen.
Ich gehe davon aus, dass mein Leben von Gott geführt wird. Er hat mich und meine Schwester in diese Schicksalsgemeinschaft geführt. Wir gehören zusammen, auch wenn wir beide nicht voneinander abhängig sein sollten. Gerade ihre Eigenständigkeit wär mir wichtig, damit sie ohne mich klarkommt im Alltag. Ich möchte sie jedoch glücklich wissen, weil ich sie liebe. Sie hat das auch verdient.