Psychotherapie: soziale Auslese bei der Vergabe?

Gibt es demnächst themenbezogene TV- oder Radio-Sendungen? Kinofilme? Fanden Sie interessante Artikel oder Pressemeldungen in Zeitschriften oder im Internet, Bücher oder DVD's? Hier können Sie die anderen davon informieren...

leberblümchen
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Beitrag So., 27.10.2013, 18:26

Kaja, das musst du die taz fragen, was die darunter verstehen...

Unbestritten gibt es ja leichte und schwere Fälle. Die taz sagt, dass die Therapeuten mehr Freude an den leichten Fällen haben, die eigentlich keine Therapie bräuchten (hast du die links gelesen?). Ich sagte, dass ich mir da nicht so sicher bin, sondern dass ich vermute, dass die Zusammenhänge komplizierter sind.

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kaja
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Beitrag So., 27.10.2013, 18:30

Ja ich habe die Artikel gelesen.
Bin allerdings davon ausgegangen wenn Du diese Formulierung verwendest hast Du eine Vorstellung für dich im Hinterkopf was damit gemeint sein könnte.
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leberblümchen
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Beitrag So., 27.10.2013, 18:31

Spielt das eine Rolle? Oder möchtest du bestreiten, dass es leichte und schwere Fälle gibt?


kaja
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Beitrag So., 27.10.2013, 18:38

Ja es spielt für mich eine Rolle um deinen Beitrag nachvollziehen zu können.
After all this time ? Always.

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leberblümchen
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Beitrag So., 27.10.2013, 18:42

Ich kenne zum Beispiel nicht nur meinen Th., der über seine Arbeit sagt, dass er lieber mit Menschen zusammenarbeitet, deren Therapie länger dauert. Das setze ich mal so halbwegs gleich mit: "Leichte Fälle, in denen mal eben ein Problem geklärt und entsorgt werden kann, reizen mich nicht so" - wenn ich jetzt davon ausgehen kann, dass ein Therapeut nicht unbedingt eine 300h-Aktion aus jedem Konflikt macht.

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stern
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Beitrag So., 27.10.2013, 19:23

Was die Koordinationsstelle angeht und Implikationen, gab es hier schon eine Diskussion: viewtopic.php?f=41&t=28573

Folgende Aussage des Artikels
Deshalb wird PatientInnen auch empfohlen, genau darauf zu achten, dass ihnen die Therapeutin oder der Therapeut sympathisch ist. Gerade das erweist sich aber oft als kaum realisierbar. Wer unter großem Leidensdruck steht, wird kaum mehrere Therapeuten in Probesitzungen testen, bis er die oder den richtigen gefunden hat.

So findet noch vor der eigentlichen Therapie ein soziale Auslese statt. Nur wer genügend seelische Stabilität besitzt, um den Suchmarathon nach dem richtigen Behandler durchzustehen, hat eine Chance.
Quelle: vgl. Angaben Pandas
würde ich zwar nicht als "soziale Auslese" bezeichnen, aber für meinen Teil bejahen. Mir ging es während der Suche sehr bescheiden... und trotzdem wählerisch zu sein und gut zu prüfen bis es passt, verlangte mir schon einiges ab.

Dass sich nicht jeder schweren Störungen widmet, halte ich ebenfalls für Realität... denke aber auch, dass man nicht in jedem Fall einfach-lineare Zusammenhänge ziehen kann. Dass Gruppentherapie DIE Lösung ist, um MEHR Patienten SCHNELLER zu helfen, teile ich jedoch nicht:
Sie „scheuten“ den „zeitlichen und finanziellen Aufwand einer Weiterqualifizierung“ zur Gruppentherapie, mit der mehr Patienten schneller geholfen werden könne.
Ebenso halte ich von erwähnter Koordinationsstellen nichts... vgl. bisherige Diskussion.
Liebe Grüße
stern 🌈💫
»Je größer der Haufen,
umso mehr Fliegen sitzen drauf
«

(alte Weisheit)


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pandas
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Beitrag So., 27.10.2013, 23:23

leberblümchen hat geschrieben: Die taz sagt, dass die Therapeuten mehr Freude an den leichten Fällen haben, die eigentlich keine Therapie bräuchten (hast du die links gelesen?). Ich sagte, dass ich mir da nicht so sicher bin, sondern dass ich vermute, dass die Zusammenhänge komplizierter sind.

Nicht die taz sagt das, es wird in dem Artikel an verschiedenen Quellen (wie z.b. der aktuellen Studie) gezeigt, dass diese Schlussfolgerung getroffen werden kann.
Wer mehr über die Zusammenhänge wissen möchte, muss z.b. die Studie anfordern und nachlesen, wie diese im Detail dargestellt und begründet werden.
Zuletzt geändert von pandas am Mo., 28.10.2013, 00:10, insgesamt 3-mal geändert.
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pandas
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Beitrag So., 27.10.2013, 23:31

leberblümchen hat geschrieben:Das hat doch aber mit der Verteilung zu tun: Es gibt begrenzte Plätze; somit kann der Therapeut sich die Patienten aussuchen.

Stell dir mal vor, es wäre anders und die Patienten hätten die Wahl...
Der Artikel besagt, dass die soziale Auslese innerhalb der begrenzten Plätze greift; wobei es nicht unbedingt ein Verteilungsproblem an sich ist, sondern es ist kritisierbar, dass die Therapeuten schwerere Fälle ablehnen, und leichtere Fälle bevorzugen, vielleicht, da sie es angenehmer finden, mit ihnen zu arbeiten. Es ist aber ethisch wohl so gedacht, dass sich die Therapeuten nicht einfach die Patienten aussuchen nach ihrem persönlichen Gusto, sondern dass eigentlich schwereren Fällen der Vorrang gegeben werden sollte ...
... so wie das bei anderen Ärzten auch öfter der Fall ist. Wenn mehrere Patienten einen Termin wollen, bekommt derjenige zuerst einen, bei dem die Problematik am gravierendsten ist.
Es bestehen nun aufgrund der Untersuchungen Annahmen, dass Psychotherapeuten das aufgrund der bisherigen geringen Kontrollbarkeit nicht so handhaben, mitunter sogar leichte Problematiken etwas hochdiagnostizieren.
Dadurch bleiben Patienten mit schwereren Problematiken öfter vor der Tür, wobei es aus gesundheitspolitischen Gründen genau andersrum sein sollte.
Zuletzt geändert von pandas am So., 27.10.2013, 23:47, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag So., 27.10.2013, 23:39

Tristezza hat geschrieben:Aus den Leserbriefen geht übrigens hervor, dass die These des Artikels, leichte Störungen würden vorzugsweise behandelt, nicht stimmt (siehe z.B. Studie der Techniker-Krankenkasse, die dies widerlegt).
Nunja, da stehen Ergebnisse gegen Ergebnisse.

Wobei ich die Stelle in den Leserbriefen nicht gesehen habe, auf die Du Dich beziehst.

Im Artikel dient jedenfalls die Studie der TK als Beleg für die These:
So verwundert es nicht, dass in Studien zur ambulanten Psychotherapie wie etwa in der 2011 veröffentlichen Untersuchung der Techniker Krankenkasse die leichten psychischen Störungen überwiegen.
Quelle: http://www.taz.de/Suche-nach-Psychotherapeuten/!117159/

Das bedeutet nicht unbedingt, dass es stimmt oder nicht. Darüber sollte sich jeder seine eigene Meinung ableiten.

100 % wird man es vermutlich aufgrund aller Ergebnisse ohnehin noch nicht behaupten können,
aber es ist doch so, dass es auch hier im Forum Stimmen gibt, die diese Erfahrung gemacht haben (bei sich oder bei anderen).
Ich habe solche Beobachtungen auch im Reallife gemacht, unter verschiedenen Umständen.

Schwerere Problematik hängt natürlich nicht ausschließlich mit sozialem Status zusammen, sondern auch mit der Diagnose. Wobei auch die Diagnose mitunter vom sozialen Status beeinflusst sein kann.

Es gibt auch Belege, dass viele Therapeuten nicht mit Patientinnen arbeiten wollen, die sexuellen Missbrauch vermuten.
Deshalb haben die Therapeuten, die dies anbieten oder sich gar darauf spezialisiert haben, dann sehr lange Wartelisten ...
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BillieJane
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Beitrag Mo., 28.10.2013, 01:16

Hallo Pandas, ich lese keine mainstream Medien, deswegen habe ich den Artikel nur überflogen, doch wenn die taz Manische Depressionen und postraumatische Belastungsstörungen für leichte psychische Störungen halten..... Nun, ja, es bestätigt meine kritische Haltung gegenüber der angeblichen Qualität der üblichen Presselandschaft.

Hier ist der Abschlussbericht der TK von 2011 im Original welche die taz für ihren tendenziösen Journalismus missbraucht hat: http://www.tk.de/centaurus/servlet/cont ... atei/54714

Ab Seite 60 ff kann man anhand der Tabellen der ersten bis vierten Diagnosen lesen, dass die Diagnoseschlüssel F3 und F4 überwiegen. (Für diejenigen welche F3 und F4 noch mal aufgedröselt haben wollen: http://www.therapie.de/psyche/info/diagnose/icd-10/)

Das sind jedoch auch die am häufigsten vorkommenden psychischen Erkrankungen. Steht auch irgendwo in der Studie. Außerdem sind F6 Patienten häufiger in psychiatrischer Behandlung als F3 oder F4 Patienten.

In der vierten Diagnose, kommen dennoch F6 Patienten an dritter Stelle in der Häufigkeit.

Also, wie diese Leute von der taz daraus "leichte Störungen" basteln........

Auf Seite 161 steht unter 9.3.2:
Die Patienten in dieser Studie zeigen sich sowohl in allgemeinen als auch in störungsspezifischen In-
strumenten durchgängig mindestens genauso belastet wie klinische Vergleichsstichproben. Sie über-
schreiten im Mittel deutlich die Grenzwerte für klinisch relevante Belastung, in einigen Instrumenten
liegt der Mittelwert sogar im Bereich für starke Belastung (vergleichbar mit stationär behandelten Pati-
enten).
Der Vergleich zwischen IG und KG hinsichtlich der Eingangsbelastung ergibt teils signifikante
Unterschiede, mit jeweils etwas größerer Belastung in der IG, wobei hier allerdings aufgrund der Stich-
probengröße auch kleine Effekte signifikant werden. Insgesamt ist festzuhalten, dass aufgrund der fest-
gestellten klinisch relevanten Beeinträchtigung der hier untersuchten Patientenstichprobe sowohl in der
IG als auch in der KG der psychotherapeutische Behandlungsbedarf evident ist.
Liebe Grüße,

BillieJane

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Tristezza
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Beitrag Mo., 28.10.2013, 08:07

pandas hat geschrieben:Wobei ich die Stelle in den Leserbriefen nicht gesehen habe, auf die Du Dich beziehst.Im Artikel dient jedenfalls die Studie der TK als Beleg für die These
Ich habe mich auf den zweiten Artikel, "Die Angst vor schweren Fällen" bezogen, der sich auf Aussagen des Verbands der Ersatzkassen stützt. Kommentare zu diesem Artikel verweisen wiederum auf eine Studie der TK, die die Behauptungen der Ersatzkassen widerlegen soll.


leberblümchen
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Beitrag Mo., 28.10.2013, 08:15

Die taz formuliert es ja ganz klassisch - und passend zur eigenen Ideologie: Die verheiratete Hausfrau aus dem Mittelstand (fast hätte ich mir das Wort 'Feindbild' verkneifen können...) ist ein leichter Fall - und damit hat sie schon per definitionem (wenn es denn nach der taz ginge) den Anspruch auf Psychotherapie verwirkt.

Ich hoffe nicht, dass ich hier irgendwie belegen muss, dass es etliche Frauen aus dem Mittelstand gibt (auch Hausfrauen, ja), die eine schwere psychische Störung aufweisen. Wie eben in allen anderen sozialen Schichten auch. Nur funktioniert es halt - bei mir zumindest - nicht, wenn man es so formuliert, dass am Ende nur der einen Anspruch auf eine Therapie haben soll, der im Bergbau arbeitet. Ich wüsste jetzt z.B. auch nicht, wo stehen würde, dass es ethisch erwünscht ist, dass Therapeuten sich die schwersten Fälle aussuchen müssten (wobei schon wieder unterstellt wird, dass sie das nicht tun wollen) und die 'leichten' Fälle ablehnen sollten.

Wenn du das wirklich so vertrittst, pandas, dann bist du halt wieder beim Verteilungsproblem. Denn natürlich sollten auch 'leichte Fälle' einen Anspruch auf einen Therapieplatz haben - wieso denn auch nicht? Und vor allem: Wie sollte man das klassifizieren, bevor man sich entschieden hat, den Patienten aufzunehmen? Es wird ja immer wieder gesagt, dass die Therapeuten nicht zurückrufen. Es wird ja wohl eher selten jemand am Telefon sagen: "Guten Tag, mein Name ist Müller und ich bin ein schwerer Fall" (die meisten Patienten werden vermutlich ohnehin annehmen, ein 'leichter Fall' zu sein und anderen einen Platz wegzunehmen - gut, dass die taz dieses noch verstärkt...).

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Broken Wing
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Beitrag Mo., 28.10.2013, 09:44

@ Leberblümchen: Üben in Logik? Dass Hausfrauen aus der Mittelschicht mit leichten Depressionen Lieblingspatienten sind, bedeutet nicht, dass es solche gibt mit tatsächlich gravierenden Störungen. Allerdings werden sie, genauso wie die Bergbauern, nicht bevorzugt, in dem Fall nicht aus finanziellen Gründen. Wie du da auf die Idee kommst, dass die Taz damit die Bergbauern meint, musst du mir mal erklären.

@Tristezza: Nur weils die Häufigste Störung ist, sollen sie die Plätze bekommen? Erkältung ist ja auch häufig. Bei mangelnder Überprüfbarkeit könnte der Arzt aber auch gleich eine potenziell tödliche Grippe daraus basteln. Genau aufgrund der Undurchsichtigkeit von Diagnosen sind solche Studien fraglich. Man müsste auch den Lebensweg des Patienten berücksichtigen, dann könnte man die Behauptungen ernst nehmen.
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Madja
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Beitrag Mo., 28.10.2013, 09:58

Ich kann mir vorstellen dass es wirklich Therapeuten gibt, die "leichte Fälle" bevorzugen. Aber wie stellt man so was am Telefon fest? Ich suche gerade ein Erstgesprächtermin für meinen Mann. Die alle Therapeuten, mit denen ich telefoniert habe sagten: "Es tut mir Leid, Wartezeit ca. 6 Monate (bei einem sogar 2 Jahre!)" und keiner hat gefragt, worum es geht...
Freiheit heißt Verantwortung. Deshalb wird sie von den meisten Menschen gefürchtet. - George Bernard Shaw

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candle.
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Beitrag Mo., 28.10.2013, 10:07

Madja hat geschrieben: Ich suche gerade ein Erstgesprächtermin für meinen Mann.
Es ist schon wichtig, dass dein Mann sich selber um einen Termin bemüht, das fließt durchaus mit ein mit welcher Motivation ein Therapieplatz gesucht wird. Dann kann ich empfehlen einen Therapeuten ohne Kassenzulassung in Betracht zu ziehen. Das wird in der Regel auch von der Kasse übernommen und erspart lange Wartezeiten.

candle

OT Ende
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