Kassen wollen schnellere Psychotherapie

Gibt es demnächst themenbezogene TV- oder Radio-Sendungen? Kinofilme? Fanden Sie interessante Artikel oder Pressemeldungen in Zeitschriften oder im Internet, Bücher oder DVD's? Hier können Sie die anderen davon informieren...

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Jenny Doe
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Beitrag Mi., 03.04.2013, 04:51

Hallo Katja,
Ein Problem ist vermutlich auch die Haltung mit der einige Versicherte eine Therapie in Anspruch nehmen.Da wird oft sofort zu Beginn auf die maximale Stundenanzahl geschielt. Der Gedanke das man ein Maximalkontingent nicht zwingend ausschöpfen muss (...)
Ich denke, dass das Problem nicht nur bei den Versicherten liegt, sondern sich auch Therapeuten bei der Behandlung an der Stundenzahl orientieren. Je mehr Stunden bewilligt werden, desto weniger zielstrebig müssen sie sein, desto mehr Zeit haben sie, um einfach "nur" Gespräche zu führen (soll nicht abwertend sein, auch "nur" Gespräche können wichtig sein).
Dieser Gedanke kam mir, als ich an meine letzte Therapie dachte, eine nicht-kassenzugelassene Therapeutin, die mir bewilligt wurde, u.a. weil sie einen Platz frei hatte. Sie bekam maximal 60 Stunden bewilligt und ich war sehr überrascht, wie zielstrebig sie an meinen Problemen gearbeitet hat.
Therapeuten, die wesentlich mehr Stunden zur Verfügung hatten, gingen bei mir weniger zielstrebig vor.

Das ist natürlich nur meine Erfahrung, bei anderen muss es nicht zwingend auch so sein.
Lerne aus der Vergangenheit, aber mache sie nicht zu deinem Leben. Wut festhalten ist wie Gift trinken und darauf warten, dass der Andere stirbt. Das Gegenstück zum äußeren Lärm ist der innere Lärm des Denkens.

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Fify
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Beitrag Mi., 03.04.2013, 09:20

Ich habe mir hier die Beiträge durchgelesen und ich frage mich, ob hier irgendjemand beurteilen kann wieviele Stunden jemand braucht. Mein privates Umfeld versteht auch nicht, dass ich Psychotherapie in Anspruch nehme und ich wahrscheinlich auch eine Psychoanalyse genehmigt bekomme. Sie meinen, dass ich mich einfach mehr zusammenreißen sollte und dann würde mein Leben schon funktionieren. Ich sehe das nicht so, bzw. ich schaffe es nicht. Ich bin froh, dass ich jetzt in Psychotherapie bin.
Manchmal frage ich mich selbst, ob das gerecht ist, dass die Krankenkasse das jetzt zahlt. Schließlich bin ich nicht sexuell missbraucht worden und ich habe immer gewusst, dass meine Eltern mich lieben.
Kann es vielleicht sogar sein, dass Psychotherapie nur genehmigt wird, wenn es nicht zu schlimm ist? Ich hatte meinen Vater gefragt, ob er jemals gefragt wurde ob er eine Psychotherapie machen möchte. Er meinte darauf nur, dass er nie gefragt wurde, weil bei ihm Hopfen und Malz verloren ist.


ziegenkind
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Beitrag Mi., 03.04.2013, 09:23

kaja, ich denke doch, dass du mit deinen formulierungen schuldgefühle machst und in den raum stellst. muss das so sein? anderen unterstellen, dass sie auf das maximale kontingent "schielen"? ja, hier sind menschen unterwegs, die angst haben, nicht genug zu bekommen. mir scheint das eher ausdruck einer macke zu sein als indiz für freche schmarotzerei. wem es gut geht, der wird so was eher nicht machen, oder? andere haben andere macken. die lassen sich von ihrem therapeuten im schweiße seines angesichts von der therapie überzeugen. verstehe mich nicht falsch. ich sehe auch darin ausdruck von schwerer innerer not. ich fänd es aber gut, wenn wir nicht auf den uns unverständlichen macken der jeweils anderen rumhacken. lass doch mal ein bisschen frieden unter den bekloppten sein. für das andere haben wir ja die koreaner.
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kaja
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Beitrag Mi., 03.04.2013, 10:53

Das war ja eigentlich zu erwarten. Ich äußere meine Meinung und Erfahrung und es wird mit der Verwendung von Informationen aus dem geschlossenen Bereich reagiert und meine Aussage unsachlich und falsch interpretiert wiedergegeben .
Wenn man sonst keine Argumente hat...schon gut ich äußere mich nicht mehr.
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Marzipanschnute
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Beitrag Mi., 03.04.2013, 11:27

majatuk hat geschrieben:kaja, ich denke doch, dass du mit deinen formulierungen schuldgefühle machst und in den raum stellst.
Sie hat doch direkt darauf geantwortet, dass das definitiv nicht ihre Intention war.


Mein Mutter ist so ein Fall. Sie misst ihren "Krankheitsgrad" daran, wie viele Tabletten sie nimmt, wie oft ihr Therapeut in der Woche Zeit für sie hat, was ihre Diagnose ist, wie viele Stunden die Kasse genehmigt und so weiter... Klar, sie ist wirklich, richtig krank, da kann ich nicht mit reden.
Aber manchmal frage ich mich, ob es nicht ein bisschen anders wäre, wenn sie wüsste, genau wüsste, bis dahin und nicht weiter (dass das in der Realität so nicht durchführbar ist, ist mir auch bewusst, man kann keinen halbfertig Therapierten einfach so auf die Straße setzen und dafür gibt es ja auch die Verlängerungen, Umwandlungen und so weiter)
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stern
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Beitrag Mi., 03.04.2013, 11:35

Marzipanschnute hat geschrieben:man kann keinen halbfertig Therapierten einfach so auf die Straße setzen und dafür gibt es ja auch die Verlängerungen, Umwandlungen und so weiter)
Das halte ich aber für Wunschdenken... denn faktisch ist mit Kontingenterschöpfung bzw. Auslaufen der Kassenfinanzierung (was gut und gerne auch vor dem Höchstkontingent der Fall sein kann) i.d.R. Ende, ich möchte fast sagen: relativ unabhängig wie weit jemand ist. Wenn der Bedarf noch gegeben ist: Bestenfalls kann dann gewechselt werden oder (je nach Einzelfall) eine stationäre Therapie in Erwägung gezogen werden oder selbst gezahlt werden. Derartige Wechsel können gewisse Vorteile haben, aber auch Nachteile.

Insofern kann ein Therapeutenwechsel nämlich auch heißen, dass das vorgesehen Kontingent (je nach Einzelfalls) zu knapp bemessen ist/war.
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Marzipanschnute
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Beitrag Mi., 03.04.2013, 11:38

stern hat geschrieben: Wenn der Bedarf noch gegeben ist: Bestenfalls kann dann gewechselt werden oder (je nach Einzelfall) eine stationäre Therapie in Erwägung gezogen werden oder selbst gezahlt werden. Derartige Wechsel können gewisse Vorteile haben, aber auch Nachteile.
Das meinte ich ja. Und es wird ja keiner mit massiven, psychischen Problemen total alleine gelassen? Oder bin ich da gerade sehr naiv?
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stern
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Beitrag Mi., 03.04.2013, 11:50

Marzipanschnute hat geschrieben:Das meinte ich ja. Und es wird ja keiner mit massiven, psychischen Problemen total alleine gelassen? Oder bin ich da gerade sehr naiv?
na ja, für manche wird nur die medikamentöse Unterstützung bleiben...

Mit bestimmten Vorgeschichten oder mit als besonders schwer angesehenen Störungen muss man erstmal einen Behandlungsplatz finden... umso schwieriger, weil es ja Wartezeiten gibt und somit die Nachfrage größer als das Angebot ist, und einige von einer faktischen Untervorsorgung ausgehen (die Kassen argumentieren anders). Und nicht jeder Therapeut behandelt alles bzw. es passt auch nicht immer die Chemie... insofern hat ein Therapeut schon einige Wahl zu schauen, wenn er nimmt. Ambulante Therapien sind an Voraussetzungen gebunden. Auch für eine stationäre Therapie müssen Indikation erfüllt sein... na gut, wer selbstmordgefährdet ist, muss wohl akut aufgenommen werden. Aber ansonsten haben Kliniken teils sehr lange Wartezeiten (mitunter auch über ein Jahr). Kassen würden deiner Aussage vermutlich gut und gerne zustimmen... aber für Patienten mit massiven psychischen SChwierigkeiten kann es sich alles andere als leicht gestalten einen Therapieplatz zu erhalten... sei es einen neuen oder einen zur Fortsetzung. Die angemessene Zeit, bis man einen zu findet, spielt ja auch eine Rolle... deswegen ja auch der Artikel. Auch regional soll das an manchen Orten leichter möglich sein als an anderen.
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leberblümchen
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Beitrag Mi., 03.04.2013, 11:56

Ich habe kaja so verstanden, dass sie lediglich darauf aufmerksam machen wollte, dass es Patienten gibt, die gar nicht auf die Idee kommen, dass man eine Analyse auch durchaus nach 160h beenden KÖNNTE. Nicht, dass man es so machen muss - aber man MUSS auch nicht sagen: "Wir machen auf jeden Fall die 300 voll" - denn dieser Gedanke verhindert ja die Autonomie. Das bedeutet nicht, dass die 300 nicht nötig sein könnten. M.E. wäre sehr oft auch sehr viel mehr nötig. Aber es ist wohl nicht möglich, den tatsächlichen Bedarf eines bestimmten Patienten objektiv festzusetzen. Das ist das Problem und das öffnet natürlich auch Möglichkeiten, die ganze Angelegenheit auszusitzen, weil es so gemütlich ist. Ich selbst weiß überhaupt nicht, ob das auf mich selbst zutrifft, und ich gehe davon aus, dass auch nicht jeder Therapeut das so glasklar sieht.

Das ist eine grundsätzliche Ungerechtigkeit und ein logistisches Problem, denn viele Kranke sind überfordert, wenn sie lange auf einen Platz warten müssen, während andere 'offiziell' auch längst alleine klarkommen würden - da muss man sich nichts vormachen!

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stern
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Beitrag Mi., 03.04.2013, 12:11

Hier mal ein paar Zahlen... nicht mehr ganz druckfrisch. Aber am Kernpunkt, dass faktisch eine Untervorgung gesehen wird, die Kassen sich aber auf eine statistische Übervorsorgung berufen, daran hat sich nicht so viel geändert:
„Bei aller Vorsicht deuten die Ergebnisse auf eine Unterversorgung mit ambulanter Psychotherapie hin“, sagte Wasem bei der Vorstellung der Studie in Berlin. Die durchschnittliche Wartezeit auf ein Erstgespräch beträgt bei den befragten Therapeuten, die eine Warteliste führen (52 Prozent), mehr als 2,5 Monate. Am längsten warten die Menschen in einer Kleinstadt auf ein Erstgespräch (104 Tage), in ländlichen Regionen 69 Tage, in Großstädten dauert es immerhin noch 62 Tage.
http://www.aerzteblatt.de/archiv/81265/ ... orgung-hin

Regional könnte man vermutlich noch weiter differenzieren, aber so als Anhaltspunkt
Knapp 14 Prozent der Patienten nehmen nur probatorische Sitzungen oder die biografische Anamnese in Anspruch. Eine genehmigungspflichtige Therapie bei den befragten Therapeuten umfasst im Durchschnitt 46 Sitzungen, diese werden zu 83 Prozent ausgeschöpft. Bei 66 Prozent der Patienten, die das Höchstkontingent an genehmigungspflichtigen Sitzungen ausgenutzt haben, reicht dies nach Meinung der behandelnden Psychotherapeuten nicht aus.
Quelle wie oben
Für Einzelheiten, was in der Studie berücksichtigt ist, bitte kompletten Link ansehen... mir geht es nur um einen groben Anhaltspunkt.
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ziegenkind
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Beitrag Mi., 03.04.2013, 12:20

kaja, lass mal gut sein. keine "informationen" aus dem gesperrten bereich. eher eine sehr allgemeine aussage zu varianten, die es im therapeutschen prozess so gibt und die zudem mich höchst persönlich betreffen: ich habe mich immer und immer wieder von meiner therapeutin mühsam bearbeiten lassen, weiter zu machen, bei jeder verlängerung. wer sich angespochen fühlen will, welcome im club. es gibt ja eigentlich auch keine beklopptheit, die ein alleinstellungsmerkmal wäre.

und: herabsetzende formulierungen benutzen (schielen) und dann sagen, aber meine intentionen sind gut, das finde ich weder überzeugend noch in ordnung.

muss das sein, andere herabsetzen? andere sitzen gemütlich aus? andere stellen ansprüche? andere schielen? ich persönlich kenne niemanden, der seine therapie gemütlich findet. das würde mich, die ich sehr hohe krankenkassenbeiträge zahle, in der tat irritieren.

interessant übrigens, dass der trend zum gemeinen austeilen gegen den neben-bekloppten statistisch auffälig häufig in therapiepausen ansteigt.

mein beitrag zum durchbrechen dieses trends: kaja, ich will dir wirklich nix böses. ein bisschen wollte ich mich vielleicht kabbeln. ein bisschen dachte ich, ich könnte dich erreichen. ein bisschen war ich erschrocken über die heftige formulierung. ein bisschen empört mich eine haltung a la, ich bin hart gegen mich, dann darf ich auch hart gegen andere sein, die ich da auch raushöre. ein bisschen hab ich auch vergessen, dass andere andere mütter haben (meine war immer stolz auf ihre härte gegen sich und gegen mich) ein bisschen find ich es schlimm, wenn wir selber die arbeit der kk übernehmen, die vieles auf der agenda hat,aber bestimmt nicht in erster linie euer, mein, unser wohlergehen.


DANKE STERN. nützliche infos
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Jenny Doe
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Beitrag Mi., 03.04.2013, 12:42

Hallo Stern,
„Bei aller Vorsicht deuten die Ergebnisse auf eine Unterversorgung mit ambulanter Psychotherapie hin“, sagte Wasem bei der Vorstellung der Studie in Berlin. Die durchschnittliche Wartezeit auf ein Erstgespräch beträgt bei den befragten Therapeuten, die eine Warteliste führen (52 Prozent), mehr als 2,5 Monate.
Das schließt Katjas Meinung aber nicht aus. Möglich wäre ja auch, um Katjas Meinung mal zu integrieren, dass die Unterversorgung dadurch zustandekommt, dass es Klienten gibt, die überversorgt werden.
Katja hat nicht so ganz Unrecht, nur so verallgemeinern kann man das nicht. Ich bin ja schon ein paar Jährschen hier im Forum und lese immer wieder Beiträge von User, die es nicht schaffen ihre Therapie, die sie eigentlich gar nicht mehr brauchen (zumindest was ihre Symptome angeht) zu beenden, z.B. weil sie sich ein Leben ohne ihren Therapeuten nicht vorstellen können, weil sie abhängig von ihrem Therapeuten sind, weil sie den Therapeuten sehr mögen, .... Wie gesagt, verallgemeinert lässt sich das nicht, aber ich denke schon, dass es den ein oder anderen Klienten gibt, der in Therapie bleibt, obwohl er diese nicht mehr braucht - aus welchen Gründen auch immer.

Viele Grüße
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stern
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Beitrag Mi., 03.04.2013, 13:11

Jenny Doe hat geschrieben:Das schließt Katjas Meinung aber nicht aus. Möglich wäre ja auch, um Katjas Meinung mal zu integrieren, dass die Unterversorgung dadurch zustandekommt, dass es Klienten gibt, die überversorgt werden.
Ich kann es schlichtweg nicht beurteilen, ob und wieviel Patienten übervorsorgt sind... dazu bräuchte ich Zahlen, wobei ja das Problem ist, das die Zahlen der Bedarfsplanung der Krankenkassen (die sich auf Übervorsorgung berufen) wohl auf einem anderen Fundament basieren als die, die faktisch angenommen werden (Unterversorgung).

Rechnerisch plausibel ist das Argument und theoretisch ebenfall, aber ich kann es, wie gesagt, nicht quantitativ nachzollziehen... und auch nicht fachlich beurteilen, wer Therapien in Anspruch nimmt ohne sie zu brauchen oder sie nicht mehr benötigt.

In dem Link, den ich einstellte, hieß es (wie gesagt: was der Studie zugrunde liegt, bei bedarf im Link nachsehen): "Bei 66 Prozent der Patienten, die das Höchstkontingent an genehmigungspflichtigen Sitzungen ausgenutzt haben, reicht dies nach Meinung der behandelnden Psychotherapeuten nicht aus". Das spricht erstmal dafür: Bei einem nicht unerheblichen Teil scheint nichtmal das Maximalkontingent zu reichen. Das hat erstmal nichts mit dem zu tun, wieviel Patienten versorgt sind.

Und man sieht es ja von außen niemanden an, wie es jemanden geht. Vor meiner stationären Therapie hatte ich so ein Bild: Ich bin viel zu gesund (besser gesagt: zu wenig krank) für eine Klinik... da werde ich von lauter kranken Patienten umgegeben sein, was meiner Gesundheit erst recht nicht zuträglich ist. Aber however... notgeboren ließ ich mich darauf ein. Nur bereits die ersten Tage hatte ich einen gewandelten Eindruck, dass ICH hier nicht hingehöre, weil ich wie ein nasser Waschlappen in der Kurve hänge (nicht nur ich, aber sei's drum). Will heißen: Niemanden steht Störung und Art auf der Stirn... es gibt offensichtlicherer Einschränkungen (bei mir kam zugegebenermaßen noch etwas körperliches hinzu) und weniger offensichtlichere. Wie wollen den Laien beurteilen, ob jemand mehr bekommt als er braucht.

Was ich aus der Klinik kenne und mir eigentlich vorher fremd war (ausdrücklich ohne Bezug auf user hier): So eine Art Neid, wer bekommt welche Therapie... und warum darf Patient xy das machen, während Patient dies oder jenes nicht bekommt. Aber wohl typisches Phänomen bei limitierten Kapazitäten.

Hinzu kommt: Wobei ich nicht weiß, wie das in der Bedarfsplanung berücksichtigt ist: Klar, die Kasse finanziert bestenfalls was gebraucht wird, nichts darüber hinaus... was im Grunde auch richtig ist, soweit es wirklich das wichtige abdeckt. Aber woher weiß man, ob jemand sich seine Therapie nicht selbst finanziert (damit geht ja nicht jeder haussieren). Die Kasse setzt ja Begrenzungen, womit irgendwann definitiv Ende ist. Mit Selbstfinanziert ist man dann auch nicht mehr an Kassenvorgaben wie nötige Gesundheitsbehandlung (und so vieles mehr) gebunden. Es heißt nirgendwo, dass man nur das machen darf, was essentiell nötig ist. Allerdings kann eine länger dauernde Therapie neben finanziellen Kosten auch andere haben: Eine Therapie ist nicht unbedingt Spaziergang, sondern kann vorübergehend destabilisieren. Kann aufs Selbstwertgefühl schlagen. Zeitaufwand. Usw... ich meine, das muss man auch erstmal in Kauf nehmen.
Zuletzt geändert von stern am Mi., 03.04.2013, 13:24, insgesamt 2-mal geändert.
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Jenny Doe
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Beitrag Mi., 03.04.2013, 13:20

Das ist das Problem und das öffnet natürlich auch Möglichkeiten, die ganze Angelegenheit auszusitzen, weil es so gemütlich ist. Ich selbst weiß überhaupt nicht, ob das auf mich selbst zutrifft, und ich gehe davon aus, dass auch nicht jeder Therapeut das so glasklar sieht.
Respekt, Titus, für deine Ehrlichkeit!

Ich habe auch in Folge dieses Threads nachgedacht, was auf mich zutrifft, ob Katja wirklich so Unrecht hat. Wenn ich ehrlich mir selbst (und auch anderen) gegenüber bin, ... nein, Katja hat nicht Unrecht. Es gab Therapeuten in meinem Leben, die ich sehr gerne hatte und die Vorstellung, dass ich diese eines Tages nie wiedersehen werde, war schrecklich für mich. Aber sich das einzugestehen, loszulassen, Abschied zu nehmen, alleine weiter zu gehen und selbständig das Gelernte anzuwenden, ... ist schwieriger als zu sagen "Ich habe immer noch Probleme". Finden lässt sich immer was und jeder Tag, der vergeht, bringt ja auch immer wieder neue Probleme mit sich. So hat man jeden Tag neue Gründe dafür, warum man in Therapie bleiben muss. Aber sowas funktioniert nur, wenn es auf der anderen Seite einen Therapeuten gibt, der "mitspielt" und es eine Krankenkasse gibt, die zahlreiche, wenn auch begrenzte, Stunden bewilligt. Ganz ehrlich gesagt, retrospektiv betrachtet bin ich froh, dass es sowas wie ein gesetzliches Ende gibt. Ich weiß nicht, ob ich ohne dieses Ende jemals laufen gelernt hätte.
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Beitrag Mi., 03.04.2013, 13:24

ja, es gibt sicher auch patienten, die nicht aus den richtigen gründen noch in ihrer therapie sind. mir will allerdings scheinen, dass das nicht unbedingt fröhliche genießer sind, sonder eher verzweifelte, bei denen therapie nicht wirklich funktioniert und deshalb zu einer art ersatzbefriedigung wird, von der man nicht genug kriegen kann. es gibt sicher auch therapeuten, die zu bequem oder inkompetent sind, um das zu merken.

und dann? wie von hier aus weiter? es wird nie ein system geben, das nicht unterlaufen wird. wer darauf mit der verschärfung von monitoring reagiert, der setzt in der regel nur gutes geld in den sand. monitoring ist teuer und die, die wirklich besch.eißen wollen, sind oft findig genug, um wieder eine neue umgehungsstrategie zu finden.

von daher: mir scheint es sinnreicher auf das professionelle ethos von therapeuten zu setzen (dafür gibt es ja auch gute anreizstrukturen: die ausbildung ist langwierig und teuer, der verdienst nicht exorbitant. wem es um das schnelle, einfache geld geht, der wäre blöd therapeut zu werden). analog macht es mE zudem sinn, auf das eigeninteresse des patienten zu setzen. meiner erfahrung nach, ist eine wirksame therapie anstrengende und mitunter schmerzhafte arbeit. die meisten menschen werden das nicht aus langeweile machen. ich z.B. muss mir die zeit dafür mühsam von was anderem abzwacken. ich selber hatte als ich in der klinik war, unheimlich angst davor, den hintern nicht mehr hochzukriegen und es mir in der hängematte zu gemütlich zu machen. meine therapeutin in der klinik hat mich damals ausgelacht. bevor es so weit kommt, wird es ihnen hier eh zu langweilig. und genau so ist es gekommen. ich wusste genau, wann der moment war zu gehen.

noch mal: auch hier wird es leute geben, die therapie als eine art spaßprogramm betrachten. ein halbwegs guter therapeut wird sich mit so leuten aber sehr schnell langweilen und dieses gegenübertragungsgefühl als kriterium nutzen können, um die therapie zu beenden. ich kenne solche geschichten von befreundeten therapeuten. bei denen geht es nicht nur (aber auch) um verantwortungsgefühl und moral. labertherapien sind für die meisten sterbenslangweilig und auf einem anbietermarkt wären sie ja schön blöd sich das anzutun.

wo ist eigentlich das echte problem? ich hab in der klinik leute kennengerlernt, die arbeiter sind, die in der aok sind und die echte probleme haben, z.B. eine analyse bewilligt zu bekommen. was für eine zum himmel stinkende ungerechtigkeit. viele tun immer noch so, als wenn analyse nur was für leute ab abitur ist. auch in den therapeuischen ausbildungsinstituten, die ja oft therapieplätze vermitteln.

und noch eine kleine provokation zum schluss: wir finden es normal jedes zweite jahr ein neues handy zu bekommen, aber wie regen uns über menschen auf, die angeblich zu lange an sich arbeiten wollen, um gesünder zu leben, ihre kinder authentischer erziehen zu können, glücks- und beziehungsfähiger zu werden usw. usf. ich find das merkwürdig
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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