Depression durch Erfolg?

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Rezna
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Beitrag Do., 04.04.2013, 02:09

Ach ja, der Kontrast bzw. der Vergleich.
Richtig, es ist interessant, wie man Zeiten hinterher bewertet. In dem Moment, da man sie lebt, empfindet man sie so nicht. Hinterher entwickeln sie ihren Zauber und ihre Faszination. Sowohl negative als auch positive Dinge betreffend. Das JETZT in einem Kontrast zu etwas Konträrem sehen - das wäre im Moment wohl Sicherheit, Friede, Ausgeglichenheit ... zugleich weiß ich, dass genau der Zustand, den ich im Moment habe, so völlig gaga - in anderen Zeiten als ein hübsches Kontraprogramm herangezogen wird.

Depression ist in diesem Zusammenhang wohl tatsächlich der falsche Begriff - es sei denn, man bemüht die agitierte derselben. Fanatisches "am Ball" bleiben, drei Dinge zugleich tun wollen, Angst vor Pause, Stillstand, Schlaf.
Ninia hat geschrieben:Kann es auch sein, dass du dir Erfolg selber nicht gönnst, dich nicht losgelöst von der Ursprungsfamilie und deinem früheren Ich sehen kannst?
Die Ironie des Schicksals (welch abgegriffene Phrase) will es, dass es eigentlich GERADE die Missstände der Ursprungsfamilie waren, die unter anderem jene Aspekte gepuscht haben, die aktuell zu Erfolg führen. Wäre sie nicht so Schei..e gewesen, hätte ich keine Flucht gebraucht. Die Wahl meiner Flucht wurde die Gabe, mein Talent und nun mein Erfolg.
Hihi, wenn ich so überlege: In der Tat - ich agiere mit voller Wucht gegen meine Eltern. Mein Vater hätte mir Erfolg gewünscht - definitiv, aber wüsste er, WOMIT ich Erfolg habe, würde er sich in seinem Grab drehen wie ein ... etwas sich sehr schnell Drehendes. Meine Mutter dagegen würde inhaltlich wohl wenig zu Beanstanden haben, aber der Erfolg an sich - das wäre ein Affront. Mein Vater ist tot und mit meiner Mutter habe ich keinen Kontakt (vermutlich nicht mal am irgendwann existierenden Grab). Mir ist in der Tat real völlig egal, wie meine Eltern zu dem ganzen Stehen. Sogar bei meinen Geschwistern ist es mir egal. Ich bin da egozentrisch: MIR ist es wichtig. Punkt. Aus. Dass es mein Partner toll findet, ist eine coole Sache! Würde er es nicht toll finden, tät ichs trotzdem - würde ihn aber aus allen Überlegungen raus halten.

Also zur Frage zurück kommend: Doch ich meine, dass ich diesen Erfolg durchaus losgelöst von der Ursprungsfamilie sehen kann. Ach, maximal ist die Kühnheit, die Verwegenheit, ein Verbindungspunkt - aber viel zu schwach, um sich durch Rebellion daran zu ketten.
Ich behaupte mal, JEDER Mensch kann mit Niederlagen besser umgehen, als mit Erfolg, weil er öfter darin verweilt ... mach mir doch diese Illusion über das Wesen der Menschheit nicht kaputt, Mensch.
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Rezna
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Beitrag Do., 04.04.2013, 02:22

@hawi,

Allgemein gesprochen hege ich seit geraumer Zeit dem Gott des Zynismus. Tatsächlich gibt es kaum eine (grins) Hiobsbotschaft - die ich nicht als Witz auf fasse. Ganz generell halte ich ALLES für einen zynischen Witz. Ob man das nun ganz allgemein Reife, Akzeptanz des Daseins nennen mag, oder ein Symptom von etwas Pathologischem - keine Ahnung. Mir gehts damit besser.
Es begann in der Wahrnehmung unwichtiger Dinge, die mich persönlich nicht betrafen. Ich lachte und hielt es für Satire - war aber "echt". Mittlerweile ist es so: Eine Schreckensnachricht kommt, und ich denke: Wie unterscheidet sich das vom Musikantenstadel (den ich immer noch für den Besten aller zynischen Witze halte). Liegt der Wert einer Sache nicht in seiner Betrachung? Wenn alles ein zynischer Witz ist, ist es dann wertlos oder nur befreit von Bedrohung? Ich habe das - auch heute - mitbekommen wie einen Unfall in Zeitlupe. Hiobsbotschaft (sry) kommt, und nach dem ersten Schock (nicht gezeigt) frage ich mich bewusst, ob ich das nicht auch einfach so behandeln könnte, wie einen dieser so zynisch klingenden Texte von Heimatschnulzenliedern (deren beabsichtigte Echtheit ich für allezeit anzweifle - für mich sind das die vollendeten Zyniker). Wie auch immer, die Antwort ist: Ja. Ich kann! Ich lache. Wieder ist eine Schei..e des Lebens ein Witz geworden.

Wie eng doch die Lagen beisammen sind. Der Glücksritter sitzt auf dem schwarzen, kranken Pferd der Pestillienz.
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Rezna
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Beitrag Do., 04.04.2013, 02:45

Miss_Understood hat geschrieben:Ich fürchte ich kenne Phasen zu großen Glückes als Auslöser von depressiven Phasen.
...
Ja, das kenne ich (hab ich schon erwähnt, oder?) sehr gut. Großes (unerwartetes) Glück hat immer den depressiven Onkel am Buckel.
Die Geschichte mit der Familienaufstellung ist interessant. Ich habe mich eine Weile mit der Verhaltenstherapie auseinander gesetzt (nicht praktisch) und da sind ja genau diese Dinge Thema. Beim durchackern der Materie hatte ich gefühlte neunhundert Aha-Erlebnisse. EBEN diese Dinge wie: Erfolg ist ein Afront gegen die Mutter (die sich geopfert hat - also ihren Erfolg märtyrerhaft der Muskelkapazität ihrer Gebärmutter zum Opfer dar brachte) oder der "Todesgruppe", im Kontrast zur "Weihnachtsmanngruppe". Mir wurde klar: Meine Mutter sah Erfolg als direkten Angriff auf ihr Leben (= Beweis ihres Lebensversagens), mein Vater dagegen war Geil auf den Erfolg seiner Kinder, aber sie sollten nach "seinem Muster" gestrickt sein - also akademisch. Von ihm würde nicht der Erfolg beanstandet, sondern dessen Inhalt. Man möge mit "edlem" siegen, denn die Plakette des Erfolgs muss rumreich sein. Das --- bin ICH nicht. (Je mehr ich darüber nachdenke, umso fröhlicher stimmt mich die Idee, ich könnte ihm noch unter die Nase reiben WOMIT ich Erfolg habe... uuups)
Vancouver hat geschrieben:zurück zum Ernst der Lage.
NEVER ever! Da ist der Humor den ich so mag:
Vancouver hat geschrieben: (---> siehst du, DAS ist ein Luxusproblem )
Kicher. DANKE dafür.
Gothika hat geschrieben:Wobei man bei KURZER Niedergeschlagenheit (unter 3 bis 4 Wochen) nicht wirklich von Depression spricht.
Die hunderttausend Euro Frage dabei ist: WOHER weiß man das so genau? Ich meine - ob man depressiv ist? Wenn man Depression in erster Linie als die berümte schwarze Dame erlebt ... und dann kann man über drei Monate nicht richtig schlafen, freut sich, wenn sechs Stunden alle rund 30 Stunden drin sind... das nennt man dann schon "ausgeschlafen"... Ich erlebe neue Phänomene. Ich kenne agitierte Depressionen von früher. Kein ruhiges Sitzen auf Sesseln, getrieben sein, keine Pause ... usw. Ich traue mir nicht. Ich habe sehr (sehr, sehr) euphorische Phasen, kann wenig schlafen, will immerzu wach sein ... tun, machen ... Ich kenne das so nicht. Ist das "normal"? Im Gespräch mit Anderen entdecke ich: Nö. es ist NICHT normal, nur vier oder fünf Stunden alle zwei Tage zu schlafen. Ist das ein Symptom einer Depression - auch wenn ich nicht in Embryonalstellung auf dem Bett kauere? Ich weiß es nicht. Ich nannte es schon scherzhaft: endogener Jetlag.
Man kennt es gar nicht mehr anders, man IST die Depression, aber man hat kein anderes Ich
KO-rrekt. Insofern auch die immer philosophisch interressante Frage: Wo hört die Depression auf und fängt der melancholische Charkter an? In anderen Jahrhunderten würde man mich nicht pathologisieren, sondern einfach schnöd sagen: Ein Melancholiker halt.
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Hiob
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Beitrag Fr., 05.04.2013, 15:20

von Art: KO-rrekt. Insofern auch die immer philosophisch interressante Frage: Wo hört die Depression auf und fängt der melancholische Charkter an? In anderen Jahrhunderten würde man mich nicht pathologisieren, sondern einfach schnöd sagen: Ein Melancholiker halt.
Warum bleibst du dann nicht einfach traurig? Es strengt nicht so an.

Fragt
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Rezna
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Beitrag So., 05.05.2013, 08:47

Hiob hat geschrieben:Warum bleibst du dann nicht einfach traurig? Es strengt nicht so an.
Diesen Vorschlag verstehe ich nicht - bzw. die Schlussfolgerung, es strenge weniger an.

Wenn das Umfeld einen Wesenszug pathologisiert, ist es in der Regel eher anstrengender, als wenn er als Persönlicgkeitsmerkmal gewertet wird. Damit, ob ich nun "einfach traurig bleibe" oder nicht, hat das nichts zu tun.

Aber vielleicht habe ich diesen Hinweis falsch verstanden.
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Beitrag Do., 09.05.2013, 21:54

Im Gespräch mit Anderen entdecke ich: Nö. es ist NICHT normal, nur vier oder fünf Stunden alle zwei Tage zu schlafen. Ist das ein Symptom einer Depression - auch wenn ich nicht in Embryonalstellung auf dem Bett kauere?
Nun ja, du hast sicherlich schon mal von MANISCH-Depressiven gehört? In dem Fall ist es vollkommen normal, dass ich lethargische Depriphasen mit hyperaktiven Phasen abwechseln.

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Beitrag Fr., 10.05.2013, 17:28

Gothika hat geschrieben:Nun ja, du hast sicherlich schon mal von MANISCH-Depressiven gehört?
Ja, habe ich. Im entfernten Familienkreis gibt es jemanden, der daran leidet - das ist aber dort wesentlich intensiver ausgeprägt. Bei mir käme ich eher zu Zyklothymia, was ich schon länger vermute und eins meiner Medikamente ist auch ein Stabilsierer.
Die Sache ist die, dass diese Stimmungen aber nicht "einfach so" kommen. Die totale Hochphase entsteht durch die Arbeit an einem Projekt, es ist ein Reinsteigern und endet in der totalen Euphorie. Bei der Fertigstellung des letzten Projekts war ich so aufgepeitscht, dass ich zitterte, Herzrasen hatte, usw... ich kann dann schwer schlafen, kaum ruhig sitzen, rede viel, bin wie im Rausch. Aufgeregt und aufgepeitscht durch den Flow, durch den erwartbaren Erfolg - ich könnte Bäume ausreissen. Danach folgt eine gewisse Phase der Ernüchterung und - so wie derzeit - ein tiefes Loch. Ich heule dauernd - man braucht mich nur länger ansehen, ich verfalle in tiefsten Selbsthass, grüble, rekapituliere und entdecke, dass Menschen mich irgendwo irgendwann "mitleidig" oder "irritiert" angesehen haben ... ein winziger, harmloser "Schlagabtausch", eine Bagatelle die mir sonst ein müdel Lächeln kostet, eskalierte gestern, dass ich stundelang so zittrige Hände hatte, dass ich nicht tippen konnte. Ich saß vor der Tastatur und schaffte es nicht, die richtigen Tasten zu treffen, mein Körper war im totalen Alarmmodus, Panik ... bin nun extrem schnell auf 180, und/oder heule. Erfahrungsgemäß (seit einigen Monaten) weiß ich, dass das Tief noch weiter zunimmt, bis ich "alles los lasse". Quasi in eine art Sterbemodus gehe. Dann kommt der Lebensgeist zurück und ich bin motiviert für neue Arbeit - in deren Verlauf ich wieder langsam durch die Tätigkeit in die Euphorie abdrifte ...
Ich kann aber nicht "bewusst" loslassen. Versuche es immer wieder, um den Prozess zu beschleunigen und schneller wieder in die Hochphase zu kommen - bzw. schneller wieder arbeiten zu können (denn das funktioniert im Tief nicht - und die Untätigkeit erzeugt Selbsthass).

Ja, bis zu einem gewissen Grad bin ich süchtig nach diesem Hoch während des kreativen Flows, die Aufregung bei der Fertigstellung. Kommen diese Gefühle nicht, schaffe ich die Arbeit nicht, muss sie abbrechen, verfallen lassen, ich bekomme Angst vor ihr, Widerwillen. Es ganz sein zu lassen ist zwar immer wieder eine Frage - aber keine echte Option. Schlimm sind ja die "Nachwehen", der sogenannte Kater. Ich befürchte, ohne diese Hochstimmung könnte ich wiederum nicht kreativ funktionieren - ich brauche dazu diesen emotionalen Rausch - bzw, er entsteht dabei zwangsläufig.

Ich glaub mein Gehirn ist zu meiner Droge geworden oder sowas.
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Miss_Understood
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Beitrag Fr., 10.05.2013, 19:53

Liebe Arta, das liest sich schon manisch-depressiv.
Kann mir vorstellen, dass es spannend wäre - ohne mich jedoch damit auszukennen - diese Wendepunkte näher zu betrachten - wann es von dem extremen Getriebensein in das Loch kippt und vor allem, wann es dann wieder die umgekehrte Wendung nimmt. Und welche Zeichen dich aufhorchen lassen könnten.
ch-ch-ch-chaaaaaaange

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Rezna
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Beitrag Fr., 10.05.2013, 23:45

Miss_Understood hat geschrieben:...wann es von dem extremen Getriebensein in das Loch kippt und vor allem, wann es dann wieder die umgekehrte Wendung nimmt.
Wenn die Arbeit an einem Werk beendet ist (der Höhepunkt quasi) und "ausgeliefert" wird. Danach ist dieses Projekt beendet und die Euphorie sinkt langsam ab und pendelt sich für kurze Zeit in einen Zustand ein, in dem "alles gut" ist. Es herrscht noch eine gewisse Freue am vergangenen Werk und eine gute Voraussicht für das nächste Projekt. Wird bis zum nächsten Projekt ein gewisser Punkt überschritten, entweder, weil die Idee fehlt oder ich in der Arbeit behindert werde und sie sich verzögert, drifte ich nach unten hin ab. Das geht dann ziemlich rasant. Ich verliere die vergangenen Sachen aus dem Auge (ich "fühle" sie nicht mehr) und ich habe Angst, "nie wieder" etwas produzieren zu können. Ich falle in eine Phase der Unzulänglichkeit, die sich über meine ganze Wesenheit ausbreitet - körperlich, seelisch, geistig, sozial, ... ich versuche, Anschluss zu finden - aber es ist wie ... als wäre ich in ein tiefes Becken gefallen, in dem ich in den guten Zeiten super schwimmen kann, aus dem aber das Wasse abfließt und plötzlich stehe ich auf dem Grund, rund um mich die nackten, grauen, kalten Betonwände und ich reiche nicht zur Leiter. Da unten sitze ich dann, weiß, da oben ist "alles", das Leben, das Licht, andere Menschen, und auch der Schlauch, der das Becken wieder füllen wird. Ich kratze mir die Finger an den Wänden blutig, beim Versuch, da herauszukommen - man kann jetzt poetisch sogar sagen: Ich weine soviel, bis wieder genug Wasser im Becken ist. Als füllte ich es mit Trauer auf um wieder zum Glück zu gelangen. Klingt das schräg? Nicht selten passiert es, dass nach dem "Supergau" also nach einem Nervenzusammenbruch wieder der Aufschwung kommt. Schon öfter war es so, dass ich rund fünf Stunden nach dem totalen Zusammenbruch in die nächste Arbeitsphase kippe - motiviert, voll Elan, wieder nach dem Glück greife.

Auslöser, so meine ich, ist die Arbeit an Projekten - es passiert also nicht "aus dem Inneren" sondern ist eine Reaktion auf meine Tätigkeit. Bevor ich angefangen habe, in diesem Bereich zu schaffen, hatte ich das so nicht. Da gab es zwar Schwankungen, die waren aber "einfach so" ohne äußeren Anhaltspunkt, und lang nicht so heftig. Möglicherweise intensiviert die kreative Arbeit diese Zustände ... oder die Zustände greifen sich die Arbeit. Es korrelliert jedenfalls mit dem Aussen, und das ist doch nicht typisch, für eine bipolare Störung, oder? Ich könnte jetzt schon sagen, was genau im Aussen passieren muss - um welchen Zustand auszulösen. So weiß ich, dass in einigen Tagen (können auch Stunden sein) wieder der Flow einsetzen wird - dann kommt das Hoch. Zum Ende des Projekts hin bin ich aufgekratzt (egal ob es 3 Tage oder 3 Wochen dauert), danach kommt die kurze Phase der Stabilität, danach kommt es drauf an: Finde ich rasch in ein nächstes Projekt, dann gehts weiter - geht das nicht, gehts steil bergab.
Es ist nicht so, dass ich mitten in einem Projekt solche Schwankungen erlebe.

Aktuell ist es besonders schlimm, weil ich einen neuen Meilenstein erreicht habe, von dem ich nicht mehr dachte, ihn erreichen zu können. Statt mich zu freuen heule ich, bin nervlich am Ende. Mein Freund meint stets, ich sollte das eigentlich feiern, ich hab doch mein Leben lang drauf hingearbeitet. Aber mir ist nicht nach feiern, mir ist nach verkriechen - suche andere Stufen - in der Ferne, die man dann begießen KÖNNTE, aber nicht jetzt. Ich hab Angst.
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Rezna
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Beitrag Sa., 11.05.2013, 14:00

Ich habe mich über Wiki nochmal genauer Schlau gemacht. Viele Symptome und Beschreibungen scheinen zuzutreffen, doch vermute ich dahinter keine Bipolare Erkrankung sondern eine Stressintoleranz. Das bedeutet, dass ich oft durch kleinste Reize völlig aus der Bahn gerate, aggressiv und damit depressiv werde (meist sublimiere ich Wut in Trauer).
Ich bin immer wieder erstaunt, wie wenig schon reicht, mich in Stress zu versetzen - selbst positive Dinge. Ich bin dann zu gar nichts in der Lage, kann kaum klare Gedanken fassen, bin im Fluchtmodus, und nachdem mir bewusst wird, wie gestört das ist, fühle ich mich als Versager, werde ich traurig, dass ich das Leben nicht mehr richtig "anfassen" kann.
Und: Erfolg ist auch Stress.
Dazu ist zu vermerken, dass dazu nicht unbedingt der laute, unmittelbare Stress nötig ist, kein Angriff oder sowas (auch wenn das zu den Hauptauslösern gehört, wie ein kopfloses flatterndes Huhn herumrueiern).
Vor allem gestern Abend wurde mir bewusst, dass das Grundbedürfnis einfach nur sensorischer Stillstand ist. Ich will nichts hören, sehen, fühlen, riechen - KEINEN Input. GAR keinen. Schon die reine Idee, etwas zu tun, zu konsumieren ... erzeugte Angst und das Gefühl der Überforderung, machte mich Lebensmüde.
Solang ich mir nicht vornehme, was ich "jetzt dann" tu, gehts. Aber sobald ich eine Entscheidung treffen muss, oder überlege, was als nächstes zu tun sei, oder allgemein anstünde, wird mir jeder Sinneseindruck zuviel. In letzter Zeit habe ich es auch wieder vermehrt, dass ich selbst meine eigene Stimme nicht ertrage, weil sie so schrill und schmerzhaft im Kopf dröhnt - auch wenn andere Menschen redet, ist es unangenehm. Ich kenne den Zustand aus meiner akuten Burnout-Phase. Da klingen Stimmen (auch die eigene), als würde ein Mikro übersteuern - bzw. wie eine Rückkopplung ...

Offenbar bin ich noch immer in diesem Mechanismus drin. Wenn ich arbeite, brenne ich mich aus - zwar zwinge ich mich zu Pausen, aber es passiert dennoch, dass ich bis zu 20 Stunden "am Stück" arbeite (also mit diesen kleinen Pausen) oder vor lauter Geilheit, weiter am Projekt zu arbeiten nicht schlafen kann, oder nur wenige Stunden schlafe, davon träume, wie besessen dahinterklemme und alles, wirklich alles danach ausrichte, alles andere wegblende. Ein Raubbau an Körper und Seele, wenn auch erwünscht, der sich in den Wochen danach eben bemerkbar machen MUSS. Andererseits: Bleib ich nicht dran, flutscht mir das Zeug aus den Händen. Mitunter auch deswegen die Besessenheit: Angst, eine zu große Pause könnte dazu führen, den Anschluss zu verlieren, die Sache aus dem Auge zu verlieren, nicht mehr reinzufinden, es dann sein lassen zu müssen, mich daher als Versager fühlen und in die Depression zu rutschen ...

Himmel, ich bin total neurotisch.
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Miss_Understood
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Beitrag Sa., 11.05.2013, 14:24

Arta hat geschrieben: aber es ist wie ... als wäre ich in ein tiefes Becken gefallen, in dem ich in den guten Zeiten super schwimmen kann, aus dem aber das Wasse abfließt und plötzlich stehe ich auf dem Grund, rund um mich die nackten, grauen, kalten Betonwände und ich reiche nicht zur Leiter. Da unten sitze ich dann, weiß, da oben ist "alles", das Leben, das Licht, andere Menschen, und auch der Schlauch, der das Becken wieder füllen wird. Ich kratze mir die Finger an den Wänden blutig, beim Versuch, da herauszukommen - man kann jetzt poetisch sogar sagen: Ich weine soviel, bis wieder genug Wasser im Becken ist. Als füllte ich es mit Trauer auf um wieder zum Glück zu gelangen.


WAS ein starkes Bild! Trifft mich gerade sehr, kenne das von früher.
Arta hat geschrieben: Auslöser, so meine ich, ist die Arbeit an Projekten - es passiert also nicht "aus dem Inneren" sondern ist eine Reaktion auf meine Tätigkeit. Bevor ich angefangen habe, in diesem Bereich zu schaffen, hatte ich das so nicht.


Was ist dir denn so wichtig und essentiell an diesem neuen Bereich geworden?
Arta hat geschrieben: Aktuell ist es besonders schlimm, weil ich einen neuen Meilenstein erreicht habe, von dem ich nicht mehr dachte, ihn erreichen zu können. Statt mich zu freuen heule ich, bin nervlich am Ende. Mein Freund meint stets, ich sollte das eigentlich feiern, ich hab doch mein Leben lang drauf hingearbeitet. Aber mir ist nicht nach feiern, mir ist nach verkriechen - suche andere Stufen - in der Ferne, die man dann begießen KÖNNTE, aber nicht jetzt. Ich hab Angst.
Wovor? Dass du deine eigenen Erwartungen ab nun IMMER SO GUT zu sein, nicht erfüllen wirst? Was anderes? Wenn du es vielleicht wüsstest, was könntest du dir daran nicht erlauben dir z gönnen? BTW: Gratulation!
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gutetipps
neu an Bo(a)rd!
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Beitrag Mi., 15.05.2013, 11:20

Hallo,
was können unsere Gedanken nicht alles auslösen. Hier ein guter Artikel zu diesem Thema von "welt.de" über die Macht der guten Gedanken, vielleicht hilft Euch das!

Welt.de

Alles Liebe

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Sinarellas
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Beitrag Mi., 15.05.2013, 17:12

Salute.
So das Überfliegen der Antworten brachte mich zum Schluß, das das viele nicht kennen und verstehen wollen :>
Solche dämlichen Commis vonwegen Luxusproblem...ganz ehrlich HilfreicH...NOT.

--
Als ich den Titel las dachte ich mir auch erstmal: Bullshit das sind mal Probleme...
Dann aber habe ich jetzt doch mal reingesehen, denn ich habe nicht vermutet, dass du ein Problem beschreibst, was ich noch nicht richtig in Worte gepackt bekomme.

Ich habe eine ähnliche Problematik, mich macht vermeindlicher Erfolg (da fängts schon an) nicht nur depressiv sondern kann zu einer richtigen Krise führen.

Persönlich glaube ich, dass ich eine falsche Bewertung gelernt habe und "Erfolg" nie als solchen anerkennen kann, da ich (Täterintrojekt) mir nie genüge.
Für mich kann das was andere als Erfolg sehen genau das Gegenteil bewirken, dass ich völlig down bin, daran zugrunde gehen kann, weil es eher etwas gefährliches ist, als etwas positives. Es wurde nicht positiv besetzt, wie ist das bei dir?
Ich denke ich habe einfach nicht gelernt damit ordentlich umzugehen und es fehlen die Erfahrungen die andere in ihrer Kindheit machen.

Um das ganze aufzulösen brauchst du Erfahrunge XP quasi
Das heißt dein Kopf muß lernen, was positives beim Erreichen von Zielen geschehen soll, du mußt dich umprogrammieren.

Ich versuche das aktuell in kleinen Dingen umzusetzen indem ich mich bewusst (wenn auch falsch) freue, also lächle und mir laut sage "Hey ich hab darin erfolg gehabt - das habe ich sehr gut gemacht". Stärkung des Selbstbewusstseins. Dazu kenne ich ein Buch was dir helfen könnte.

sina.
..:..

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Rezna
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Beitrag Mi., 15.05.2013, 23:04

Miss_Understood hat geschrieben:Was ist dir denn so wichtig und essentiell an diesem neuen Bereich geworden?
Er ist mein Lebenstraum. Ich wollte genau das schon immer machen. Jetzt kann ich das, und ich habe wider Erwarten Erfolg damit.
Miss_Understood hat geschrieben:Wovor? Dass du deine eigenen Erwartungen ab nun IMMER SO GUT zu sein, nicht erfüllen wirst?
Nicht einmal. Sicher, man will sich nicht zurückentwickeln, und man entwickelt freilich Ansprüche, was auch bedeutet: Bemerke ich, dass ein Projekt eiert dann ist es besser ich breche ab und fange neu an. Herumdoktorn bringt gar nichts. Los lassen, durchatmen, neu Anfangen. Geht immer besser und bringt schneller die gewünschten Ergebnisse. (Und ja, schnell muss es bei mir immer gehen.

Hab ich aber Angst sie nicht zu erfüllen? Nein. Nicht wirklich. Größer ist da die Angst, NICHTS mehr machen zu können. Das ist eigentlich DIE dominierende Angst in jedem Loch: Nicht mehr den Anfang zu finden, nich mehr heraus zu finden, NIE WIEDER etwas schaffen zu können, FÜR IMMER da stecken zu bleiben. Sehr ausschließliche Gedanken, wie ich gerade merke.

Aktuell stecke ich wieder in einem Projekt und es geht mir gut. Zwar nicht durchgehend euphorisch - was aber auch daran liegt, dass das reale Leben mich grad massiv runterzieht. Das neutralisiert. Dadurch bleibt die Euphorie weg und erspare mir Nervenzusammenbrüche. Möcht aber nicht wissen was los wäre, wenn ich nicht gerade in dem Projekt stünde - und vermisse doch die helle Freude - wird es aber in absehbarer Zeit nicht geben. Wird wohl das neutralste Projektende werden bisher. Mal sehen - noch ist es nicht fertig.
Miss_Understood hat geschrieben:Wenn du es vielleicht wüsstest, was könntest du dir daran nicht erlauben dir z gönnen? BT
Das wäre: Mir gönnen, NIE WIEDER schaffen zu können? Nope, das ist definitiv kein Weg.
gutetipps hat geschrieben:vielleicht hilft Euch das!
Nein, Werbung hilft mir hier nicht weiter. Danke.
Sinarellas hat geschrieben:Salute.
Auch
Sinarellas hat geschrieben:Ich habe eine ähnliche Problematik, mich macht vermeindlicher Erfolg (da fängts schon an) nicht nur depressiv sondern kann zu einer richtigen Krise führen.
Mich eben auch, aber ich glaube, hoffe, vermute ... es wird besser. Andererseits - aktuell habe ich meine gute Phase, da denke ich immer, das das total überwunden ist und ich das im Griff habe und so weiter. Ich glaube mir aktuell also nicht, dass es mir richtig schlecht gehen kann. Ich hab zwar Erinnerungen und Beweise - aber ich fühle es nicht. Ist auf der einen Seite gut - auf der anderen Seite lass ich mich da in den Krisen selbst ziemlich im Stich. Das war aber irgendwie schon immer so. Zwei Seelen die nix miteinander zu tun haben wollen. Vielleicht ist die eine der anderen die Euphorie zu neidig und haut ihr eins mit der Keule über den Schädel ... irgendwas geht da ab. Aber jetzt find ich das eher amüsant. Dafür werd ich mich in einigen Tagen/Wochen abwatscheln.
Sinarellas hat geschrieben:Um das ganze aufzulösen brauchst du Erfahrunge XP quasi
Bin dabei. Bin ganz eifrig dabei.
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Ratlosigkeit
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Beitrag Do., 16.05.2013, 05:54

Ich glaube zu wissen, was mit "Depressiv duch Erfolg" gemeint ist - aber der Titel ist ein bissl irreführend.
Nicht der "Erfolg" an sich macht depressiv, sondern das plötzliche Wegfallen des zu erreichenden Zieles.
Solange man auf eine Aufgabe konzentriert ist, auf etwas hinarbeitet ist man davon so in Anspruch genommen, dass die Depression keine Chance hat. Man ist viel zu beschäftigt.
Sobald das Ziel erreicht ist, lässt die Anspannung nach und man sitzt irgendwie in einem Loch mit der Frage: "Und was nun?" Da brechen dann jede Menge negativer Gefühle auf. (Hingegen ist es nicht so "schlimm", wenn man das Ziel nicht erreicht - dann bleibt es erhalten und man kann sich weiter damit beschäftigen).
Das ist kein seltenes Phänomen - vergleiche z.B. den "Pensionsschock", der Leute, sobald sie den doch eigentlich ersehnten Ruhestand erreichen, in eine tiefe Sinnkrise schleudert, die manchmal richtig tragisch endet.
Wenn man sein Leben als Leiter oder Treppe sieht, mit Stufen, die es zu erreichen gilt, ist man dafür natürlich extrem anfällig. Man müsste einen Ersatz für dieses Bild des ewigen Weitergehens und Aufsteigens finden, sein Leben irgendwie anders definieren.
Alles ist gut, wenn es aus Schokolade ist.

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