Double bind/Doppelbindung

Nicht jedem fällt es leicht, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, "einfach" mal jemanden kennenzulernen oder sich in Gruppen selbstsicher zu verhalten. Hier können Sie Erfahrungen dazu (sowie auch allgemein zum Thema "Selbstsicherheit") austauschen.
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Thobie
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Beitrag So., 17.02.2013, 18:07

Moin, Kenneth,
kenneth hat geschrieben:vielleicht geht es noch einen schritt weiter oder in eine andere richtung. wenn man als kind double-bindig adressiert wird, kann eigentlich alles,was man macht, grundsätzlich und immer nur falsch und nie genug sein. das ist, denke ich, die quelle der angst.
da hast Du ganz recht, das stimmt völlig. Meine Mutter war psychisch krank, sie hatte eine Depression und hat sich zusammengerissen, um Haushalt, Kindererziehung usw. zu schaffen. Selbst, wenn ich es als Kind geschafft hätte, ihr zu sagen, dass sie das nicht meint, was sie sagt, sondern etwas anderes, dann hätte sie gesagt, nein, das meine ich schon, und ich hätte sie angeschaut und gesehen, nein sie meint es doch wieder nicht. Oder sie sagt mir, sie höre mir zu, ich schaue sie an, aber sie hört mir nicht zu, ich hätte ihr sagen können, dass sie mir nicht zuhört, dann hätte sie gesagt, doch, sie höre mir zu, tat es aber nicht, weil se sich mit was anderem beschäftigte. Also, egal, wie man es in so einer Situation dreht und wendet, es ist immer falsch.
Dagegen hilft eine andere beziehungserfahrung. ich mache die gerade in einer analytischen therapie. aber vorsicht: der witz dabei ist, das erst einmal ganz heft die alten ängste hochfahren, weil man wieder in einer engen beziehung ist und auf diese alte muster überträgt. von daher: das geht nicht schnell. das tut erst mal heftig weh. aber bei mir ändert sich langsam was und meine angst im umgang mit menschen ist spürbar weniger geworden.
Ja, das muss ich sicherlich mal überdenken, eine tiefenpsychologische, ambulante Therapie zu machen.

Grüße

Thobie

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Jugendstil
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Beitrag So., 17.02.2013, 18:18

Hallo Thobie,
Also, egal, wie man es in so einer Situation dreht und wendet, es ist immer falsch.
Exakt das ist ja das Kriterium für Double bind, das einen verrückt machen kann.

Ich glaube auch, dass eine länger andauernde Therapeuten-Klienten-Beziehung, die sich als sehr zuverlässig erweist, das erste und beste Übungsfeld ist, um eben eine Verlässlichkeit zu erleben, die dir aufzeigt, dass es auch andere Menschen und Beziehungen gibt.

Alles Gute.
Jugendstil


ziegenkind
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Beitrag So., 17.02.2013, 19:00

ich will nicht insistieren. aber was aus meiner perspektive geheilt werden muss, ist die beziehung zu sich selbst, das gefühl nicht richtig zu sein, die angst, dass die welt untergeht, wenn man einen fehler macht. als kind neigt man IMMER dazu, die schuld auf sich u nehmen. alles andere wäre noch schlimmer. man braucht ja trotz alledem die mutter. man liebt sie ja trotz alledem. also hält man das bild von ihr intakt, indem man sich selber als falsch erlebt. das wirklich los zu lassen, nicht nur kognitiv, sondern auch emotional ist eine herausforderung.
Die Grenzen meines Körpers sind die Grenzen meines Ichs. Auf der Haut darf ich, wenn ich Vertrauen haben soll, nur zu spüren bekommen, was ich spüren will. Mit dem ersten Schlag bricht dieses Weltvertrauen zusammen.

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Thobie
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Beitrag Mo., 18.02.2013, 00:36

Sorry, Kenneth,

da kann ich leider so nicht mithalten.

Ich habe es in einem früheren Post schon geschrieben, das ich vor 15 Jahren eine tiefenpsychologische Therapie gemacht habe. Damals war mir nicht klar, dass ich eine Angststörung habe und dass die etwas mit double bind zu tun hat. Mein Therapeut hat mir IMMER zugehört. Dennoch hatte ich den Eindruck, er hört mir DENNOCH nicht richtig zu. Da stimmt also etwas mit der Wahrnehmung nicht, dass ich das so wahrnehme und anzweifle oder „misstrauisch“ bin.

Grüße

Thobie

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Rezna
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Beitrag Mo., 18.02.2013, 01:53

Ich bin davon überzeugt, jeder von uns ist mit Double Binds aufgewachsen - sie gehören mitunter zum normalen Reportoir unserer Zivilisation dazu. Meist merken wir es gar nicht, weil dies Botschaften so subtil sind - oder so geläufig. Wenn man sich mal die Theorie verinnerlicht hat und nur einen Tag mit offeneren Augen durch die Welt geht, staunt man Bauklötze, wie oft man mit Double Binds konfrontiert wird.
Meist ignorieren wir sie oder picken uns nur den Aspekt raus, der uns gefällt.
Das wäre, meiner Meinung nach, auch der beste Rat, den ich geben kann.

Ich kenne das auch, dass jemand etwas sagt, aber sein Körper spricht was anderes. Meine Mutter ist/war auch depressiv - ich kenne, was du beschreibst. Kinder sind zudem nicht in der Lage Zynismus oder Sarkasmus zu erkennen - das war aber mehr oder weniger ihr Dauerton, und dieser dauernde Widerspruch: "Super!" - den wir als Erwachsener leicht als zynisch erkennen, verstört ein Kind eben. "Das hast du toll gemach!" Und so weiter.

Nur weil man erwachsen wird, heisst das nicht, dass man diesen Mustern nicht mehr begegnet. Entweder der "Witz" ist deutlich wahrzunehmen (Manche sind auch als Erwachsene nicht in der Lage, Zynismus oder Sakrasmus zu erkennen - nehmen also alles wortwörtlich) oder aber, das verbal ausgedrückte Angebot annehmen: Also die Anderen BEWUSST wörtlich nehmen. Ich mache das bei meiner Mutter so. Ich ignoriere alle anderen Botschaften, die sie sendet - nehme nur jene an, die sie auch SAGT. Wenn sie also traurig drein schaut und sagt: "Mir gehts gut." Sage ich: "Prima" und nehme die Botschaft an, dass es ihr gut genug geht, nicht über Probleme sprechen zu wollen. Ich denke dabei schlicht und ergreifend: Ich bin kein Hellseher, ich kann keine Gedanken lesen - sag mir was Sache ist, ich respektiere, wenn du etwas nicht verbal mitteilen willst!

Ich denke, das lässt sich auch auf andere ausweiten. Was nützt es mir, vor allem bei Fremden, auf die anderen Signale zu reagieren: Der Mensch will sie eben so zeigen, wie er sich ausdrückt - den Rest kann er nicht bewusst beherrschen. Also überfahr ich ihn damit besser nicht.

Knifflig wirds aber, wenn Double Binds als harte Fakten, fixe Forderungen entstehen. Also nicht 'nur' ein Widerspruch zwischen gesagtem und gezeigtem entsteht, sondern glasklare Forderungen gestellt werden, die einander widersprechen. Der Ausweg aus diesen Situationen besteht meist durch Gewalt oder Flucht. Man entzieht sich also ALLEN Botschaften. Da Gewalt meist ausscheidet, bedeutet das meist Flucht. Ein Weg wäre freilich auch, sofern möglich, die Sache anzusprechen und sie zu klären - geht das aber nicht, sich ausklinken.
Thobie hat geschrieben:Dennoch hatte ich den Eindruck, er hört mir DENNOCH nicht richtig zu. Da stimmt also etwas mit der Wahrnehmung nicht, dass ich das so wahrnehme und anzweifle oder „misstrauisch“ bin.
Man könnte hier fragen: Was, wenn er NICHT richtig zuhört, aber die Antworten und Reaktionen dennoch so aussehen, als habe er zugehört? Was, wenn er RICHTIG zuhört, aber seine Antworten und Reaktionen irgendwie am Thema vorbei gehen? Welche Rolle spielt, ob er WIRKLICH zuhört oder nicht? Die Sache ist, letztendlich werden wir das von anderen NIE erfahren. Ihr Feedback kann uns einen Eindruck vermitteln, der muss aber nicht stimmen. So könnte man sagen: DU hast auch IHM nicht RICHTIG zugehört, sonst hättest du ja gemerkt, dass er richtig zuhört.

Es geht da also eher um das 'angenommen werden' oder? Nicht Doppelbotschaften an sich, sondern die Angst, das Gegenüber nimmt dich nicht WIRKLICH wahr, oder? Was wiederum natürlich daran liegen wird, dass du nicht in der Lage bist dein Gegenüber wirklich wahr zu nehmen, da dein Trauma im Weg steht. Also irgendwie eine schammige Mauer.

Vielleicht die generelle Frage: Was wäre wenn? Wäre es so schlimm, wenn die Bankangestellte 'nur so tut' als wäre sie gut gelaunt? Worin läge da die Bedrohung?
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Thobie
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Beitrag Mo., 18.02.2013, 23:41

Moin,
Arta hat geschrieben:Ich bin davon überzeugt, jeder von uns ist mit Double Binds aufgewachsen - sie gehören mitunter zum normalen Reportoir unserer Zivilisation dazu. Meist merken wir es gar nicht, weil dies Botschaften so subtil sind - oder so geläufig. Wenn man sich mal die Theorie verinnerlicht hat und nur einen Tag mit offeneren Augen durch die Welt geht, staunt man Bauklötze, wie oft man mit Double Binds konfrontiert wird. Meist ignorieren wir sie oder picken uns nur den Aspekt raus, der uns gefällt. Das wäre, meiner Meinung nach, auch der beste Rat, den ich geben kann.
ja, aber der Unterschied ist doch der, dass man als Kind emotional von der Mutter abhängig ist, auch nur emotional auf so etwas reagieren kann und dann vermutlich eine Störung davon trägt. Als Erwachsener kann ich rational reagieren und jemanden ansprechen, wenn er „falsch“ und nicht authentisch erscheint und ihm das sagen. Und wenn er nicht darauf reagiert, glaube ich es ihm eben nicht oder rede nicht mehr mit ihm.
Ich bin kein Hellseher, ich kann keine Gedanken lesen - sag mir was Sache ist, ich respektiere, wenn du etwas nicht verbal mitteilen willst!
Das machst Du aber nicht als 2-jähriges Kind!
Ich denke, das lässt sich auch auf andere ausweiten. Was nützt es mir, vor allem bei Fremden, auf die anderen Signale zu reagieren: Der Mensch will sie eben so zeigen, wie er sich ausdrückt - den Rest kann er nicht bewusst beherrschen. Also überfahr ich ihn damit besser nicht.
Das sehe ich anders, mir geht es darum, dass Menschen authentisch und echt erscheinen. Wenn ich jedes Mal überlegen muss, meint er das jetzt wirklich, was er sagt oder nicht, dann habe ich irgendwann keine Lust mehr, mich mit demjenigen zu unterhalten.
Man könnte hier fragen: Was, wenn er NICHT richtig zuhört, aber die Antworten und Reaktionen dennoch so aussehen, als habe er zugehört? (…) So könnte man sagen: DU hast auch IHM nicht RICHTIG zugehört, sonst hättest du ja gemerkt, dass er richtig zuhört.
Sorry, das ist zu lange her, als dass ich das jetzt verifizieren kann oder dazu eine Antwort weiß.
Es geht da also eher um das 'angenommen werden' oder? Nicht Doppelbotschaften an sich, sondern die Angst, das Gegenüber nimmt dich nicht WIRKLICH wahr, oder? Was wiederum natürlich daran liegen wird, dass du nicht in der Lage bist dein Gegenüber wirklich wahr zu nehmen, da dein Trauma im Weg steht. Also irgendwie eine schammige Mauer.
Mir geht es um Authentizität. Ich will Dir das an zwei Beispielen erklären:
– Als ich meine Elter vor einigen Jahren besuchte, unterhielten wir uns und mein Vater machte meine Mutter ein wenig runter. Sie saß auf dem Soja und fing an, wie wild mit den Augen zu flackern und diese zu drehen … und in mir kam eine richtige Panik auf. Ich dachte mir dabei, „Was geht in ihr jetzt vor, ist sie ohnmächtig, hilflos, niedergeschlagen oder verwirrt, oder sogar verärgert oder wütend?“ Ich wusste es nicht. Ich hatte nur panische Angst. Du kennst sicherlich den Satz, dass die Augen der Spiegel zur Seele sind.
– Als ich mich dann verabschiedete und beide umarmte, war es so: Bei meinem Vater hatte ich den Eindruck, da ist jemand da, eine Persönlichkeit, er ist authentisch. Bei meiner Mutter hatte ich den Eindruck, da ist nichts, da ist keine Person, nicht authentisch, hohl und leer – wie eben eine Person, die depressiv ist und sich vom Verstand her immer nur jeden Tag auf’s Neue zusammenreißt.

Das sind einige meiner Erlebnisse, woher meine Angst kommt. Und ich weiß gar nicht genau, wenn ich das heute als Erwachsener so beschreiben kann, wie ich damit mit 2, 5, 10 oder 15 Jahren umgegangen bin.

Grüße

Thobie


pandas
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Beitrag Mo., 18.02.2013, 23:52

@ thobie

Ich verstehe Dein Beispiel nicht: Die Reaktion beider ist doch authentisch. Wenn Dein Vater sie verbal demütigt (und das offenbar richtig findet, da er beim Abschied ja stabil und authentisch auf Dich wirkte), ist es doch konsequent, dass Deine Mutter solche körperlichen Abwehrreaktionen zeigt.
Da ist kein DoubleBind drinnen: Demütigung und die ausgelösten Emotionen beim anderen: beides authentisch.
Was hast Du denn selbst in der Situation gemacht?
"Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit." Kierkegaard

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Thobie
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Beitrag Di., 19.02.2013, 00:15

Moin,
biber hat geschrieben:Ich verstehe Dein Beispiel nicht: Die Reaktion beider ist doch authentisch. Wenn Dein Vater sie verbal demütigt (und das offenbar richtig findet, da er beim Abschied ja stabil und authentisch auf Dich wirkte), ist es doch konsequent, dass Deine Mutter solche körperlichen Abwehrreaktionen zeigt.
Da ist kein DoubleBind drinnen: Demütigung und die ausgelösten Emotionen beim anderen: beides authentisch.
Was hast Du denn selbst in der Situation gemacht?
sorry, Du hast keine Ahnung von double bind und wie es mir damals erging, als ich das über die Jahre hinweg wahrgenommen habe. Und auf Deine Frage, was ich in dieser Situation gemacht habe: Ich habe eine absolute Panik gehabt –> meine heutige Angststörung.

Thobie


pandas
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Beitrag Di., 19.02.2013, 00:24

Na, von was ich Ahnung habe und wie es mir so im Leben erging, tja, da hast Du keine Ahnung, aber darum geht´s nicht.

Was ich sagen wollte:

Ja, als Kind war es wohl schwer für Dich, mit dieser Situation umzugehen; dennoch sehe ich im Verhalten des Vaters kein DoubleBind, sondern eine klare Demütigung.
Ein Double Bind sehe ich eher darin, dass Du einerseits bemerkst, wie schlecht es Deiner Mutter geht, aber sie als "gestört/unauthentisch" einteilst, währenddessen Du zu Deinem Vater "aufblickst": Er sei authentisch.

Ja, als Kind konntest Du gegen das Verhalten des Vaters nichts machen, Du warst da selbst abhängig.

Aber als 51jähriger Mann kannst Du etwas tun, Du kannst ihn sagen, was Du wahrnimmst, was er da macht, wie schlecht es Deiner Mutter damit geht!
Und Du kannst mit Deiner Mutter darüber reden, dass Du beobachtet hast, dass sie in einen emotional heftigen Zustand geraten ist, sie fragen, wie Du ihr da helfen kannst.

Ich wünschte, ich hätte dazu noch Gelegenheit!
"Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit." Kierkegaard

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Thobie
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Beitrag Di., 19.02.2013, 00:38

Moin,
biber hat geschrieben:Da ist kein DoubleBind drinnen: Demütigung und die ausgelösten Emotionen beim anderen: beides authentisch.
Du scheinst das nicht zu verstehen. Wenn jemand auf eine Demütigung verärgert oder wütend reagiert, steht er auf, wird verbal laut und agiert vielleicht mit dem Körper, indem er mit den Armen reagiert. Ist er ohnmächtig, niedergeschlagen oder hilflos, sinkt er in sich zusammen, weint vielleicht und ist irgendwie betroffen und reagiert nicht mehr.

Wenn aber jemand nur dasitzt und dessen Augen drehen sich und flackern und ich frage mich, was ist nun mit demjenigen, was geht in ihm vor, und Du weißt, derjenige ist depressiv und reißt sich rational nur zusammen, dann kannst Du auf so etwas nicht normal reagieren. Und vor allen Dingen: Die ausgelösten Emotionen sind nicht authentisch, denn bei meiner Mutter war es keine Emotion, die sie darstellte, wie ich Emotionen kenne.

Thobie

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Blaubaum
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Beitrag Di., 19.02.2013, 00:53

hallo Thobie,

dass Du bei der umarmung Deiner eltern empfunden hast, dass Dein vater DA war und Deine mutter NICHT DA war, ist mE schon ein schöner erfolg bzw. ein teil des möglichen weges, aus der situation des ausgeliefert-seins herauszukommen.

Du bist nie für Deine mutter, für ihr wohlergehen verantwortlich gewesen! (hast es aber als kind offenbar so empfunden), sondern es war die aufgabe Deiner mutter, für Dich da zu sein.

ebensowenig bist Du dafür verantwortlich, Dich selbst zu quälen und alles auf Dich zu nehmen, weil es von doppel-botschaften (wie Arta ganz richtig schrieb) in unserer umwelt nur so wimmelt. double bind ist meiner meinung nach nicht nur eine möglichkeit für menschen, auf der bewussten ebene unangenehmes oder "verbotenes" die ungeschminkte wahrheit sagen zu umgehen, sondern es ist auch (auf der unbewussten ebene) ausdruck einer latenten schizophrenisierung der gesamtgesellschaft, die mir in erster linie erlernt zu sein scheint. denk mal, es gibt menschen, die beten jeden sonntag zum lieben herrgott oder zu Jesus, und engagieren sich gleichzeitig auf die eine oder andere art für das verderben anderer menschen. und: die spielen das nicht, die meinen das wirklich so!
wundert Dich da noch irgend etwas?

zudem halte ich bewusst eingesetztes double-bind für ein (politisch/wirtschaftliches) herrschaftsinstrument. wie gut es wirkt, kannst Du an unserer lebenswirklichkeit bestens erkennen. jeder schimpft z.b. auf "die politiker", jeder fühlt sich negativ betroffen, aber bei jeder wahl wählen sie wieder dieselben pappnasen. sie sind in einer kognitiv-emotionalen falle.

ich nehme mal an, dass Dein vater eine stabile verbindung zwischen bauch-und brustatmung hatte, als Du ihn umarmt hast, und dass er voll atmen konnte, während Deine mutter nur ganz schwach geatmet hat, evtl. nur im bauch oder nur in der brust.

und ich nehme mal an, dass DEIN zwerchfell so hart und blockiert ist, dass es Dir ähnlich geht wie Deiner mutter.

hier könnte ein möglicher ansatz liegen, mit widersprüchlichkeiten, ambivalenzen und auch mit verlogenheit Deiner menschlichen umwelt besser klarzukommen: körperpsychotherapie.
wenn Deine atmung im gesamten thorax besser fliessen kann, werden ängste, zwänge und parentifizierung (Deine mutter-bindung) sicher einer grösseren gelassenheit weichen, die Dich in die lage versetzt, dem zwangsmoment der double-bind-botschaften besser entfliehen bzw. widerstehen zu können. mit widersprüchlichkeit wirst Du jedenfalls leben müssen...

herzlichst! Bb
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Thobie
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Beitrag Di., 19.02.2013, 02:42

Moin,
Blaubaum hat geschrieben:ich nehme mal an, dass Dein vater eine stabile verbindung zwischen bauch-und brustatmung hatte, als Du ihn umarmt hast, und dass er voll atmen konnte, während Deine mutter nur ganz schwach geatmet hat, evtl. nur im bauch oder nur in der brust. und ich nehme mal an, dass DEIN zwerchfell so hart und blockiert ist, dass es Dir ähnlich geht wie Deiner mutter. hier könnte ein möglicher ansatz liegen, mit widersprüchlichkeiten, ambivalenzen und auch mit verlogenheit Deiner menschlichen umwelt besser klarzukommen: körperpsychotherapie. wenn Deine atmung im gesamten thorax besser fliessen kann, werden ängste, zwänge und parentifizierung (Deine mutter-bindung) sicher einer grösseren gelassenhein weichen, die Dich in die lage versetzt, dem zwangsmoment der double-bind-botschaften besser entfliehen bzw. widerstehen zu können. mit widersprüchlichkeit wirst Du jedenfalls leben müssen...
Du hast das Problem mit dem double bind schon ganz gut verstanden. Aber auf die Hinweise mit Körpertherapie, da kann ich Dir leider nicht folgen bzw. ich verstehe es nicht.

Grüße

Thobie

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Blaubaum
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Beitrag Di., 19.02.2013, 04:45

Thobie hat geschrieben:Du hast das Problem mit dem double bind schon ganz gut verstanden.
vielen dank, das ist sehr grosszügig von Dir
Aber auf die Hinweise mit Körpertherapie, da kann ich Dir leider nicht folgen bzw. ich verstehe es nicht.
alle emotionalen (und in diese eingebettet auch die kognitiven) stärken und schwächen haben eine entsprechung im körperlichen bereich. das leben als ganzes ist psychosomatisch.
änderst Du emotionale faktoren, ändern sich auch die körperlichen, und umgekehrt. fragt sich nur, welche richtung die effektivere ist. in sehr vielen fällen ist mE die arbeit am körper erst die voraussetzung dafür, dass sich auf emotionaler ebene etwas dauerhaft ändern kann. unser körper ist (leider auch) ein mülleimer für die seele.

er kann aber ebenso gut ihr heiler sein. dazu muss man ihn und seine potentielle kraft wecken...
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ch123
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Beitrag Di., 19.02.2013, 09:22

ich kann deinen ärger nachvollziehen, der scheinbar daraus erwachsen ist, jetzt (endlich) einen ansatzpunkt gefunden zu haben, der deine heutigen schwierigkeiten erklärt. wären die anderen - in dem fall speziell deine mutter - authentischer gewesen, hättest du eindeutige botschaften erhalten und müsstest heute nicht deinen rucksack aus verunsicherung und angst mit dir schleppen.

und jetzt wünscht du dir authentisches verhalten von anderen; forderst es sogar ein, indem du sagst: wenn du nicht authentisch bist, dann will ich mit dir nix mehr zu tun haben. das ist natürlich deine entscheidung und wenn du erkennst, dass dir dieser kontakt nicht gut tun, macht die entscheidung durchaus sinn.

ich möcht gern einen denkanstoß geben. in deinem wunsch nach authentizität unterstellst du, dein gegenüber würde bewusst und absichtlich solche mehrdeutigen botschaften aussenden.

in den seltensten fällen (wenn es jetzt grad nicht um bewußte selbstdarstellung geht) ist das aber der fall.

deine mutter WEISS vielleicht in der situation nicht anders zu reagieren. möglicherweise ist sie tatsächlich verärgert, hat aber in der situation keine andere handlungsmöglichkeit. heerscharen an psychologen und therapeuten arbeiten mit ebensolchen heerscharen an klientinnen, um ihnen genau zu dieser kongruenz zu verhelfen.
genauso haben die, die mit weinerlichem gesichtsausdruck sagen, es ginge ihnen gut, ihre erfahrungen, glaubenssätze und motive (ohne sich über diese vollständig im klaren zu sein) die sie genauso reagieren lassen, wie sie es tun.

deine erleichterung könnte darin bestehen, die angstauslöser, die damals, als du 2 warst noch gültig waren, mit dem heutigen erwachsenenwissen zu untersuchen und zu hinterfragen. dir klar zu werden, dass die situation damals eben damals war und dass du heute auch andere möglichkeiten findest zu reagieren. ausser mit angst.

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Rezna
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Beitrag Di., 19.02.2013, 19:15

Thobie hat geschrieben:Das machst Du aber nicht als 2-jähriges Kind!
Du hast viele der Dinge, die ich beschrieben habe, so angenommen, als ginge es darum fünfzig Jahre zurück zu reisen und sie von einem zweijährigen Kind zu fordern.

Fakt ist: DU bist AKTUELL kein zweijähriges Kind mehr. Die Verletzungen sind passiert und nicht mehr zu verändern. Egal welche Tipps dir irgendwer gibt, VÖLLIG SELBSTVERSTÄNDLICH werden sie NICHTS daran ändern, wie du dich als Kind gefühlt hast, in welche Enge du getrieben warst. Es ist eine Aufgabe des Lebens, die Vergangenheit als etwas zu akzeptieren, die in all ihrer Grausamkeit, aber auch Schönheit, bereits PASSIERT IST und nicht mehr verändert werden kann - egal wie erleuchtet und klug man heute ist.

Es ist daher völlig sinnlos, ständig in einem: "Hätte meine Mutter sich anders verhalten." und "Ich konnte ja als zweijähriges Kind nich..." zu verharren, denn das bringt dich aktuell nicht einen einzigen Milimeter weiter - KÖNNTE aber eine gute Methode sein, nicht weiter gehen zu MÜSSEN.
Thobie hat geschrieben:Das sehe ich anders, mir geht es darum, dass Menschen authentisch und echt erscheinen. Wenn ich jedes Mal überlegen muss, meint er das jetzt wirklich, was er sagt oder nicht, dann habe ich irgendwann keine Lust mehr, mich mit demjenigen zu unterhalten.
Warum musst du das? Gehört das zu den Zwangsstörungen oder den Psychosen? Oder ist das so eine Angst vor Kontrollverlust?
Von wildfremden Zufallsbegegnungen kann ich keine Authentizität erwarten - wozu auch? Was hat es mich zu kümmern, ob hinter der Freundlichkeit nur eine berufliche Bedingung steckt, sich der Verkäufer gar nicht WIRKLICH freut, mich zu sehen. Es handelt sich dabei um oberflächlichen, sachlichen Umgang - die Aktion, also Tausch von Waren oder Informationen - steht dabeim im Vordergrund. Es ist dabei auch egal, welches Geschlecht das Gegenüber hat - die Handlung hat Priorität VOR der sie ausführenden Person. Zumindest in geregelten Verhältnissen des Alltags.
Und ja - mit solchen Menschen MUSS ich mich auch nicht unterhalten. Ich denke, so geht es jedem. Mit den meisten Zufallsbekanntschaften des Alltags unterhält man sich -aus vielerlei Gründen - nicht. Warum möchtest du dich 'zwingen' mit Menschen Kontakt zu haben, wo es eben einfach nicht passt? Das begreife ich nicht ganz.
Thobie hat geschrieben: Wenn jemand auf eine Demütigung verärgert oder wütend reagiert, steht er auf, wird verbal laut und agiert vielleicht mit dem Körper, indem er mit den Armen reagiert. Ist er ohnmächtig, niedergeschlagen oder hilflos, sinkt er in sich zusammen, weint vielleicht und ist irgendwie betroffen und reagiert nicht mehr.
Ich begreife ehrlich gesagt auch nicht, was an der Reaktion nicht authentisch sein soll. Nicht authentisch wäre in meinen Augen: Die Mutter ist wütend, lächelt aber und tätschelt dem Vater liebevoll das Knie. Die Mutter fühlte sich ohnmächtig, makiert aber die Starke und spielt Königin. Die Mutter fühlt sich niedergeschlagen, springt aber herum und verstrickt sich in Aktivität. Die Mutter ist betroffen/angegriffen, tut die Beleidigung aber kühl ab und macht sich auch noch über sich selbst lustig.... - und wenn all das nicht einmal ihren üblichen Überlebensstrategien für den Alltag entspricht, sondern nur eine Show für eine bestimmte Person/Situation ist. Unauthentisch wäre für mich NICHT, wenn eine Person anders reagiert als ich reagieren würde, oder ich erwarten würde, dass sie reagiert - sondern sie nicht so reagiert, wie es ihr ganz individuell entspricht. Welche Reaktion wäre denn für deine Mutter TYPISCH gewesen?
Thobie hat geschrieben:Bei meiner Mutter hatte ich den Eindruck, da ist nichts, da ist keine Person, nicht authentisch, hohl und leer – wie eben eine Person, die depressiv ist und sich vom Verstand her immer nur jeden Tag auf’s Neue zusammenreißt.
Auch eine depressive Person verhält sich - der Depression entsprechend - authentisch. Ich würde soweit gehen und sagen: Wenn eine depressive Person sich mit starken, sicheren Händedruck und vereinnahmender Präsenz verabschieden würde - DAS wäre unauthentisch. Für Depressive ist es authentisch, irgendwie 'verschwunden zu sein' und zu wirken, als müssten sie sich zusammenreissen, um zu funktionieren - denn das TUN sie.

Oder meinst du, deine Mutter ist gar nicht depressiv sondern ein gesunde, tatkräftige Frau mit starker, vereinnahmender Persönlichkeit, verhält sich aber (dir gegenüber) depressiv?


Unathentisch wirken oft auch unsichere Menschen. Damit besteht eine sehr, sehr hohe Chance, dass du von sehr vielen Menschen selbst als unauthentisch wahrgenommen wirst.

Ich denke, WICHTIG ist Authentizuiät bei Freunden oder intimen Beziehungen.

Vielfach klingt es für mich so, als würdest du Grübelei in Bezug auf Authentizität als eine art Mauer benutzen.
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