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So., 06.01.2013, 08:46
Das Thema ertappt mich.
Ich bin (war) auch so eine.
Arzt? So gut wie nie, weil ich immer dachte: Nicht so schlimm. Nimm anderen "wirklich" Kranken nicht den Platz weg. Wenn es nicht mehr anders ging und ich doch zum Arzt ging - fühlte ich mich wie ein Schmarotzer, selbst wenn ich mit einer Blutvergiftung da saß und der Arzt was von Krankenhaus schwafelte. In meinen Augen war ich nur "wehleidig" und hab dann auch das getue nicht verstanden, für Übertrieben gehalten. Das Wartezimmerphänomen kenne ich auch - was mit Arztangst zu tun hat. Angst kann Schmerz temporär vertreiben - evolutionstechnisch sinnvoll, bei einem Arztbesuch eher hinderlich.
Krankenstand? So gut wie nie - und FALLS doch, dann bin ich nach zwei Tagen wieder in der Firma gewesen, selbst wenn ich noch krank war. "Sei nicht wehleidig. Krank sein ist faul sein. Lass die Kollegen nicht hängen. Du musst nachher so viel aufarbeiten/die Aufträge werden nicgt fertig: Lass die Kunden nicht hängen...."
Allerdings habe ich ähnliche Erfahrung in der Kindheit wie candle, glaube ich. Wenn wir krank waren, wurde Fieber gemessen, danach gabs eine Detschn (Ohrfeige). Krank sein wurde IMMER als ein Affront gegen meine Mutter betrachtet. Es wurde so getan, als würden wir mit absicht nur krank sein, um sie, und nur sie, zu quälen, und ausschließlich zu quälen. Meist wurde uns unterstellt, nur so zu tun als wären wir krank, weil wir nicht in die Schule wollen. Selbst wenn wir eindeutige Symptome hatten. "Ist ja nur psychosomatisch - brauchts einen A-tritt? Sollen wir dich in die Schule watschn, oder gehts so auch?"
Selbstfürsorge bezüglich Krankheit lernen, ist da schwer. Ich habe mich selber nie in einer Krankheit ernst genommen. Selbst als ich im Spital landete, fand ich das Getue und die Infusionen und alles voll übertrieben und unnötig - und jemand anderer braucht das mehr als ich, und wer macht jetzt meine Arbeit, ich bin asozial, ein Kollegenschwein, die da so hängen lassen indem ich hier herum liege.
Die Rechnung habe ich präsentiert bekommen. Ein ganzes Jahr Krankenstand (mehr geht nich in Österreich) - ich hätte NIE gedacht, dass ich so etwas "kann". Das war völlig absurd und mir ist es alleine schon nur schlecht gegangen, weil ich diesen Krankenstand beanspruchen musste...
Ich hoffe, ich habe daraus gelernt. Wird man sehen, wenn ich wieder arbeite. Allerdings gebe ich jetzt wirklich mehr Ruhe, wenn ich krank bin (kann aber auch sein, dass ich nicht das Gefühl habe, jemandem damit im Stich zu lassen), ich gehe auch konsequenter zum Arzt... naja... bissi zumindest (kann aber auch sein, dass ich für einen Termin keine Arbeitszeit vertrödeln muss).
Die Idee, dass einem Andere zusetzen, zureden, half bei mir nicht. Ich fühlte mich nur zu unrecht bemuttert - "die kennen sich nicht aus" "die übertreiben doch".
Ein Trick ist aber: Ich stelle mir vor, hier geht es nicht um mich, sondern einen Freund, ein Kind, irgend jemand anderen, für den ich Fürsorge empfinde. Und wenn ich zu dem Schluß komme: Einen Freund/Neffen würde ich zum Arzt schicken/daheim lassen, dann muss das für mich auch in Ordnung sein.
»Nimm niemals Böswilligkeit an, wenn Dummheit hinreichend ist.« [Hanlon's Razor]
»Wir sind lieber die Bösen als die Dummen.« [Richard David Precht]