Ego State Therapie

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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EinTherapeut
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Beitrag Sa., 17.11.2012, 23:17

Die Ego State Therapie ist ein aus meiner Sicht extrem nützliches Verfahren, welches in einem äusserst breiten Spektrum angewendet werden kann. Am einen Ende dieses Spektrums würde ich die Dissoziative Identitätssstörungen (http://de.wikipedia.org/wiki/Dissoziati ... %C3%B6rung) setzen und am anderen Ende völlig "normale" Phänomene. Dass wir verschiedene Anteile haben ist sozusagen normal, problematisch wirds oftmals, wenn diese nicht integriert sind, was auch in verschiedener Intensitäten auftreten kann.
Die Hypnotherapie bietet extrem spannende Ansätze, um auch an sehr verborgenes Material heranzukommen. Es gab jedoch auch schon sehr kritische Bewegungen zu diesem Ansatz -> http://de.wikipedia.org/wiki/False_Memo ... Foundation

Es gibt auch immer wieder Trends im Psychotherapie-Kontext. So gab es phasenweise sehr viele Diagnosen von Multiplen Persönlichkeiten, in gewissen Lehrbüchern wird dies im Nachhinein jedoch vor allem als Konstrukt von Therapeuten gesehen (siehe auch ersten verlinkten Wiki-Artikel).

Auch gibt es sehr verschiedene Ansichtsweisen, was ein psychologisches Trauma ist, bzw. was traumatisch ist. Aus meiner Sicht ist extrem viel Alltägliches "traumatisch".

Z.B. die typische Aussage "Du musst nicht doch nicht traurig sein", die oftmals sehr gut gemeint von Eltern kommt, um ihr Kind zu trösten. Falls eine Haltung systematisch so vorkommt (was sich natürlich auch nonverbal etc. niederschlägt), kann dies zu Defiziten in der Emotionsregulation des Kindes bewirken. Milliarden von Menschen überstehen jedoch noch viel Schlimmeres ohne psychische Auffälligkeiten.

Aus der Sicht der professionellen Diagnostik muss ein Trauma jedoch ein lebensbedrohliches Ereignis sein (für sich oder jemand anderes).

Je nach Verständnis vom Begriff "Trauma" kann man da also sehr Verschiedenes darunter verstehen.
"Einer der wunderbarsten Beispiele für den Ausgleich, den das Leben uns schenkt, ist, dass niemand aufrichtig versuchen kann, einem anderen Menschen zu helfen, ohne sich selbst zu helfen." - Ralph Waldo Emerson

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candle.
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Beitrag So., 18.11.2012, 15:06

EinTherapeut hat geschrieben:
Aus der Sicht der professionellen Diagnostik muss ein Trauma jedoch ein lebensbedrohliches Ereignis sein (für sich oder jemand anderes).
Und was ist lebensbedrohlich? Leider komme ich mit deinen Beiträgen wenig zurecht.

candle
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EinTherapeut
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Beitrag So., 18.11.2012, 15:45

Was schlussendlich lebensbedrohlich ist, unterliegt natürlich im konkreten Fall wieder der Interpretation des Diagnostizierenden.

Der genaue Text als Leitlinie findet sich übrigens hier: http://www.psychotherapiepraxis.at/arti ... html#F43.1

(Hinweis Admin: URL edit auf die hier vorhandene Übersicht)
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EinTherapeut
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Beitrag So., 18.11.2012, 16:08

candle. hat geschrieben: Leider komme ich mit deinen Beiträgen wenig zurecht.
Was meinst Du damit?
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Beitrag So., 18.11.2012, 16:31

candle. hat geschrieben: Und was ist lebensbedrohlich?

candle
Was als lebensbedrohlich empfunden wird, afaik.

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Beitrag So., 18.11.2012, 16:33

EinTherapeut hat geschrieben:Was schlussendlich lebensbedrohlich ist, unterliegt natürlich im konkreten Fall wieder der Interpretation des Diagnostizierenden.
... natürlich?

Des Diagnostizierenden? Also nicht dem Opfer?

Erstaunlich.

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EinTherapeut
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Beitrag So., 18.11.2012, 17:07

passwort hat geschrieben: Erstaunlich.
Erstaunlich, im Einzelfall auch äusserst bedenklich.

Der Kontext dieser ganzen Auseinandersetzung ist dabei ein Gesundheitssystem, in dem sozusagen eine Beweislast eingefordert wird, dass jemand wirklich eine Behandlung braucht. Das "natürlich" ist da wohl falsch am Platz, treffender wäre wohl "im Kontext unseres Gesundheitssystems".

Aus einer rein therapeutischen Perspektive halte ich übrigens schon die Diagnosestellung für eine äusserst starke therapeutische Intervention, welche sowohl negative als auch positive Auswirkungen haben kann. So kann man z.B. ein "Burn-Out" in Einzelfällen genauso gut als "krankhaftes berufliches Umfeld" diagnostizieren. Viele Arbeitgeber sind bedeutend wohlwollender, wenn man sich für erstere Bezeichnung entscheidet.
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candle.
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Beitrag So., 18.11.2012, 17:53

Ja als ich den Therapeuten las, ging mir durch den Kopf, dass er vielleicht nur meinen könnte, dass ein Trauma ausschließlich etwas wäre was direkt das Leben bedroht also mit Tod einhergehen könnte, was dann wohl eher seltener passiert.

candle
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Beitrag So., 18.11.2012, 18:29

EinTherapeut hat geschrieben: Erstaunlich, im Einzelfall auch äusserst bedenklich.
Davon gehe ich aus.

Aber was ich nicht verstehe, ist: Muss tatsächlich die Person, die therapiert wird, dem Therapeuten glaubhaft darlegen, dass es sich um eine Situation handelte, in der sie ihre Existenz bedroht fühlte? Das kann doch völlig unterschiedlich sein, in welcher Situation das so empfunden wird, von allem Möglichen abhängig auch.

Es fällt mir schwer, mir das vorzustellen, und es erscheint mir auch ehrlich gesagt absurd. Das würde ja bedeuten, dass TherpeutInnen darüber entscheiden dürfen, ob sie das Leiden einer Person mit der Etikette "berechtigt" oder "unberechtigt" versehen. Oder denke ich gerade falsch?

Ich würde da echt glatt durchfallen, denn weder kann ich behaupten, überhaupt irgendetwas empfunden zu haben, also würde ich lügen, wenn ich behauptete, ich hatte das Gefühl ich sterbe jeden Moment, noch habe ich das Wesen dazu, mein eventuell vorhandenes Leiden als besonders schwerwiegend darzustellen. Es liegt für mich, vor allem wegen der Dinge, die darauf folgten, dennoch auf der Hand, dass bestimmte Erlebnisse traumatisch waren.
Aus einer rein therapeutischen Perspektive halte ich übrigens schon die Diagnosestellung für eine äusserst starke therapeutische Intervention, welche sowohl negative als auch positive Auswirkungen haben kann. So kann man z.B. ein "Burn-Out" in Einzelfällen genauso gut als "krankhaftes berufliches Umfeld" diagnostizieren. Viele Arbeitgeber sind bedeutend wohlwollender, wenn man sich für erstere Bezeichnung entscheidet.
Klar. Auch aus nicht rein therapeutischer Perspektive.

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Sinarellas
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Beitrag So., 18.11.2012, 19:50

Ich kann R.L.Fellner nur zustimmen.
Versteht es ähnlich wie das "innere Kind", was kein echtes abgespaltenes inneres Kind meint, sondern ein Ausdruck für eine Zeitspanne.

Wir als System kennen jemanden, der unseres erachtens eine Ego-State-Disorder hat, also nicht multiple (candle ist auch nicht multiple, passt da also rein), aber eben getrennte Werte oder Weltansichten.
es ist ein riesen unterschied zwischen Ego-State Idee oder Verständnis und Multiplizität.


Sinarellas
..:..

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EinTherapeut
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Beitrag So., 18.11.2012, 23:22

Mir geht es darum, dafür zu sensibilisieren, dass es sich lohnt zu klären, was man individuell unter "Trauma" versteht. Nicht, dass man darüber streitet, wer nun Trauma "richtig" oder "falsch" definiert, sondern einfach das man vom Selben spricht. Ansonsten sind Missverständnisse schnell mal vorprogrammiert.

Konkret z.B. beim Vorliegen einer PTBS (mit Flashbacks und Vermeidung) nach einem Unfall, welche oft auch ohne vorherige Stabilisierung durch Expositionsverfahren extrem schnelle und gute Besserungsraten zeigen.

Währenddem z.B. bei chronischen Missbrauchserfahrungen in der Kindheit beim gleichen Vorgehen auch massive Verschlechterungen der Symptomatik auftreten können.

Noch zur Diagnose-Frage: Therapeuten und Krankenkassen-Leute beurteilen, ob eine Diagnose gerechtfertigt ist oder nicht. Das ist im hiesigen System so. In Argentinien als anderes Modell gibt es ein grundlegendes Recht auf Psychotherapie. Ist mir persönlich mal viel sympathischer.

Etwas mehr on-topic noch ein Video-Link:
Zuletzt geändert von EinTherapeut am So., 18.11.2012, 23:38, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag So., 18.11.2012, 23:31

Was denn für Expositionsverfahren?

candle
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EinTherapeut
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Beitrag Mo., 19.11.2012, 00:01

candle. hat geschrieben:Was denn für Expositionsverfahren?

candle
Der momentane Studienstand ist eigentlich so, dass das reine Imaginieren der traumatischen Situation mit anschliessender kognitiven Umstrukturierung (oftmals hinterfragen der eigenen Verantwortlichkeit für das Ereignis) bessere Ergebnisse zeigt, als z.B. EMDR.

Ich erkläre mir das so, dass die Bewältigung dabei mehr sich selbst als dem Therapeuten zugeschrieben wird (dank weniger "Simsalabim").

In Holland gab es sogar ein Internet-basiertes Behandlungsverfahren, wo Betroffene die Exposition selbst nach Anleitung ausführen

Aber bei diesen Studien geht es vor allem um die Reduktion von Flashbacks, Anspannungszuständen, Albträumen etc. Und das sind alles auch nur rein wissenschaftliche Studien, wo schon die Auswahl der Probanden ein grosser Faktor ist.

Momentan ist es in der Fachwelt mal noch höchst umstritten, was genau was bringt. Was die Einen als richtiges Vorgehen angeben, halten andere für die Katastrophe schlechthin.

Ich halte gerade Ego-State-Therapie jedoch für ein so oder so extrem nützliches Verfahren, um zu einer gestärkteren Persönlichkeit zu gelangen.
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Beitrag Di., 20.11.2012, 10:04

EinTherapeut hat geschrieben:Mir geht es darum, dafür zu sensibilisieren, dass es sich lohnt zu klären, was man individuell unter "Trauma" versteht. Nicht, dass man darüber streitet, wer nun Trauma "richtig" oder "falsch" definiert, sondern einfach das man vom Selben spricht. Ansonsten sind Missverständnisse schnell mal vorprogrammiert.
Ja eben, das ist sicher wichtig. (Streit? Wo?) Und deswegen interessiert es mich, ob es sich tatsächlich wie oben beschrieben verhält, dass zu bestimmen, ob Ereignisse, wohlgemerkt vom Opfer, als lebensbedrohlich empfunden wurden, der Interpretation des Diagnostizierenden unterliegt. Es also "nicht reicht", wenn die betroffene Person das so empfindet.

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EinTherapeut
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Beitrag Di., 20.11.2012, 22:21

Den Streit kenne ich aus meinem Berufsalltag. Sei es mit anderen Fachleuten oder mit Krankenkassen. Meine vehemente Position ist, dass es reicht, dass die betroffene Person es so empfindet (als Therapeut vertrete ich die Position zu 100%, den Juristen überlasse ich ihren Weg, sich mit diesem komplexen Thema auseinanderzusetzen).
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