ich wurde während meiner Kindheit immer mal wieder gehänselt (heute weiß ich, das der wahre Grund der war, dass ich zu der ärmsten Familie des Ortes gehörte und die anderen Kinder wohl von ihren Eltern entsprechend geimpft worden waren. Da ich jedoch damals keine Ahnung von Status hatte, habe ich auch nicht erfahren dürfen, warum die das gemacht haben) - als ich wieder mal weinend nach Hause eilte, sagte mir meine Mutter, ich solle mich wehren. Also zog ich, da ich ein schwächliches, recht dünnes Kind war, mit einem ordentlichen Backstein los, um den erst besten Hänsler damit k.o. zu schlagen. Ich wurde, nach dieser für mich damals geradezu wunderbaren Begebenheit, so lange wir dort wohnten, nie mehr wieder gehänselt. Ich hatte also Erfolg gehabt und mir sodann, wann immer ich gehänselt wurde -entsprechend der "Stärke" meiner Gegner- Allianzen gesucht, damit wir uns den Hänseler gemeinsam vorknöpfen konnten. Das hat immer gewirkt.
Möglicherweise bist du heute so allergisch gegen Spott und dergleichen, weil du dich eben in der Vergangenheit nicht wehren konntest und in dieser Form die Vergangenheit noch immer in dir wirkt. Wie du selber schreibst, hast du ja gerade da Probleme und trittst noch immer als strenger Richter deinerselbst auf.
Ich stimme dir zu.Ich denke,dass es mir vielleicht leichter fällt,vergangenes zu akzeptieren,wenn ich auch VERSTANDEN habe,warum manche Dinge eigentlich so passiert sind,wie sie eben passiert sind.
Und habe gleich eine Frage: Was war bei dir anders als bei den anderen? Ich denke mir, dass du durch irgend etwas aufgefallen bist aus dem Kreis der "Etablierten".
Bei meinen Gedanken über Spott ist mir aufgefallen, dass die Spötter etwas aufgreifen, was anders ist. Besonders Kinder sind da "gnadenlos" - Hornbrille, Figur, Klamotten, rotes Haar, Sommersprossen - die Liste ist ellenlang. Kinder möchten nichts mehr, als dazu zu gehören. Dieses Gefühl der Dazugehörigkeit siegt bei Kindern natürlich über die Vernunft. Einer fängt an, die anderen machen mit, alle fühlen sich mächtig gut und stark - außer der "Zielscheibe" natürlich. Und weil das so gut geklappt hat, is' er morgen wieder drann. Warum ist das so? Ich denke, dass Menschen (bei allen Teamgeist-Versuchen) in einer Hierarchie sich finden möchten. So eine Hackordnung wie auf dem Hühnerhof. Ohne "Schwache" kann es keine "Starken" geben und da wir alle gerne "stark" sein möchten, benötigen wir, als Messlatte sozusagen, die "Schwachen" (wobei "stark" und "schwach" von der jeweiligen Kultur definiert wird). Ich möchte dir zu diesem Thema, wenn du es nicht schon kennst, den Bestseller "Herr der Fliegen" empfehlen.
Bei Erwachsenen ist meiner Meinung nach Spott unter Männern fast alltäglich und den Frauen nicht so zugänglich - zumindest nicht in dieser Form. Vielleicht - so mein Gedanke - könnte Spott sogar friedenstiftend sein, bzw. einen Teil der Männerkultur darstellen, damit die nicht tatsächlich übereinander herfallen. So wird Spott auch eingesetzt, um Ungerechtigkeiten in gewisser humorvoller Weise transparent zu machen, oder die Verwirrung über eine plötzliche Andersartigkeit zu kaschieren. So sind die Männerstammtische gefüllt mit Spöttelleien, und der beste Spötter des Abends bzw unter Umständen auch der Schlagfertigste verbal Wehrhafteste darf sich zumindest für den Abend an der Spitze der Nahrungskette wähnen.
Der Spötter versucht natürlich, den anderen zu treffen, die Reaktion des anderen mit möglichst gleicher Waffe entscheidet jedoch darüber, ob der "Kampf" als Spaß verstanden wurde oder nicht.
lg
vita