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Fr., 27.07.2012, 20:10
Hallo Belladonna83,
ich möchte dir gerne erzählen, wie ich meine Hassgedanken losgeworden bin bzw. wie sie so machtlos geworden sind, dass sie mich seit ein paar Monaten kaum noch belasten und eben nicht mehr im Alltag einschränken wie du von dir selber auch schilderst.
Bei mir war es so krass, dass ich extra Umwege gefahren bin um nicht an der Strasse vorbeikommen zu müssen aus Angst, ich könnte meinem Ex-Chef begegnen ... es ging nicht darum dass ich Angst vor ihm habe, sondern darum, dass ich genau wusste, dass alleine der Anblick der Strasse oder der Anblick ihm im Auto zu sehen, wieder diese wahnsinnigen Hass-Gefühle ausgelöst hätten. Die Gefühle waren eigentlich immer da, Tag und Nacht, aber gewisse Situationen haben mich zusätzlich rasend gemacht - deswegen bin ich lieber Umwege gefahren .
Ich möchte zu meinem eigenen Schutz keine Details erzählen was genau passiert ist, aber ich war knapp 5,5 Jahre in dieser Firma und habe am Ende selber gekündigt. Zum Zeitpunkt der Kündigung war ich allerdings im Erziehungsurlaub und eigentlich gar nicht dort "aktiv" beschäftigt ... und dennoch hat mir mein Ex-Chef den letzten Nerv geraubt indem er allerfeinsten Telefonterror betrieben hat. Also selbst zu Hause hat er mich nicht in Ruhe gelassen .
Ich halte gar nichts von Aussagen wie "die Zeit heilt alle Wunden" oder "er wird schon bekommen was er verdient" .... nichts davon wird eintreffen und zu Zeiten in den mein Hass so mächtig und platzeinnehmend war wie er jetzt bei dir noch ist, hätte es schon das Fegefeuer oder ähnliches sein müssen um mich und meine Gefühle zu befriedigen. Dieser Hass sitzt ganz tief und ist mit klugen Weisheiten nicht zu besänftigen - auch wenn sie nett und aufmunternd gemeint sind.
Ich mache z.Zt eine tiefenpsychologisch fundierte Therapie und wenn ich daran denke wieviel Zeit und Raum dort mein Ex-Chef schon eingenommen hat, wird mir fast übel , aber es war erfolgreich .... heute sehe ich die ganze Sache anders und vor allem, die Hass-Gefühle sind auf ein gut aushaltbares Minimum geschrumpft ... begegnen möchte ich ihm trotzdem nicht und natürlich hat es mich wie ein Kleinkind an Weihnachten gefreut als ich erfahren habe dass er "mal wieder" pleite gegangen ist, aber mittlerweile ist mir mein Leben echt zu schade, um diesem Deppen weiterhin soviele Gefühle "zu schenken".
Meine Therapeutin hat irgendwann mal die entscheidenen Frage gestellt, wieso ich diese Firma eigentlich nie verlassen habe wenn es doch so schlimm war wie ich immer behaupte !!!! Natürlich habe ich mich versucht raus zu reden vonwegen es gab auch schöne Tage , man kündigt doch als Azubi nicht mal eben , ich habe immer gedacht es würde irgendwann aufhören , ich wollte doch nicht arbeitslos werden , wer weiss wie es in anderen Firmen zugeht , ich war doch so froh einen Ausbildungsplatz zu haben .... mir fielen Unmengen an Argumenten ein, wieso ich unbedingt 5,5 Jahre in dieser Firma bleiben musste, obwohl der Chef ein echtes Ar*** war und mich vom allerfeinsten gemobbt und persönlich angegriffen hat.
Wir haben ganz oft in der Therapie darüber gesprochen und recht schnell musste ich mir von meiner Thera anhören, dass ich nicht nur Opfer sondern auch Mit-Täter bin, denn ICH war diejenige die sich bewusst dafür entschieden hat dort 5,5 Jahre auszuhalten. Theoretisch und auch praktisch hätte ich jederzeit kündigen können, hätte jederzeit gehen können, aber ICH habe mich mit vollem Bewusstsein dafür entschieden dort zu bleiben .... also müsse ich jetzt auch erwachsen genug sein und mir eingestehen, dass ich zumindest zum Teil selber für dieses Dilemma verantwortlich bin!
Ich sags dir, das war ein harter Brocken, ich dachte ich höre nicht recht .... im ersten Augenblick dachte ich, meine Thera würde sich auf die Seite von meinem Chef schlagen und entwickelte schon parallel Hassgefühle ihr gegenüber ..... und plötzlich musste ich ihr Recht geben. Klar war ICH diejenige die freiwillig dort geblieben ist, ICH war diejenige die eben nicht gegangen ist ....
Weil Kakao an Bäumen wächst, ist Schokolade irgendwie auch Obst! (gelesen auf einem Frühstücksbrettchen)