Unterschied zwischen Burnout und Depression

Hier können Sie Fragen zu Begriffen, Diagnosen und sonstigen Fachworten stellen, die einem gelegentlich im Zusammenhang mit Psychologie und Psychotherapie begegnen oder die Bedeutung von Begriffen diskutieren.
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leserin
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Beitrag So., 08.07.2012, 10:41

mitsuko hat geschrieben:
Lou Who hat geschrieben: Und warum? Na weil man sich für den Burn-Out nicht schämen muss. Man hat ja schließlich auch hart dafür gearbeitet. Die vorzeigbare Depression für Leistungsträger.
Ein weiterer Vorteil: es sind oftmals gern die anderen "schuld": der Chef, das Mobbing, die Firma, die Leistungsgesellschaft, die zu hohen Zielvorgaben und Anforderungen....

hier z.B.:
Ganz einfach: Sie wurde durch die überlastenden Arbeitsumstände ausgelöst und ging nach Beendigung dieser samt der Erschöpfung und den Ängsten von alleine wieder weg.
Man könnte dies übrigens auch als "reaktive Depression" bezeichnen.

Liebe Münchnerkindl,
ich finde du bist das beste Beispiel, in dem du nun darauf bestehst, dass dein Vater ein Burnout hatte, und eben keine psychische Erkrankung.
Genau das ist der Grund warum sich dieser Begriff so durchgesetzt hat. Zu vermuten dein Vater hatte eben auch in Wahrheit eine Depression oder neurologische Erkrankung kommt für dich fast einer Beleidigung gleich. Also einerseits hältst du die Aussage von Debussy "Burnout ist keine Krankheit" für eine Frechheit, andererseits argumentierst du aber grad in exakt in diese Richtung. Mein Vater war nicht krank, es war nur der Job.

Ich sehe aber auch den Vorteil darin, dass sich Menschen aufgrund des positiv besetzten Burnoutbegriffes in Behandlung begeben. Die Hemmschwelle zum Arzt zu gehen sinkt und somit steigt die Chance Hilfe zu bekommen. Wenn das nur unter dem Deckmäntelchen dieses Begriffs geschieht, dann hat er doch seine Daseinsberechtigung. Ich denke aber dennoch dass es dann sinnvoller wäre, weg von dieser Pseudodiagnose zu kommen. Weg vom Außen (der böse Job) hin zu sich selbst.

Lg
leserin
Zuletzt geändert von leserin am So., 08.07.2012, 10:44, insgesamt 1-mal geändert.

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mitsuko
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Beitrag So., 08.07.2012, 10:43

Ja das stimmt. Es ist zweischneidig, da es eben auch andeutet, die Ursache des Problems liegt außen, an Job, Arbeitsbedingungen etc.
Ich finde es trotzdem ok, eben weil eine Diagnose Depression nicht angenommen würde und eine seriöse Burnoutbehandlung im Prinzip eine Depressionsbehandlung ist. Klar, öffnet Türen für alle möglichen Coachings etc. die nur ans Geld wollen.

PS: diese ewigen Auslagerungen aller Nebenstränge, die zu komplexeren Themen nunmal dazu gehören, nerven...

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münchnerkindl
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Beitrag So., 08.07.2012, 10:44

Lou Who hat geschrieben: Aber gleizeitig suggeriert es doch Folgendes:
Der Burn-Out für die Überflieger, die Depression für die ewigen Verlierer..
Das ist doch Blödsinn. Der Burn Out ist für die Krankenschwester, den LKW Fahrer, den Gastronom, die alleinerziehende Mutter genauso wie für den Studenten, den Arzt und den Firmenleiter.

Überlastete Arbeitnehmer gibt es in allen Branchen, das hat nix mit Überflieger oder Verlierer zu tun.


leberblümchen
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Beitrag So., 08.07.2012, 10:47

debussy: Hast du das aus dem ZEIT-Artikel?

Was ich an diesem Artikel echt gut fand, war der Satz eines Therapeuten (wörtlich hab ich es gerade nicht vorliegen): "Selbst die psychische Krankheit muss man sich heutzutage schon verdienen" - so ungefähr. Was er wohl sagen wollte, was jedenfalls so bei mir ankam, ist, dass Burnout so diesen Touch hat von: "ICH hab was geleistet - ICH darf depressiv sein!" Deshalb hab ich ein Problem mit dieser Diagnose, weil sie immer mit Leistung in Verbindung gebracht wird und damit suggeriert wird, dass das ja nur die 'Guten' trifft - während auf der anderen Seite immer noch massenhaft psychisch Kranke stigmatisiert werden. Die sind dann 'gestört', während jemand mit Burnout 'erschöpft' ist, was ihm sozusagen auch zustehen würde, weil ja die äußeren Umstände (mobbing, Stress, Doppelbelastung wg. Kindererziehung) Schuld sind. Also, mich stört am Begriff des Burnouts die im öffentlichen Diskurs mitschwingende Bewertung - die bei der Beschäftigung mit psychischen Krankheiten eigentlich nichts zu suchen hat.

O.K., Lou war schneller.
Zuletzt geändert von leberblümchen am So., 08.07.2012, 10:48, insgesamt 1-mal geändert.

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leserin
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Beitrag So., 08.07.2012, 10:47

Ich denke dazu noch, wenn es ein (berufliches) Burnout gibt, dann muß es auch ein Privates geben. Das Scheidungsburnout, das Einsamkeitsburnout, das Hässlichkeitsburnout, das Familienburnout, das FindekeinenPartnerburnout, das Binzudickburnout, das Schuldenburnout ...

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münchnerkindl
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Beitrag So., 08.07.2012, 10:50

leserin hat geschrieben: ich finde du bist das beste Beispiel, in dem du nun darauf bestehst, dass dein Vater ein Burnout hatte, und eben keine psychische Erkrankung.

Natürlich hatte er irgendeine Erkrankung. Die WHO definiert Gesundheit als psychisches und körperliches Wohlergehen und da dies eindeutig gestört war lässt dich das als Krankheit definieren. Die Neurologen konnten allerdings keine Demenzerkrankung oder sonstige neurologische Erkrankung diagnostizieren die Ursache für deine verbalen Ausfälle hätte sein können.

Und es gibt in der Psychiatrie durchaus eine Menge Leute mit "Symptomansammlungen" sie sich nur ziemlich schwer einer eindeutigen Erkrankung zuordnen lassen.

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leserin
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Beitrag So., 08.07.2012, 10:52

Und welche Erkrankung hatte er?

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münchnerkindl
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Beitrag So., 08.07.2012, 10:52

leserin hat geschrieben:Ich denke dazu noch, wenn es ein (berufliches) Burnout gibt, dann muß es auch ein Privates geben. Das Scheidungsburnout, das Familienburnout,
Also wenn diese mit einer massiven Überlastung einhergehen können familiäre Belastungen durchaus einen Burn Out hervorrufen.

Der Begriff wird aber nun mal nicht für "neurotische Störungen" aufgrund von zB Minderwertigkeitskomplexen verwendet.

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Lou Who
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Beitrag So., 08.07.2012, 10:53

Danke Titus für deinen Beitrag. Ich glaube, dass drückt sehr gut aus, was auch mich an dem Begriff und den dazugehörigen Diskussionen so ärgert.

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Nico
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Beitrag So., 08.07.2012, 10:55

Hat hier irgendwer behauptet Burnout seien Minderwertigkeitskomplexe ??
Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weißen Schafe sind alle gleich ;)

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münchnerkindl
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Beitrag So., 08.07.2012, 10:58

leserin hat geschrieben:Und welche Erkrankung hatte er?

Eine Ansammlung von Symptomen aufgrund von Arbeitsüberlastung die man diversen psychischen Krankheiten zuordnen könnte.


Devinitiv keine Depression da eine solche nicht spontan und von selbst nach Entfernung des konkreten Auslösers wieder weggeht.

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Nico
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Beitrag So., 08.07.2012, 11:00

Ein Burnout verschwindet aber auch nicht spontan wieder wenn man nicht mehr arbeitet.
Nicht das schwarze Schaf ist anders, sondern die weißen Schafe sind alle gleich ;)

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leserin
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Beitrag So., 08.07.2012, 11:03

Der Begriff wird aber nun mal nicht für "neurotische Störungen" aufgrund von zB Minderwertigkeitskomplexen verwendet.
Da wär ich mir mal nicht so sicher.
Eine Ansammlung von Symptomen aufgrund von Arbeitsüberlastung die man diversen psychischen Krankheiten zuordnen könnte.
Aha, also nennen wir es einfach Burnout.
Ein Burnout verschwindet aber auch nicht spontan wieder wenn man nicht mehr arbeitet.
Eben!

Münchnerkindl, du schreibst dich hier um Kopf und Kragen ...

Lg
Leserin, die sich ins kühle Nass verabschiedet.

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candle.
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Beitrag So., 08.07.2012, 11:04

Das Burnout-Syndrom ist international nicht als Krankheit anerkannt, sondern gilt als ein Problem der Lebensbewältigung (siehe Abschnitt ICD). Es handelt sich um eine körperliche, emotionale und geistige Erschöpfung aufgrund beruflicher Überlastung. Diese wird meist durch Stress ausgelöst, der aufgrund verminderter Belastbarkeit nicht bewältigt werden kann.
http://de.wikipedia.org/wiki/Burnout-Syndrom

Als ich zum ersten mal von Burn out annähernd hörte, da wurde das eher "Managerkrankheit" genannt und die betreffenden Menschen eben dazu Workaholic. Inzwischen hat nun bald jede Hausfrau ein Burn out.

Burn out findet doch Akzeptanz in unserer Gesellschaft, spricht es doch eigentlich für eine hohe Leistung, die man über lange Zeitspannen absolviert hat und ist dann eben mal "erschöpft" und ausgebrannt. Und hier beginnt es dann eben schleichend, dass es sich zu einer Depression entwickeln kann, weil der Mensch keine Selbstfürsorge betreibt. Wichtig zu erkennen wären die eigenen Grenzen und auch die Nutzung der gesetzlichen Auszeiten, sprich Urlaub. Ob sich daran etwas geändert hat? Ich kenne eben bisher selber nur Leute, die echt harte Jobs habe in einer Ellenbogengesellschaft, aber wirklich ganz strickt auf ihren Urlaub achten und unerreichbar sind, die als Ausgleich ihre Familien als Ort der Erholung haben.

Es ist also gar nicht so einfach zumeinen, dass man einfach mal viel arbeitet, weil das eben allein nicht der Grund ist.

In einem Fernsehbericht hatte ich kürzlich gesehen, dass Burn outs offenbar in stationären Aufenthalten recht schnell in den Griff zu bekommen waren, indem man sehr darauf hört was man selber will und braucht und zuletzt gibt es wohl auch immer eine Verbindung zur eigenen Vergangenheit, dass man sich aus alten vermeintlichen Glaubenssätzen und Selbstansprüchen totwerkelt.

Da muß man sich mal vorstellen, dass man während eines Klinikaufenthaltes in den Wald geht um mal wieder die Ruhe der Natur zu spüren um sich in Zukunft besser zu schützen.

Neuerlernung einer Selbstverständlichkeit- eigentlich.

candle
Now I know how the bunny runs! Bild

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hope_81
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Beitrag So., 08.07.2012, 11:06

Auch ich habe jetzt in mehrern Zeitschriften Artikel zu der "Modediagnose" Burn out gelesen uns alle haben das Gleiche ausgesagt. In unserer Gesellschaft werden psychisch kranke noch immer stigmatisiert und es ist eben ein Zeichen von Schwäche depressiv zu sein. Gilt doch diese Diagnose als weichlich, schwach und weiblich.
Und es ist wirklich so, dass Menschen ein "burn out" besser akzeptieren können, da eben die Leistung vordergründig scheint.
In der aktuellen Psychoklogie Heute ist wieder einmal ein Artikel dazu. Ich zitiere:
"Modewelle oder nicht-jedenfalls ist "Burnout" keine eigenständige Krankheitsdiagnose, sondern ein Begriff aus der Organisations-und Arbeitspsychologie, der mit Leistung und Überlastung zutun hat. Dies lässt ihn weniger schamerzeugend wirken als etwa eine "offizielle" Depression. Zudem lenkt die Krise namens Burnout den Blick AUCH auf die Arbeitsbedingungen...."
Traurig aber wahr akzeptiert unsere Leistungsgesellschaft Schwächen nicht und es Bedarf noch recht viel Öffentlichkeitsarbeit um dem entgegenzuwirken.
Liebe Grüße
Das Beste, was du für einen Menschen tun kannst, ist nicht nur deinen Reichtum mit ihm zu teilen, sondern ihm seinen eigenen zu zeigen.
Benjamin Disraeli

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