An die, die mit mehreren Therapien Erfahrung haben

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Lilly111
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Beitrag So., 08.07.2012, 12:45

Widow hat geschrieben:hier mitunter beobachten zu können, dass Therapie als etwas aufgefasst wird, das notwendig sei, um solche Gedanken 'erfolgreich' anstellen zu können, dass es also des therapeutisch geschulten Gegenübers bedürfe, um gründliche Introspektion betreiben zu können, dass Reflexionen menschlicher Verhaltensweisen nur mit Hilfe eines psychologischen Profis ernstzunehmen seien.
Das scheint mir gefährlich zu sein, hieße es doch (für mich), sich eines großen Stücks Eigenverantwortung und Souveränität zu berauben.
Mehr noch. Es hieße mMn auch, sich ein Stück weit das eigene Selbstbewußtsein untergraben zu lassen. Ein paar Sätze später schreibst du es selbst.
Widow hat geschrieben:Ich sehe aber persönlich bei mir durchaus eine 'Gefahr', ein aufkeimendes Bedürfnis dahingehend, das, was ich früher (im Wesentlichen) allein tat, jetzt in Begleitung tue, nämlich mich auszuleuchten, künftig gar nicht mehr allein tun zu wollen (weil ich's ja ohnehin nicht so gut 'kann' ...).
Bis zu deiner Therapie warst du offenbar, ganz selbstbewußt, schon der Meinung, dass du ganz gut reflektieren kannst. Jetzt zweifelst du. Es gibt jemanden, der es möglicherweise "besser" kann. (Gibt es gute und schlechte Reflexionen?)

Lilly
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carö
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Beitrag So., 08.07.2012, 12:48

hallo widow, hallo zusammen,
kaja hat geschrieben:Eine Freundin mit mehrfachen Therapien hat es mir mal so erklärt das es für sie ein aufgehen in einem System aus Hilfe und Aufmerksamkeit sei und die permanente Selbstbeschäftigung sie oft verleitet sich aus anderen Dingen des Lebens rauszuhalten und sich nur auf die "Achtsamkeit" ( nie verstanden was sie damit meint) zu konzentrieren.
Ein bisschen Flucht davor sich Dingen alleine zu stellen.
das wäre tatsächlich eine falsch verstandenen inanspruchnahme von therapien, denk ich.
ich sehe es auch so, dass die "normalen" krisen des lebens nicht therapiebedüftig sind. ich habe auch zwei therapien gemacht. eine VT und eine - lange - analyse. die VT war während meiner studienzeit und hat mich im grunde davon abgehalten mich zu suizidieren. dass sie nichts gebracht hätte, wäre sicher falsch zu sagen deswegen. sie hat mir aber nichts an die hand gegeben, was mir dauerhaft hätte weiterhelfen können. diese (pseudo-) therapie war nicht gut zum einen und zum andern war ich noch nicht soweit, mich wirklich mit meinen problemen beschäftigen zu wollen/können.

nach einer therapiepause habe ich die analyse begonnen (und inzw. beendet). ... weil nichts mehr ging, psychisch wie körperlich...

ich hoffe, dass ich genügend mitbekommen habe, um diese reflexions- und introspektionsfähigkeit, die sich eben nicht im kreis dreht, sondern zu ergebnissen führt für das eigenen leben und die ich vorher sicher so nicht hatte, weiter für mich einsetzen zu können. ich sehe es aber auch so, dass es nicht ehrenrührig oder nur ein aufmerksamkeitsheischen ist, wenn man sich bei einem problem unterstützung von aussen sucht, wo zB der freundeskreis oder in der partnerschaft etc. nicht genügend hilfe da ist, sofern man selbst damit nicht weiterkommt... aber das ist eben alles sehr relativ.. wo fängst an, wo hört es auf ?! und muss man sicherlich für sich selbst genau überlegen.

sicherlich ist es ein schmaler grad zwischen verantwortung abgeben und sich in ein professionelles hilfsnetz fallen lassen (flucht) und ernste probleme gar nicht anzugehen, weil man meint, man habe keinen anspruch auf unterstützung. es bedarf der persönlichen reflexion mit welchem motiv man sich unterstützung von aussen sucht, um sich nicht selbst zu belügen...wäre für mich zumindest wichtig. aber wenn man sich denn gerne selbst belügen möchte oder muss, dann wird man das auch niemandem mal eben einfach so wegnehmen (wegreden) können...


LG

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Es ist krass, was man erreichen kann, wenn man sich traut. (Aya Jaff)

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lavertu
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Beitrag So., 08.07.2012, 12:57

titus2 hat geschrieben:Aber sollte man nicht das Ziel haben, für seine eigene Seele selbst am besten sorgen zu können
Das tue ich doch indem ich Therapie mache


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Widow
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Beitrag So., 08.07.2012, 12:57

Liebe Lavertu, danke für Deine Offenheit - ich finde nichts daran verwerflich, Therapie als säkularisierte Seelsorge-Beziehung aufzufassen (und nachdem ich neulich erfuhr, dass alle Hungerleidenden weltweit dreimal von dem ernährt werden könnten, was in Europa und Nordamerika täglich weggeschmissen wird, lass ich das "Finanzargument" erst recht nicht gelten!).
Meins aber wäre das nicht.
Meins ist allerdings auch nicht, was Du, liebe titus2, Dir von Therapie erhoffst, das für sich selbst sorgen- und allein funktionieren-Können (wenn ich's recht verstanden habe) - eine Grenze, hinter der es ein Recht darauf gibt, nicht mehr zu funktionieren (ob allein oder mit mehreren, ist gleichgültig), ganz absolut sich dem Funktioneren zu entziehen, die gibt es meiner Ansicht nach (ebenso wie das hinter ihr liegende Recht). Aber da wären wir wieder bei der "Heilungsdiskussion", und die mag ich nicht mehr führen.

Liebe Lilly111, hast Du die einfachen Gänsefüßchen beim "kann" übersehen? Genau auf den Punkt, dass einem suggeriert wird, man könne all das nicht mehr selbständig, wollte ich hinaus (und gebe zu: Während meiner Introspektionsphasen erkenne ich das aufkeimende Bedürfnis, Selbst- und Fremdreflexion nicht mehr alleine anstellen zu müssen - und dieses Bedürfnis wird "gefüttert" / legitimiert (auf verquere Art!) durch Positionen, die behaupten, dass man als Laie das ohnehin nicht gut genug kann. (Und ja: Ich glaube, es gibt Unterschiede im Reflexionsvermögen.)

carö noch nicht gelesen.

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leberblümchen
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Beitrag So., 08.07.2012, 13:04

lavertu, ganz ehrlich: Ich glaube nicht wirklich, dass du für dich sorgst, indem du deine Seelsorge in die Hand einer Dauer-Therapeutin legst. Du beauftragst sie, für dich zu sorgen. Da das ja nun mal viele Menschen hin und wieder benötigen, dass sie jemand darin unterstützt, für sich selbst sorgen zu können, sind Therapien ja auch sinnvoll. Aber letztendlich ist das doch dann so eine bewusst gewählte (!) Abhängigkeit von der Mutter, die sowieso den besten Braten 'zaubern' kann...

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candle.
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Beitrag So., 08.07.2012, 13:17

Hallo Widow!

Ich versuche es mal. Ja? Ich finde das Thema natürlich interessant, sond eh schon lange auch meine insgeheimen Fragen und als Altuser hatte ich wohl auch mal die Frage zum sich selbst „überpsychologisieren“.

Ich möchte hier auch keinen direkt ansprechen und möchte das auch so gelesen wissen!

Ich persönlich bin da auch immer wieder schockiert, dass viel Therapie gebraucht wird, aber inzwischen sehe ich das als spezifische Häufung hier im Forum und nicht als Therapierealität. Ich kenne Menschen von klein auf an, die sehr früh und bis heute noch in Therapie sind wo es wirklich indiziert ist. Ich kenne wirklich niemanden, der Therapie als Lebensbeistand für immer sucht. Finde ich auch unrealistisch, weil ich die Annahme habe, dass das wahre Leben dann an einem vorbeiläuft, wenn die Therapie Mittelpunkt des Lebens ist und bleibt. Von mir selber weiß ich natürlich, dass es temporär schon so ist, aber dann kommen natürlich, vielleicht für Einige unnatürlich die neuen Entwicklungen.

Ich bin nun eine in Ü30 in Therapie gegangenen das erste mal.
Widow hat geschrieben:Eine davon lautet: Warum reichte Therapie Nr. 1 nicht aus?
Ich hatte in der ersten Therapie deutliche Fortschritte gemacht und die hielten sich dann auch eine ganze Weile, dennoch hatte ich da in gewisserweise Angst vor einem Rückfall. So hatte ich als ein Sicherheitsnetz eine VT begonnen, die dann auch nach 25 Stunden beendet war. Ich war dort auch nur sehr sporadisch mit sehr langen Zeitabständen, weil sich wirklich zeigte, dass ich keinen Beistand mehr brauchte. Nun brach ja leider genau in dieser Zeit etwas Neues aus, was ich allein wieder nicht bewältigen konnte und in der Symptomatik völlig neu war, so dass das Handwerkszeug aus der vorigen Therapie nichts mehr brachte. Ich sehe es heute wieder so für mich, dass eine Depression leichter zu bearbeiten ist als jetzt eine PTBS, aber das nur am Rande. Das beantwortet also zum teil Frage drei. Und ja es ist so, dass ich Therapie jetzt einfacher finde und sich völlig neue Problemfelder eröffnet haben- leider.

Die zweite Frage kann ich also gar nicht beantworten.

Ansonsten habe ich natürlich im Moment Sorge, dass meine Therapiestunden nicht ausreichen, ich einfach noch nicht in der Lage bin wieder ein ganz normales Leben zu führen, verwerfe aber die Gedanken und übe in Geduld und auch Hoffnung, dass es schon alles wieder gut wird. Da werde ich schauen, ob ich dann wieder Therapie brauche oder nicht, allerdings finde ich schon eine eigene Bewährungszeit ganz gut. Ich glaube so hat das auch mal ein Therapeut ausgedrückt. Erstmal schauen wie es alleine geht und im Notfall kann man dann nochmal überlegen wie es weitergeht. Urlaube in den Therapien finde ich aus diesem Grund ganz vorzüglich schon für die eigenen Ersterprobungen. Für mich ist das aber auch eine wahnsinnige Arbeit im Innderen die da passiert, so dass ich im Grunde auch Urlaub benötige von der anstrengenden Therapie.

Soweit erstmal.
candle
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lavertu
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Beitrag So., 08.07.2012, 13:21

titus2 hat geschrieben:lavertu, ganz ehrlich: Ich glaube nicht wirklich, dass du für dich sorgst, indem du deine Seelsorge in die Hand einer Dauer-Therapeutin legst. Du beauftragst sie, für dich zu sorgen. Da das ja nun mal viele Menschen hin und wieder benötigen, dass sie jemand darin unterstützt, für sich selbst sorgen zu können, sind Therapien ja auch sinnvoll. Aber letztendlich ist das doch dann so eine bewusst gewählte (!) Abhängigkeit von der Mutter, die sowieso den besten Braten 'zaubern' kann...
Hi titus,

nein, ich fühle mich nicht abhängig von meiner Therapeutin. Außerdem beauftrage ich Sie nicht für mich zu sorgen, Sie dient mir lediglich als Gegenüber, als Gesprächspartner. Ganz wie andere Menschen in meinem Leben auch. Ich schätze ihre Sichtweise ihre Intelligenz und ihr Mitgefühl. Es ist für mich eine ganz besondere Art der Beziehung, die eben mit einer Freundschaft/Partnerschaft nicht vergleichbar ist. Ich persönlich finde dies auch sehr gesund. Es gibt Studien darüber, dass Menschen die gläubig sind und regelmäßig beichten gehen mental gesünder und weniger anfällig für Depressionen etc. sind (Quellenangaben lassen sich recherchieren, aber ich bin grad zu faul). Da ich aber mit dem katholischen Glauben wenig anfangen kann, ebenso wie mit Beichte, dient mir meine Therapie sozusagen als Ersatz und ich spüre ja auch die Wirkung. Ich glaube and ie Therapie Meine Seele wird durch diese Gespräche entlastet und warum sollte ich dies in Frage stellen? Ist doch egal wie diese "Form" sich nennt. Ich bezahle die Therapie übrigens selbst.

LG
LV

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**AufdemWeg**
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Beitrag So., 08.07.2012, 13:23

Nur für mich gesprochen:

wenn ich jetzt, nach vielen Jahren Therapie feststellen würde, dass ich mein Leben lang in Therapie bleiben möchte,
dann wäre für MICH irgendwas in meiner Therapie schief gelaufen.

Es ist auch so, dass ich langsam nicht mehr die Zeit investieren möchte und auch nicht mehr bereit wäre weiter selbst zu finanzieren weil ich einfach andere Dinge mit dem Geld tun möchte.

Dass ich gehen MÖCHTE ich für mich mit der größte Therapieerfolg.
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leberblümchen
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Beitrag So., 08.07.2012, 13:47

lavertu: Wegen des Glaubens: Das kann aber nun wirklich auch eine ganz banale Korrelation sein! Vielleicht tun gläubige Menschen tendenziell eher andere Dinge als andere Menschen (sitzen vielleicht nicht so viel vor der Glotze, ernähren sich bewusster, gehen häufiger spazieren, sorgen generell sowieso gut für sich, lernen lebenslang und sind damit geistig beweglicher usw.). Das bedeutet nicht, dass wenn du einen Seelsorger hast, den du dir als Ersatz-Religion phantasierst, vor Brustkrebs geschützt bist

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münchnerkindl
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Beitrag So., 08.07.2012, 13:50

Widow hat geschrieben: Liebe Lilly111, hast Du die einfachen Gänsefüßchen beim "kann" übersehen? Genau auf den Punkt, dass einem suggeriert wird, man könne all das nicht mehr selbständig, wollte ich hinaus (und gebe zu: Während meiner Introspektionsphasen erkenne ich das aufkeimende Bedürfnis, Selbst- und Fremdreflexion nicht mehr alleine anstellen zu müssen - und dieses Bedürfnis wird "gefüttert" / legitimiert (auf verquere Art!) durch Positionen, die behaupten, dass man als Laie das ohnehin nicht gut genug kann. (Und ja: Ich glaube, es gibt Unterschiede im Reflexionsvermögen.)

c
Es geht ja nicht nur um Selbstreflektion. Es geht eben auch um Aussenreflektion. Wenn man irgenwdo einen blinden Fleck, einen toten Winkel hat kann man ggf noch so lange Selbstreflektion betreiben und man findet ihn nicht bzw kann eine Sache eben nicht realistisch sondern nur durch die durch Meinungen und Gewohnheiten gefärbte Brille sehen.

Ausserdem kann man alleine all das nicht erlernen und erfahren was in irgendeiner Weise Beziehungen betrifft. Weil durch eine Beziehung und interaktion lernen kann man eben nur wenn man eine solche hat, nicht durch ein noch so geniales Gegrübel im stillen Kämmerlein. Der Mensch ist nun mal ein soziales Wesen, von Kindheit an ist ein grosser Teil des Lernens, eben des sozialen Lernens von zwischenmenschlichen Beziehungen abhängig.

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Lilly111
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Beitrag So., 08.07.2012, 14:00

Liebe Widow,

ich hatte deine Gänsefüßchen nicht überlesen und hatte sie auch richtig verstanden (so, wie in deinem letzten Post erklärt).

Bei der Suggestion und/oder Annahme, der Therapeut könne einen (den Patienten) besser reflektieren, als man selbst, liegt, wie ich finde, ein grundlegender Irrtum zugrunde. Vereinfacht gesagt nämlich die Annahme, dass ein Psychologiestudium (oder welche Ausbildung konkret auch immer) Lebensjahre und Erfahrungen ersetzen könnten.

Ich lebe mit mir immerhin schon über 40 Jahre zusammen. Ich weiß wie ich esse, wie ich schlafe, wie/was ich träume, wie ich liebe. Desweiteren wie ich mich in sozialen Situationen verhalte, welche politische Einstellung ich habe, welche Vorurteile ich pflege, was mich weinend und was mich lachend macht. All das weiß und kennt der Therapeut nicht von mir, er hat es nie erlebt. Er weiß nur dass, was ich ihm durch unzählige (bewußte und unbewußte) Filter hindurch erzähle. Und das kann nur ein sehr kleiner Ausschnitt aus meinem Leben, meinen Erfahrungen, den daraus folgenden Verhaltensweisen, meinem Alltag sein.

Ich spreche einem Therapeuten nicht die Fähigkeit ab, daraus Rückschlüsse auf bestimmte Störungen zu ziehen. Das ist sein Fachgebiet. Aber Reflexion im Ganzen, als Mensch?
Einzelne Punkte näher zu beleuchten - ja, in Erfahrung zu bringen, warum man sich wie verhält (welches Muster dahintersteht) - ja, vielleicht auch eine Verhaltensänderung anzustreben - ja, aber anzunehmen, der Therapeut kennt einen besser, kann einem die eigene Welt besser erklären, als man es selbst kann? - Nein! (Das hätte dann nämlich etwas Gottgleiches. )

@münchnerkindl
Therapie als "Beziehungsübungsfeld" für's richtige Leben?
Ja, warum nicht. Solange man dabei nicht vergisst, dass es eine Beziehung unter der Glasglocke ist. Abgeschirmt von Ausseineinflüssen, asymetrisch und de facto wenig real.

Lilly
... as stubborn as a mule.


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Widow
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Beitrag So., 08.07.2012, 14:00

Liebe MüKi,

zweifelsohne lernt man auch durch Interaktion (wiewohl ich das Buch als "Lernpartner" - und ich rede jetzt nicht von Lehrbüchern ... - nicht unterschätzen wollen würde!).
Doch über die, also die Sozialkontakte, muss man doch auch irgendwann wieder still für sich nachdenken, um daraus weiterlernen zu können. Kurzum, ich sehe das als Lernspirale: Kontakt zu anderen, gemeinsame Reflexion verschiedenster Themen und Gegenstände, auch des eigenen und fremden Selbst (damit gegeben ist auch "Sozialkontrolle", um sich justieren zu können und zu checken, ob man noch halbwegs sozial "kompatibel" ist), dann Rückzug ins eigene Hirn und Selbst-Reflexion (im doppelten Sinne von "einsamer" Reflexionstätigkeit und von Selbstreflexion) u.s.w.
Was nun bei wem überwiegt (oder vielleicht auch ausgeglichen ist), ist eine individuelle Angelegenheit.
Doch dass es, um das "richtig" zu können, eines professionellen Gegenübers bedürfe, wie es hier im Forum verschiedentlich anklingt, das bezweifle ich weiterhin.

Lilly noch nicht gelesen.

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lavertu
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Beitrag So., 08.07.2012, 14:04

titus2 hat geschrieben: Das bedeutet nicht, dass wenn du einen Seelsorger hast, den du dir als Ersatz-Religion phantasierst, vor Brustkrebs geschützt bist
Es geht mir in der Therapie nicht um meinem Körper sondern mehr um meine Seele, und ihr tut das Ganze schon recht gut.
Dieses sich anvertrauen können, und über Dinge zu sprechen, die für mich eben nur in einer Therapie und bspw. nicht in einer Freundschaft gehen ist für mich schon sehr "speziell". Für mich ist dieses "sich mit allem anvertrauen können" so etwas wie "Gnade" die ich erfahre, und ein Gläubiger Katholik erfährt diese Gnade womöglich in die Beichte. Therapie ist für mich keine Ersatzreligion, diese Analogie verwendete ich nur um auf den Aspekt der Seelsorge einzugehen, und da sehe ich für mich schon Parallelen.


leberblümchen
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Beitrag So., 08.07.2012, 14:08

Aber auch in der Religion geht es um sich selbst, seine Beziehung zur Gemeinde, zu Gemeindemitgliedern, zu Gott. Man muss sich da irgendwo positionieren. Wenn du also die Gnade (ich selbst hab es irgendwie mehr mit dem Begriff 'Güte', aber ist ja vielleicht so was Ähnliches) deiner Therapeutin bekommst, dann ist das auch nur EIN Aspekt im Leben wie in der Religion und man könnte sich doch fragen, wieso du so grundsätzlich meinst, diese Gnade nur in der Therapie zu finden. Gut, du möchtest dich das offensichtlich nicht fragen...


Thread-EröffnerIn
Widow
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Beitrag So., 08.07.2012, 14:18

Liebe Lilly111,

grundsätzlich stimme ich Dir zu. Gleichwohl kann die professionelle Außenperspektive eines Therapeuten hilfreich beim Ausleuchten der eigenen dunklen Winkel sein (so erlebe ich's: Die Winkel kenne ich, aber all das Dunkel und den Staub da drinnen halt nicht wirklich ...; manchmal jedenfalls muss ich ganz schön husten!). Warum ich diese Winkel jetzt ausleuchten mag, weiß ich. Früher wollte ich es nicht (mangels "Leidensdrucks"), was auch okay war, denn - wie gesagt, die Winkel waren mir bekannt. Jetzt bin ich aber mehrfach dagegen gerannt bzw. haben sie mich eingeklemmt - da musste ein zweiter Scheinwerfer her, zumal ich meinen ausgeschaltet hatte. Langsam dimme ich den wieder hoch und hoffe, ihn, wenn er erstmal wieder leuchtet, nicht wieder wegzudrehen.
Ich hoffe auch, dass es mit dem einmaligen Fremdscheinwerfer ausreicht ...


Liebe candle,

danke für Deine Erfahrungen! Hinsichtlich meiner Fragen ist das ja ein ziemliches Hin und Her bei Dir (was ich nachvollziehen kann).
Dass Dir der Therapie-Urlaub auch als ein Test für Deine Eigenständigkeit erscheint, eint uns (wenngleich ich auch ziemlichen Schiss vor meinem Urlaub habe - und mich dessen schäme, aber das schrieb ich schon woanders). Falls er jetzt bei Dir ebenfalls ansteht, wünsche ich Dir dafür alles Gute!


Liebe lavertu, liebe titus2,

die Religionsanalogien (und ihre Grenzen), die Ihr hier diskutiert, finde ich aufschlussreich, danke dafür!
@ lavertu: Glaubst Du, dass es die Ausbildung ist, die die von Dir so besonders geschätzten Qualitäten Deiner Therapeutin bedingt, oder könntest Du Dir vorstellen, diese Qualitäten auch bei Menschen ohne entsprechende Qualifikation vorzufinden? (Und - falls Du darauf antworten magst: Welche Qualitäten sind das? Du schriebst ja bislang recht allgemein von Intelligenz und Humor z.B.)

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