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Mi., 19.03.2008, 02:19
[quote="uncleK"]Wozu braucht ein Glaube einen organisierten Beistand, wenn nicht zur Machtausübung und Kontrolle?[/quote]
Weil überall da, wo Menschen rumwerkeln, es mehr oder minder subtile Formen von Machtverteilung gibt:
in der Psychotherapie, in der Schule, im Verein, an der Uni, im Ausbildungsbetrieb, in Unternehmen und Firmen (mit Ethikleitlinien....), in der Familie, an den Stammtischen, im Freundeskreis und auch in der Kirche.
Und in der Kirche (wie auch in allen anderen "Organisationen") sind sich sehr wohl die meisten Menschen dessen bewusst (nicht nur an der Basis) und versuchen damit aktiv umzugehen.
Dass es massiven Machtmissbrauch gegeben hat und auch noch gibt (v.a. in der kath. Kirche; in der ev. Kirche manchmal subtiler kaschiert...), ist klar - er ist kaum zu entschuldigen beim Bedenken dessen, was Kirche erst entstehen ließ. Ich kenne andere erniedrigende Pfarrer(innen), Dekane, Bischöfe, Kirchenmusiker usw. und ich kenne genau das Gegenteil - trotz deren Position.
Ein Spiegelbild unserer Gesellschaft, leider, ja, das ist auch eine "Wirklichkeit" neben vielen anderen.
Ich erfahren den Apparat Kirche als menschengemacht, als z.T. sehr selbstkritisch, das Gefüge hinterfragend und deshalb als widersprüchlich und auf diese Weise auch ehrlich.
Und dieser "organisierte Beistand" hat in jeder Organisation (manchmal) auch "menschliche" Vorteile, das ist ganz einfach so: Mittelzuweisung, Auseinandersetzungen mit den Zielen, schnellere Wege, die man als Mensch mehr oder auch minder überblicken kann.
[quote="Natalie"]Wo bin ich Gott näher, als in seiner von ihm geschaffenen Natur?[/quote]
Das stimmt schon und wie ich schon oben schrieb, sind für mich auch intensive Naturerfahrungen in der Osterzeit wichtig (joggen, radeln etc., einfach draußen sein), aber zur "Natur" gehören auch nicht nur die Familie und Verwandten, sondern auch alle anderen Menschen (ob ich will oder nicht).
Wir haben Freiheit zu wählen, Freiheit zu bestimmen (im "Rahmen" unserer mitgebrachten Möglichkeiten, die wir auch erweitern, ausbauen können - z.B. durch Therapie), das ist "verdammt" verantwortungsvoll.
Und ich möchte dies mit Menschen in der Kirche teilen, auch wenn ich manchmal in diesem Apparat kämpfe und verzweifle. Aber ich weiß mehr durch ihn. Und ich habe diese Feiertage schon erfahren. Viele Leute, die diese Feiertage gleichgültig betrachten, haben sie noch nie erfahren, keinen Zugang bekommen - teils aus Desinteresse, teils aus schlecht vermitteltem Zugang durch Lehrer, Pfarrer, Eltern etc.
Ich kann das ja erst ablehnen, wenn ich es überhaupt mal kennengelernt habe in zumindest einer Facette.
Würde mir etwas fehlen, wenn ich mal an den Feiertagen "nur" mit Familie bzw. Freunden (möchte das überhaupt nicht abwerten), Sport machen etc. sein könnte? Momentan lautet die Antwort: ja. Ich möchte diese Feiertage erleben - mit evtl. Familie, mit Freunden, mit Kirchenmusik, mit Menschen, die mir auch nicht immer "passen" (z.B. in "meiner" Gemeinde - zu der ich eine "gesunde" Distanz pflege, mich aber auch phasenweise sehr aufgehoben fühle). Das fordert mich jedesmal aufs neue heraus. Und es ändert sich immer wieder.
[quote="Keyle"]Ich werde jedenfalls für euch alle beten.[/quote]
Beim ersten Lesen empfand ich dies in diesem Zusammenhang als Druck und als Überschreitung meiner Grenzen: ich lasse nicht für mich beten, wenn ich das nicht will.
Und ich begreife das auch nicht als Geschenk, sondern erst dann, wenn jemand mich fragt, ob das Beten für mich in Ordnung ginge bzw. wenn ich als gleichwertig gesehen werde. Hatte immer schon Probleme mit Menschen, die durch ihren Glauben meinen, es "besser" zu wissen und meinen, dadurch helfen zu können.
Ich weiß als "Kritisch-Gläubiger-Abstinentler-Insider" etc. nichts besser und ich will mich (so gut es geht) nicht über andere Menschen erheben. (Das beziehe ich nicht auf Dich, Keyle!)
Beten ist für manche ein kostbares Geschenk, für andere Notwendigkeit und schlichtes, regelmäßiges, rituelles Tun - egal wie: ich bete in der Kirche nur dann mit, wenn ich es kann und will und auch nicht immer alle Zeilen, weil es manchmal nicht geht. Und wenn es diesen Gott geben sollte, dann hat er die Gnade, es zu akzeptieren. So groß ist er dann schon....
Hoffe, dass mein Geschreibsel einigermaßen zu verstehen ist (es ist schon spät) und danke für eure Anregungen zum Nachdenken (tun gut...) und danke für die Eröffnung dieses Themas, Keyle!
Herzliche Grüße,
Anne