Eigenverantwortung vs. Psychotherapie?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Mia Wallace
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Beitrag So., 13.05.2012, 11:08

titus2 hat geschrieben:Wenn der Therapeut mehr tut, als es diesem 'Vertrag' entspricht, zum Beispiel, indem er den Patienten besucht oder ihm private Briefe schreibt, dann liegt das nicht in der Verantwortung des Patienten, auch wenn der vorher nach allen Regeln der Kunst versucht hat, ihn genau dazu zu bewegen.

Hi Titus,
ich kannte die Diskussion, aus der sich dieser Thread hier entspann nicht und wusste nicht, dass es hier um privaten Kontakt geht.
Dafür, dass es den nicht gibt, trägt -auch aus meiner Sicht- der Therapeut die Verantwortung.

Aber wenn Du schon meine therapeutische Beziehung erwähnst:
Meine frühere Therapeutin hat mir ja schriftlich ein Angebot gemacht, dass ich durchaus in Richtung Angebot wie auch immer gearteten privaten Kontaktes interpretieren könnte.

Dass sie das tat, lag in ihrer Verantwortung und in mir ist eine wachsende Wut auf sie, weil sie um meine Verliebtheit und Abhängigkeitsgefühle weiß und mir trotzdem so ein -noch dazu verwirrend uneindeutiges- Angebot machte.

Meine Reaktion auf dieses Angebot liegt aber wiederum nicht allein in ihrer Verantwortung. Aufgrund des Gefälles zwischen uns, aufgrund meiner Abhängigkeit und Liebe, aufgrund meiner früheren psychischen Erkrankung vielleicht (vielleicht!!) zu einem höheren Prozentsatz? Aber allein bei ihr lag es nicht, weil ich weder geistig noch psychisch schwerstbehindert bin und selbst entscheide, was ich tue und was ich lasse.
Es war fürchterlich schwer, aber ich hatte zu jedem Zeitpunkt die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, was ich tue oder mir schlimmstenfalls Hilfe zu suchen, um wieder selbst entscheiden und handeln zu können.

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montagne
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Beitrag So., 13.05.2012, 16:19

Rechtlich ist es relativ klar, wo die Verantwortung liegt. Und irgendwo auch aus dem Bauch heraus mag man sagen, klar, der Klient trägt keine Verantwortung, denn er ist ja psychisch angeschlagen, in einer Notsituation, krank gar und kann die Realität nicht so richtig einschätzen.

Es wäre ja nicht das erste mal, dass zum Bsp. eine Patientin ihren Therapeuten verführt, es zu sexuellen Handlungen gekommen ist und die Klientin dadurch psychisch stark beschädigt wurde. Weil, wenn man es aufdröselt, es vllt. eher so war, dass die Klientin den Therapeuten testen wollte, ob er sich NICHT, wie beispielsweise der missbrauchende Vater oder Lehrer "verführen" lässt, sondern nein sagt. Nur der Therapeut verstand nicht oder konnte nicht anders.

Moralisch sehe ich da die Klientin völlig schuldlos, rechtlich ist sie es auch. Aber dennoch trägt sie die Konsequenzen und zwar wohl schwerwiegender, als der Therapeut. Sie hat nun einfach die Last der Beschädigung mit im gepäck, zusätzlich zu den ursprünglichen Problemen.

Ich denke so geht es uns alle.. wie können rechtlich und moralisch noch so in einem Schutzraum sein, die Konsequenzen nimmt uns niemand ab... leider möchte ich fast sagen.

Konsequenzen für eingegangene sexuelle Beziehungen, Konsequenzen für Therapieabbrüche, für das nicht sagen von Verliebtheit, für das nicht sagen von Misstrauen, für das nicht sagen von Suizidgedanken, für das nicht sagen von Kränkungen in der Beziehung, für das nicht sagen von Symptomen, von Traumata.... die Liste ist lang... und auch und vor allem tragen wir die Konsequenzen dessen WAS wir sagen und tun.

Man darf alles sagen und tun in der Therapie.. aber man muss unumgänglich die Konsequenzen vertragen können. Von daher finde ich es okay, etwas zu verbergen, dessen Konsequenzen man (noch) nicht ertragen könnte. Und tun, was vllt. rechtlich schwierig wird, was man aber vertragen kann. Sofern man das eine vom anderen unterscheiden kann. Das wäre ja löblich, eines der wichtigen Therapieziele. Selbsteinschätzung und Antizipation am Realitätsprinzip orientiert.
amor fati

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Beitrag So., 13.05.2012, 16:52

Nur, damit ich das nun richtig verstanden habe: Eigenverantwortung zu tragen, bedeutet ein Stück weit immer, auch die Kontrolle zu behalten. Damit eine Therapie tiefgreifend wirken kann, muss diese Kontrolle jedoch aufgegeben werden. Wenn es nun aber zu Grenzüberschreitungen kommt und die Kontrolle aufgegeben wurde, ist es als Patient oder Patientin nicht mehr möglich, Verantwortung für das eigene Verhalten aktiv zu übernehmen.

Hmm ... Irgendwie kann ich das nicht auf mich selbst anwenden. Ich bin ja niemals "nur" Patientin, sondern habe sowie innerhalb als auch ausserhalb der Therapie gesunde und kranke Anteile in mir. Zu den gesunden Anteilen gehört bei mir bestimmt die Eigenverantwortung.

Und ich habe bisher wirklich nie den Eindruck gewonnen, dass es mir innerhalb der Therapie irgendwann geschadet hat, dass ich die Eigenverantwortung abgegeben habe - ganz im Gegenteil.

Deshalb habe ich mit der Ansicht, dass man als Patientin automatisch in einer Position ist, wo man nicht mehr für sein Handeln verantwortlich ist (auch oder gerade, wenn es zu Grenzüberschreitungen innerhalb der Beziehung zum Therapeuten kommt), massive Schwierigkeiten.

Ich fühlte mich direkt degradiert, würde man mir die Verantwortung für meine Taten absprechen - innerhalb und ausserhalb der Therapie.
"Charakter zeigt sich in der Krise."

(Helmut Schmidt)

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Engel22
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Beitrag So., 13.05.2012, 20:51

huhu, also ich denke auch das das eine das andere nicht ausschließt es gehört beides zusammen eine gewisse eigenverantwortung hat man immer ein gutes bsp. ist doch hier schon die medikamenteneinnahme. der arzt verschreibt mir das medikament aber ob ich es auch nehme entscheidet kein arzt, das entscheide immer ICH selber. er kann aufklärung betreiben vor und nachteile nennen, aber er kann nicht sicher stellen das ich das me. auch nehme er vertraut auf meine aussage oder hält sich daran aber wirklich wissen ob ich sie nehme tut er es nicht. und genau so ist es mit der therapie wenn ich ambulant eine therapie durchführe dann sollte ich schon in der lage sein ein gewisses maß an verantwortung zu übernehmen und mir meiner konsequenzen meines handelns im klaren sein. letztendlich bestimme ich ja auch den verlauf einer therapie oder stunde, klar der therapeut versucht nachzufragen zu lenken, aber was wann und ob ich sage entscheide ich. und das ist auch gut so man geht ja zu einer therapie und nicht in den knast oder lässt sich einen lebensberater zukommen, der sinn soll ja eine unterstützung für eine GEWISSE zeit sein.

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Beitrag So., 13.05.2012, 20:57

Ein Schreibfehler hat sich in meinem letzten Beitrag versteckt.

Hier die Korrektur:
Und ich habe bisher wirklich nie den Eindruck gewonnen, dass es mir innerhalb der Therapie irgendwann geschadet hat, dass ich die Eigenverantwortung beibehalten habe - ganz im Gegenteil.
"Charakter zeigt sich in der Krise."

(Helmut Schmidt)

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Beitrag Mo., 14.05.2012, 17:40

Hmm ... Mag niemand mehr mit mir darüber diskutieren?
"Charakter zeigt sich in der Krise."

(Helmut Schmidt)

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