Warum findet die Psychoanalyse im Liegen statt?

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candle.
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Beitrag Mi., 18.04.2012, 12:15

titus2 ja, wie immer das auch funktioniert. Das würde ich schon gerne wissen. Gestern hatte ich da einen Link von Mindcontrol gelesen und mich ernsthaft gefragt, ob man einen Therapeuten braucht oder ob ich mich auch alleine auf die Couch legen könnte und mir was erzählen. Das ist jetzt kein Witz!

Andererseits ist es so, wenn man diese Managerspiele sieht, ist es ja ähnlich wo sie sich auf den Kollegen fallen lassen müssen als Vertrauensübung. Irgendwo muß es also seinen Sinn haben.

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stern
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Beitrag Mi., 18.04.2012, 12:26

Irgendwo muß es also seinen Sinn haben.
Natürlich... in dem Link von carö auch in meinem ersten steht dazu auch noch einiges.

Nur z.B.: wer z.B. eh eher kontrolliert oder zwanghaft ist (oder der PAler würde vielleicht auch sagen: widerständig bzw. in Abwehr, keine Ahnung)... der kann vielleicht auf der Couch leichter Kontrolle abgeben... bzw. da kann es z.B. hilfreich sein, Regression etwas zu fördern (eine Erfahrung, die ich machte, als ich mal ein paar mal lag, das mein ohnehin starkes Regressionspotential noch etwas anstieg.. was nicht unbedingt FÜR MICH nur von Vorteil ist). Nun ja, jemand der Regression hingegen eher begrenzen muss, der braucht nicht unbedingt noch regressionförderndes... irgendwo logisch (regressionsförderung kann dann kontraindiziert sein, nix anderes wollte ich gesagt haben).

Evtl. fördert es auch die Selbstbeobachtung bzw. -wahrnehmung (wenn jemand ansonsten von Blickkontakten eher abgelenkter ist... höho... ein Argument, dass in anderen Worten ja selbst Freud persönlich nannte, dass er es nicht erträgt, länger angestarrt zu werden). FÜR MICH macht(e) das (bei meinen paar Erfahrungen) nicht so den Unterschied... ich kann mich auch im Sitzen auf mich fokussieren (da ziehe ich den Blickkontakt aber dann regelmäßig auch eher ab... Unterschied FÜR MICH ist: das mache ICH dann selbst und gibt mir nicht ein Setting vor).
Zuletzt geändert von stern am Mi., 18.04.2012, 12:55, insgesamt 3-mal geändert.
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stern
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Beitrag Mi., 18.04.2012, 12:34

Nachtrag: 3. Punkt kann sein: Abstinenz.

Was braucht es sichtbare Regungen des Theras bzw. damit z.B. auch noch mehr Gegenübertragung, wenn dieser (z.B. methodisch bedingt) eh eher abstinent sein soll... Projektionsfläche. Wäre nur weitere Beinflussung, die die Beziehung auch etwas verändern kann (ist glaube ich in meinem Link in anderen Worten auch angedeutet *grübel*). Versus: Diese Abstinenz kann aber auch (zu) negative und damit therapiehinderliche Wirkungen entfalten... ist halt individuell anzusehen.
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Wandelröschen
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Beitrag Mi., 18.04.2012, 17:20

Also was haben wir bislang:

- Regressionfördert (kann positiv oder negativ sein, je nach Patient/Störung)
- Begünstigt die Abstinenz

Positiv für Patient:
- Es kann Menschen geben, die dann leichter sprechen können, da sie sich weniger Gedanken darum machen, was das Gegenüber für einen Gesichtsausdruck hat, wie es reagiert
- Evtl. fördert es auch die Selbstbeobachtung bzw. –wahrnehmung ?

Negativ für Patient:
- fühle mich im Liegen ausgeliefert und schutzlos
- Angst vor Kontrollverlust

Therapeut:
- Die Couch ist bei der Original-Freudschen PA ein Überbleibsel aus der ursprünglichen Hypnose als er mit Joseph Breue zusammengearbeitet hat -> Historisch bedingt
- Kann sich besser auf das gesagte konzentrieren, weil er selber nicht beobachtet wird

Ich kann jetzt noch nicht wirklich erkennen, was es für den Patienten für Vorteile haben könnte. Habt ihr noch weitere Ideen?
Der Patient bekommt aber nicht mit, ob der Therapeut ganz ohr ist, oder ob er nicht doch wie Bloedekuh schreibt Kreuzworträtsel löst.
Und was ist, wenn der Patient länger schweigt. Das kann ja auch mehrere Gründe haben. Was wäre z.B., wenn der Patient durch etwas, was der Thera sagt/fragt, getriggert wird und in die Disso geht und deswegen nichts sagt. Kriegt doch der Thera dann erstmal nicht mit, oder?
Gruß
Wandelröschen

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Waldschratin
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Beitrag Mi., 18.04.2012, 17:25

Bin ich auch der Meinung:Was dem einen dient,schadet vielleicht dem anderen und umgekehrt.

Wobei ich mich an dem Ausdruck "Kontrollverlust etwas störe...Ein Verlust an Kontrolle kann doch unmöglich erwünscht/gewollt,geschweige denn sinnvoll oder gar heilsam sein...?
Wenn es drum geht,es zu lernen,Kontrolle abzugeben,dann könnt ichs wieder nachvollziehen.Das kann ja durchaus sein,wie Stern schon schrieb,wer da (zwanghafte) Probleme hat,für den mag das guten Sinn machen und ne gute Übung sein.

Das mit der Regressionsförderung kann ich auch nachvollziehen.
"Liegen",das ist ja ne Art Geste der "Unterwerfung" - die Kehle "zeigen",den Bauch freilegen,das ist ja auch unter tierischen Raubtieren,die in Rudeln/Verbänden leben,ne gängige Unterwerfungs- oder auch Beschwichtigungsgeste.
Da begibt man sich sozusagen wieder in "Welpenstatus" und fordert somit die "Schonung" des Überlegenen ein...
Mag auch für den einen oder anderen recht dienlich sein,erklärt mir aber andererseits,warum es für nen Großteil von Klienten eher hinderlich bis kontraindiziert sein mag,ne Analyse zu machen...

Soweit ich das bisher verstanden hab,gehts ja in ner Analyse auch in der Hauptsache darum,sich "gänzlich" bloßzulegen und auszuliefern,also letztlich der "Überlegenheit" des Analytikers sich zu unterwerfen,der einem "deutet",was man so von sich gibt spontan - und sei es noch so zusammenhanglos.
Jedenfalls in der klassischen Analyse - oder hab ich das falsch verstanden?

Was ist,wenn der Patient länger schweigt?
Naja,wird dann wohl drauf ankommen,wie der Analytiker drauf ist oder wie spannend das Kreuzworträtsel und dann : wie er sich das zurechtdeutet...
Ich seh da viel "Spielraum" für "Narzißmuspflege" beim Analytiker...

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candle.
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Beitrag Mi., 18.04.2012, 17:27

Wandelröschen hat geschrieben: Was wäre z.B., wenn der Patient durch etwas, was der Thera sagt/fragt, getriggert wird und in die Disso geht und deswegen nichts sagt. Kriegt doch der Thera dann erstmal nicht mit, oder?
Diese Frage hatte ich gestern auch gestellt in dem PA Thread, bin aber für mich jetzt mal zu diesem Schluß gekommen, das möglicherweise Klienten, die diese Symptome haben quasi gar nicht für eine PA "zugelassen" werden.

Bei meinen Vorgesprächen waren diese Symptome einfach nicht "zulässig", so die Erklärungen mir gegenüber.

Wandelröschen, ist das bei dir denn so besprochen worden? Vielleicht machen andere Therapeuten das anders, ich kann da nur von zwei verschiedenen Therapeuten/ Vorgesprächen ausgehen, wo aber klar war, dass ich mit diesen Symptomatiken aber nicht genommen worden wäre.

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stern
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Beitrag Mi., 18.04.2012, 17:52

Und was ist, wenn der Patient länger schweigt. Das kann ja auch mehrere Gründe haben.
Und da würde ich sagen, ist es von Vorteil, wenn der Therapeut hinreichend Feingefühl hat, was los sein könnte... und dementsprechend nach den Gründen differenziert.

Also wenn jemand länger schweigt, weil er hochgradig unsicher ist, ist nach meiner Meinung anderes angezeigt (z.B. auf die Sprünge helfen) als wenn jemand aus Trotz o.ä. nix sagt (und der Thera auf das Spiel nicht einsteigt, und sozusagen auf den Patienten wartet). Bzw. weiterer Grund:
Was wäre z.B., wenn der Patient durch etwas, was der Thera sagt/fragt, getriggert wird und in die Disso geht und deswegen nichts sagt. Kriegt doch der Thera dann erstmal nicht mit, oder?
In jedem Fall schwerer als im Sitzen bei direktem Blickkontakt und frontaler Körperhaltung... worauf ich oben auch anspielte. FALLS der Thera es bemerkt und laufen lässt würde ich das gar für einen Behandlungsfehler halten... also der Prozess wäre zu unterbrechen... also hochgradige Direktivität des Therapeuten im Falle einer Disso anstelle Abstinenz. Praktisch weiß ich es nicht, ob es wirklich so gehandhabt werden würde (ich mache keine PA)... aber alles andere macht keinen Sinn. Bis dahin (sehe ich also ähnlich wie candle), dass manche Symptomausprägungen gleich eine Kontraindikation darstellen kann (sofern der Thera das Setting nicht anpassen kann oder will).
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Tristezza
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Beitrag Mi., 18.04.2012, 18:24

Die Frage des Threads ist nicht ganz richtig gestellt, denn Psychoanalyse findet oft gar nicht mehr im Liegen statt. Oft stellen die Analytiker es ihren Patienten frei, ob sie sitzen oder liegen möchten. Bei bestimmten Störungen ist auch von vornherein klar, dass die Analyse ausschließlich im Sitzen stattfindet.
Was ich bei mir festgestellt habe, seitdem ich auf der Couch liege, ist die Verstärkung meiner Gefühle durch diese Position. Ich spüre mich viel mehr als im Sitzen und mit Blickkontakt. Dadurch kommen wir auch schneller an zentrale Themen.
Dass sich meine Thera in einer Machtposition befindet, weil ich liege, empfinde ich nicht so (nachdem ich darüber mit ihr gesprochen habe und klären konnte, dass sie das nicht so sieht). Sie sitzt ja auch nicht aufgerichtet direkt hinter mir, sondern schräg zur Couch in einem Sessel mit nach hinten gekippter Rückenlehne, die Füße auf einem Schemel, so dass sie auch halb liegt.


montagne
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Beitrag Mi., 18.04.2012, 18:28

Also ich mache ja keine Analyse und liege auch nicht. Aber manchmal setzen wir uns so, dass wir beide in die gleiche Richtung sehen und die Therapeutin zudem leicht hinter mir sitzt, sodass sie mich sehen kann, ich sie aber nur, wenn ich mich wirklich rumdrehe.

In der Konstellation kann ich tatsächlich besser bei mir und meinen Gedanken bleiben, ich komme besser, teils emotionaler ins Erzählen, weil eben wegfällt zu gucken (und automatisch zu bewerten!) wie sie reagiert. Ich monologisiere dann nur noch. Das ist ein Vorteil, aber auch in sofern ein Nachteil, dass es eben keine wirkliche Interaktion mehr ist. Auf nonverbaler Ebene nicht mehr und auch sprachlich nicht. Erst Recht ist es nicht mehr spontan. An dem Setting das wir uns gegenüber sitzen finde ich halt gut, dass es eine Interaktion ist, ich sehe sehen kann, ihre Mimik, gestik, Körperhaltung. Ich mich selbst damit auch besser zeigen kann. das hat für mich persönlich nicht nur was mit Kontrolle zu tun, sondern auch damit geübter, flexibler, spontaner in Interaktionen zu werden. mit gefühlen des anderen umgehen lernen. Das war für mich halt eine Zeit lang ziemlich wichtig, ein fruchtbarer Lernprozess.

Ich glaube aber nicht in jeder Analyse wird gelegen. Ist es nicht Analyse nach Jung (?), wo auch gesessen werden kann, abgesehen von modernen, modifizierten Formen? Es gibt eben diese Art, eben für Klienten, die das sprechen und verbalisieren erst lernen müssen, so richtig basal, von Grund auf. Da ist es wohl wirklich besser sich gegenüber zu sitzen.
Was wäre z.B., wenn der Patient durch etwas, was der Thera sagt/fragt, getriggert wird und in die Disso geht und deswegen nichts sagt. Kriegt doch der Thera dann erstmal nicht mit, oder?
Ich denke das kriegt der Therapeut genauso schwer oder einfach mit, wie im sitzen. Nur ne Vermutung.
Ich sitze nämlich ausgerechnet in der Traumaterapie nicht gegenüber, sondern so parallel. Genau da wo so eine Gefahr eher besteht. Das ist eine anerkannte und evaluierte Methode so.
Weil der Umgang mit dissoziativen Zuständen denke ich von anderen Faktoren abhängt, nicht vom Setting der der Personen.
amor fati

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stern
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Beitrag Mi., 18.04.2012, 18:33

Wandelröschen hat geschrieben:Ich kann jetzt noch nicht wirklich erkennen, was es für den Patienten für Vorteile haben könnte. Habt ihr noch weitere Ideen?
Würde es wie waldschratin sehen, dass man insofern aufpassen muss: was für den einen Patienten von Vorteil sein kann, kann für den anderen nachteilig sein, und umgekehrt.

Ein Hauptargument meines Verständnisses nach ist besagte Regressionsförderung... und damit verbunden leichter Zugang zu Abgewehrtem bzw. dem "Analysestoff" zu erhalten... aber siehe oben. Des einen Vorteil, des anderen Nachteil. Als ich ein paar mal gelegen war, war mein Erfahrung durchaus, dass es regressive Übertragungen fördern kann... hmmmmm (sehe ich um meine Thera nicht nur positiv, mal so gesagt).

Förderung der Übertragungsbeziehung (Übertragung ist umso reiner, je höher die Abstinenz... ein sichtbar sich aktiv mit Gegenübertragung einbringender Thera kann den Übertragungsprozess mehr beeinflussen wie jemand der sich als Person noch stärker rausnimmt und hinter der Couch platziert. Kann IMO Vor- wie Nachteil sein).
Liebe Grüße
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Rabe
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Beitrag Mi., 18.04.2012, 19:00

candle. hat geschrieben:und mich ernsthaft gefragt, ob man einen Therapeuten braucht oder ob ich mich auch alleine auf die Couch legen könnte und mir was erzählen. Das ist jetzt kein Witz!
candle
Hallo candle,

nee, alleine geht es nicht, man braucht eine zweite Person im Raum, und dass sie in Psychoanalyse ausgebildet ist, hat ebenfalls eine Wirkung.

Ich habe mich ziemlich ausführlich mit mir selbst unterhalten, lag dabei meist auf meinem Sofa, außer wenn ich gerade etwas aufschreiben wollte. Diese Allein-Analyse hatte durchaus positive Wirkungen, aber ausreichend war sie nicht.

Die Anwesenheit eines anderen verändert die Art, wie ich über mich selbst spreche und denke, mir fallen andere Dinge ein, das Kind, das seinen Eltern gegenüber taktvoll war und seine Empfindungen verschwiegen hat, entdeckt einen Verbündeten und beginnt zu erzählen.

Die Anwesenheit des anderen mit seiner wohlwollenden Aufmerksamkeit, nicht alleine mit allem zurecht kommen zu müssen, das wirkt schon bevor man zu sprechen beginnt.

Der Analytiker, die Analytikerin sagt aber auch selbst etwas. Manchmal etwas, auf das ich nie gekommen wäre, noch erstaunlicher ist es zu erfahren, dass manche Aussagen erst wirken, wenn man sie nicht selbst denkt, sondern von jemandem hört.

Ich habe dabei den Eindruck, dass der Analytiker und ich interagieren, auf einander reagieren. Über den Stimmklang vermittelt sich sogar etwas Mimik.

Wenn jemand auf der Couch dauerhaft den Eindruck hat, alleine im Zimmer zu sein und ins Leere zu sprechen, stimmt etwas nicht.

Beste Grüße
Rabe

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Rabe
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Beitrag Mi., 18.04.2012, 19:28

Hallo Wandelröschen,
Ich kann jetzt noch nicht wirklich erkennen, was es für den Patienten für Vorteile haben könnte. Habt ihr noch weitere Ideen?
Du hast aber schon Vorteile aufgezählt, die m.E. nicht gering zu achten sind.

Mir fällt noch ein:

- regressionsfördernd kann auch einfach entspannungsfördernd sein
- sich als Patientin besser auf das konzentrieren zu können, was man sagen will
- sich nicht unangenehm angestarrt/beobachtet fühlen
- man ist der unmittelbaren Reaktion des Zuhörers nicht so ausgesetzt
- man richtet sich weniger nach dem Zuhörer, mehr nach sich selbst
- einen Freiraum haben
- sich gehalten fühlen

Auch dass der Analytiker/die Analytikerin sich besser konzentrieren kann, auf Gesagtes und Mitgemeintes, seiner Gegenübertragung lauschen kann, würde ich zu den Vorteilen für die Person auf der Couch rechnen.
Der Patient bekommt aber nicht mit, ob der Therapeut ganz Ohr ist, oder ob er nicht doch wie Bloedekuh schreibt Kreuzworträtsel löst.
Doch, das bekommt man mit. Den Kugelschreiber auf dem raschelnden Rätselheft würde man hören. Den im Kopf wiederholten Einkaufszettel auf eine nicht akustische Weise auch. Man spürt man es, wenn der andere nicht bei der Sache ist. Außerdem kann man ja nachfragen.
Und was ist, wenn der Patient länger schweigt. Das kann ja auch mehrere Gründe haben. Was wäre z.B., wenn der Patient durch etwas, was der Thera sagt/fragt, getriggert wird und in die Disso geht und deswegen nichts sagt. Kriegt doch der Thera dann erstmal nicht mit, oder?
Kommt darauf an, und zwar auf die Erfahrung, Kenntnisse, Sensibilität der Person hinter der Couch. Meiner hört oder spürt sehr genau, ob ich zufrieden oder unglücklich schweige (und der Unterschied ist viel geringer als z.B. bei Dissoziationen).

Gruß
Rabe


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Wandelröschen
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Beitrag Mi., 18.04.2012, 20:35

Der Gedanke von Waldschratin mit der Unterwerfungsgeste kam mir auch schon. Außerdem kommt mir bei dem Setting Thera sitzt und Patient liegt dieses Gefälle so krass vor Augen:
Aus Analytiker-Sicht: Ich, der große, starke, allwissende Thera und du das arme, keine bedauernswerte Tuck-Tuck. Nichts von wegen gleicher Augenhöhe. Klar ist der Thera (auch meiner) mir in psychologischer Hinsicht überlegen, sonst könnte er mir ja auch nicht helfen, aber halt auch nur da, in anderen Gebiete wohl nicht unbedingt, und auch das gleichwertige Setting (im Sitzen) vermittelt Augenhöhe. Sitzen/Liegen suggeriert mir eher Unterlegenheit, Minderwertigkeit oder auch wie Waldschratin schreibt: viel Spielraum für Narzißmuspflege beim Analytiker.
Montagne hat geschrieben: …kann ich tatsächlich besser bei mir und meinen Gedanken bleiben, ich komme besser, teils emotionaler ins Erzählen, weil eben wegfällt zu gucken (und automatisch zu bewerten!) wie sie reagiert
Ja, das kann ich nachvollziehen, wäre auch Pluspunkt für den Patienten.
Tristezza hat geschrieben: Was ich bei mir festgestellt habe, seitdem ich auf der Couch liege, ist die Verstärkung meiner Gefühle durch diese Position. Ich spüre mich viel mehr als im Sitzen und mit Blickkontakt. Dadurch kommen wir auch schneller an zentrale Themen.
Das ist ja jetzt wieder ein Pluspunkt für den Patienten.
Montagne hat geschrieben: Dass sich meine Thera in einer Machtposition befindet, weil ich liege, empfinde ich nicht so (nachdem ich darüber mit ihr gesprochen habe und klären konnte, dass sie das nicht so sieht).
Aber zum Anfang hattest du das Gefühl schon, weil du ja das erst einmal mit der Thera klären musstest, oder?

Mh, aber Verstärkung der Gefühle?
Es werden da ja wohl nicht nur angenehme Gefühle aufkommen, sondern auch Gefühle wie Wut und Zorn. Also im Liegen kann man doch gar nicht so wütend und zornig sein bzw. es ausagieren wie im Sitzen. Dann würde der Analytiker diese Gefühle des Patienten ja voll abkriegen (auch wenn sie wahrscheinlich ja nicht ihm persönlich gelten, sondern als Übertragung jemandem anderes). Im Sitzen ist der Patient ja auch mal schnell aufgestanden, um seiner Wut Ausdruck zu verleihen.
Vielleicht hatte Freud dazu ja auch keinen Nerv und seine Patienten deshalb in die handlungsunfähigere Liegeposition gebracht. Also in gewisser Weise egoistischer Eigenschutz des Analytikers.


Rabe hat geschrieben: - regressionsfördernd kann auch einfach entspannungsfördernd sein
- sich als Patientin besser auf das konzentrieren zu können, was man sagen will
- sich nicht unangenehm angestarrt/beobachtet fühlen (das sagte ja wohl auch Freud)
- man ist der unmittelbaren Reaktion des Zuhörers nicht so ausgesetzt
- man richtet sich weniger nach dem Zuhörer, mehr nach sich selbst
- einen Freiraum haben
Das kann ich schon auch nachvollziehen.
Aber: sich gehalten fühlen??? Wie denn das?
Rabe hat geschrieben: Doch, das bekommt man mit. Den Kugelschreiber auf dem raschelnden Rätselheft würde man hören.
Also der Thera/Analytiker schreibt doch zwischendurch mal was auf. Ich könnte da nicht unterscheiden, ab das jetzt Notizen sind oder das Kreuzworträtsel.
Rabe hat geschrieben: Den im Kopf wiederholten Einkaufszettel auf eine nicht akustische Weise auch. Man spürt es, wenn der andere nicht bei der Sache ist.
Na ja, also ich weiß nicht, dazu müsste man als Patient schon seeehr empathisch sein. Und das, wo man doch mit seinen Problemen und Macken dort ist und im besten Falle gerade am Reden ist, also die Gedanken, die einem so spontan durch den Kopf gehen (wenn ich das so für die Analyse richtig verstanden habe) in Worte formuliert. Wie willst du in dem Moment unterscheiden können, ob die Gedanken, die er sich macht, mit deinen gesagten Worten zusammen hängen oder er, weil du sein 7. und letzter Patient an dem Tag bist, sein Magen knurrt und schon 30 min. deiner Stunde rum sind nicht doch in Gedanken überlegt, was er auf dem Heimweg nicht noch eben schnell einkauft. Ich glaube nicht, dass ich das unterscheiden könnte, wenn ich ihn nicht sehe, also wenigstens noch sein Äußeres wahr nehme.
Gruß
Wandelröschen

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stern
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Beitrag Mi., 18.04.2012, 21:16

Also im Liegen kann man doch gar nicht so wütend und zornig sein bzw. es ausagieren wie im Sitzen. Dann würde der Analytiker diese Gefühle des Patienten ja voll abkriegen (auch wenn sie wahrscheinlich ja nicht ihm persönlich gelten, sondern als Übertragung jemandem anderes). Im Sitzen ist der Patient ja auch mal schnell aufgestanden, um seiner Wut Ausdruck zu verleihen.
Historisch gesehen wollte Freud, wenn die folgende Quelle passt (neben den bereits genannten Gründen: selbst nicht vertragen angestarrt zu werden... und eigene Regungen Freuds sollte der Patient nicht mitkriegen/deuten können) durch die Einschränkung der Mobilität die motorisch-expressive Abfuhr nach außen auch verhindern, um den Druck nach innen zu verstärken und damit die Wahrnehmung der Patienten auf ihre seelische Tätigkeit zu konzentrieren, vgl.:
http://books.google.de/books?id=K2vpujh ... &q&f=false

... wobei sich Freud auch im klaren gewesen sein soll, dass es sich um eine dem Patienten aufgezwungen Situation handele... (insofern hat der Machtaspekt IMO durchaus auch Berechtigung... bzw. besser gesagt: dass man das so wahrnehmen kann... also bei zu großen Ängsten macht eine Liegeposition eh keinen Sinn, sondern IMO nur freie Auswahl... und IMO auch nicht, wenn man sich hinlegen muss, also absolut keine Mitentscheidungsmöglichkeit eingeräumt wird).

Klingt btw. aber auch nach einer für mich sehr plausiblen Erklärung für die stärkere Wahrnehmung der Gefühle (nun ja, gilt aber auch wieder: was für einen Vorteil ist, kann für den nächsten wieder Nachteil bzw. kontraproduktiv sein).
Zuletzt geändert von stern am Mi., 18.04.2012, 21:45, insgesamt 2-mal geändert.
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bloedekuh
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Beitrag Mi., 18.04.2012, 21:42

Ich habe das Gefühl, dass man jeden Humbug, sobald er populär geworden ist, rechtfertigen kann. Von homöopathiaschen Zuckerkügelchen angefangen bis vor sich hinbrabbeln im liegen mit gelegentlich einfließender Meinung des Therapeuten. Die Wirkungsweise beider Verfahren (also Homöopathie und Methoden der PA) werden auch mit gleichen Argumenten erklärt. Siehe Forum und Homöopathie-Argumente. Mit Erfahrungsberichten und der achso professionellen Fragen und dem Feedback
Sag es niemand, nur den Weisen,
Weil die Menge gleich verhöhnet:
Das Lebendge will ich preisen,
Das nach Flammentod sich sehnet.
(Goethe: Selige Sehnsucht)

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