shouqici hat geschrieben:Vor ein paar Tagen ist mir nun dieses Positionspapier
Mythos der Vergebung zugesandt worden - und da habe ich gewisse Zweifel an dem, was mir die Grundaussage zu sein scheint, nämlich dass Vergebung
grundsätzlich zum Schaden des Betroffenen und zum Nutzen des Täters wäre.
Vorab kann ich jeden Menschen verstehen, der es (noch) nicht schafft, jemanden zu vergeben, der ihm großes Leid angetan hat. Meiner Meinung - aber auch Erfahrung - nach, ist es ein höchstpersönlicher innerer Prozess, der diese Fähigkeit zu Tage bringen kann ... oder auch nicht.
Ich denke, daß es dabei einzig um "das Opfer" geht (ich mag dieses Wort gar nicht gerne, weil es den Betroffenen so hilflos erscheinen läßt). Mit der Fähigkeit, zu vergeben, kehrt
in diesem innerer Friede ein.
Der Täter ist für seinen Frieden - sprich: seine Vergebung - selbst verantwortlich.
In meiner letzten Therapie hat mir der Therapeut erklärt, daß "vergeben" und "verzeihen" nicht dasselbe ist.
Verzeihen ist etwas Offenes: "Ich verzeihe Dir!"
Dieses Verzeihen wird offen ausgesprochen. Es soll von meiner Großmütigkeit zeigen, etc.
Vergeben hat ausschließlich mit mir selbst zu tun. Ich kann jemanden vergeben, der gar nichts davon weiß. Es geht um meinen persönlichen inneren Frieden.
Vielleicht kann ich das, was ich hier gerne vermitteln möchte, durch meine eigene Erfahrung unterstreichen:
Eine ernsthafte Erkrankung legte in mir - bildlich gesprochen - einen Schalter um. War mein Leben vorher noch gelenkt von äußeren Umständen, lernte ich von einem Tag auf den anderen es alleine in meine Hände zu nehmen. Wie selbstverständlich nahm dann alles seinen Lauf.
In mir begann ein innerer Prozeß zu laufen ... der Höhepunkt dieses Prozesses war, aus tiefster Seele Vergebung zu spüren.
Diese Vergebung galt sowohl Anderen, die sich für meine Lage mitverantwortlich gemacht hatten ... aber ganz wichtig, für MICH SELBST. Ich habe in diesem Moment gespürt, daß das eine ohne das andere nicht funktioniert. Ich kann nur anderen vergeben, wenn ich mir selbst vergebe ... und umgekehrt.
Mit diesem Bewußtsein habe ich mein eigenes Leben erstmals so richtig in meine eigene Verantwortung genommen. Und das tut gut!
Das erstmals von mir ... zu diesem äußerst schwierigen, aber auch spannenden Thema.
Grüße vom Seelenspiegel