Den Kopf frei machen.

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carö
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Beitrag Mi., 07.12.2011, 10:04

arta, du fragst nach methoden... ich weiss nicht, ich halte mich ja nicht für so wahnsinnig kompetent, um in sachen kreativität irgendwelche schlauen tipps zu haben... kann nur sagen, wie ich das angehe, um mich nicht in total elaborierten aber dann in sich zusammenfallenden ideen zu zerfasern.

ich fang an.. mache quasi fingerübungen.. versuche mich einfach offen und bereit zu halten, dass ein boden da ist, wenns denn kommen will.


ich schreib zB gedichte.. spreche aber von meinen "arbeitsgedichten" und das sind sie auch... übungen.. spielen mit sprachklängen... mit wortassoziationen... mit gedanken, gefühlen.... oft ist es dummes zeug. egal. manchmal aber berührt es mich noch nach jahren und ich kann dazu auch nach aussen hin stehen, weil ich etwas getroffen habe damit. ich will mich selbst damit irgendwie überraschen. will mich in meinen eigenen ideen mit neuen augen sehen können.. versuche es zu nehmen, als wären es träume. ich mach das nur für mich.
Zuletzt geändert von carö am Mi., 07.12.2011, 10:11, insgesamt 1-mal geändert.
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carö
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Beitrag Mi., 07.12.2011, 10:10

ENA hat geschrieben:
carö hat geschrieben:es jmd. zeigen zu wollen (vorher) bringt mich zum beispiel schnell weg von mir.
Wieso...und wohin bringt es Dich? Was müsste sein, um dass Du mehr bei Dir bleibst? (Generelles Interessensfrage in Bezug auf solche Situationen)
ja weg von meinem inneren fluss. hin zu dem, wie es andere zB finden würden.. beurteilen, gefallen, verstehen... sowas in der art.

was ich brauche ? hatte ich ja schon angedeutet: es bleibt in mir... erst wenn es fertig ist oder manchmal wenn zeit vergangen ist und ich abstand dazu habe, denke ich darüber nach, ob ich es jmd. anderen zeige.
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sofa-held
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Beitrag Mi., 07.12.2011, 11:38

carö hat geschrieben:und ich abstand dazu habe, denke ich darüber nach, ob ich es jmd. anderen zeige.
mache ich auch so. Theras können so nervig werden, wenn sie dann (meine) mit fast flüsternder Stimme sagt, "daaa steckt aber noch viiiiel Dunkles drin" *aaaarg, und manchmal fragt sie, hast du was neues gemalt & ich denke ganz bei mir, "ja, ja " Nein, sie kann das nicht, das Beurteilen von Zeichnungen und schwarz heißt für sie nicht fröhlich, aus, Punkt.

Unter Freunden kann´s auch schwierig werden, ich hab mittlerweile so einen Fan-Kreis, wo ich schon drauf brenne, denen meine neuesten Kreation, als Fotos, Collagen, Objekte zu zeigen. Und das motiviert sehr!!! Also eigentlich geht es um das Zeigen, es ist Kommunikation.

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Rezna
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Beitrag Mi., 07.12.2011, 12:45

Ja das mit dem sofort zeigen oder nicht ist so eine Sache.

Ich gestehe, und das Burnout ist ja ein deutliches Zeichen dafür, ich bin (oder warm aber das legt man vielleicht nie ganz ab) so ein kleiner Anerkennungsjunkee. Nicht dass ich direkt hausieren gehe mit meinen Sachen... naja... ok, wenn gefragt wird sitze ich manchmal schon fast auf dessen Schoß... aber das kommt auch auf die Person an, manchen sage ich nur, dass ich nix habe. Am meisten interessiert es mich von Menschen die AHNUNG haben. Gibt es aber nicht viele.

Ich hab ja schon drei Romane geschrieben. Ich kann heute nur noch unter dem Aspekt zu ihnen stehen, dass ich damals naiv war, und noch geübt habe, und ein Roman ist eine Persiflage. Ich habe sie durchaus mehrere Menschen lesen lassen - und bisher rein positives Feedback erhalten, viele warten auf meinen nächsten Wurf... hab meine Testleser also an der langen Leine, wenn man so will. Das zu wissen hilft mir... also dass es SICHER jemand lesen wird, auch wenn ichs nicht veröffentliche.

Das ist ja das Absurde. Eigentlich bekomme ich so gut wie ausschließlich positives Feedback, ziemlich egal was ich mache. WENN ich es mache, dann bin ich in der Regel auch überzeugt davon und dann hab ich so meine Ansprüche. Es gibt aber verdammt viel, was ich niemals herzeigen würde. Es gibt oft Texte, die ich aufschreibe und sofort lösche, weil ich weiß, sie sind niemals für andere Augen bestimmt, nur alleine für mich. Da fließt es auch, da spiele ich mich. Insofern kann man wohl sagen: Der größte Druck, die schlimmste Blockade entsteht eigentlich, wenn ich (von mir) erwarte, das "in die Welt zu tragen". Ein Roman mit Veröffentlichungsabsicht etwa... Andererseits habe ich keine Motivation ihn zu schreiben, wenn ich davon ausgehe, ihn niemanden lesen zu lassen. Dann würde mir ja reichen, immer wieder Szenen zu schreiben und sie wieder zu löschen.

Hab früher auch gemalt und irgendwann alle Bilder, die ich nicht bereits verschenkt hatte, vernichtet.

Da fängt irgendwann was richtig an wehzutun in mir. Das krippelt im Kopf, rumort, es ist als führen zwei Eisenbahnen aneinander vorbei, die keine Luft zwischen sich haben und sich total aufreiben, regelrecht zerstören dabei. Ich hab das auch oft als "Maden im Kopf" bezeichnet. Das greift dann auf mein ganzes System über, und bringt mehr oder weniger meine Hände dazu, Dinge zu zerstören die ich gemacht habe, Bilder zu zertreten. Und dabei gibt es nur diese Aussage, schlecht, schlecht, schlecht, mies, mies, mies,... was denkst du nur, du bist ein Versager, ein A... Es ist durchaus verdammt viel Selbsthass der da hochkommt, und sich auf meine Werke überträgt, die ja ICH gemacht habe. Woher das kommt? Vermutlich mein "Eltern Ich". Die konnten mich als Kind hervorragend in den Staub drücken, vor allem interessanterweise oft dann, wenn ich gerade etwas tolles geschafft habe, dachte, endlich auf der Welt richtig zu sein... sie hatten ein Händchen fürs Timing. Und ich widerhole das wohl immer wieder. Da fühlt es sich auch falsch an, dem Drang der Vernichtung zu widerstehen, es fühlt sich dann selbstgefällig an, egoistisch, überheblich, affektiert, narzistisch... es lassen... nicht zu vernichten, ist dann völlig falsch.

Aber mittlerweile eben widerstehe ich dem dennoch einigermaßen. Ich fange dann nur an das zeug zu ignorieren, es so zu verpacken dass ich es nicht sehen muss. Wegspeichern, wegstellen.

Ja da bin ich wohl wirklich verdreht... obwohl dann wiederum genau das mich zu Höchstleistungen anspornt und ich in einer Zeit eine Profession entwickle, für die Andere mitunter Jahre brauchen.
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carö
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Beitrag Mi., 07.12.2011, 13:12

ich glaube, es kann sehr blockieren, wenn man kreativ sein will, um anerkennung zu bekommen. dann ist das werk an sich nicht mehr zweckfrei. ich seh das mit der kreativität so, dass es ein spiel ist.. ja ein spiel sein muss... und spielen kann man nur dann wirklich (denke ich halt), wenn man es laufen lassen kann, selbstversunken sein kann, es aus der freude am tun tut, und eben nicht um höchstleistungen zu vollbringen oder anerkennung zu bekommen.
Da fühlt es sich auch falsch an, dem Drang der Vernichtung zu widerstehen, es fühlt sich dann selbstgefällig an, egoistisch, überheblich, affektiert, narzistisch... es lassen... nicht zu vernichten, ist dann völlig falsch.
ich könnte mir denken, dass es sich falsch anfühlt, weil es auch wieder einen zweck verfolgt. es ist nur die andere seite der medaille, die sich zu höchstleistungen anpornt und anerkennung will.

versteh mich bitte nicht falsch. anerkennung ist etwas großartiges und ich glaub jeder braucht immer wieder anerkennung. weil wir menschen und soziale wesen sind. nur wird es schwierig, wenn man sich zu stark (oder gar ausschliesslich) danach ausrichtet... wo bleibt dann das freie, die suche... das was lebt, das was unvollkommen ist und sein darf... ?
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Beitrag Mi., 07.12.2011, 15:06

Arta hat geschrieben:und irgendwann alle Bilder, die ich nicht bereits verschenkt hatte, vernichtet.

jemand nannte das mal sublimierter Selbstmord. Das geht mir seit dem nicht mehr aus dem Kopf. Ich mache das nämlich auch. Ist aber viel besser geworden. Ein Freund von mir hat praktisch viel gerettet und das liegt wie Fort Knox

Ev. kann es auch eine Art nach außen, auf Objekte gerichtete "SSV" sein...weiß nicht, ob das nachvollziebar ist.
carö hat geschrieben:ich glaube, es kann sehr blockieren, wenn man kreativ sein will, um anerkennung zu bekommen.
ja und nein. Alles was man man macht, ist Kommunikation, mit sich selbst, mit anderen. Letzendlich auch die Zerstörung. Ich seh auch ein Problem darin, zb. Romane, Geschichten lesen zu lassen, ich bin drauf gekommen, dass mir die Probe aufs Exemple mehr gibt.

Die konkrete Erfahrung. Das konkrete Nein eines Galeristen.

Hab ich mir abgeholt, als ich Malerei studiert habe. Ich bin natürlich gleich zum Nobel-Galeristen Nr. 1 gelaufen, und der hat immerhin eine Stunde überlegt und geschwitzt. Das sind die Erfahrungen, die mich persönlich weiter bringen.

Andererseits kann man mal was für sich machen und das Kommunizieren lassen. Als first step.


Proserpina
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Beitrag Mi., 07.12.2011, 15:21

Arta,-
bevor ich mir unnötige Tippereien mache: Wärest Du bereit täglich Übungen zu machen?

....

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Rezna
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Beitrag Do., 08.12.2011, 21:07

Das war ein Reinfall par Excellance. Heute. Mit dem Fotografieren. :(

Konnte kaum schlafen vor Nervosität. Dort dann merkte ich schon, wie gar nichts passt. Ich hatte die Lokation anders in Erinnerung. Nachdem ich sie abging passte nirgends das Licht, es gab keinen gscheiten Hintergrund, und ausserdem passte irgenwie die Stimmung nicht. Ich wurde immer nervöser, stand immer mehr unter Druck. Alles begann immer schräger zu laufen, auch, indem NICHTS passierte. Dann kam der Horror: wie bitte ich die Leute vor die Kamera? Wie animiere ich sie? Ich merkte wie in mir alles anfing verkorkst zu rennen. Irgendwann saß ich da und mir war als spritzten die Tränen horizontal aus den Augen. Versteckte mich am Klo, Heulkrampf. Saß dort fast eine Stunde, immer wenn ich mich gefangen hatte um wieder raus zu gehen, schossen die Tränen. Mir wurde es immer peinlicher, wieder "in die Runde" zu stoßen, da man bei mir stundenlang meilenweit sieht, wenn ich geheult habe... Also in "versteckten Winkeln" auf und ab laufen, runter kommen, am besten raus gehen, frieren... frieren hilft noch am Besten gegen die roten Flecken und die roten Augen.

Dann ein Krampfhafter Versuch. Lief völlig daneben, wie ich dachte. Das Licht der Horror, die Stimmung für Fotos daneben, wenn ich versuchte zu fotografieren wirkten die Leute verkrampft und ich konnte es nicht lockern da ich selber verkrampft war. Dazu gings einfach zu wie am Basar, dauernd lief wer durchs Bild, öffnete die Türe (die ich aus der Notsituation als Hintergrund verwenden wollte)... Nach einigen "Leichenfotografien" wie ich solche platten, kalten, sinnlosen, unsympathischen Fotos nenne, gab ichs auf.

Nun ist das Gefühl der totale Versager zu sein übergroß. Hab ich doch großartig angekündigt zu fotografieren, und dann... nix. Obwohl das jetzt schon einige Stunden her ist, kann ich mich kaum beruhigen, laufen mir dauernd die Tränen, bin ich überzeugt dass es totaler Größenwahn war, jemals zu glauben dass ich irgendetwas zustandebringe. Mir ist als falle ich Frontal gegen die Erkenntnis, einer Lebenslüge aufgesessen zu sein. Wie konnte ich glauben, kreativ zu sein, wenn ich doch mittlerweile nichts mehr zustandebringe? So verkopft bin, so verkrampft, so gehemmt, dass ich nur dasitzen kann und zusehen wie alles in Zeitlupe ganz schrecklich danebengeht. Und ich wollte mehr oder weniger mein Restleben mit Kunst ausfüllen... wie dumm. Wie naiv. Wie selbstherrlich. Wie verblendet.

Wie komme ich als Sozialphobikerin auf die bescheuerte Idee, ausgerechnet Menschen fotografieren zu wollen (und leider ist nur das eigentlich meine Passion)? Oder schreiben. Ich will doch nur schreiben was anders von mir ist, oder anders, nichts mit MIR und MEINEM LEBEN zu tun hat. Zugleich aber ist nur das Schreiben lebendig, in das eigene Lebenserfahrung einfließt. Ich hasse mein Leben und mich aber zu sehr, um mich damit auch noch beim Schreiben beschäftigen zu wollen. Und völlig abstrakt schreiben... wäre das nicht als schriebe der Blinde von der Farbe? Aber egal, auch da bin ich zu blockiert. Wäre ja auch einfach gewesen wenn ein bisschen Erkenntnis diesen blöden Kopf auf meinem Hals zurechtrücken könnte.

@Proserpina
Kommt wohl auf die Übung an. Wenn man sie alleine durchführen muss, also einen eigenen Raum braucht... geht das derzeit nicht.
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Proserpina
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Beitrag Sa., 10.12.2011, 14:41

<deutliche Worte>

So lange Du Dich derartig in Deinem Selbsthass badest, wird Dein Kopf das bleiben, was er momentan für Dich ist - nur ein weiterer Vorwand, Dich zu hassen. Freiheit (im Sinne von frei machen) wirst Du so nicht erreichen.

</deutliche Worte>

.

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Rezna
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Beitrag Sa., 10.12.2011, 15:13

Danke für die deutlichen Worte. Ich gebe dir in dieser Hinsicht 100% recht. Ich weiß um dieses Problem seit längerem. Bisher ist mir noch nicht gelungen, das abzustellen. Es geht temporär. Ich hasse mich nicht rund um die Uhr. Es gibt auch Zeiten, in denen ich ganz gut damit kann, wie ich bin und wer ich bin, auch wenn das eher sehr beschränkte Zeiten - von ihrer Ausdehnung her - sind.
Aber es stimmt durchaus: Sobald irgend etwas nicht so rennt wie ich es vor hatte, dann bricht der Selbsthass mit einer Wucht herein, der ich nicht Herr werde. Teilweise beobachte ich mich da auch gleichzeitig von Aussen, sehe also nüchtern, was da abgeht, dass das gar nicht gut ist, aber da ist etwas in mir so in Fahrt das... ja... dass mich verletzen will. Wenn schon nicht durch Taten (wie SVV) so in Gedanken. Ja, mental ist es so, als stünden meine Eltern und alle Spötter meines Lebens über mir, beschimpfen mich und treten mich, und treten und schimpfen mich dann auch noch, weil ich weine und verzweifelt bin. Sie kommen so richtig in Fahrt. Mir ist klar: Ich habe das übernommen. Sie stehen aktuell nicht WIRKLICH da. Teilweise will ich es auch von mir abgespalten sehen, weil ich nicht annehmen möchte, dass wirklich ICH es bin, der mich so sehr hasst.
Auf Reha gab es eine Maltherapie. Da mussten wir blind ein Selbstportrait machen. Meines war für diese Verhälntisse erstaunlich klar. Aber ich hasste dieses Bild so dermaßen, dass ich es nicht ansehen konnte. Als ich die Augen öffnete und es sah, war da blinder Hass. Wir mussten es aber noch ausmalen. Ich legte ein Blatt Papier drüber um immer nur wenige Zentimeter zu sehen, die ich anmalen konnte, dabei hörte ich Musik und dachte mich weg, stellte mir vor das wäre irgendwas. Dann bei der Besprechung erlebte ich die Hölle. Die Anderen meinten, das wäre ich. Sehr deutlich käme ICH da zum Vorschein. Ich saß da und starrte auf den Boden, ich konnte das Bild nicht ansehen. Als mich die Thera zwang, schaute ich zwar drauf, aber ich blieb mit der Sehschärfe einen Meter davor stehen, um es eben NICHT sehen zu müssen. Alles wehrte sich. Es tat richtig weh. Ich war den Rest des Tages total verzweifelt, weil ich dachte, dass ich mich in Wahrheit so hasse. Das wollte ich nicht. Das tu ich doch nicht. Oder etwa doch? Das wurde dann auch noch Thema bei der Einzelthera. Ich sagte mir dann, ich sähe im Bild meine Mutter, deswegen hasse ich es, weil ich sie hasse. Das war meine Methode, mit der kognitiven Dissonanz umzugehen.

Also geht es wohl darum, den Kopf von diesen Hassgedanken gegenüber mir selber frei zu machen. Denn sie blockieren mich so massiv. Logisch. Wenn man jemandem nur Hass entgegenbringt, wie soll sich dieser auch frei entfalten, freie, ungezwungene Entscheidungen treffen?

Interessant ist, dass genau in diesen Minuten ein Aspekt des Selbsthasses aufkeimt, weil ich diesen noch immer nicht bezwungen habe. Der Druck, mich selber zu hassen, weil alle Therapie, alle Arbeit noch immer nicht geholfen haben... und ergo ich selber hassenswert sein muss... uffa.
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sofa-held
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Beitrag Sa., 10.12.2011, 16:35

Sach mal Arta,

wenn du nicht gleich so ein großes Projekt machen würdest, wie deine Familie im Studio fotografieren, sondern einfach mit einer kleinen Kamera mal ein bisschen durch die Gegend fotografieren, z.b. während dem Familientreffen, also nicht gleich der große Wurf, sondern Aufwärmphase.

Ich kenn das von, ich musste ja immer fotografieren, aber am Anfang krampfte ich mich auch einige Male ziemlich ein. Einmal als ich ein Team-Foto mit Chef machen musste und dieses A****** hatte natürlich nichts besseres zu tun, als jede noch so kleine Unsicherheit zu orten und laut herausplärren: "hoffentlich wird das Bild nicht total verwackelt, sowie sie zittern." Da wäre ich auch gerne verschwunden.

Was mich halt rettete war, das wahnsinnig gut Objekte fotografieren konnte, und mit der Zeit lernte ich auch den Umgang den Portrait-Menschen. Ich passte dann praktisch einen Moment ab, wo ich so weit war und dem anderen eher beiläufig erklärte, "ach ja, und ein Foto brauch ja auch noch". Und als ich draufkam, dass ich mit realativ kleienen Kameras tolle machen konnte, die voll durch Repro gingen, war das überhaupt meine Lieblingsmethode. Mit der großen Kamera stand immer so auch das Profi-Tum im Vordergrund, da wurde immer gefragt...was ist das für einen Kamera etc.

Ma ich weiß noch, ich hatten ein Immobilien-Auftrag, also Architektur mit Menschen & ich war so nervös, und mir wurde Wein angeboten. Das nahm ich dann dankend an, und stolperte kurz darauf über ein Scheinwerfer-Kabel, der fiel um und brannte ein Loch in den nagelneuen Boden. Versicherungsache, aber ärgerlich. Boah.....


LG s

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Beitrag So., 11.12.2011, 14:59

Oh mann, du schilderst wahre Horrorszenarien. Aber ich musste trotzdem schmunzeln.

Jetzt, nach einigen Tagen sehe ich es eh schon wieder entspannter. Zunächst war mir dannach mich hinzulegen und zu sterben, mehr oder weniger. Ich mach mir echt so unnötigen Druck. Schlimm.

Jetzt sehe ich es so, dass ich es einfach schlecht geplant hatte. Eigentlich bin ich völlig absurd an die Sache ran gegangen. Ich hatte nach der Therapie den Motivationsschub und rief gleich alle an um das mit den Fotos zu verbreiten. Da ich das seit Monaten machen will, aber an der praktischen Umsetzung scheitere - mit einer großen Tendenz hin dazu unmotiviert durch Ängste zu sein - war der Antrieb auf einmal auf 180. Jetzt könnte ich an einem Tag aufholen was ich seit Monaten machen möchte. Das hätte tatsächlich auch funktionieren können, denn es gab eine große Halle, die eigentlich gutes Licht hatte. Nur: Zuletzt war ich dort im Sommer, da waren die Tore offen, die halbe Halle leer. Und nun: Die Tore waren verschlossen, das Licht damit faktisch fort, das künstliche Licht bescheiden, und zudem war die Halle vollgestellt. Anstatt meterweise weiße Wand vor die ich die Leute im Kopf schon plaziert hätte, war alles vollgeräumt... teilweise mit quietschbunten Sachen.
Erschwerend hinzu kam, dass noch "Fremde" geladen waren. Und sobald Menschen auf einer Feier sind, die ich nicht (gut) kenne, verkrampfe ich so oder so, da brauche ich kein Fotoprojekt. Dazu kam, dass meine Nichte krank war und alle vier Minuten einen Schreikrampf bekam, wodurch die Anspannung aller immer schlimmer wurde. Aber typsch, dass ich mir in solchen Situationen Höchstleistung abverlange.

Also zurück an den Start. Mir liegt ja auch wirklich die Angst im Nacken. Objekte oder Landschaften fotografieren, das geht, es befriedigt mich aber keineswegs. Ich hab das am Anfang gemacht, aber es gibt mir nix. Ich bin da wirklich auf Menschen fixiert, was definitiv die Hölle ist, wenn man sozialphobische Aspekte leidet. Selbst wenn ich meinen Freund fotografiere, bin ich verkrampft - und da ist die Atmosphäre theoretisch entspannt. Aber ich stehe so unter Druck,... einzig Selbstportraits funktionieren einigermaßen, da bin ich zu beschäftigt, Fotograf und Model zugleich zu sein, da habe ich keine Zeit zu verkrampfen.

Aber ich kenn dieses Phänomen von mir, und meine Familie kennt es auch. Ich verfolge deses Muster wohl seit meiner Kindheit. Schon als Kind stand ich einerseits unter Druck, etwas kreatives machen zu müssen (also von meinem Inneren heraus) und das alles so brilliant wie möglich in der kürzesten Zeit. Beispielsweise kleine Häuser basteln mit Licht und allem... und das bei fehlender Geduld und einer Neigung zu Jähzorn. "Kreative Wutausbrüche" standen bei mir eher an der Tagesordnung. Wenn mir dann gesagt wurde: Dann mach es eben nicht, zwingt dich ja keiner... hätte ich erst recht an die Decke gehen können (ach was, ich BIN an die Decke gegangen) denn das war keine Option. Es NICHT machen war gleichbedeutend mit sofort hinlegen zum sterben. Ich MUSSTE es tun, egal was kommt... auch wenn ich dabei draufgeh. Ich hab in meinem Leben schon hunderte male beschlossen, nie wieder was kreatives machen zu wollen... aber es geht einfach nicht.

Irgendwie verdreht und verquirxt sich alles in meinem Kopf, vermengt sich mit allerlei Ängsten und einem gigantischen Packen Druck zu einem fatalen Knäuel aus dem ich oft nur ausbrechen kann, wenn ich alles weg schiebe, nicht dran denke. Fang ich dann wieder langsam an darüber nachzudenken, etwas in Angriff zu nehmen, ist es am Anfang auch super... aber die Gedanken sind zu schnell wieder zu weit. Ich denke schon ehe ich es mache an alles Mögliche was bereits am Ende da sein wird...

Beispielsweise als ich mit der Fotografie begann, da machte ich Fotos auf Familienfeiern, und das war für mich wahnsinnig inspirierend, zumal ich eben merkte, dass mir das liegt. Ich selbst bei schlechten Lichverhältnissen gute Resultate brachte. Aber irgendwann kam ich an den Punkt, wo mir quasi diese "Reportagefotografie" auf Feiern nicht mehr reichte. Seitdem fotografiere ich auch nicht mehr. Ich habe meine Festplatte zugemüllt mit lauter solchen Fotos, die nicht schlecht sind, aber es ist so: Mehr desselben? Wozu? Die selben Leute, das selbe Umfeld, dieselben Gründe einander zu sehen... die Fotos von Feier zu Feier verändern sich da kaum... ich will... Anspruch. Tja. Mit meinen Leuten mache ich das eigentlich auch nur als Angst vor Menschen. Und selbst bei meinen Leuten habe ich Schiss. Blöder kann ich mir das alles gar nicht aus suchen. Aber es ist ja eben nicht nur bei Fotos so... im Schreiben ist es genau so... oder dem Malen.
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Beitrag So., 11.12.2011, 17:13

ich glaube, du suchst diese Herausforderung ganz gezielt. Um eben auch die Sozialphobie zu überwinden. Ich war kein Kommunikationsgenie und hab das studiert...zb.
Ich glaube bei dem Projekt hat die ganze Drumherum, die Halle, das Licht, einfach alles gestört. Und dann verhedderst du dich mit deinen Vorstellungen an andersartigen Umständen. Ich hab das gelernt, auch professionell, Zufälle einzubeziehen, sie zuzulassen und sogar als Katalysator zu benutzen. Also eine Mischung aus Konzept & Vorbereitung aber auch Vorbereitung auf das Unvorbereitbare.
Ich finde du solltest mit Menschen weitermachen, aber eher mal vllt. einzelne Personen, z.b. ich hab mal einen Taxifahrer fotografiert, zb. Wir hatten lange Zeit geplaudert und der hatte so eine sensatione History auf Lager, ich fragte einfach ob ich an Ort & Stelle in der Dunkelheit ein Portrait machen könnte. Der hat sich richtig gefreut, erst wurde ihm zugehört, dann auch noch Foto, der fühlte sich wie ein Superstar. Du glaubst gar nicht, wieviele Leute zusagen. Z.b. in einem Sushi-Laden, den Koch & (und die Köchin) der antwortete, er werde öfters fotografiert... vielen Leuten schmeichelt das sogar ein wenig. Sie fühlen sich beachtet. Und da ist dann die Schwellenangst niedriger... Du kennst die Leute nicht, Versagen ist dann wochenlang Thema in deiner Familie.

Das mit den Übung, was Carö oben erwähnt ist ganz wichtig. Viel machen, viel selektieren, "Kunst" passiert dann. Ich setze das mal unter Anführungszeichen, weil wir uns alles noch als Künstler definieren sondern über unser Rolle im bürgerlichen Job.
Selbst die großen Überflieger in der Kunst wie Michelangelo haben sich "warm" gezeichnet... Klavierspieler machen Etüden...

lg s

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Beitrag So., 11.12.2011, 17:47

Ich hab ja gelesen, selbst richtig gute Profifotografen, die tausende Bilder im Jahr knipsen, schaffen es oft pro Jahr auf nur ein bis fünf gute Fotos... also Fotos die in ihrer Karriere die Aktualität der Situation überdauern. Oder Schriftsteller, die sogar Jahrzehnte nichts veröffentlichbares zu Papier bringen, obgleich sie permanent um Texte und Ideen kreisen. Dito Maler... wenn ich mir da Biografien ansehe.. was für eine Tortur - und dann ist der Erfolg meist ein Zufall und nicht auf das Beste Werk des Künstlers begründet sondern auf den zufälligen Nerv der Zeit. Oder nicht, dann wird er erst nach seinem Tode entdeckt.
Das ist auf der einen Seite ermutigend, weil ich mir denke, dass alles temporäre Versagen nichts darüber sagt, ob "man" "gut oder schlecht" ist, sondern dass eigentlich alle Kunst ein Prozess ist, nichts weiter, in dem Eindrücke, Ausdrücke und das ganze Prozedere drum herum einfach passieren... und der Rest (ob die Welt das auch will) eher sekundär... denn Kunst, oder Kreativität, ist meist ein Drang der sich durchsetzt, gelebt werden will, egal was passiert.

Auf der anderen Seite aber sind wir Leistundgesellschaftliche geprägt. Und das bedeutet: Produktivität! Ergebnisse! Man kann sich nicht einem Leben der Muse hingeben, und von Inspiration leben, um irgendwann in einem vierzigjährigen Schaffensleben dann ein Bild oder Buch von Wert zu machen. In der Regel werden aktuell Leistungen verlangt die sich verkaufen lassen, nur dann gilt "es" was. Und das kriegt man auch nicht so leicht aus dem Schädel, weil heute auch viel des Selbstwertes darüber definiert wird, wie intensiv man sich der Produktivität der Gesellschaft widmet, und was man dann vorzuweisen hat. Der Platz an der Kassa eines Diskonters wiegt oft mehr, ist bei weitem sozial verträglicher, anerkannter, wertvoller, als eben sich dem schauderhaften Prozess des kreativen Schaffens hinzugeben. Sage ich etwa, ich wäre Schriftsteller, dann kommt die Frage nach einer Veröffentlichung. Weil nur das macht einen Schriftsteller aus. Selbiges bei Malern und Co. Und das erzeugt Druck, weil das ja auch die Existenz in Frage stellt, so wie "man" seine Existenz heute eben über den Beruf definiert. "Was" bist du wird oft mit dem Beruf beantwortet, und nicht mit "ein Extentriker mit doch einem Hang zu tiefgreifenden philosphischen Grübeleien". Sagt man das, wird oft dann noch extra nach dem Beruf gefragt.

Ich denke in mir wüten der kindliche Ausdruck, das "gemeinte" ich mit der Dressur in diese Gesellschaft. "Einfach schaffen" um des Prozesses willen, mutet bei mir an, als stemme jemand die Autobahn auf, nur um des Stemmens willen, weil er halt gerne mit Presslufthammer arbeitet und sieht, wie Beton zersplittert. In der Regel geht es um ein Ergebnis... eben die vierte Autobahnspur. Und so geht es mir beim kreativen Schaffen. Nicht im Kopf zu haben, dass es "etwas" sein soll, etwas fertiges, herzeigbares, vielleicht sogar auf die ein oder andere weise verkäufliches... das ist fast unmöglich.
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Beitrag So., 11.12.2011, 18:00

Das Leben als Künstler begreife ich immer mehr als Teil des Prozesses. Mit Niederschlägen, mit Fehleinschätzungen, Nichtbeachtung, wenig Geld, Widerstand gegen so vieles fertig zu werden. Keiner der wirklich großen hatte meist einen sorgenfreien Weg dahin. Ich hab mich intensiv z.b. mit der Karriere von Jean Tinguely und Niki de Saint Phalle auseinander gesetzt, kein Spaziergang, wie bei den meisten Künstlern.

Ich denke grad an Kappacher, x gute Bücher geschrieben, erst der Fliegenpalast schlug ein wie eine Bomobe, danach nichts mehr, aber ein altes Buch aus 78, das damals in Schachteln vergammelte, wurde neu aufgelegt....

Also niemand sagt es leicht ist, deswegen hab ich mich ja auch für die bürgerliche Karriere entschieden, weil ich gleich Geld & Ergebnisse wollte....

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