Von verspäteter Trauer überrascht

Hier können Sie sich über Belastungen durch eigene oder fremde schwere Erkrankungen, aber auch den Umgang mit Tod und Trauer austauschen.

Proserpina
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Beitrag Di., 15.11.2011, 15:44

Das hat aber eine Weile gedauert, oder?
Ja .... das hat Jahre gedauert bis ich so weit war. Anfangs war auch bei mir dieser gefühllose Schockzustand, der eine ganze Weile anhielt. Ich glaube, das ist ziemlich häufig.

....

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Widow
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Beitrag Di., 15.11.2011, 17:13

Liebe Proserpina,

mit Interesse habe ich Deine postings in diesem Thread zur Kenntnis genommen.
Wenn ich es richtig verstanden habe, hast Du um Dich getrauert?
Um alles, das Du (bis zum damaligen, also dem Erkenntniszeitpunkt) aufgrund Deiner grauenhaften Erfahrungen nicht werden konntest?

Dass Du es dann in Gestalt der Poiesis, des literarischen Schaffens, doch noch konntest und kannst und diese Erlebnisse nunmehr offenbar auch Dein Realitätsleben positiv beeinflusst haben und beeinflussen, ist sehr schön. Für Dich.

Dennoch stellt sich mir die Frage, die ich mir hier schon stellte, weiterhin: Wozu diese "Trauerarbeit"?

Beispielsweise über die Schönheit unseres Planeten zu erschauern, ist eine kulturelle "Errungenschaft" jüngeren Datums und kann folglich genauso gut auch als blanker Zurichtungsmechanismus zwecks Sicherstellung der Funktionalität des "Individuums" begriffen werden (ja: das gute alte "Unbehagen in der Kultur" samt dem in der Kulturindustrie).

Beides, wohliges Erschauern und a-soziale Analyse, ist in meinen Augen gleich viel wert (oder eben: nichts).

Die Frage nach dem Wozu kann nur jede/r selbst für sich beantworten (oder eben: nicht).

Dampfnudel hat geschrieben:Was ist denn für Dich der Unterschied zwischen Trauer und Traurigkeit?

Ersteres ist etwas, für das es "Anleitungen" gibt (s. die Phasenmodelle, die Aufgaben etc.), Rituale (ebenfalls also etwas mit normativem Anspruch) und unterschwellig eine sehr präzise gesellschaftliche Erwartungshaltung (z.B. hinsichtlich der "erlaubten" Intensität oder Dauer - bei Überschreitung dieser Grenze macht man sich der "pathologischen Trauer" schuldig bzw. verfällt dieser "Krankheit", die dringend "geheilt" werden muss).
Traurigkeit indes ist etwas sehr viel Individuelleres - sowohl hinsichtlich ihrer Gründe/Anlässe als auch hinsichtlich ihrer Ausprägungen/Gesichter. Und vor allem, was den Zugriff der Gesellschaft auf den Traurigen betrifft (gibt es Traurigkeitsanleitungen?).
Kulturell überformt ist dennoch natürlich beides. Aber in unterschiedlichem Ausmaß. (?)
Traurig sein "darf" man in sehr viel weiter gesteckten Grenzen (hin zum Pathologischen) als >in Trauer sein<.

Du erlebst es doch selbst: Deine Trauer um Deinen Großvater und Dein Leiden jetzt im Erlebnis des Todes Deines Vaters. Die Unterschiede haben z.T. mit einer je anderen Generationsrolle und einer dadurch ggf. vorhandenen unterschiedlichen Beziehungsintensität zu tun (Großvater-Enkelkind; Vater-Kind) oder damit, dass "das der Lauf der Welt" ist, dass Opas "halt vor einem sterben" (Eltern "normalerweise" übrigens auch). Doch außerdem - außer diesen "Regeln" - gibt es doch einen individuellen Kern, der im Falle des Todes Deines Vaters größer zu sein scheint als bei Deines Großvaters Tod (nenne ihn meinetwegen "Liebe", und zu der gehört immer auch ihr Gegenteil; sie gibt es nur ambivalent).
Dass Du nicht "weißt", wie jetzt zu fühlen, denken, handeln ist, dass Du kein Muster hast (obwohl Du Tod schon kennst), keine Anleitung brauchbar findest, könnte mit diesem individuellen Aspekt zu tun haben. - Wer von Traurigkeit spricht, hat den m.E. im Kopf, wer aber die Rede von Trauer führt, die Norm.
Doch auch hier gilt wieder: Eigentlich sollte beides in Ordnung sein dürfen, für den einen dies, für den andern das.
Zu normativen Diskursen gehört aber, dass genau dies nicht zugelassen werden soll: Das Andere.

Einen herzlichen Gruß an Euch beide und alle hier, die ihn haben wollen oder brauchen können,
Widow


Proserpina
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Beitrag Di., 15.11.2011, 18:08

Hi Widow,-
ich habe auch um mich getrauert, natürlich. Ich habe im Grunde über alles getrauert was war und damit auch um das was hätte sein können. Aber ich habe auch ganz konkret um Tote getrauert, wovon zumindest eine Person einen extrem herben Schlag für mich darstellte, besonders, da ich nicht einmal an ihrem Grab stehen konnte. Lange Geschichten - traurige Geschichten.

Du fragst:
Wozu diese "Trauerarbeit"?
Die Antwort ist einfach: Um nicht zu sterben. Das wäre ich nämlich, hätte ich nicht (an und mit mir) gearbeitet. Das Ganze war, wie ich ja beschrieb, kein bewusster Trauerprozess. Vieles wurde erst im Rückblick (be)greifbar und bekam (s)eine Logik. Aber so ist das nun einmal, hinterher ist man immer schlauer.

Dann schreibst Du noch etwas von einem Zurichtungsmechanismus, was ich in diesem Kontext nicht wirklich verstehe. Weil ich Dokumentationen mag und den Kosmos enorm spannend und zum Niederknien schön finde, sitze ich im Zuge dessen, einer Manipulation durch mein kulturelles Umfelde auf? Meintest Du das, bzw. willst Du auf sowas wie Determinismus hinaus?

Und dann noch das hier:
Die Frage nach dem Wozu kann nur jede/r selbst für sich beantworten (oder eben: nicht).
Das sehe ich exakt wie Du, deshalb schrieb ich ja, dass ich denke, weder Dir noch Dampfnudel konkret etwas raten zu können. Ich kann nur von mir erzählen und womöglich kann ja irgendwer etwas für sich damit anfangen. So funktioniert das ja im Umkehrschluss ebenfalls.

Lieben Abendgruß
Pro

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abendrot79
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Beitrag Di., 15.11.2011, 21:27

Dampfnudel hat geschrieben:... und wenn einer aus diesem System verschwindet, dann müssen wir unsere Identität neu finden und definieren. Das ist wahrscheinlich umso schwieriger, wenn Du damals schon vorher gar nicht richtig wusstest, wer Du bist.
Ja, das könnte sein. Da befindet man sich mitten in der Suche nach der eigenen Identität und findet sie Stück für Stück und dann PENG wird diese neugefundene Welt von jetzt auf gleich wieder zerschossen noch ehe sie vollständig ergründet ist ! Meine Thera meinte auch, einen ungünstigeren Zeitpunkt als die Pubertät gibt es für solche (und andere) Ereignisse kaum ... (davon abgesehen dass es für "solche Ereignisse" keine günstigen Zeitpukte gibt, aber ich denke es ist klar was sie meint )
Dampfnudel hat geschrieben:Danke für das "vollkommen normal", das tut mir gut. Ich komme mir so komisch vor, dass es jetzt plötzlich nochmal "losgeht".
Naja, wieviele Wochen "Trauer-Auszeit" hast du dir denn für deine Arbeit gegönnt? Soooo viele können es nicht gewesen sein ... daher die "böse" Frage, hast du wirklich gedacht, nach dieser Zeit hast du die Trauer hinter dir? Auch wenn ich böse geschrieben habe, meine ich das keinesfalls SO, eher als Denkanstoss, wieso es jetzt plötzlich nochmal losgeht ... ich denke eher, dass es nicht nochmal losgegangen ist, sondern erst angefangen hat, oder? Ob dass vielleicht der Schock war?
Dampfnudel hat geschrieben:Eigentlich lässt mein Alltag schon das nicht zu, was ich jetzt an Trauer spüre.
Kannst du dir keine Trauer-Inseln schaffen? Klar kann man Trauer nicht steuern und unterdrücken ist ganz schlecht aber es gibt nunmal Phasen im Alltag da müssen wir funktionieren und da fragt niemand danach, ob wir vielleicht lieber gerade trauern möchten. Aber wie wäre es wenn du dir als Ausgleich Zeiten gönnst, in denen du "bewusst" trauerst? Ich habe etwas ähnliches mal gemacht, als es mir so schlecht ging, dass ich am liebsten den ganzen Tag auf / unter / neben der Couch gelegen hätte und nur noch an die Decke starren wollte . Der Alltag musste aber für meine Tochter weitergehen (bin alleinerziehend) und ich habe mir damals Zeit-Inseln bzw. Couch-Inseln gegönnt in denen ich tatsächlich mein an-die-Decke-starren-Bedürfnis ausgelebt habe. Und heute mache ich das noch genauso, wenn ich z.Bsp. von einer heftigen Thera-Stunde komme. Dann muss ich zwar erstmal wieder für meine Tochter dasein und alle Emotionen unterdrücken, aber später brauche ich dann eine Couch-Insel, in der ich mich sortieren kann.
Dampfnudel hat geschrieben:Ich versuche mich abzulenken, aber es wirkt nicht so richtig. Es durchbricht nicht meine Betäubung.
Aufgrund der kurzen Zeit würde ich mal sagen, dass du dich noch in der ersten Phase befindest oder? (Ich finde die Sache mit den Phasen übrigens gar nicht so schlecht und habe für mich beschlossen, dass ich wohl zu denen gehöre, die Phase zwei verdrängt bzw. nicht zugelassen haben ) Dann ist es doch "in Ordnung" (wie meine Thera sagen würde) wenn du dich betäubt fühlst und den Tod noch gar nicht wahrhaben willst. Ich denke es braucht viel Zeit bis die zweite Phase kommt und du darfst dich selber auch nicht unter Druck setzen. Ich bin wahrhaftig kein Trauer-Experte, aber du klingst für mich so, als würdest du von dir verlangen jetzt trauern zu müssen ...

Lass dich drücken!
Weil Kakao an Bäumen wächst, ist Schokolade irgendwie auch Obst! (gelesen auf einem Frühstücksbrettchen)

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Dampfnudel
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Beitrag Di., 15.11.2011, 21:57

Hm, ich sehe nicht Schlechtes darin, etwas genießen zu können, ob es nun eine kulturelle Errungenschaft ist oder nicht. Und auch, wenn es dabei um Individualität geht: Gerade Genießen ist doch etwas höchst Individuelles. Dabei geht es mir, dem Individuum, gut.

Das mit den "Normen" oder "Anleitungen" ist für mich in der Tat ein neuer Aspekt, über den ich noch nicht nachgedacht habe. Ich merke nur, dass ich meine eigenen Gefühle habe und dass viele Menschen das nicht mitfühlen können, weil sie eben nicht in mir drin stecken. Aber wenn ich sage, ich stecke in einer Trauerphase, dann hat doch jeder eine gewisse Vorstellung davon und gibt mir - zumindest bis jetzt - auch den Raum, den ich in dieser Phase brauche (jedenfalls soweit es demjenigen möglich ist). Das finde ich ganz hilfreich. Und in diesem Sinne finde ich auch solche "Normen" recht hilfreich (oder vielleicht trifft "Konventionen" eher, was ich meine). Also, ich erlebe sie eher als befreiend und nicht als einengend. Sie machen das Zusammenleben einfacher, finde ich. Und bei solchen "Anleitungen" zur Trauerarbeit, wie Du es nennst, steht es ja auch jedem frei, das für sich herauszunehmen, was er für sich als gut erachtet. Und wenn es gar nicht passt, dann passt es eben gar nicht. Aber es ist doch ein möglicher Ankerpunkt. Vieles im Leben läuft ja nach bestimmten Mustern ab, die sich als hilfreich erwiesen haben. Auch Therapien zum Beispiel.
abendrot79 hat geschrieben:hast du wirklich gedacht, nach dieser Zeit hast du die Trauer hinter dir? (...) Ob dass vielleicht der Schock war?
Um ehrlich zu sein, ja, dachte ich. Aber meine Thera hat auch schon gedacht, ich mache Witze, als ich ihr das gesagt habe Was meinst Du denn mit dem Schock?
abendrot79 hat geschrieben:Klar kann man Trauer nicht steuern und unterdrücken ist ganz schlecht aber es gibt nunmal Phasen im Alltag da müssen wir funktionieren und da fragt niemand danach, ob wir vielleicht lieber gerade trauern möchten. Aber wie wäre es wenn du dir als Ausgleich Zeiten gönnst, in denen du "bewusst" trauerst?
Ich versuche mir jeden Tag eine Zeit zu nehmen, in der ich bewusst trauere, also in der ich Kontakt zu meinem Vater bzw. meinen Gefühlen ihm gegenüber aufnehme, die Traurigkeit spüre und auch meist weinen muss (und kann!), aber das klappt erstens nur mit sehr viel Mühe, und zweitens ändert es nichts an meiner Betäubung in der übrigen Zeit. Sie ist es auch, die mich so alltagsuntauglich macht. Aber gegen die komme ich gerade gar nicht an. Mit Deinem Verdacht, dass ich von mir verlange, jetzt trauern zu müssen, hast Du gar nicht so unrecht. Zumindest ist das der Weg, den ich bis jetzt von allen Seiten aufgezeigt bekomme, der mir angeblich helfen soll, da langsam wieder rauszukommen. Und ich will wirklich wieder raus aus diesem Zustand, ich kann ihn nur sehr schwer ertragen. Und außerdem ist mein zweiter Name Fräulein Ungeduld...

Liebe Grüße
Dampfnudel
Alles hat seine Zeit.


Widow
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Beitrag Di., 15.11.2011, 23:45

Proserpina hat geschrieben: Du fragst:
Wozu diese "Trauerarbeit"?
Die Antwort ist einfach: Um nicht zu sterben. Das wäre ich nämlich, hätte ich nicht (an und mit mir) gearbeitet.
Na, dann ist doch für Dich, liebe Proserpina, im Nachhinein
(auf das Du ja abhebst:
Proserpina hat geschrieben:Aber so ist das nun einmal, hinterher ist man immer schlauer.
)
alles wunderbar! Und Du bist ein funktionstüchtiges Mitglied der Gesellschaft geworden, so steht zu vermuten. Jedenfalls tust Du Dein Bestes, hier in dieser kleinen Foren-Welt Trost, Zuspruch, Hoffnung und gute Laune zu verbreiten. Wie es in der großen Welt da draußen darum bestellt ist, weiß ich natürlich nicht.
Das "Nicht-Sterben" oder anders gesagt: das blanke Leben freilich mag andern eine zu nackte Antwort auf die Wozu-Frage sein. (Aber die will ja mehr als ein-, zweimal gestellt sein.)
Proserpina hat geschrieben: Dann schreibst Du noch etwas von einem Zurichtungsmechanismus, was ich in diesem Kontext nicht wirklich verstehe. Weil ich Dokumentationen mag und den Kosmos enorm spannend und zum Niederknien schön finde, sitze ich im Zuge dessen, einer Manipulation durch mein kulturelles Umfelde auf?
Ja. Genau so. Meinte ich das.
Diese Dokus sind Kind ihrer Zeit (wie alle Kultur, was nicht heißt, dass alle Kultur nur an ihre Zeit gebunden wäre, aber das ist OT) und das heißt in dieser speziellen Zeit auch: Sie sind Industrieprodukte (ab und an lohnt sich ein Blick in Horkheimer/Adorno immer noch), sind darauf angelegt, einen ganz bestimmten Geschmack zu bedienen und ganz spezielle Gefühle zu evozieren und vor allem darauf, einen ganz zeitspezifischen Verblendungsmechanismus am Laufen zu halten (das könnte Dir ein Film-Historiker besser erklären: Es fängt bei der Kameraführung an und geht bis zur Schnitttechnik, von der Musi zu schweigen - *Geigen*).
Man fühlt doch im Konsumieren (pöses, pöses Wort!) solcher Dokus über diesen ach so kostbaren Planeten sich einfach "gfühlig" und gut und sein Öko-Gwissen gweckt und, ach, und überhaupt. - Oder? *Geigen geigen*.
Da geht es nicht mehr um Lernen und Bildung, da geht's um's Gfiehl (is ja auch ma o.k., jaja!!! Hat aber mit Fragen an den, über den und zum Kosmos wenig zu tun. *Aufklärungsfackel stink*)
Dampfnudel hat geschrieben: Mit Deinem [= Abendrots] Verdacht, dass ich von mir verlange, jetzt trauern zu müssen, hast Du gar nicht so unrecht. Zumindest ist das der Weg, den ich bis jetzt von allen Seiten aufgezeigt bekomme, der mir angeblich helfen soll, da langsam wieder rauszukommen. Und ich will wirklich wieder raus aus diesem Zustand, ich kann ihn nur sehr schwer ertragen
Da, liebe Dampfnudel, ist mir zweierlei aufgefallen:
1. was ich markierte: "bis jetzt", "von allen Seiten", "angeblich helfen" - ich lese dahinter (aber ich sehe hinter allem immer nur Gespenster), dass Du unbewusst (noch so ein pöses Wort!) darauf hoffst, dass "ab jetzt" Dir was Besseres zum Thema Trauer gesagt wird und zwar von "kompetenter Seite" statt von allen und noch dazu was, das Dir "tatsächlich helfen" könnte und nicht nur angeblich helfen soll --- das aber wäre dann offenbar etwas anderes als das, was in den ubiquitären Traueranleitungen zu lesen ist ...

2. Aber wie gesagt: Ich sehe hinter allem was, vor allem hinter Worten und zwischen Zeilen. Am besten Ignorieren!

Einen lieben Gruß
vom nicht trauernden Eisbären (der weder mit Geigen noch in den Sonnenuntergang surft ... [es gibt auch eine negierende Dialektik, glaub ich ])

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Dampfnudel
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Beitrag Mi., 16.11.2011, 00:39

Widow hat geschrieben: Da, liebe Dampfnudel, ist mir zweierlei aufgefallen:
1. was ich markierte: "bis jetzt", "von allen Seiten", "angeblich helfen" - ich lese dahinter (aber ich sehe hinter allem immer nur Gespenster), dass Du unbewusst (noch so ein pöses Wort!) darauf hoffst, dass "ab jetzt" Dir was Besseres zum Thema Trauer gesagt wird und zwar von "kompetenter Seite" statt von allen und noch dazu was, das Dir "tatsächlich helfen" könnte und nicht nur angeblich helfen soll --- das aber wäre dann offenbar etwas anderes als das, was in den ubiquitären Traueranleitungen zu lesen ist ...
Das, liebe Widow, ist eine mögliche Lesart. Aber nicht die, die ich gemeint habe.

Sagen wir mal so:
Das ist alles, was ich bis jetzt zu dem Thema gehört habe, und ich schließe nicht aus, dass es auch noch andere Meinungen gibt. Nur habe ich die bis jetzt eben nicht gehört. Von allen Seiten - nun ja, "allen" kann man immer als großes Wort interpretieren, ich habe es einfach im Sinne von "allen, die ich bis jetzt gehört habe, und das waren verschiedene" gemeint. Da es aber von so vielen verschiedenen Seiten gekommen ist, gehe ich mal davon aus, dass diese Meinung weit verbreitet ist - und das wird vermutlich einen Grund haben, spricht also tendenziell für die These. "Angeblich" bedeutet, dass ich dennoch nicht vollkommen davon überzeugt bin und der Beweis noch aussteht. Sozusagen das Element, dass dem "allen" entgegensteht.

Im Klartext: Es kann sein, ich habe noch nichts Gegenteiliges gehört, halte es aber weiterhin für möglich, dass es auch anders sein kann und ich in Zukunft auch Anderes höre. Mehr nicht.

Ich warte nicht auf "andere Anleitungen", ich setze mich nur mit dem Thema auseinander und suche dabei nach (weiteren) Anregungen, die hilfreich für mich sein könnten. Denn ich bin froh über Austausch und froh, wenn ich nicht allein mit meinen Gedanken bin. Dann fühle ich mich nicht so verlassen.
Alles hat seine Zeit.


Widow
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Beitrag Mi., 16.11.2011, 01:01

Liebe Dampfnudel,

das:
Dampfnudel hat geschrieben:Denn ich bin froh über Austausch und froh, wenn ich nicht allein mit meinen Gedanken bin. Dann fühle ich mich nicht so verlassen
,

das geht mir genauso.
Ich kenne Dich nicht.
Ich kannte Deinen Vater nicht.
Ich denke an Euch, jetzt (und jedesmal, wenn ich hier in Deinem Thread lese)

Und - wenn ich darf, dann sende ich Dir aus meiner Traurigkeit in Deine eine:
Das hilft so viel oder wenig wie wohl alles - sie sind tot, fort.
Und wir, wir sind hier. Jetzt, mitten in der Nacht.

Widow


Proserpina
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Beitrag Mi., 16.11.2011, 06:40

Guten Morgen @ll....

Dampfnudel,-
Du beschreibst, dass Du versuchst bewusst zu trauern, es quasi in Dir abzuarbeiten, bzw. überhaupt erst einmal heranzukommen, an den Knoten, da irgendwo in Dir, der momentan unter sowas wie einer dämpfenden Decke verborgen zu liegen scheint. Ich kenne dieses Empfinden, wie gesagt, musste im Rückblick -für mich- jedoch erkennen, dass man nur bedingten Einfluss darauf hat und vieles, das ich zuerst gar nicht als trauern empfand, im Rückblick sich sehr wohl als Teil -meiner persönlichen Art- der Trauer darstellt.

Ich halte Trauer mittlerweile für eine Art Fähigkeit, die ursprünglich ist, also in jedem Menschen angelegt, genauso wie die Fähigkeit zum Genuss oder zur Entspannung. Man kann es -meiner Erfahrung nach- nur bedingt forcieren, kann nach Triggern suchen, um es in sich anzustoßen. So hilft mir oftmals traurige Musik oder, wenn ich Briefe an Empfänger schreibe, die meinen Verlust und 'das was ich ihnen noch sagen wollte', in Worte fassen. Ich habe viele Briefe an meine toten Großeltern geschrieben und dabei geweint, wütend auf die Tastatur geschlagen, oder mich einfach leer und traurig gefühlt.

Weinen hilft mir und als ich das erkannte, da begann ich, nach Triggern zu suchen. Ich hatte mir nicht vorgenommen zu trauern, ich wollte einfach nur Erleichterung, die mir das Weinen verschaffen konnte. Ich finde Deine zitierten Phasen völlig okay und nachvollziehbar, aber hätte ich sie im Kopf gehabt, während ich versucht hätte diesem Schmerz in mir nachzuspüren, es hätte mich persönlich gehindert, denn das dem ich da in mir nachspürte, das richtet sich nicht nach .... hm.... rationalen Beschreibungen. Das da in mir, das ist unlogisch, kindlich, empört, traurig, zornig, verzweifelt, fühlt sich im Stich gelassen, verraten und verkauft. Zumindest war das lange Zeit so.

Ich musste lernen, den Kopf abzuschalten, damit das was da tief im Bauch saß, wie ein Stachel in meinem Fleisch, seine Stimme erheben konnte, die oftmals keine Worte hatte, nur Schluchzen und heiße Sturzbäche. Und manchmal, eigentlich sehr oft, da war da einfach nur schweres Schweigen. Etwas Unheilschwangeres, Erstarrtes in mir, dass da stand wie eine Salzsäule und um das mein Alltagsleben brandete, was jedoch meinen, diesen erstarrten Kern, nicht mehr zu berühren vermochte. Das zu ertragen, das war das Schwierigste. Aber als ich lernte es erst einmal so hinzunehmen, mir zu sagen: 'Okay, das ist jetzt einfach so, was machen wir denn jetzt mit dem Tag?' - da begann es in wundersamer Weise sich zu verändern. Es entstanden Risse, aus denen langsam die Traurigkeit zu rinnen begann.

Sorry, ich kann es nicht besser beschreiben als in diesen Metaphern, vielleicht kannst Du dennoch etwas für Dich damit anfangen.

Lieben Morgengruß
Pro


Proserpina
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Beitrag Mi., 16.11.2011, 07:08

Sooo, jetzt an Dich, werte Frau Plüschbär,-
ich hatte jetzt zuerst vor, hier nun eine Quoteorgie zu veranstalten, aber das hat immer so etwas von Wortklauberei und das mag ich nicht (mehr). Du sagst mir, dass Du den Eindruck hast, ich sei nach Kräften bemüht, hier Zuspruch, Hoffnung und gute Laune zu verbreiten. Ich reflektiere das ein wenig und ja - stimmt, im Grunde versuche ich genau das. Ich BIN so. Nicht nur hier, in dieser Forenwelt, sondern auch im Alltag. Das war eine bewusste Entscheidung, denn ich kann in der Tat auch ganz anders und es fällt mir ebenso leicht (wie das Positive), mich wie ein waschechtes Ekelpaket aufzuführen, aber das tut mir nicht gut, wie ich in vielen Praxistests feststellen durfte.

Ich habe mich irgendwann ganz bewusst dafür entschieden, das Positive in meinem Leben zu suchen, arretierte meinen Fokus darauf und teile gerne mit meinen Mitmenschen, ohne sie dabei zwingen zu wollen, zu sehen was ich sehe, denn ich weiß, dass das unmöglich ist. Als ich noch in dem Zustand war, dass die Wut und die Enttäuschung (über die Welt, meine Verluste und meine tiefe Einsamkeit, die ich damals als absolut real erlebte) das Zepter schwangen, haben mich solche 'Gute-Laune-Ernas' wie ich heute selbst eine bin, regelrecht zur Weißglut getrieben. Ich konnte dann richtig fies werden und wurde es auch. Aber es tat mir nicht gut. Dass ich heute so positiv bin, das ist im Grunde purer Egoismus. Wenn davon noch die Mitmenschen profitieren können, umso besser. Alles kann - nichts muss.

Was nun die Dokus angeht. Die nutze ich ähnlich wie die traurige Musik, nämlich als Trigger. So wie ich das Trauern/Weinen aus Trauer (bedingt) forcieren kann, so kann ich auch meine Genussfähigkeit forcieren und dennoch nicht den Realitätsbezug verlieren. Ich bin durchaus im Bilde darüber, dass auf dieser Erde nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen ist und, dass Astronomie im Grunde eine staubtrockene, mathematische Angelegenheit ist. Ich weiß, dass diese Erde auch ein grauenvoller Ort sein kann, das war sie für mich gute dreißig Jahre lang. Aber ich weiß auch, dass ich über Minuten in eine Rosenblüte abtauchen kann mit meiner Nase und dabei das Gefühl habe, mich in dem Duft aufzulösen vor lauter Wonne. Ich habe hier im Garten meine 'Himbeerrosen', die sind leuchtend pink und duften in der Tat wie frisch gepflückte Himbeeren. Einfach herrlich....

Eines meiner Hobbys ist Fotografie. Das Einfrieren von Zeit, Bannen von Momenten und das Fokussieren auf Details. Das zeigt mir immer wieder die Perfektion, die in jeder einzelnen Blüte und in jedem winzigen Insekt steckt. Ich sitze oft auf meinem kleinen Balkon, schaue hinaus in die Gärten und in das Abend-/Morgenrot... und dort, in der Stille, nur durchbrochen von den Vogelstimmen, dort spüre ich MICH und diese Einheit mit allem um mich her, ganz tief in mir und dann muss ich manchmal weinen, weil mich das mit einer so tiefen Dankbarkeit erfüllt und mich so glücklich macht. Das - und dass ich hier sein darf, in diesem, meinem so guten und satten Leben. Pathetisch ausgedrückt: Wer lange genug in der Hölle verweilte, weiß den Himmel zu schätzen. Und schaue ich hinein, in ein sternenklares Firmament in nachtblau, durchsetzt mit funkelnden Lichtern, dann spüre ich die Erhabenheit und in mir diese Demut, vor etwas, das so viel größer ist als ich und so wunderschön. Es war schon immer da, ich musste nur lernen es so anzuschauen, wie ich es heute tue - besser gesagt, ich hatte irgendwann auf einmal die Wahl wie ich es ansehe. Oder noch präziser: Ich nahm irgendwann (für/als) wahr (an), dass ich die Wahl habe und entschied mich. (Baute mir also meine höchsteigene, 'endlose Geigenuntermalung' in diesen Himmel ein.)

Und daher, liebe Widow, ist es mir egal ob die Dokus manipulativ sind. Sie sind nur ein kleiner Teil dessen, was (m)eine Zu|FRIEDEN|heit (aka meinen Frieden mit mir und der Welt) bereichert und diese Art der (Selbst)Manipulation ist für mich okay.

Und eine Frage hätte ich noch. Was konkret bedeutet es für Dich, ein...
funktionstüchtiges Mitglied der Gesellschaft
....zu sein?

Liebe Grüße
Pro

PS: Noch ein Gedanke, widow.... es mag sein, dass ich jetzt fundamental daneben liege, dann ignoriere diesen Nachtrag bitte, aber ich möchte Dir sagen, dann ich Dir Deine Trauer nicht nehmen, ausreden oder sonstwie Dich in irgendeine Richtung drängen möchte. Es ist Deins, so schrecklich es ist, aber es ist ganz Deines. Und wie auch immer Du es für Dich als richtig erlebst, damit umzugehen, so ist es für Dich der absolut richtige Weg - auch von meiner Warte aus. Denn, wie ich schrieb (und vielleicht ging das ja auch einfach unter in all meinen langen Zeilen auf der letzten Seite):

"Was Du, Dampfnudel, nun konkret machst, dazu kann ich Dir nicht wirklich etwas raten (desgleichen gilt für Widow), weil ich glaube, dass Trauer Gefühlssache ist und Gefühle sind so ureigen, dass sie in jedem Menschen eine ganz eigene Welt bilden. Allen ist nur eines gemein (mMn), sie wollen (durch)gelebt sein."

Was Du tust, wie Du es tust und wann, das entscheidest ganz alleine Du - und genau SO ist es auch gut und richtig. Das wollte ich noch einmal explizit betonen.

Und nun aber wirklich - Punkt.

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Beitrag Mi., 16.11.2011, 09:08

Proserpina hat geschrieben:
Sorry, ich kann es nicht besser beschreiben als in diesen Metaphern, vielleicht kannst Du dennoch etwas für Dich damit anfangen.
Tatsächlich gibt's sogar neurologische Evidenz, dass Metaphorik prinzipiell, d.h. vorausgesetzt, der Empfänger kann es (ob nun im Sinne des Senders oder nicht) semantisch dechiffrieren, der kürzeste Weg zum (Miss-)Verständnis ist.
Ich bin jedenfalls formell wie inhaltlich regelmäßig sehr angetan von deinen Beiträgen.
Les non-dupes errent.

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abendrot79
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Beitrag Mi., 16.11.2011, 19:48

Dampfnudel hat geschrieben:Mit Deinem Verdacht, dass ich von mir verlange, jetzt trauern zu müssen, hast Du gar nicht so unrecht. Zumindest ist das der Weg, den ich bis jetzt von allen Seiten aufgezeigt bekomme, der mir angeblich helfen soll, da langsam wieder rauszukommen. Und ich will wirklich wieder raus aus diesem Zustand, ich kann ihn nur sehr schwer ertragen.
Und genau weil dein Druck da wieder rauszukommen scheinbar so wahnsinnig gross ist , klappt es vielleicht nicht ... du verrennst dich da in eine Sache und willst dich quasi dazu zwingen zu trauern, damit es möglichst schnell vorbei ist ... kann das sein? Und auch wenn es "alle Seiten" nur gut mit dir meinen, lass dich von denen nicht stressen indem sie dir vorschreiben dürfen was du zu tun hast damit es dir gut geht . Wieviele von denen haben denn schonmal wirklich einen sehr nahen Angehörigen verloren? In der Theorie klingt das immer alles so toll, vonwegen du musst trauern, dann wird es besser etc. Aber schotte dich doch mal ein wenig ab von all´ den Stimmen und höre auf dich selber ... Und was die Betäubung angeht, ich befürchte die gehört einfach dazu. Das hilft dir nicht im geringsten weiter, aber sie geht ganz, ganz bestimmt vorbei ... es kann nur dauern - FRÄULEIN UNGEDULD!

Und überlege mal, du hast deinen Vater verloren und es ist nicht nur dein Vater und Erzeuger, es ist die Person, die du zum Schluss sogar noch gepflegt hast! Ich arbeite bei einem ambulanten Pflegedienst und weiss, was es für Angehörige heisst, sterbende Leute bis zum Schluss zu pflegen (egal ob mit oder ohne Hilfe!). Ich weiss nicht in welchem Umfang du ihn gepflegt hast, aber dadurch seit ihr euch zuletzt noch näher gekommen als evtl. je zuvor! Du hast damit nicht nur deinen Vater verloren, sondern es fällt von jetzt auf gleich auch der Druck der Pflege weg. Das ist oberflächig gesehen vielleicht postiv für dich, aber manchmal fallen Angehörige dadurch auch in ein zusätzliches "Loch". Ich kann es nur schwer beschreiben, aber du hast deinen Vater verloren und wirst plötzlich "nicht mehr gebraucht". Ich glaube, das macht es auch nicht einfacher .... (sorry, wenn ich damit vollkommen daneben liege!).
Weil Kakao an Bäumen wächst, ist Schokolade irgendwie auch Obst! (gelesen auf einem Frühstücksbrettchen)

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Dampfnudel
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Beitrag Do., 17.11.2011, 18:39

Ihr Lieben,

vielen Dank!

Dir, Widow, auch eine ganz liebe Umarmung

Proserpina, Trigger suche ich auch, aber damit habe ich bislang noch ganz schöne Schwierigkeiten. Das hier
]quote="Proserpina"]Ich musste lernen, den Kopf abzuschalten, damit das was da tief im Bauch saß, wie ein Stachel in meinem Fleisch, seine Stimme erheben konnte, die oftmals keine Worte hatte, nur Schluchzen und heiße Sturzbäche. Und manchmal, eigentlich sehr oft, da war da einfach nur schweres Schweigen. Etwas Unheilschwangeres, Erstarrtes in mir, dass da stand wie eine Salzsäule und um das mein Alltagsleben brandete, was jedoch meinen, diesen erstarrten Kern, nicht mehr zu berühren vermochte. Das zu ertragen, das war das Schwierigste. Aber als ich lernte es erst einmal so hinzunehmen, mir zu sagen: 'Okay, das ist jetzt einfach so, was machen wir denn jetzt mit dem Tag?' - da begann es in wundersamer Weise sich zu verändern. Es entstanden Risse, aus denen langsam die Traurigkeit zu rinnen begann.[/quote]
kann ich mir aber gut vorstellen. Dieses komische Schweigen kenne ich auch, glaube ich. Und was ist bei Dir passiert, als die Traurigkeit herauskam?

abendrot, puh, das ist echt eine Herausforderung, einfach abzuwarten... aber seit meiner letzten Therapiestunde hat die Betäubung sogar ein wenig nachgelassen. Jetzt ist es schon etwas leichter zu ertragen. So wie es jetzt ist, kann ich vielleicht wirklich abwarten. Wenn's denn hilft...Ich war immer so ein Leistungsmensch, der alles möglichst schnell erledigen wollte. In den Depressionen habe ich immerhin schonmal gelernt, dass eben nicht alles geht, wenn man sich nur genug zusammenreißt, sondern dass es manchmal eben auch gar nicht mehr gehen kann. Jetzt muss ich vielleicht lernen, dass sich eben nicht alles beschleunigen lässt, wenn man sich nur genug Mühe gibt, sondern dass manche Dinge eben einfach ihre Zeit brauchen.

Liebe Grüße Euch allen
Dampfnudel
Alles hat seine Zeit.

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abendrot79
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Beitrag Do., 17.11.2011, 22:04

Dampfnudel hat geschrieben:Jetzt muss ich vielleicht lernen, dass sich eben nicht alles beschleunigen lässt, wenn man sich nur genug Mühe gibt, sondern dass manche Dinge eben einfach ihre Zeit brauchen.
Oh ja, das kommt mir bekannt vor (auch mein zweiter Vorname hat irgendwas mit Ungeduld zu tun ) und meine Thera meinte in der letzten Stunde zu dem Thema "Tempo der Therapie" nur, sie würde mich begleiten, aber ganz bestimmt nicht dabei untersützen, über mein eigenes Tempo hinaus zu powern. Das wäre verschwndete Zeit .... UFF, das sass!
Weil Kakao an Bäumen wächst, ist Schokolade irgendwie auch Obst! (gelesen auf einem Frühstücksbrettchen)

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Dampfnudel
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Beitrag So., 20.11.2011, 22:49

Totensonntag. Heute war ich mit meiner Mutter in der Kirche. Die Namen aller in diesem Jahr verstorbenen Gemeindemitglieder wurden vorgelesen (erschrocken musste ich feststellen, dass auch ein Schulkamerad von mir dabei war!), und vor dem Abendmahl konnten alle, die um jemanden trauerten, sei es, dass er dieses Jahr verstorben ist oder schon früher, eine Kerze anzünden. Sie sollten auf diese Weise symbolisch mit dabei sein können beim Abendmahl und den Gottesdienst überhaupt. Das konnte ich mir ganz gut vorstellen und fand die Veranstaltung eigentlich ganz schön. Beim Kerzenanzünden standen direkt vor mir ein Witwer mit seiner fünfzehnjährigen Tochter, deren Frau bzw. Mutter im Juni kurz nach meinem Vater ganz plötzlich und unerwartet gestorben ist (ich kannte sie und den Mann, weil ich früher mit ihnen Musik gemacht habe). Sie hielten einander im Arm und weinten. Da konnte ich plötzlich auch ein kleines bisschen weinen, ganz ohne mich vorher extra darum zu bemühen. Das hat sich erleichternd angefühlt. Wenn das doch nur öfter ginge!

Meine Betäubung ist inzwischen nicht mehr so schlimm. Ich bin immer noch ziemlich abwesend und starr, aber die Watte in meinem Kopf lichtet sich ein kleines bisschen. Manchmal verspüre ich sogar ein bisschen Traurigkeit, aber nicht genug, um weinen zu können. Ich versuche es jetzt tatsächlich, nicht so aktiv nach der Trauer zu suchen, sondern mehr abzuwarten. Meine Thera hat mir ja geraten, mir jeden Tag ein bisschen Zeit zu nehmen, in der ich Kontakt zu meinem Vater aufnehme, aber da komme ich genauso schlecht heran. Auch dafür müsste ich sehr aktiv an die Sache herangehen, um meine innere Glastrennwand zu durchbrechen. Aber vielleicht ist es auch der Verzicht darauf, der bewirkt, dass ich nicht mehr ganz so außer Gefecht gesetzt bin. Vielleicht kostet es wirklich zu viel Kraft.
Alles hat seine Zeit.

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