Grenzen, Grenzerfahrungen....

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stern
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Beitrag Do., 03.11.2011, 12:28

Lilly111 hat geschrieben:Stimmt. Man darf sich schon fragen, warum genau man an die eine oder andere Grenze geht. Aber ist es immer Kompensation?
das wollte ich auch nicht sagen, dass es das immer sein muss. War es bei mir auch nicht, was früher sportl. Aktivitäten anging. Denn wenn individuell beim Sport auch der Leistungsaspekt eine Rolle spielt, dann geht es ja gerade auch darum, bisherige Leistungsgrenzen zu erweitern, um auf ein neues Niveau zu kommen... was ja nur geht, wenn man die bisherige Grenze überschreitet... und man auch mal am Limit (aka z.B. Maximalkraft, Maximalbelastung, etc. trainiert). Aber das macht eben nur einen Teile von dem aus, was bei vernüftiger Planung zusätzlich nötig ist (vgl. auch montagne, z.B. auch Regeneration, etc.). Auch ein Marathonläufer oder wer den Ironman bestehen will, läuft weiß Gott nicht nur Marathons zur Vorbereitung. Oder letzterer schwimmt eben nicht permanent bis zur Grenze der Erschöpfung in Gewässern umher... auch, um best. Risiken gerade nicht herbeizubeschwören (in dem Fall z.B. die der Überlastung und mithin ggf. Verletzung, die einen Totalausfall für längere Zeit bedeuten könnten).

Aber man kann sowas auch zur Kompensation nutzen, was insofern bedenklich ist, dass man eine Lücke nur vermeintlich schließt... nicht die, um die es eigentlich geht. Bei mir z.B. zum Teil auch Selbstbestätigung und -kontrolle, sich selbst süren, etc. Ist nicht per se negativ, weil das ja wirklich eine gute Quelle sein kann (für was auch immer, meinetwegen auch für Lebensfreude). Kann es aber IMO werden, wenn man wegen Exzessen in die Erschöpfung kommt (sich oft am Limit zu bewegen birgt dieses Risiko) oder man manches damit radikal ausblendet (z.B. dass Lebenfreude im alltäglichen Leben kaum vorhanden ist, um in deinem Bsp. zu bleiben).
Klar, im Negativen, die andere Seite, Alkohol oder Drogen, ist es die klassische Kompensation. Verdrängung der Leere, das Nicht-hinschauen-wollen usw.
Für mich macht es weniger die Art an sich aus, ob es schädlich sind (na gut, Exzess von Alk, Drogen oder Medis ist per se eher schädlich), sondern auch die Motivation bzw. das Risiko, das man dabei eingeht (Risikoverhalten ist da wohl ein Stichwort, das bereits jemand nannte). So kann jemand Raser sein und gleichzeitig wenig Risikoüberlegungen walten lassen... kick suchen (bzw. das Risiko macht geraden den Kick aus, z.B. auch S- oder U-Bahn-Surfen), und eigen- oder fremdgefährdung in kauf nehmen. Beim nächsten ist es vielleicht Leichtsinn oder Selbstüberschätzung... und wiederum ein anderer will dieses Risiko am liebsten gar nicht, fährt aber trotzdem schneller, soweit er das Risko meint im Rahmen halten zu können. Vom Naturell her bin ich eher ein sicherheitsbedachter Mensch... schließt weiß Gott nicht aus, dass ich manches auch wage (bin ich mancher Hinsicht gar nicht so ängstlich, obwohl best. Ängste einen Teil meiner Störung ausmachen. Erinnere mich in der Klinik, wo eine Gruppe von Patienten einen Termin im Hochseilpark arrangierten und auch mich fragten. Eine erzählte mir dann was von "iss auch gut, um Ängste überwinden zu lernen", etc. Dachte mir nur: Na ja, direkt Angstkonfrontation wäre das bei mir nicht... eher fun)... aber auf unkalkulierbares Risiko stehe ich absolut nicht (wobei manchem natürlich per se mehr Risiko innewohnt... und selbst beim noch so sicheren Autofahren ist man nicht dagegen gefeit, dass man selbst mal einen Fehler macht oder ein anderer.. oder höhere Gewalt).

Allgemein: Grenzen ("vernüftig") überschreiten zu können, setzt auch voraus, sein Grenzen im wesentlichen wahren zu können und diese überhaupt zu erkennen bzw. zu antizipieren. Ich denke, die eine odere andere Grenzerfahrung kann auch daraus resultieren, wenn man des eben nicht kann oder sich selbst überschätzt. Alles andere sind relativ risikobesetzte Grenzerfahrungen... eben Spiel mit dem Feuer, das gut ausgehen kann, aber genauso nach hinten losgehen kann... worauf ich nicht wirklich stehe... und dem ich persönlich auch schwer etwas postives abgewinnen kann, wenn man eher auf Glück angewiesen ist. Weiß nicht, worin da der Nutzen bestehen soll... denn dann kann man ja bestenfalls sagen: Mit Glück habe ich xy geschafft... was nicht mal etwas in puncto Selbstwirksamkeit bringt. Sondern dabei geht es vielleicht wirklich eher darum, ein Manko (wie innere Leere), das so kompensiert werden soll/muss (mangels fehlender Alernativen). Muss es nicht, aber von der Tendenz her... umso mehr, je mehr man dabei selbst das Leben (eine absolute Grenze) aufs Spiel setzt? Montagne formulierte es besser:
Ich glaube sich in Exremsituationen zu bringen, sei es durch Drogen, Risikoverhalten, Sport kann viel damit zu tun haben die Leere zu füllen, sich endlich zu spüren, muss es aber nicht zwangsläufig, denke ich.
Grenzerfahrungen durch höhere Gewalt, Traumata bzw. von aussen aufgezwungene meine ich nicht... gibt es natürlich auch.
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stern
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Beitrag Do., 03.11.2011, 13:14

Ich glaube man kann Angst nur überwinden, wenn man sich bewußt wieder in die angstauslösende Situation begibt. (Konfrontationstherapie) Um dann - hoffentlich - festzustellen, dass die Angst unbegründet ist / war.

Stimmt... aber ich sehe auch eine Einschränkung: Nämlich die, dass es nur dann etwas bringt, wenn man die Erfahrung macht, dass sich dabei Ängste auch wieder runterpegeln können... bzw. man diese Fähigkeit dazu hat, damit umzugehen. Konfrontationstherapie erfordert auch oft viel Vorbereitungszeit, während die eigentlich Konfrontation dann eher kürzer ist (um nicht zu sehr auf das "hoffentlich" angewiesen zu sein).

Also dass sich das sozusagen auch INNERHALB best. Grenzen bewegt bzw. die Maximalangst zwar gestreift wird (wobei das in der Angstbehandlung auch nicht unbedingt nötig ist, aber bei Konfrontation wohl unumgänglich), die Angst aber dann wieder möglichst schnell in einem Rahmen ist, in dem man mit ihr umgehen kann (was die eigentlich wichtige Erfahrung ist, dass die Angst abflaut... weniger dass die Angst unbegründet ist... also einen Grund hat sie so oder so).

Es bringt IMO rein gar nichts, jemanden oder sich selbst munter zu konfrontieren, dann aber nicht damit umgehen zu können... und stattdessen durch Eskalation wieder ÜBER die Grenze des aushaltbaren oder machbaren zu gelangen... das wären IMO eher nicht so förderliche Grenzerfahrungen bzw. Negativerfahrungen. Auch wäre es IMO nicht sinnig einen Job anzunehmen, für den man die Voraussetzungen so gut wie nicht mitbringt. Klar sind das dann Grenzerfahrungen... aber eben solche, die absehbar vermutlich überfordern. Angstbehandlung ist Grenzerfahrung also auch nur zum Bruchteil (wenn überhaupt)... und wenn dabei Grenzen/Barrieren massiver überschritten werden IMO wirklich nicht förderlich... sondern dann macht man nur wieder die Erfahrung, dass man manches eben nicht begrenzen kann (hier die Angst). Wenn man best. Grenzen nicht beachtet, wird es wiederum "riskant" (hier wäre das Risiko, dass dann eher noch Angstverstärkung herbeigeführt wird).
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carö
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Beitrag Do., 03.11.2011, 13:24

liebe lilly,
Wem gibst du mehr Schuld, deinem Vater oder deiner Mutter? Oder hast du soweit damit abgeschlossen? (wenn du antworten magst)
gestern wollte ich schon spontan antworten. hab hin und hergedacht, wie das eigentlich für mich ist... schuld ist für mich nicht das richtige wort. schuld möchte ich auch nicht gewichten in der kategorie, mehr oder weniger.
oder anders: ich gebe ihnen keine schuld mehr. das war früher. heute empfinde ich das anders. meine eltern waren beide so sehr mit sich selbst beschäftigt, mit ihrer komplizierten und destruktiven beziehung und ihrem destruktiven inneren weltbild, sie waren selbst im grunde schwerverletzte, die nicht in der lage waren, auf ihre eigenen grenzen zu achten, geschweige denn auf die von anderen. sie waren zeit lebens nicht in der lage, eine wirklich gute emotionale entwicklung zu machen, haben sich selbst und anderen viel angetan. sie haben immer unter massiven schuldgefühlen gelitten - das weiss ich, leider ohne in die lage zu kommen, sich ihrer verantwortung zu stellen. ich würde insofern lieber von verantwortung sprechen, anstatt von schuld.
diese erfahrungen sind ein teil meines lebens. inzwischen so halbwegs verstanden und sortiert. aber ich denke, unter großer belastung - nicht im alltag - kann das wieder aktiv werden. insofern glaube ich, dass das nie wirklich ganz abgeschlossen werden kann, sonst müsste ich es mir aus der seele reissen. und das will ich nicht. ich glaube, es war besser für mich, es verwandeln zu können... von zu schwerem und fast erdrückendem gepäck wurde es eher zu meinem background, zur erdung, zu meinem persönlichen hintergrund, der mir hilft, mich zu orientieren, wenn ich mich mal wieder fragen sollte, woher ich komme und wohin ich gehen möchte. das kann mir niemand nehmen ...
montange hat geschrieben:Manchmal sind es die Gedanken und Vorstellungen, Vorurteile, die wir über etwas haben und die uns hemmen, hindern weiter voran zu schreiten. Aber wnen man Schritt für Schritt geht, nur der nächste Schritt, der nächste Tag, kann man es schaffen. wenn man es wagt, trotzt allem.
damit kann ich mich sehr identifizieren.

LG
Es ist krass, was man erreichen kann, wenn man sich traut. (Aya Jaff)


montagne
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Beitrag Do., 03.11.2011, 14:16

@stern:
Grenzerfahrungen durch höhere Gewalt, Traumata bzw. von aussen aufgezwungene meine ich nicht... gibt es natürlich auch.
Meine ich in meinem Beitrag aber auch mit.
Für mich ist es eine grundlegende, die erste Frage, ob es von außen aufgezwungen wurde, durch andere menschen, höhere Mächte oder ob es selbst gewählt wurde.

@Lilli
Das ist bei mir auch ein Aspekt. Z.B. jetzt bei dem geplanten neuen Job bzw. der Ausbildung dazu. Es gibt eine Menge guter, rationaler Gründe das zu tun, aber auch den, vielleicht endlich mal jahrzehntealte Ängste zu überwinden.
Interessant. Ich stand vor einer ähnlichen Entscheidung. Ich sehe es für mich so, ich bin psychisch gesehen eher bequem. Ich hätte keine Motivation mich irgendwelchen Ängsten zu stellen, sie zu bearbeiten, nur um des Bearbeitens selbst willen. Für mich ist das Bearbeiten Mittel zum Zweck. Ich stelle mich den Ängsten, um dann mehr Handlungsfreiheit zu haben, um etwas erreichen zu können, dass ich nicht erreichen könnte, wenn ich mich den Ängsten ergebe. Bsp. berufliche Neuorientierung. Sinn ist für mich darin ein erfülltes Leben zu führen und finanziell abgesichert zu sein. Um das eines tages zu schaffen, muss ich imer wieder Ängste überwinden.

Sind für mich aber keine Grenzerfahrungen im engeren Sinne. Eher herausforderungen des lebens. und die zu bewältigen gelingt mir besser, mit dem Wissen, welche wirklichen Grenzsituationen ich bereits gut gemeistert habe. Da kann ich mir das Gefühl meiner Kräfte wiederholen. Aber auch das Wissen, ich habe es eben gut vorbereitet und ausdauernd dafür trainiert. Und das sind eben Dinge, die mir auch im Alltag weiter helfen Herausforderungen zu meistern.


Noch etwas fällt mir ein:
Zumindest bei mir spielt auch mit rein, das ich in der Kindheit viele (emotionale) Grenzerfahrungen machen musste. Viel Kontrollverlust und Hilflosigkeit. Von diesem Gefühl der Hilflosigkeit ist in mir drin noch all zu viel. Ich brauche dieses Gefühl, das Wissen, woh, ich kann Berge besteigen, die andere nur im TV sehen, ich kann Distanzen radeln, die andere nur mit dem Auto fahren, usw. ich muss es mir imemr wieder plastisch versichern, dass ich Kräfte habe und nicht (mehr) hilflos bin.
Braucht es da nicht auch sowas wie Urvertrauen? Vielleicht sogar (unbewußt) den Gedanken: ich bin unverwundbar (sind wir nicht wirklich, aber gefühlt vllt schon?), so wie: mir passiert nichts, ging bisher immer gut, wird es auch diesmal. Was ein sich-einlassen auf die Situation, sich-fallenlassen, Kontrolle abgeben bedeuten würde. Man überschreitet bewußt die Grenze, in der man die Situation noch selbst unter Kontrolle hat. Ist das der Kick?
Da muss ich echt überlegen. Ist es der Gedanke/das Gefühl "ich bin unverwundbar", was ich tatsächlich irgendwo so erlebe oder nicht sogar der Wunsch, trotzt all dem Positiven was ich bisher schrieb einen Dämpfer verpasst zu kriegen. Der Wunsch etwas von diesem Größengefühl, von ich weiß, es ist nicht nur gesund, loszulassen.
Denn jedes mal, wenn ich es zu spüren bekomme, das meinem Körper Grenzen gesetzt sind, dass ich nicht alles beherrschen kann, egal wie gut ich mich vorbereite, werde ich ein Stück weit Demüter dem leben und dem Alltag gegenüber. kann mehr Würdigen, was ich im Alltag erreiche, leiste, habe und das macht mich denke ich ruhiger.
Ich brauche aber manchmal die Extreme um das zu fühlen. Ich weiß, mein Körper hat Grenzen. Ich sitze heute hier und habe Rückenschmerzen, kann mich nicht gut bewegen, wegen Blockierungen im Rücken. Aber ich fühle diese Grenzen oft nicht. Ich fühle mich dennoch irgtendwo unverwundbar.
ich glaube da sist mit ein Punkt warum ich äußere (und auch innere) Grenzerfahrungen suche. Um genau das zu erfahren.. Grenzen. (:
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geronimos secret
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Beitrag Do., 03.11.2011, 14:27

Hat deine (offenbare?) Grenzüberschreitung dazu geführt, dass du jetzt extrem vorsichtig geworden bist?

Nein, denn extreme Vorsicht hieße in das gegenteilige Muster überzugehen, was auch nicht gut ist.
Ich sehe es so: Grenzen auszutesten und zu überschreiten gehört mMn unbedingt zur menschlichen Entwicklung dazu und hat zur gegebenen Zeit durchaus seine Berechtigung, z.B. im Teenageralter (ich selbst war in dieser hinsicht sicherlich ein typischer Teenager ) Irgendwann sollte man dann aber erwachsen werden, was für mich bedeutet, seine innere Mitte zu finden, also "geerdet" zu sein. Viele haben angst vor dem Erwachsenwerden, weil das bedeutet, dass man Verantwortung übernehmen muss. Ein Leben in Extremen ist für mich ein verantwortungsloses Leben.
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Lilly111
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Beitrag Do., 03.11.2011, 15:17

Danke für eure Antworten.
Step by step....

@stern
Gute Beschreibung mit der Konfrontation. Ja, das Abflauen der Angst zu spüren, ist wohl das Entscheidende. Beim zweiten-, drittenmal ist der Angstpegel erst gar nicht so hoch und / oder flaut schneller ab. So funktioniert das wohl auch bei mir im Wesentlichen bzw. so stelle ich mir das für diesen zukünftigen Punkt vor. Wenn ich merke, dass stattdessen der Pegel stetig steigt ohne dagegen anzukommen, dann lasse ich es auch. Da passe ich auf mich selbst auf. Mal von abgesehen, dass ich da auch nicht allein bin und Leute anwesend sind, die genau auf diese Angstsituationen geschult sind.
(Hört sich jetzt schlimmer an, als das alles ist, aber ich will nicht direkt schreiben, worum es geht.)
stern hat geschrieben:Auch wäre es IMO nicht sinnig einen Job anzunehmen, für den man die Voraussetzungen so gut wie nicht mitbringt.
Dem ist nicht so. Ich leide nicht bspw. unter Höhenangst und habe mir in den Kopf gesetzt Dachdecker zu werden.
Aber im Rahmen der Ausbildung - und nur während der Ausbildung, im Beruf später ist es nicht mehr relevant - werden bestimmte Anforderungen gestellt, die ich eigentlich kann, deren Auffrischung jetzt aber schon etwas angstbesetzt sind, weil meine letzte Berührung mit dem, sag ich jetzt mal Schäferhund , etwas negativ verlaufen ist. Ich muss also "nur" wieder lernen: der tut nichts, der will nur spielen. Dreimal streicheln ohne gebissen zu werden, dann geht der Pegel schon spürbar runter. Denke ich mal.

Fortsetzung folgt.
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Lilly111
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Beitrag Do., 03.11.2011, 18:54

@carö
diese erfahrungen sind ein teil meines lebens. inzwischen so halbwegs verstanden und sortiert. aber ich denke, unter großer belastung - nicht im alltag - kann das wieder aktiv werden. insofern glaube ich, dass das nie wirklich ganz abgeschlossen werden kann, sonst müsste ich es mir aus der seele reissen.
Ja. Und ja, gut, dass du (inzwischen) mit so viel positiver Distanz auf die Dinge blicken kannst. Als ich deine Zeilen gelesen habe, habe ich spontan deiner Mutter mehr Schuld gegeben, oder besser: bei ihr die größere Verantwortung gesehen. Aber es sind immer beide.

Vielleicht sollte man auch gar nicht versuchen es ganz abzuschließen. Irgendwo hieße das auch, sich von seiner eigenen Erziehung verabschieden zu wollen. Wir haben es überlebt und wir sind zu einem guten Teil genau deshalb die Menschen, die wir heute sind. Im Positiven, wie im noch Entwicklungsfähigen.

Meine Eltern haben einen erheblichen Teil zu meinem heutigen Umgang mit Grenzen beigetragen. Mutter war ihr Leben lang ängstlich, mit geringem Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, Vater war der Gegenpol. Ich als Kind dazwischen, natürlich auf die höchsten Bäume (schau Mama was ich kann, und noch einen Ast höher, und *rumms*, es war nur ein Kirschbaum, keine Eiche). Der Hang zum 'jetzt gerade', es Mama und mir, später nur noch mir selbst beweisen zu wollen - und dabei an Grenzen zu gehen oder vllt darüber hinaus -, liegt sicherlich zum Teil auch darin begründet. Irgendwo auch der kindliche Kampf um Anerkennung.

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Beitrag Do., 03.11.2011, 21:19

montagne hat geschrieben:Meine ich in meinem Beitrag aber auch mit.
Für mich ist es eine grundlegende, die erste Frage, ob es von außen aufgezwungen wurde, durch andere menschen, höhere Mächte oder ob es selbst gewählt wurde.
Sehe ich vom Prinzip genauso, dass das eine sehr wichtige Unterscheidung ist... und dass das natürlich Grenzerfahrungen schlechthin sind. Nur in meinen Beiträgen will ich das bewusst ein bissi außen vor lassen. Dass du oder auch andere das aufgreifen/einschliessen hatte ich auch so verstanden. So wird es jetzt vielleicht klarer. Bestenfalls könnte man noch darüber reden, ob notgeborene handlungen (auf die ich z.B. mangels Alternativen angewiesen bin, um ein Lücke zu stopfen) wirklich frei gewählt sind... Imo auch nicht immer.

Auch das sehe ich im Prinzip ähnlich, dass Herausforderungen nicht im selben Atemzug Grenzerfahrungen i.e.S. sind:
Sind für mich aber keine Grenzerfahrungen im engeren Sinne. Eher herausforderungen des lebens.
Ich hab' Grenzen, um die es im Thread auch geht, teils etwas weiter gefasst. Denke also, wir liegen nichtmal auseiander
Zuletzt geändert von stern am Do., 03.11.2011, 22:09, insgesamt 2-mal geändert.
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Beitrag Do., 03.11.2011, 21:46

Lilly111 hat geschrieben:
stern hat geschrieben:Auch wäre es IMO nicht sinnig einen Job anzunehmen, für den man die Voraussetzungen so gut wie nicht mitbringt.
Dem ist nicht so. Ich leide nicht bspw. unter Höhenangst und habe mir in den Kopf gesetzt Dachdecker zu werden.
Oh echt ? .Wenn man sich die Voraussetzung aneignen kann bzw. Ängste überwinden kann, bringt man die Voraussetzung ja mit. Ich schließe auch weiß Gott nicht aus, dass man sich manches aneignen oder manches überwinden kann (genau das ist ja Weiterentwicklung).

Nur ansonsten: wenn man einen Job ausübt, in dem man auf Dauer überfordert ist, schlichtweg weil man sich mehr zumutet als man leisten kann, so halte ich das nachwie vor für einen zielsicheren Weg ins burnout (nicht nur bezogen auf einen Job, sondern im weiteren Sinne auf alles, was auf Dauer überfordert. Wenn ich mich 14 Tage zusaufen würde bei kaum schlaf, sagt mir mein Körper auch früher oder später: jetzt stopp und verordnet mir notfalls eine Zwangspause... umso mehr, wenn ich auch diese Grenze noch aushebele). Und ich glaube auch wirklich nicht, dass ein Dachdecker sich einen Gefallen tut, wenn er regelmäßig auf einem Dach Panikattacken erleiden würde. Ich denke vielmehr, es ist wichtig, dass der Job (oder vieles andere auch) weitgehend nicht etwas sein sollte, womit man täglich mit seinem persönlichen Limit/Grenzen konfrontiert ist... weil nur allzuleicht landet man sonst in der Überforderung. Nicht sofort, aber früher oder später.

Grenze ist eben Grenze... und ständig am Anschlag zu leben kostet umgemein kraft, was mir mittlerweile zu anstrengend wäre (bzw. ich habe aus manchem gelernt... bezogen auf mich jetzt auch nicht jobmäßig gemeint). Wenn man Grenzen erweitern kann: gut (dann bewegt man ja evtl. auch wieder innerhalb der Grenze) . Manche Herausforderungen: gut (brauche ich auch). Aber häufig am Rand zu sein, macht man nicht unbedingt auf Dauer mit (ohne Konsequenzen). Denn Extreme sind per se anstrengender zu leben. Vielleicht liegt es daran, dass ich z.B. in emotionaler Hinsicht genug Intensität im Leben habe, dass ich nicht auch noch viel äußere Intensität suchen mag (und durchaus auch schon in Kontakt mit burnouts gekommen bin, auch dank div. Kompensationsanstrengungen), dass ich mir mittlerweile eher den Ruhepol etwas ins Boot holen will... eben um gerade nicht so in extrempolen zu verweilen.... nicht auf Dauer. Sondern auf Dauer lieber balancieren können und ein gewisses Maß an Ausgeglichenheit...durchaus mit manchen Brisen/Spitzen. Aber nicht leben am Limit.
Zuletzt geändert von stern am Do., 03.11.2011, 22:54, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag Do., 03.11.2011, 22:37

Der Hang zum 'jetzt gerade', es Mama und mir, später nur noch mir selbst beweisen zu wollen - und dabei an Grenzen zu gehen oder vllt darüber hinaus -, liegt sicherlich zum Teil auch darin begründet. Irgendwo auch der kindliche Kampf um Anerkennung.
jo...ich weiß was du meinst. Die Frage ist, trägt man dieses Muster bzw. diesen Kampf bis in Erwachsenenleben weiter. Denn klar kann es auch in die Erschöpfung treiben, wenn (noch) sehr in dem alten Programm verstrickt ist, sich oder anderen ständig etwas beweisen zu müssen. Wenn mich irgendein "Muster" treibt, so ist das auch nicht unbedingt das, was ich unter wirklich frei gewählter Alternative verstehe. Im Gegenteil... oft eher etwas notgeborenes, das wenig Handlungsspielraum lässt, solange man nicht neue Wege erschließt.

Und ich würde es auch nur eingeschränkt so sehen, dass man später in jeden Fall wirklich sich selbst etwas beweist (nur weil die Bezugspersonen nicht mehr physisch anwesend sind). Denn das fiese ist: Im Innenleben kann (z.B. von Eltern) verinnerlichter Mist ja noch weiter wirken... und es kann dann durchaus auch so sein, dass ich etwas mache, nicht um mir etwas zu beweisen, sondern sozusagen, wieder den Elternteilen, die jetzt nur ins Innere genommen wurden (aber nicht mehr physisch präsent ist). Ist dann quasi nur eine Verlagerung... aber das Muster dasselbe. Ein Muster das IMO in die Erschöpfung führen kann, wenn das die vorwiegende Quelle für Anerkennung ist oder sein muss. Und auch das ist, was ich mit "Kompensation" meine... hier eben Kompensationshandlung für fehlende Anerkennung, Wertschätzung (sei es real oder gefühlt, weil noch alte, verinnerlichte "stimmen" ihren senf dazu geben).
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Beitrag Fr., 04.11.2011, 15:25

montagne hat geschrieben:Ich stelle mich den Ängsten, um dann mehr Handlungsfreiheit zu haben, um etwas erreichen zu können, dass ich nicht erreichen könnte, wenn ich mich den Ängsten ergebe. Bsp. berufliche Neuorientierung. Sinn ist für mich darin ein erfülltes Leben zu führen und finanziell abgesichert zu sein. Um das eines tages zu schaffen, muss ich imer wieder Ängste überwinden.
Ja, genauso ist es. Aber ich könnte natürlich auch den Weg des geringsten Widerstandes gehen und mich in ein schäferhundfreies Büro setzen. Nur a) wüßte ich, ich werde da auf Dauer auch nicht glücklich und b) kitzelt eben schon ein bisschen die Herausforderung. So: 'wenn du jetzt die Gelegenheit hast, das Praktische (den neuen Job mit vielen Vorteilen) mit dem Nützlichen (Angstabbau) zu verbinden, dann tue es.'

Stimmt natürlich, es sind Herausforderung, nicht so das klassische bis an die Grenze gehen. Aber wir können hier bitte gern auch im etwas weiter gefassten Sinne über dieses Thema diskutieren.
montagne hat geschrieben:Da muss ich echt überlegen. Ist es der Gedanke/das Gefühl "ich bin unverwundbar", was ich tatsächlich irgendwo so erlebe oder nicht sogar der Wunsch, trotzt all dem Positiven was ich bisher schrieb einen Dämpfer verpasst zu kriegen. Der Wunsch etwas von diesem Größengefühl, von ich weiß, es ist nicht nur gesund, loszulassen.
Ja? Mir geht es wohl genau umgekehrt.
Ich habe mich ganz viele Jahre unverwundbar gefühlt, ein Glückskind eben, vom Leben verwöhnt. Gefühlt wohlgemerkt, tatsächlich nicht so ausschließlich. Und dann kam die Krankheit. Krebs. Der Schock schlechthin. Alles gut überstanden, Prognose gut. Aber was mir danach lange, lange zu schaffen gemacht hat, war, dass mir eben dieses Gefühl der Unverwundbarkeit abhanden gekommen war. Die Natur, das Leben, der Pathologe hatten mir gezeigt, ich bin es nicht. Verdammt. Gleichzeitig (oder deswegen?) habe ich auch ein Stück weit meine Unbekümmertheit, meine Leichtigkeit dem Leben gegenüber verloren. So dieses Urvertrauen, wird schon, es gibt immer eine Lösung. Da war ganz oft der Wunsch, ich will mein altes Leben zurück. Gibt es nicht, abgehakt, gibt "nur" ein neues. Und ja, natürlich versuche ich so hintenrum durch die kalte Küche, eben doch wieder mein altes Leben wiederzubekommen. Vielleicht auch gerade deshalb, weil ich eine Phase durchlebt habe, wo ich mich mehr tot als lebendig gefühlt habe. (was medizinisch betrachtet nie wirklich so war, aber eben gefühlt). Gefühlt dem Tode näher als dem Leben. Da will ich jetzt das Leben wieder richtig spüren.

montagne, mit der Demut dem Leben gegenüber stimme ich dir zu. Bei mir ist da auch sowas wie Ehrfurcht gegenüber der Natur, der Technik, gegenüber allem, was einem die eigenen Grenzen aufzeigt.
Aber ich fühle diese Grenzen oft nicht. Ich fühle mich dennoch irgendwo unverwundbar. ich glaube das ist mit ein Punkt warum ich äußere (und auch innere) Grenzerfahrungen suche. Um genau das zu erfahren.. Grenzen. (:
Interessante Sicht. Fühlen wir uns nicht frei(er), wenn wir glauben es gäbe keine Grenzen?
Aber das kann man vllt auch nicht verallgemeinern. Z.B. im partnerschaftlichen Bereich brauche ich sehr klare Grenzen. Wenn sich Jemand nicht abgrenzen kann, ich die Grenzen des Gegenübers nicht sehe oder zu spüren bekomme, dann suche ich nach diesen Grenzen. Ich will, ich muss sie sehen können.

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Lilly111
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Beitrag Fr., 04.11.2011, 17:33

@stern
Ich mag deine Beiträge, ganz ausdrücklich ! Auch wenn ich dir inhaltlich manchmal widerspreche(n muss).
stern hat geschrieben:Nur ansonsten: wenn man einen Job ausübt, in dem man auf Dauer überfordert ist, schlichtweg weil man sich mehr zumutet als man leisten kann, so halte ich das nachwie vor für einen zielsicheren Weg ins burnout...
Da gebe ich dir recht.
Aber mit den beiden Jobs, dem jetzigen und hoffentlich zukünftigen, verhält es sich genau umgekehrt. Wenn ich im jetzigen noch 20 Jahre weiter mache, bin ich ziemlich sicher noch weit vor der Rente nicht mehr wirklich arbeitsfähig und zumindest burnout-gefährdet. Überforderung aufgrund katastrophaler Arbeitszeiten (unter 60 Wochenstunden geht gar nichts, bitte keinen Hinweis auf Gewerkschaft, Tarif, Rechte etc - kenne ich alles, aber in der Branche gilt nur ein Gesetz: love it or leave it, that's all) bei gleichzeitiger geistiger Unterforderung. Auf Dauer eine ungute Mischung. Ich kenne genug ausgebrannte Kollegen. So möchte ich eben mal nicht "enden".
Im neuen Job habe ich flexible, aber stundenmäßig geregelte Arbeitszeiten, Tarifvertrag ist kein Fremdwort, Verdienst ist besser und ich bin geistig gefordert. Eine Menge Vorteile. Davon trennt mich "nur" noch eine einjährige Ausbildung, die kein Zuckerschlecken wird. Und der Schäferhund.
Dafür lohnt es sich schon mit ihm Freundschaft zu schließen.
stern hat geschrieben:Und auch das ist, was ich mit "Kompensation" meine... hier eben Kompensationshandlung für fehlende Anerkennung, Wertschätzung (sei es real oder gefühlt, weil noch alte, verinnerlichte "stimmen" ihren senf dazu geben).
Auch Zustimmung, grundsätzlich erstmal. Wobei ich für mich halt das Muster sehe, dass es das gab und vielleicht auch zum Teil noch gibt. Aber wer kann für sich selbst schon ganz genau beurteilen, wieviel Einfluß es noch auf heutige Entscheidungen hat? Inwieweit noch die Erziehung nachwirkt. Oder auch nicht. Haben sich unsere Theras völlig von ihren unguten Anteilen der Erziehung "befreit"? Ich wage das zu bezweifeln.
stern hat geschrieben:Aber nicht leben am Limit.
Nur ein bisschen. Manchmal.

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