False Memory Syndrome

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krabath
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Beitrag Mi., 03.08.2011, 08:57

Füchsin hat geschrieben:Man spürt etwas, sortiert es aber aufgrund des mangelnden Vertrauens in die eigene Wahrnehmung anderswo ein, z.B. in die Schublade: "Wenn ich so empfinde, bin ich schlecht und schuldig. Deswegen packe ich das jetzt weg, es gibt diese Empfindung nicht!"
Ich bin mir nicht sicher (ist wohl ziemlich wackelig die Geschichte): Ich zweifelte nicht an meinen Gefühlen, die waren schon richtig. Ich zweifelte an mir und dass ich so war und eben diese Gefühle meine waren.
Ich habe mich einfach furchtbar geschämt, in diese Situation gekommen zu sein, sah mich verantwortlich dafür (wie gesagt, einfach so doof mich selbst hineinbugsiert zu haben). Im Nachhinein habe ich diese Situation als banal und unwichtig eingeschätzt, von mir ungerechtfertigt als sehr schmerzhaft eingestuft, deshalb als eigenes Unvermögen schubladisiert und abgehakt.

Nach dem Motto "Wegen einer solchen Banalität regst du dich so auf".

Heute merke ich, dass es in der Schublade immer noch genau so liegt.

Es muss nicht unbedingt weggepackt sein, vielleicht wurde es ja falsch eingepackt, was es unzugänglich macht.
Das, worauf es im Leben ankommt, können wir nicht vorausberechnen. Die schönste Freude erlebt man immer da, wo man sie am wenigsten erwartet hat. - Antoine de Saint-Exupéry

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Füchsin
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Beitrag Mi., 03.08.2011, 09:07

krabath hat geschrieben:Nach dem Motto "Wegen einer solchen Banalität regst du dich so auf".
So meinte ich es auch. Ich habe es vielleicht missverständlich ausgedrückt, natürlich gibt es nicht nur die Variante, die Gefühle ganz wegzupacken. Ich denke, wir verstehen uns da schon. Die Gefühle als solche werden als falsch bewertet, als übertrieben oder unzutreffend. Das kann einen innerlich enorm fertig machen. Bei mir liegt auch eine Menge an Gefühlen in dem Ordner "Unangemessen".

Aber was schmerzhaft ist, ist schmerzhaft. Es ist wirklich eine große Aufgabe, immer wieder neu zu verstehen, dass jedes Gefühl seinen Sinn und seine Berechtigung hat. Mein Therapeut tröstete mich mit der Bemerkung, auch das sei eine Frage der Übung.

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Passat
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Beitrag Do., 04.08.2011, 00:32

intheair hat geschrieben: Das FMS ist eine schlichte Behauptung. Die Forschung hat vergleichsweise "bescheidene" Daten geliefert:
Die Gehirnforschung ist ohnehin noch nicht sehr weit vorangeschritten. Man geht davon aus, gerade einmal 5% der Gehirnaktivitäten und -zusammenhänge weitestgehend erforscht zu haben.
intheair hat geschrieben:die Hälfte aller Probanden konnten eine Ballonfahrt als zu sich gehörig empfinden, also ein schönes Erlebnis, das zudem durch den damals noch "handfesten" Beweis einer Fotomontage suggeriert wurde.
Das Ballonfahrt-Erlebnis wird auch exemplarisch in dem Artikel beschrieben als eines der wenigen wissenschaftlich nachgewiesenen False-Memory-Phänomene.
intheair hat geschrieben:Hast Du denn die Vermutung, dass Du in diesem Fall als eine Art fremde Quelle in ihr Herz eingegriffen hättest?
Zumindest ist es ja immer mal wieder meine Befürchtung, ich könnte damals meine lebhafte Phantasie auf sie übertragen haben. Durch meine Gedanken habe ich vielleicht ihre im Dunkeln liegenden Erinnerungen "angereichert" und somit letztlich eine neue Erinnerung, aus "echten" und "falschen" Tatsachen bestehend, geschaffen. Vielleicht war sie in ihrer Kindheit und Jugend mit jenem Mann in mehreren (oder auch nur in einer) unangenehmen Situationen, so dass sie Übergriffe durch ihn befürchtet hatte, die jedoch nie stattgefunden haben. So wäre es doch denkbar, dass sie ihre angstbesetzte Erinnerung im Nachhinein und mit meinem Zutun "generiert" hat, um dieses bis dahin Undefinierbare nun vollständig zu beleuchten. Verstehst du was ich meine?
intheair hat geschrieben:Nein, das geht in eine andere Richtung. Meine Träume haben auf die Tatsache hingewiesen, dass mir das Verleugnen und Verstecken von Vorkommnissen zu schaffen macht. Sie wussten sich aber nicht anders zu helfen, als sich dabei Kriegszenerien zu bedienen.
Auch wenn dich diese Traumbilder wohl lange regelmäßig geschockt haben, finde ich es interessant, dass du ausgerechnet immer wieder vom Krieg geträumt hast. Interessant ist sowieso, wie Körper, Geist, (Psyche) und Seele zusammenspielen - auch um uns darauf hinzuweisen, dass etwas nicht stimmt und dass etwas im Argen Liegende "angegangen" werden will, gelöst werden will. Nun, das führt bei diesem Thema wohl zu weit...

Jedenfalls hast du ja offenbar etwas gelöst, so dass dein Organismus nun Ruhe gibt.

(Auf die Schnelle recherchiert: http://www.traumdeuter.ch/texte/2960.htm)
intheair hat geschrieben: Im Allgemeinen fühle ich ziemlich wenig im jeweiligen Moment, oder habe verlernt darauf zu achten. Ich träume aber sehr viel. Und fühle dabei belastend stark.
Du verlässt dich also mehr auf deine Träume als auf deine Gefühle?! Das kann ich mir erstmal so gar nicht vorstellen.
intheair hat geschrieben:Ich beneide Dich um Deine gefühlsmässige Sicherheit
Und ich glaube, ich beneide dich um dein Traumerleben. An Träume kann ich mich nämlich nur seltenst erinnern.
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Beitrag Do., 04.08.2011, 00:57

Füchsin hat geschrieben:Verstehe ich Dich richtig? Obwohl Du Dir Deiner Erinnerungen selbst recht sicher bist, fürchtest Du also, dass das tatsächlich möglich sein könnte?
Ich will es jedenfalls nicht ausschließen. Suggestionen können mächtig sein.
Vielleicht nicht ganz passend, kommt mir aber gerade trotzdem in den Sinn: Zwanghaftes Verhalten zum Beispiel wird oft auch nicht als von aussen "aufgedrängt" wahrgenommen. Ganz bestimmt aber spielt nicht nur ein verzerrtes Selbstbild sondern auch eine verzerrte Wahrnehmung auf das Aussen eine entscheidene Rolle dabei. So entstehen Zwänge dann wohl auch aufgrund subjektiv verzerrt wahrgenommener Erwartungen, die vermeintlich die Umwelt an den Betroffenen hat. Das ist doch auch eine Form der Suggestion.
Füchsin hat geschrieben:schließlich war die Person, die die Maßstäbe für richtige und falsche Gefühle setzte und von der ich als Kind und Jugendliche abhängig war, der Täter. Da zweifelt man nicht an der Rechtmäßigkeit der Geschehnisse, sondern fragt sich höchstens manchmal, warum man so komisch tickt und so widerstrebende Gefühle hat.
Es ist schön zu lesen, dass du das heute so reflektiert betrachten kannst, was dir damals widerfahren ist.
Das was du schreibst, habe ich übrigens kürzlich erst begriffen.
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intheair
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Beitrag Do., 04.08.2011, 09:47

Kehrusker hat geschrieben: So wäre es doch denkbar, dass sie ihre angstbesetzte Erinnerung im Nachhinein und mit meinem Zutun "generiert" hat, um dieses bis dahin Undefinierbare nun vollständig zu beleuchten. Verstehst du was ich meine?
woher kam denn das Undefinierbare, an das sie anknüpfen konnte, wenn Du ihr alles suggeriert hast?

Vielleicht können wir mal die andere Seite durchdenken. Was sind denn der Unterschied, dass Suggestion bei dem einen funktioniert und bei dem anderen nicht? Muss nicht immer irgendetwas vorhanden sein, worauf die Suggestion aufbauen kann? Somit wäre sie lediglich eine "Weiterführung" von tatsächlichen Inhalten, worin ich durchaus auch Vorteile sehe... zum Beispiel, dass man eher aktiv wird, nachforscht, Dinge in Bewegung geraten. Im Prinzip funktioniert die ganze Wissenschaft so. Man geht von einer Annahme aus, den Erkenntnissen, die man bis dato gewonnen hat und befolgt diese so lange, bis man sie widerlegen kann. Hätte man sich gar nicht erst an die ersten "falschen" Erkenntnisse gehalten, hätte man auch nicht gemerkt, dass sie irgendwann hinfällig werden und alles wäre im Ungewissen geblieben. Weist Du denn irgendetwas von Deiner Freundin, wie es ihr jetzt geht, oder wie sie weiter damit umging? Vielleicht könntest Du auch nachfragen, wenn es Dich so sehr beschäftigt. Ist ja etwas schönes, wenn sich jemand um einen sorgt.
Kehrusker hat geschrieben:Du verlässt dich also mehr auf deine Träume als auf deine Gefühle?! Das kann ich mir erstmal so gar nicht vorstellen.
Da hast Du mich missverstanden. Ich trage Gefühle aus den Träumen mit mir herum um projeziere sie auf das richtige Leben. Darum traue ich meinen Gefühlen nicht.
Kehrusker hat geschrieben:Und ich glaube, ich beneide dich um dein Traumerleben.
Mutig von Dir. Ich würde so Manches in Kauf nehmen um die Alpträume loszuwerden. Der nächtliche Terror ist weder erholsam, noch als "ist ja nur ein Traum" abzutun. Da sind viele Bilder in meinem Kopf die ich nie loswerde und Gefühle, die mich schon Nächte lang wachgehalten haben, weil ich mich ihnen durch das Augenschliessen nicht wieder ausliefern wollte.

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Füchsin
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Beitrag Do., 04.08.2011, 09:56

Kehrusker hat geschrieben:So entstehen Zwänge dann wohl auch aufgrund subjektiv verzerrt wahrgenommener Erwartungen, die vermeintlich die Umwelt an den Betroffenen hat. Das ist doch auch eine Form der Suggestion.
Ich weiß nicht... Ich begreife eine Suggestion als etwas absichtlich herbeigeführtes, das eine Person bewusst einer anderen aufdrängt. Wenn man die Maßstäbe anderer verinnerlicht, ist das ja eher ein Introjekt, und bei Zwängen kommt noch eine unrealistische Sichtweise über die Auswirkungen des eigenen Denkens und Handelns hinzu. Ich weiß nicht, ob so etwas vielleicht durch die zu frühe Überfrachtung mit Erwartungen oder Verantwortung (im Kindesalter) kommen kann, so dass der Betreffende dann glaubt, er habe einen übermäßigen und weitreichenden Einfluss auf die Geschehnisse um ihn herum. Man müsste Experte sein, um so etwas erklären zu können, aber mein Bauchgefühl sagt mir, dass das weniger mit Suggestionen zu tun hat.
Kehrusker hat geschrieben:Es ist schön zu lesen, dass du das heute so reflektiert betrachten kannst, was dir damals widerfahren ist.
Das was du schreibst, habe ich übrigens kürzlich erst begriffen.
Tja, reflektiert... Das sieht natürlich nach außen schmuck aus, aber das ist meine Art, Distanz zwischen mich und meine Gefühle zu bringen. Je mehr ich darüber auf sachlicher Ebene weiß, um so mehr Sicherheit und Ruhe verspreche ich mir wohl. Vielleicht ist das auch eine Art der Verdrängung. In der Therapie habe ich lange über diese Dinge gesprochen, als ginge es gar nicht um mich. Natürlich habe ich die Ich-Form benutzt, aber es war alles wie durch eine Glaswand. Die Gefühle, die damit verbunden sind, kommen dann in Albträumen raus. Ich träume, dass mein Vater mich verfolgt und partout nicht in Ruhe lassen will, ich träume davon, dass er mich festhält, dass er mich vor den Augen anderer dazu zwingt, mit ihm zu reden, aber ich träume auch davon, ihn wüst zu beschimpfen - immer alles vor Zeugen, als würde ich das alles ans Licht zerren wollen, damit die anderen auch endlich mal mitbekommen, was er für ein Schwein war und damit er nicht die Chance hat, das alles zu bagatellisieren. Die Wut, die mir in den Träumen hochkommt, erschreckt mich oft, aber es ist auch oft beim Aufwachen das Gefühl dabei, endlich mal stark für meine eigenen Rechte eingetreten zu sein. Denn bislang habe ich mich immer sehr klein gefühlt meinem Vater gegenüber. Er hatte ja die Macht über mich...

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Beitrag Do., 04.08.2011, 11:58

intheair hat geschrieben:woher kam denn das Undefinierbare, an das sie anknüpfen konnte, wenn Du ihr alles suggeriert hast?
Wenige Suggestionen könnten doch bereits ausgereicht haben, um sie zu veranlassen, fragmentarische Erinnerungen zu einem Ganzen zu interpretieren:

Sie: Da war damals so ein Mann, der manchmal auf mich aufgepasst hat, wenn meine Eltern nicht da waren. Bei dem habe ich mich immer unwohl gefühlt - ich weiß auch nicht wieso.
Ich: Erinnere dich! Hat er dich vielleicht angefasst?
Sie: Manchmal wenn ich im Bad war, war er auch da. Er hat mich nach dem Baden abgetrocknet.
Ich: Hat er dich wirklich nur abgetrocknet oder auch etwas mit dir gemacht?
Sie: Ja, jetzt fällt`s mir ein - er hat mich berührt...

usw.

(So war es nicht. Aber das meine ich mir dem Suggerieren von Möglichkeiten durch mich und das Annehmen dieser Möglichkeiten durch sie. Es kommt immer wieder ein neues Detail dazu, nach dem ich frage und was sie in ihre Erinnerung mit einbaut, weil sie es eben nicht ausschließen kann. Also läßt das Gehirn diese Details eventuell eher zu, als dass es sie ausschließt.)
intheair hat geschrieben:Was sind denn der Unterschied, dass Suggestion bei dem einen funktioniert und bei dem anderen nicht? Muss nicht immer irgendetwas vorhanden sein, worauf die Suggestion aufbauen kann?
Erst einmal meine ich, anders als Füchsin, dass Suggestion nicht zwangsläufig bewusst als Manipulation gesetzt wird. Impulse für Suggestion sind überall - bewusste und unbewusste. Unser ganzer Lebensraum ist durchdrungen von Suggestionen. Die Frage ist nur, welche davon Zugang zu uns finden - und warum. Immer dann, wenn diese Impulse Themen in uns ansprechen, die für uns ungeklärt sind; Themen, die gar tief verborgen und uns noch gar nicht bewusst sind. Suggestion funktioniert daher immer und überall, will ich meinen. Und durch das in uns "Unfertige", "Unklare" auf das sie stößt, findet sie Resonanz.
intheair hat geschrieben:Weist Du denn irgendetwas von Deiner Freundin, wie es ihr jetzt geht, oder wie sie weiter damit umging? Vielleicht könntest Du auch nachfragen, wenn es Dich so sehr beschäftigt. Ist ja etwas schönes, wenn sich jemand um einen sorgt.
Nein, ich habe lange nichts von ihr gehört. Zuletzt ungefähr vor zwei Jahren. Sie wohnt inzwischen einige hundert Kilometer entfernt. Ich könnte sie anrufen. Aber dieses Thema will ich nicht unbedingt am Telefon besprechen. Jedenfalls hat sie sich seitdem immer wieder auf jähzornige, unberechenbare Männer eingelassen. Ausserdem scheint sie keine wirkliche Nähe zulassen zu können.
intheair hat geschrieben:Da hast Du mich missverstanden. Ich trage Gefühle aus den Träumen mit mir herum um projeziere sie auf das richtige Leben. Darum traue ich meinen Gefühlen nicht.
Du musst ein unglaublich ausgeprägtes Traumbewußtsein haben. Für mich kaum vorzustellen, weil ich nie weiß, ob ich meine Gefühle an Trauminhalte knüpfe, die mir dann tagsüber bewußt werden.

Weiter oben hattest du aber gesagt, dass du die Albträume inzwischen los bist - oder zumindest besser mit ihnen leben und umgehen kannst?!
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Beitrag Do., 04.08.2011, 12:14

Füchsin hat geschrieben:Ich weiß nicht, ob so etwas vielleicht durch die zu frühe Überfrachtung mit Erwartungen oder Verantwortung (im Kindesalter) kommen kann, so dass der Betreffende dann glaubt, er habe einen übermäßigen und weitreichenden Einfluss auf die Geschehnisse um ihn herum. Man müsste Experte sein, um so etwas erklären zu können, aber mein Bauchgefühl sagt mir, dass das weniger mit Suggestionen zu tun hat.
Finde ich sehr plausibel, was du dazu schreibst.
Aber warten wir mal ab, ob sich ein Experte einschaltet, um uns aufzuklären.
Füchsin hat geschrieben:Die Wut, die mir in den Träumen hochkommt, erschreckt mich oft, aber es ist auch oft beim Aufwachen das Gefühl dabei, endlich mal stark für meine eigenen Rechte eingetreten zu sein. Denn bislang habe ich mich immer sehr klein gefühlt meinem Vater gegenüber. Er hatte ja die Macht über mich...
Wesentlich scheint mir, dass du eine, wenn auch vorerst vor allem "sachliche" Reflexion erreicht hast, wenn dir damals seine "Rechtmäßigkeit" als Selbstverständlichkeit eingebläut wurde und du nun zu deinem eigenen Selbstverständnis gefunden hast, wenn du deinen Vater inzwischen "anklagen" kannst, wenn du für deine Rechte eintreten kannst.

Hätte er denn heute noch immer Macht über dich? Oder würde er sich dir gegenüber klein fühlen?
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Füchsin
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Beitrag Do., 04.08.2011, 12:26

Kehrusker hat geschrieben:Sie: Da war damals so ein Mann, der manchmal auf mich aufgepasst hat, wenn meine Eltern nicht da waren. Bei dem habe ich mich immer unwohl gefühlt - ich weiß auch nicht wieso.
Ich: Erinnere dich! Hat er dich vielleicht angefasst?
Sie: Manchmal wenn ich im Bad war, war er auch da. Er hat mich nach dem Baden abgetrocknet.
Ich: Hat er dich wirklich nur abgetrocknet oder auch etwas mit dir gemacht?
Sie: Ja, jetzt fällt`s mir ein - er hat mich berührt...
So können Suggestionen funktionieren, das stimmt. Aber Du schreibst auch
Kehrusker hat geschrieben:So war es nicht.
Gibt es einen Grund, warum Dich der Fall Deiner Freundin so beschäftigt? Mir kommt es beinahe so vor, als sei da ein Schuldgefühl und der Grundgedanke, dass Du sie manipuliert haben könntest, den Du ganz dringend ausschließen möchtest. Was veranlasst Dich zu dieser Annahme?
Kehrusker hat geschrieben:Impulse für Suggestion sind überall - bewusste und unbewusste. Unser ganzer Lebensraum ist durchdrungen von Suggestionen.
Genau das glaube ich nicht. Mal umgekehrt die Frage: Was ist denn die Wahrheit? Was an unserem alltäglichen Erleben ist nicht beeinflusst von unserer eigenen Wahrnehmung, was ist so pur und sauber, dass wir davon behaupten könnten, es sei definitiv keine Suggestion, Manipuliation oder zumindest leicht verzerrt? In meinen Augen ist wichtig, welche emotionale Bedeutung die Dinge, die uns begegnen, für uns haben. Und natürlich hat alles, was wir tun, Auswirkungen auf andere, und andere haben Auswirkungen auf unser Erleben. Wieso das ausgerechnet Suggestionen sein sollen, verstehe ich noch nicht so ganz, aber das lasse ich mal dahingestellt.
Kehrusker hat geschrieben:Hätte er denn heute noch immer Macht über dich? Oder würde er sich dir gegenüber klein fühlen?
Wie er sich fühlen würde, kann ich schwer beurteilen. Meine Cousine meinte mal, er leide ungeheuer unter meinem Kontaktabbruch. Aber da mein Vater ein unglaublich narzisstischer Mensch mit wenig bis gar keiner Empathiefähigkeit ist, leidet er unter allem, was ihn aus dem Mittelpunkt rückt und die Anerkennung von seiner Person abzieht. Ich schätze, wenn ich ihm die Meinung sagen würde, würde er alles tun, um sein Selbstbild von dem grandiosen, freundschaftlichen Daddy hochzuhalten, das er hat. Es würde ihn wohl höllisch verunsichern, wenn ich ihm das um die Ohren haute, aber das könnte man höchstens daran ablesen, wie stark er dagegen angehen würde. Er würde wohl tun, was er immer tut: Alles bagatellisieren, kleinreden, behaupten, ich stellte mich nur an etc.

Aber im Unterschied zu früher nehme ich ihn nicht mehr ernst. Ich habe unmittelbar nach dem Kontaktabbruch neu lernen müssen (bzw. können!), dass meine Welt nicht untergeht und ich nicht sterbe, wenn mein Vater wütend auf mich wird oder anderweitig ablehnend auf mich reagiert. Das hat mir schon eine gewisse Gelassenheit gegeben und ich richte mein Denken und Fühlen nicht mehr an seinen Maßstäben aus, um ihn nicht zu verärgern. Nein, Macht im eigentlichen Sinn hat er nicht mehr, auch wenn er mich sehr beschäftigt. Aber das soll hier nicht zu sehr OT werden...

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Beitrag Do., 04.08.2011, 13:11

Füchsin hat geschrieben:So können Suggestionen funktionieren, das stimmt. Aber Du schreibst auch
Kehrusker hat geschrieben:So war es nicht.
Es war so ähnlich. Ich habe es nur leicht verfremdet, aber prinzipiell war das damals die Suggestion.
Füchsin hat geschrieben:Gibt es einen Grund, warum Dich der Fall Deiner Freundin so beschäftigt? Mir kommt es beinahe so vor, als sei da ein Schuldgefühl und der Grundgedanke, dass Du sie manipuliert haben könntest,(...)
Der Artikel hat mich daran erinnert. Und ja - immer wenn ich darauf gestoßen werde, nehme ich eine Art Schuldgefühl wahr.
Es bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als mit ihr darüber zu reden.
Füchsin hat geschrieben:Mal umgekehrt die Frage: Was ist denn die Wahrheit? Was an unserem alltäglichen Erleben ist nicht beeinflusst von unserer eigenen Wahrnehmung, was ist so pur und sauber, dass wir davon behaupten könnten, es sei definitiv keine Suggestion, Manipuliation oder zumindest leicht verzerrt?

Die Frage nach der Wahrheit passt hier nicht, finde ich. Wir müssten fragen, was denn Wirklichkeit ist. Was ist Eigenes, was Fremdes? Wann und wo stößt es aufeinander und verbindet sich zu etwas Neuem? Nichts ist "sauber und rein". Alles bedingt sich, beeinflusst sich, manipuliert sich ... und suggeriert auch.



Du hast also den Kontakt zu deinem Vater abgebrochen. Hast du ihn denn vorher konfrontiert, ihn "beschuldigt". Ich lese eher heraus, dass du darauf bisher verzichtet hast. Weil du davon ausgehst, dass er es sowieso nicht nachempfinden kann?
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Seanna
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Beitrag Do., 04.08.2011, 14:48

Dieses Gefühl "da war doch was", was einem so sehr quält, dass man selbst die Gewissheit über einen Missbrauch als eine gewisse Erleichterung erlebt, weil man den "Feind" nun wenigstens kennt, scheint mir ein deutliches Zeichen für wirkliche Vorfälle zu sein.
Das Gefühl "da war doch was" und auch "es weist doch so viel darauf hin" kenne ich. Und doch lassen mich meine Erinnerungen völlig im Stich. Es kommen immer mal wieder welche - alles keine eindeutigen, aber doch merkwürdige Situationen - und dann verschwinden sie auch wieder. Manchmal für Wochen und Jahre, manchmal bleiben sie auch und verschwinden wann anders wieder. Ich schreibe das mittlerweile auf, weil ich weder meinen Erinnerungen an sich trauen kann, noch dass sie auch kontinuierlich vorhanden sind. Das finde ich sehr anstrengend, abgesehen davon, dass die Frage "war da was oder war da nichts?" sehr, sehr quälend ist.
Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann.

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green tree
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Beitrag Do., 04.08.2011, 14:57

Ganz interessant zum Thema ist der folgende link

http://skepdic.com/German/falsche_erinnerungen.html

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Beitrag Do., 04.08.2011, 15:30

green tree hat geschrieben:Ganz interessant zum Thema ist der folgende link
Ein wirklich interessanter Artikel. Danke für`s Beisteuern!

Allerdings finde ich es nach wie vor fragwürdig, das Phänomen vor allem auf Mißbrauchserfahrungen zurückzuführen.
Artikelauszug hat geschrieben:Viele Psychotherapeuten vermuten aber, dass eine große Anzahl psychischer Störungen und Probleme auf die Unterdrückung von Erinnerungen an einen sexuellen Missbrauch in der Kindheit zurückzuführen sind.
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green tree
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Beitrag Do., 04.08.2011, 16:05

Ja, natürlich ist das fragwürdig. Es ist ja auch nur eine Vermutung. Viele der psychotherapeutischen Annahmen beruhen auf recht eigenartigen und schon gar nicht bewiesenen Vermutungen.

Die gesamte Disziplin gründet sich sogar darauf. Instruktiv und sehr unterhaltsam dazu ist Folgendes

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Passat
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Beitrag Do., 04.08.2011, 16:21

Vermutung über Vermutung. Wozu brauchen wir schon die Psychologie/Psychotherapie?!?

Wirklich amüsant, der Richling.
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