Was heißt eigentlich 'konstruktiv'?

Hier können Sie Fragen zu Begriffen, Diagnosen und sonstigen Fachworten stellen, die einem gelegentlich im Zusammenhang mit Psychologie und Psychotherapie begegnen oder die Bedeutung von Begriffen diskutieren.
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neko
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Beitrag So., 03.07.2011, 20:30

dass es gut wäre, wenn wir alle einfühlsam und respektvoll wären, kann sicherlich jeder unterschreiben.
der kackpunkt ist wohl eher, wie kommt es, wenn dinge aus dem ruder laufen. im konkreten fall haben, denk ich, beide seiten ihren anteil. will heißen, die dinge sind mal wieder was komplizierter.
jemanden, der nach der alles-nur-erfunden erklärung irritiert nachfragt: "hoppla, was ist den da los" nach seinem begriff von naivität zu befragen und damit die lesart in den raum zu stellen, hi-hi, du bist aber naiv, ist für mich alles andere als einfühlsam und klingt für mich fast schon schadenfroh.

deshalb noch mal meine nachfrage: gilt das gebot des einfühlsam-seins nur für die jenigen, die einem blogg-schreiber antworten? und wenn ja, warum?

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stern
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Beitrag So., 03.07.2011, 20:30

Puh... ich würde konstruktiv im Sinne von hilfreich, förderlich, nützlich, verwendbar oder brauchbar verstehen. Problem ist, dass der Empfänger Maßstab dafür ist, was als hilfreich erlebt wird. Also als Schreiberling kann ich nicht wissen (und auch nur sehr bedingt abschätzen) ob es für den Empfänger wirklich brauchbar ist. Klar wird das erst dann, wenn ich eine Rückmeldung empfange, ob es als brauchbar angesehen wird (muss nichtmal explizit geschehen, wobei das das deutlichste Signal wäre. Aber anhand dessen wie der TE darauf eingeht bzw. ob überhaupt, kann man daraus auch Anhaltspunkte ableiten, ob der Empfänger damit etwas anfangen konnte).

Und ja... destruktiv wird's z.B. dann, wenn der Antwortende (wenn er die Rückmeldung erhielt, dass er nix damit anfangen kann) nun gekränkt ist, und das am Hilfesuchenden ausagiert. Oder sone narzisstische Überlegenheit an den Tag legt à la: Ich weiß es aber besser als du und sehe, was du nicht sehen kannst. Letzteres kann durchaus mal sein... aber dann wäre es konstruktiv, das so zu kommunizieren, dass es für den Hilfesuchenden verwendbar, nützlich wird. Wird es das nicht, so bringt ist IMO nix den eigenen Narzissmus auszuagieren (was vielmehr wiederum destruktiv wäre), und jemanden etwas überzustülpen, was schlichtweg nicht ankommt. Insofern würde ich sagen:
Sich "konstruktiv" zu äußern, heißt NICHT zu provozieren.
Sich konstruktiv zu äußern heißt nicht destruktiv zu werden (ja, ich weiß, eine Binsenweisheit)...aber insofern könnte man sich evtl. auch über eine "Negativ-Definition" annähern.

Warum ich es so formuliere: Weil ich es auch so sehe, dass auch etwas provokativeres als hilfreich erlebt werden kann (aber wie gesagt: Beurteilungsmaßstab ist der Empfänger).

Eine destruktive Provaktion ist hingegen eine, die nicht dazu dienen soll, hilfreich für den Empfänger zu sein. Sondern vielmehr wird EIGENES an jemanden abzureagiert, UM gerade NICHT zu helfen, sondern zu schaden. Hier kommt es also auf die Absicht des Senders an. Hehe... und eine solche Absicht kann gerne auch unter dem Deckmäntelchen "ich meine es ja nur gut" getarnt sein. Und da kann es dann auch gut und gerne passieren, dass ich so nicht mit mir umgehen lasse (wobei ich mich da natürlich auf meine Wahrnehmung verlassen muss, ob jemanden eine mehr oder gut getarnte Spitze setzen will, um mir eines überzubraten).

Noch problematischer ist es, wenn der Sender, der es eigentlich gar nicht so gut meint, wie er vordergründig tut, seinen eigenen blinden Fleck/seine eigentliche Absicht nichtmal erkennt. Da bringt's dann fast nicht mehr viel weiterzudisktuieren - außer man könnte denjenigen konstruktiv so darauf hinweisen, dass er es (blinden Fleck) annehmen/erkennen kann und als hilfreich empfindet . Das dürfte aber mindestens genauso schwer zu verklickern sein, wie jemanden verdeutlichen wollen, dass das was ich (als Sender) als hilfreich sehe, auch für den Empfänger hilfreich sein muss (und der diese nur aufgrund seines blinden Flecks nicht erkennt). In solchen Fällen kann Rückzug aus der Diskussion förderlicher sein, als auf etwas zu pochen, was den Empfänger nachhaltig nicht erreicht. Oder eben, man schafft es denn Empänger doch auf konstruktiven Wege zu erreichen.

Zwischenzeitlich Beiträge noch nicht gelesen... sry, wenn evtl. manches doppelt ist.
Zuletzt geändert von stern am So., 03.07.2011, 20:56, insgesamt 6-mal geändert.
Liebe Grüße
stern 🌈💫
»Je größer der Haufen,
umso mehr Fliegen sitzen drauf
«

(alte Weisheit)

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Sahra-Marie
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Beitrag So., 03.07.2011, 20:35

SamuelZ. hat geschrieben:
Sahra-Marie hat geschrieben: samuel dafür braucht es keinen rapport !
Kannst du das begründen?

erster beitrag von arta ,es geht um deine eigene reflektionsmöglichkeit , dafür braucht es keine empathie (rapport) - nicht zwingend nötig ....
netter, einfacher wäre es natürlich für dich/mich wenn jemand da wäre .....

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Daffodil
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Beitrag So., 03.07.2011, 20:41

@neko: Auch wenn dieser Thread aufgrund aktueller Ereignisse gestartet wurde, fänd ich es wirklich schöner (konstruktiver ) auf eine allgemeinere Ebene abzuheben, damit sich nicht alles im Kreis dreht und zu persönlich wird und auch Leute mitreden können, die davon überhaupt nichts mitbekommen haben.

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hawi
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Beitrag So., 03.07.2011, 20:49

@neko
Grad den Blog eines anderen stell ich mir selbst immer ein wenig wie seine Wohnung, sein Zuhause vor.
Ich schreib da als Besucher.
Deshalb ist für mich recht klar, dass ich selbst da nicht auf Gleichbehandlung pochen kann, sollte. Würd ich ja umgekehrt von Leuten, die mich mal besuchen, auch nicht abkönnen, wenn die Mitwohnrechte geltend machen würden.

Insoweit gilt, was konstruktiv für den Blogger ist, das kann dann schon mal destruktiv für den Besucher sein.
„Das Ärgerlichste in dieser Welt ist, daß die Dummen todsicher
und die Intelligenten voller Zweifel sind.“
Bertrand Russell

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neko
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Beitrag So., 03.07.2011, 20:55

daffodil, ich will nicht persönlich werden. ich denke jedoch, dass diskussionen - wenn sie nur auf der meta-ebene bleiben - oft zur formulierung von binsenswahrheiten führen, die in ihrer allgemeinheit fast alle unterschreiben können. die aber IMO auch nicht wirklich hilfreich oder konstruktiv sind. wer würde schon sagen, nee ich find es cool, nicht einfühlsam zu sein, ich steh auf verbale gewalt? ich denke, so kommt man zu einem allzu einfachen konsens. auf grundsätzliche werte kann man sich doch in der regel und mit wenigen ausnahmen recht schnell einigen. probleme und konflikte tauchen in meinem augen hingegen immer da auf, wo es darum geht, diese werte in konkrete situationen zu übersetzen, die ja oft sehr unterschiedlich wahrgenommen werden. und das ruhige betrachten solcher konkreter situationen, die sensibilisierung für die vielfalt und gegensätzlichkeit von wahrnehmungen der selben situation, das kann meiner erfahrung nach dann wirklich zu einem konstruktiven lernprozess führen.

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SamuelZ.
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Beitrag So., 03.07.2011, 20:56

Stern:
Eine destruktive Provaktion ist hingegen eine, die nicht dazu dienen soll, hilfreich für den Empfänger zu sein. Sondern vielmehr wird EIGENES an jemanden abzureagiert, UM gerade NICHT zu helfen, sondern zu schaden. Hier kommt es also auf die Absicht des Senders an. Hehe... und eine solche Absicht kann gerne auch unter dem Deckmäntelchen "ich meine es ja nur gut" getarnt sein.
Ich gehe da mit dir und kann mich auch Daffodil anschließen, nämlich dass es ganz entscheidend ist, ob jemand SACHLICH eine Problemlösung mit herbeiführen will, z.B. indem konkrete Hilfestellungen geboten werden (es fehlt noch Salz) oder ob der Beitrag v.a. dazu dient, mir selbst Luft zu machen egal wie es dem anderen damit geht.

Das Ziel heiligt nicht immer die Mittel. Und "provozierende Methoden" können nur mit ausreichend Rapport funktionieren. Häufig ist es auch Achtung vor dem anderen oder Vertrauen oder Respekt. Aber für mich kann ich sagen, dass ich provozierende Beiträge nur von solchen Menschen akzeptiere, die ich für ihre Leistungen respektiere und denen ich aufgrund längeren Kontakts vertrauen kann.

Und gerade in einem Internetforum, in welchem der Austausch von Gestik und Mimik ausgeschlossen ist und man sich eben NICHT wirklich kennt, d.h. auch die Reaktionen des anderen nicht richtig abschätzen kann, kann "wohlmeinende Provokation" schnell mal in die Hose gehen.

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neko
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Beitrag So., 03.07.2011, 21:07

hawi - die blog-wohungsmetapher finde ich wirklich interessant. darüber hab ich auch schon nachgedacht. und mir fällt dazu zweierlei ein.
1. wenn ich als gast einen gastgeber mal als unhöflich und brüsk erlebe, dann bleibt mir immer die option zu gehen. so weit so klar. aber manchmal könnte es vielleicht a. hilfreich und b. verständlich sein, wenn ich zunächst sage, tut mir leid, aber auch in deinen eigenen vier wänden kannst du dir mit anderen menschen nicht alles erlauben, auch deine eigene wohnung ist kein raum, in dem du alle regeln außer kraft setzen kannst.
2. ein bisschen unbehaglich finde ich die analogie auch. ich mag exklusive eigentumsansprüche auf virtuelle räume nicht. ich denke, man sollte nicht alles "kaufen", oder exklusiv für sich reklamieren können. das ist für niemanden und für kommunikationsprozesse schon gar nicht gut - denke ich.

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Sahra-Marie
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Beitrag So., 03.07.2011, 21:07

Rapport ist der Zustand verbaler und nonverbaler Bezogenheit von Menschen aufeinander. Es handelt sich um eine starke Form von Empathie-

samuel das ist die erklärung von wiki , ich denke das in einer konstruktiven äusserung hier im forum dafür keine möglichkeit besteht
Aber für mich kann ich sagen, dass ich provozierende Beiträge nur von solchen Menschen akzeptiere, die ich für ihre Leistungen respektiere und denen ich aufgrund längeren Kontakts vertrauen kann.
ich glaube dass das hier einfach nicht gehen kann

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SamuelZ.
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Beitrag So., 03.07.2011, 21:12

Sahra-Marie: Rapport ist etwas, was VOR der Äußerung da sein sollte. Deinen letzten Satz verstehe ich nicht. Was meinst du damit?

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*candle*
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Beitrag So., 03.07.2011, 21:17

Guten Abend!

Ich lese nicht so intensiv in Blogs, aber diese Geschichte oder deren Nebenwirkung ist mir nun auch aufgefallen.

Komisch, dass die um Realitäten "Betrogenen" nun doch wwieder fleissig dabei sind.

Diese Begrifferklärung mutete mir auch eher an wie eine Romanvorlage, weil der Autor den Begriff nicht zu kennen scheint.

Man kann das aber auch bei Wiki nachlesen.

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Daffodil
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Beitrag So., 03.07.2011, 21:22

Vielleicht sollte man sich darüber versuchen zu verständigen, was ein Blog in diesem Forum ist, denn da scheinen ja nochmal ein paar andere Regeln zu gelten. Die Wohnungsmetapher finde ich eigentlich auch gut. So sehe ich irgendwie das ganze Forum an. Herr Fellner hat hier ein Haus mit verschiedenen Räumen gebaut, es gibt sogar ein Spielzimmer, thematisch geordnete Räume und eben diese Separees (Blogs) in denen denjenigen, die sie bewohnen, nocheinmal besonderer Gestaltungsraum gegeben ist. Andere dürfen da reinschauen und dem Blogger quasi beim Selbstgespräch lauschen. Aber dort ist für mich zumindest klar, wenn derjenige sich durch mich gestört fühlt, dann halte ich die Klappe, ob ich das nun doof finde oder nicht. Vielleicht spricht der Blogger die anderen an, und bittet bei bestimmten Sachen um Rückmeldungen, aber doch irgendwie nach seinen Regeln. Ob das denjenigen weiterbringt, das liegt in seiner Verantwortung. Wenn er auf meine Rückmeldung lieber verzichtet, dann ist das eben so.

Wenn mein Arzt mir sagt: sie müssen aber dieses oder jenes Medikament nehmen, um gesund zu werden, dann ist es sein Job dies zu tun, deshalb gehe ich auch extra dahin. Aber nicht mal der kann mich dazu zwingen, und letztendlich ist es mir überlassen, seinem Rat zu folgen oder nicht.

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Sahra-Marie
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Beitrag So., 03.07.2011, 21:26

wenn du deine vorstellung von konstruktiven ratschläge im real life meinst ist rapport möglich , ja

ich bin davon ausgegangen das du das im forum erwartest - eventuell falsch von mir ?

im virtuellen leben /forum - kann ich da leistungen zum respektieren finden ?
kann ich da wirklich jemanden vertrauen ?

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SamuelZ.
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Beitrag So., 03.07.2011, 21:34

Sahra-Marie, du sprichst mir aus der Seele, denn da rapport in der virtuellen Welt fast ausgeschlossen ist, ist es umso wichtiger, dass Beiträge nicht provozierend sind.

Ich selbst erwarte keinen Rapport im Forum. Zu einigen Usern habe ich im Verlauf der Jahre aber einen solchen Rapport entwickelt. Wenn die mich provozierend auf etwas aufmerksam machen wollten (u.a. indem der Zwinker-Smiley verwendet wird), dann könnte das Feedback evtl so bei mir ankommen, wie es gemeint war. Bei anderen ist es nicht so, weil da eben kein Rapport aufgebaut wurde.

Deshalb ist in meinen Augen im Internet eine "konstruktive Provokation" zu fast 100% ausgeschlossen.

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hawi
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Beitrag So., 03.07.2011, 21:34

Neko, die Metapher sagt mir nicht so sehr was zu Eigentum, da denke ich gar nicht hin, es ist mehr eine reale Form, mir „privat“ zu denken, vorzustellen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Aber das wird hier immer mal wieder diskutiert, meist halt mit dem Ergebnis, dass Gäste und Gastgeber wenn es drauf ankommt, halt einfach aus ihren Rollen heraus argumentieren. Daher selten völlig einig werden. Passiert einem manchmal bei realen Gästen ja auch. Virtuell kommen jedoch noch ein paar Nachteile, aber ja auch Vorteile hinzu. Trotzdem, das letzte Wort hat für mich in solchen Fällen der Gastgeber.
„Das Ärgerlichste in dieser Welt ist, daß die Dummen todsicher
und die Intelligenten voller Zweifel sind.“
Bertrand Russell

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