zunächst mal finde ich es klasse, dass Du das Thema Abhängigkeit in der nächsten Sitzung ansprechen möchtest u. wünsche Dir dafür viel Glück!
Dann möchte ich noch auf Deine Aussage eingehen:
Ich finde, Du hast es super auf den Punkt gebracht, in welch hemmender Denk- und Erwartungsspirale auch ich in den letzten Sitzungen gefangen war. Ich habe ebenfalls permanent nur Übertragung u. Gegenübertragung im Sinn gehabt und das ist wirklich kontraproduktiv.Ich habe auch schon Etliches gelesen, darunter auch ein Fachbuch über TFP. Ich finde das soooo spannend (vor allem die kurzen Fallbeispiele), aber: es führt dazu, dass ich nicht nur mich, sondern auch meine Thera ständig hinterfrage. Zum Beispiel: war sie wirklich genervt oder ist es Gegenübertragung? Welchen Anteil hat meine Übertragung? Oder was von dem, was ich erzählt habe, löst bei ihr was aus? Wenn ich "xy" sage, wertet sie das dann als Abwehr oder wie sollte ich vorgehen, dass sie es nicht so bewertet. Welche Formulierung von ihr ist „echt“, welche nur typisches Psychologendeutsch? Anfangs fühlte ich mich total gut verstanden, als sie sagte: „Das muss sehr schwer für Sie gewesen sein“. Dieser Satz hat mitten in mein Herz getroffen; ich fühlte mich endlich "erkannt". Jetzt weiß ich, eine übliche Floskel, die mich bestätigen soll, damit ich mich verstanden fühle. Dieser Satz hätte nie wieder diese tröstende Wirkung auf mich. Das erschwert die Therapie auch noch. Sollte ich das auch ansprechen? Ich befürchte aber, dass sie richtig sauer wird, wenn sie hört, dass ich solche Bücher lese.
Allerdings sagt auch meine Thera Sätze wie: "Da haben Sie sehr viel ertragen müssen" etc. aber die Art, wie sie es sagt ist für mich schon sehr echt und ich sehe sie nicht als Floskel. Ist ja auch die Frage, wie sie das sonst ausdrücken sollte?
Ich habe mein neuerliches Interesse für einschlägige Fachliteratur gestern indirekt angesprochen i. S. von "ich habe gehört", bzw. Psychoanalyse als Seminarthema in meinem Studiengang angeführt, was ihr als Info ausreichte. Ich denke nicht, dass Deine Thera sauer wäre, wenn sie wüsste, dass Du Bücher über TFP liest. Es zeichnet Dich doch aus, dass Du Dich für Deine aktuelle Situation interessierst. Das eigentliche Problem liegt ja darin, dass Du es schaffst, sie nicht von A bis Z mit den Lehrbuchmeinungen zu vergleichen u. ihre Vorgehensweise dadurch in Frage zu stellen. Diese Professionalität und Erfahrung solltest Du bei Ansprechen des Themas von ihr erwarten können.
Meine Thera hat sich gestern eindeutig positioniert u. auch ihre Schwächen nicht ausgeklammert, was ich ungemein wichtig fand u. ein wertvolles Kontrastprogramm zu geordneten Lehrbuchfällen bot. Ich hoffe, ich kann jetzt mit mehr Gelassenheit an die Sache rangehen, denn diese permanenten Vergleiche sind wirklich sehr anstrengend.
Ich drücke Dir jedenfalls die Daumen für Deine nächste Sitzung!
LG
Tentatives