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So., 05.06.2011, 10:09
Ich kann diese Suizidgedanken als eine Zuflucht die das Überleben ermöglicht durchaus verstehen.
Ich kenne Suizidgedanken auf verschiedenen Ebenen. Einerseits diese pseudo-affektiven. In ganz schlimmen unerträglichen Lebenssituationen, aus denen es im Moment keinen Ausweg gibt, war für mich der Gedanke, da jetzt sofort aus dem Fenster springen zu können, oder sofort raus laufen und vor einen LKW springen usw. sehr lindernd. Es war in einer Zeit ohne scheinbar mehrere Wege doch zumindest EIN Weg und konnte mir das Gefühl vermitteln, ich führe noch ein Leben in dem ich entscheiden kann und darf. Zumindest entscheiden, ob ich die Situation durchhalte, oder eben mich umbringe. Das hat in meinem Fall tatsächlich die Spitzen herausgenommen. Im Gespräch mit meiner Theraputin hat diese auch bestätigt, dass meine Suizidgedanken mir helfen, nicht wirklich durchzudrehen, zu überleben, eine Situation mit einigermaßen Selbstachtung zu überstehen. Ich würde nicht soweit gehen, sie dann TROST zu nennen, aber vielleicht eher die letzte Wahlfreiheit aus einem scheinbar festgefahrenen Leben. Ich denke, manche Situationen können so irrsinnig sein, dass sie wirklich die seelische Gesundheit gefährden, dahingehend, für immer "plemplem" zu sein, wirklich Sicherungen durchbrennen zu lassen. Für mich waren Suizidgedanken dahingehend auch ein gewisser Druckabbau. Und ich gestehe auch heute benutze ich sie in diesem Sinne. Nach dem Motto: Umbringen kann ich mich immer noch, erlauben sie mir ein freieres Handeln, erlauben sie mir, einen Schritt einfach mal zu gehen, ihn JETZT zu gehen... mehr als schiefgehen kann er nicht und dann kann ich immer noch entscheiden.
Dann gibt es diese Phase, in der Suizid an sich nicht mehr in Frage steht, sondern fix beschlossen wird, diese Phase, sich dazu zu entscheiden habe ich als sehr sehr Schmerzhaft empfunden, da es ja ein ziemlicher Kampf gegen einen sehr starken Impuls des Überlebenswillens ist. Das ist eine Zeit in der ich große Qualen litt, die aber immer nich viel geringer waren, als jene Qualen vor denen ich damit Abschied nehmen wollte. Und dann ist die Entscheidung durch. Und das war dann der Frieden, die Ruhe, die Nüchternheit. Auf einmal gibt es keinen Schmerz mehr, keine Qual, sondern nur noch eine Mission, ein klares Ziel, simple Logistik. Keine Fragen, kein Grübeln, nur noch Planung in die man sich Detailreich verlieren kann. In/nach dieser Phase ist die Rückkehr zum Leben die weitaus schwierigere Entscheidung, denn dan sind dann mit einem Schlag alle Qualen wieder da.
Neben dem Überlebenskampf, der freilich schmerzhalft ist, keine Frage, ist der Suizid an sich dich eigentlich deswegen eine Wahl, WEIL er eben befreit, WEIL er eben eine Wahlfreiheit ermöglich, WEIL er Ruhe verspricht, ein ende der Qual. Würde man das keinesfalls glauben, käme man nicht auf die Idee. Und (christliche) Religionen haben ja genau das - Suizid als Wahl - versucht zu verhindern, indem sie vom ewigen Fegefeuer fantasierten, damit die Menschen glauben, noch schlimmer als das gräulichste Leben ist der Freitod - ich denke, solche Leute sind dann sehr sehr krank geworden, weil das muss wirklich Wahnsinnig gemacht haben.
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