Kann man Trauer 'nachholen'?

Hier können Sie sich über Belastungen durch eigene oder fremde schwere Erkrankungen, aber auch den Umgang mit Tod und Trauer austauschen.
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Else
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Beitrag Sa., 07.05.2011, 22:23

[
Una hat geschrieben:Demnach bist Du doch mitten drin im Trauerprozess. Ich weiß nicht ob man sich damit tatsächlich auseinandersetzen muß/ kann, wenn die Tränen noch nicht geweint sind.
Liebe Una, danke auch Dir sehr. Ich habe grad etwas Schwierigkeiten, das alles SO weit an mich ran zu lassen. Ich befürchte eben, da lange noch nicht so weit zu sein, wie Du, Ihr, es seid. Faktisch ist mir wieder mal alles klar, verständlich. Das auf mich und meine Situation zu übertragen.... mitzufühlen....hier die Kurve zu bekommen.... fällt mir nicht nur schwer, sondern scheint mir fast unmöglich.

Ich empfinde mich NICHT in diesem Prozess! Es sind Tränen der Verzweiflung, weil ich nicht weiter weiß, nicht Tränen der Trauer. Ich bin immer wieder an diesem Punkt... wirklich verzweifelt...wütend.... mal resignierend... mal verdrängend, aber selten trauernd. An dem Punkt drücke ich es dann weg, weil nicht aushaltbar. Ich "besinne" mich vermeintlich auf das, was JETZT wichtig ist und versuche, die Vergangenheit, Vergangenheit sein zu lassen.... Und täglich grüßt das Murmeltier.
Una hat geschrieben:Wenn Du das wegdrückst, dann bleibt Starre
Ich befürchte, da bin ich gelandet. Und ich finde den Weg zurück nicht mehr.
Una hat geschrieben:Es tut weh, ja, aber das ist die Trauerarbeit


Stimmt, das habe ich damals nicht wahrgenommen, nicht wahrnehmen können für mich. Aber "Arbeit" ist doch immer etwas Konstruktives!? Dieser Anteil fehlt bei mir völlig! Es ist nur destruktiv, was passiert bzw. ich nicht angeschoben bekomme. Ich komme an diesen konstruktiven Part nicht.... nicht an diese Erinnerungen, auf die ich eben faktisch sehen kann, aber wenn da Emotionen mitspielen, ich diese zulasse, ist das wie ein Filmriss.
Una hat geschrieben:Ich habe in der Trauerzeit verstanden, warum es früher das Trauerjahr gab
Bitte einmal mit bestellen für mich!
Una hat geschrieben:Die Erinnerungen sind nun anders in mir abgespeichert, weil mit dem Tod dieses Menschen,
auch die fortlaufende Geschichte mit ihm stirbt. Und nun kann ich nur noch rückwirkend lieben,
nur noch rückerinnern um ihm nahe zu sein. Das tut am Anfang weh.
Aber ich finde, das ist eine Würdigung des Toten, eine Art des Weiterlebens für diesen Menschen.
Solange wir uns an diese Menschen erinnern, solange leben sie ein bischen in unserer Erinnerung weiter.
Una, DAS ist ja mein Problem! Dahin komme ich nicht!!! Ich finde nicht einmal den Ansatz dazu! Ich würde es so gern, der Wunsch ist riesengroß und ich bin total verzweifelt, dass es mir nicht gelingen mag!!! Wenn ich dieses lese, noch viel mehr (da kannst Du gar nichts dazu.... das ist eben DER Haken)
Wenn du damit beginnst, dich denen aufzuopfern, die du liebst, wirst du damit enden, die zu hassen, denen du dich aufgeopfert hast..... (G.B. Shaw)

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Else
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Beitrag Sa., 07.05.2011, 22:23

ENA hat geschrieben:Ich glaube, dass Una schon ganz Recht damit hat, wenn sie schreibst, dass Du in gewisser Weise schon am Trauern bist.
Vielleicht macht die Angst davor, dass es zu stark ausbricht, es auch, dass es so scheinbar lange für Dich dauert und immer noch in Dir drin ist. Auf der anderen Seite war er ja auch eine wichtige Person für Dich (immerhin Dein Bruder!),
Una HAT Recht, aber mir fehlt der Eingang Wand bleibt Wand......

Ich habe Angst bei dem, was bei mir los bricht, wenn ich das Thema anfasse, sehe ich ja jetzt und bemühe mich SEHR, das auszuhalten und an mich ran zu lassen. Und das ist keine "einfache" Trauer (wobei ich das nicht negieren möchte), das ist kompletter Kontrollverlust... da geht gar nichts mehr... mist!!!
ENA hat geschrieben: Du hast damals viel Verantwortung übernommen (zuviel?)
Ja, es war zuviel! Eindeutig! Das sehe ich heute! Trotz meines "Nesthäkchenstatus´" habe ich immer alles tragen müssen, war -vermeintlich- die Stärkste von allen Geschwistern, immer abrufbar, belastbar, (über-)aktiv, durchsetzungsfähig, agil, autark....

Dass es für mich eine Katastrophe ist und war, alle mir "übergeordneten" Menschen versorgen und
verpflegen zu müssen, mich ank*** und anpieschen zu lassen von Menschen, die ich sehr respektiere, brachte mein Gleichgewicht vollends aus dem Konzept. Ich wollte und will diese Menschen SO nicht sehen...

Und jetzt folgt -nach beiden Brüdern- mein Paps. Er hatte zwei Schlaganfälle, ist ziemlich darnieder und es ist eine Frage der Zeit. Ich pack das nicht, wenn ich jetzt nicht schnellstens eine Lösung finde, damit umzugehen.


quote="ENA"]Was sollte denn für Dich da sein?[/quote]

Ich möchte "schön" an ihn denken, liebevolle Erinnerungen haben (wir haben jede Menge aus unserem Zusammenleben), ihn in und mit mir spüren, auch, wenn er nicht mehr körperlich bei mir ist, Ich möchte die Bereicherung fühlen, die ich durch ihn hatte, seine Nähe spüren, auch, wenn er nicht mehr sichtbar ist, ich möchte eine liebevolle Erinnerung an meinen Bruder, der mich lange (38 Jahre) begleitet hat.
ENA hat geschrieben: Else schrieb:"Stiefi"
Meine "Stieftochter", inzwischen 22 Jahre alt, aber mein ein und alles. Damals 16 (bei der Trennung) und wollte - nach meiner Trennung - nicht beim Vater bleiben.
ENA hat geschrieben:Liest sich irgendwie nach Trauma an...
Keine Ahnung. Trauma hört sich für mich dramatisch an... urgs...... will ich momentan nicht.
ENA hat geschrieben:Finde ich sehr mutig, Else!!!
Die Zweite, die das sagt! Nein, ich bin nicht mutig! Ich bin sogar bei diesem Thema ganz ganz feige!!!! Ich trau mich nicht ran, spreche nicht, lasse keine Auseinandersetzung zu........

Ich bin satt für heute.... geht nix mehr. Mehr, als ein DANKE, geht nicht mehr!

LG Else

P.S. Una, letzter Beitrag noch nicht gelesen. Kommt noch.
Wenn du damit beginnst, dich denen aufzuopfern, die du liebst, wirst du damit enden, die zu hassen, denen du dich aufgeopfert hast..... (G.B. Shaw)

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Una
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Beitrag Sa., 07.05.2011, 23:05

Liebe Else,

mach Dir bitte keinen Druck. Fühl Dich bitte nicht gedrängt zu antworten.
Mach es ganz so, wie es Dir Dein Bauchgefühl signalisiert.
Gute Nacht!
Leben heißt, langsam geboren zu werden. Es wäre auch zu bequem, wenn man sich fertige Seelen besorgen könnte.“

Antoine de Saint-Exupéry (1900-44).

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ENA
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Beitrag So., 08.05.2011, 10:06

Hallo Else,

ich antworte dann jetzt mal auf Deinen Beitrag an mich von gestern abend. Guck einfach, wie viel Du das hier jetzt lesen magst und kannst. Es steht ja hier und läuft nicht weg.
Else hat geschrieben:Ich bin immer wieder an diesem Punkt... wirklich verzweifelt...wütend.... mal resignierend... mal verdrängend, aber selten trauernd. An dem Punkt drücke ich es dann weg, weil nicht aushaltbar.
Ich kann das gut nachvollziehen, mit diesem wegdrücken-wollen.
Auf der anderen Seite fällt mir zu diesen zwei Sätzen ein, dass man ja eh sagt, dass Trauer in verschiedenen Stadien abläuft:

http://www.jeder-trauert-anders.de/trauer-stadien

...aber gut, wenn ich Dich richtig verstanden habe, spürst Du diese Wut,...ja, weil Du den Eindruck hast, nicht richtig zu trauern, weil es nicht richtig rauskommt...und weniger, wegen des Trauerfalls, weswegen Du gerne trauern möchtest (das kann der Bruder sein, dass kann aber auch, wie hier auch schon geschrieben wurde, sein, dass da noch etwas anderes, früheres mit dran hängt...und dass es vielleicht deswegen zu viel erscheint, weil das dann auch noch mit rauskommen könnte?).
Else hat geschrieben:Und das ist keine "einfache" Trauer (wobei ich das nicht negieren möchte), das ist kompletter Kontrollverlust... da geht gar nichts mehr... mist!!!
Ich verstehe... .
Else hat geschrieben:Dass es für mich eine Katastrophe ist und war, alle mir "übergeordneten" Menschen versorgen und
verpflegen zu müssen, mich ank*** und anpieschen zu lassen von Menschen, die ich sehr respektiere, brachte mein Gleichgewicht vollends aus dem Konzept. Ich wollte und will diese Menschen SO nicht sehen...
Ja... .
Else hat geschrieben:Und jetzt folgt -nach beiden Brüdern- mein Paps. Er hatte zwei Schlaganfälle, ist ziemlich darnieder und es ist eine Frage der Zeit. Ich pack das nicht, wenn ich jetzt nicht schnellstens eine Lösung finde, damit umzugehen.
Herrje!
Ja, das macht es natürlich alles nur noch dringender und quälender. ...und wenn Du wenigstens für diesen Prozess eine Begleitung hast? Mit Deinem Vater, meine ich? Das andere lässt sich ja eh nicht hoppla-hopp lösen, braucht Zeit.
Gibt es denn niemanden, der Dir in Bezug auf Deinen Vater helfen kann (ich meine jetzt, im Gegensatz zu dem Satz davor, nicht jemand in Bezug auf den seelischen Umgang mit dieser Situation, sondern wirklich etwas ganz Konkretes, Alltagshilfen, jemand, der sich da mit drum kümmert und Dir so wenigstens da etwas die Sorge rausnehmen kann?).
Else hat geschrieben:Ich möchte "schön" an ihn denken, liebevolle Erinnerungen haben (wir haben jede Menge aus unserem Zusammenleben), ihn in und mit mir spüren, auch, wenn er nicht mehr körperlich bei mir ist, Ich möchte die Bereicherung fühlen, die ich durch ihn hatte, seine Nähe spüren, auch, wenn er nicht mehr sichtbar ist, ich möchte eine liebevolle Erinnerung an meinen Bruder, der mich lange (38 Jahre) begleitet hat.
...aber da hast Du doch schon etwas Schönes, eben diese Bereicherung. Kannst Du Dir vielleicht eine Liste machen, mit Dingen, die Dir einfallen oder wenigstens eine Wunschliste? Manchmal ist es so, dass man auch darüber, wenn es dann mal da steht, wieder an Erinnerungen und Gefühle (hier dann Positive) zurück kommen kann... .
Else hat geschrieben:Meine "Stieftochter", inzwischen 22 Jahre alt, aber mein ein und alles. Damals 16 (bei der Trennung) und wollte - nach meiner Trennung - nicht beim Vater bleiben.
D.h. Du hast eine ganze Weile nach der Trennung noch mit ihr zusammen gewohnt und jetzt hat sie eine eigene Wohnung?
Else hat geschrieben:Keine Ahnung. Trauma hört sich für mich dramatisch an... urgs...... will ich momentan nicht.
Das glaub ich! Ich mag manche Begriffe aus der Diagnose- und Psychologiewelt auch nicht!
...und manches hört sich auch so groß an, so wie Trauma eben.
Dabei besagt Trauma bzw. traumatisches Erlebnis eigentlich nur, dass es eine Situation im Leben eines Menschen gab, die in dem Moment nicht verarbeitet werden konnte, weil es zuviel, urplötzlich, die Zeit zum verarbeiten nicht da war,... .
Seelischer Schock, sagt man auch manchmal. Auf jeden Fall war es zu groß zum direkten Verarbeiten, naja...und da Du ja auch wenig Zeit und Unterstützung hattest, Dich da nur um Dich kümmern zu können, sondern weiterhin (auf Hochtouren?) für die anderen mitgearbeitet, Dich gekümmert,...hast,...ist mir halt der Begriff Trauma oder eben traumatisches Erlebnis (das klingt etwas kleiner, finde ich) eingefallen.

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ENA
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Beitrag So., 08.05.2011, 10:07

Else hat geschrieben:Die Zweite, die das sagt! Nein, ich bin nicht mutig! Ich bin sogar bei diesem Thema ganz ganz feige!!!! Ich trau mich nicht ran, spreche nicht, lasse keine Auseinandersetzung zu........
Ich weiß grad nicht, ob es zuerst auch darum gehen könnte, eben dieses Druck zu lösen, denn manchmal behindert dieser ja auch (wie ein Pfropfen im Wasserschlauch) das etwas nach Außen fließen kann. Es mag sein, dass dieser Pfropfen auch etwas Gutes hat, Schutz vielleicht... .

Sag mal: War dass denn die ganze Zeit so,...unterschwellig,...oder hat sich diese Verzweiflung, dieser Druck,... in der letzten Zeit verstärkt?

Wünsche Dir trotzdem einen erholsamen Tag mit ein wenig Ablenkung,

lieben Gruß von Ena!

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Else
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Beitrag So., 08.05.2011, 22:45

Ich starte jetzt nochmal einen erneuten Versuch, auf Eure sehr differenzierten und in Teilen wohl auch sehr treffenden Beiträge einzugehen. Vermutlich ZU treffend, denn: Vorweg: Ich bitte Euch um Verständnis, wenn ich grad nicht an alles ran komme, oder beantworten kann oder sogar gänzlich unterwegs im Schreibseln abbreche! Gestern ging für mich gar nichts mehr und ich hatte das Gefühl, mein persönliches Worst case rückt mir verdammt nahe. In meinen Ohren rauschte es nur noch, als wenn ich unentwegt unter Wasser schwimme, ständiges, lautes, Gepiepse im Kopf, als wenn mich irgendein TV-Sender um Worte prellen will, Schwindel....... urgs.
Una hat geschrieben:ich hatte beim Lesen Deines letzten Beitrags zusammen mit den vorherigen immer stärker den Eindruck, so wie ENA, dass Du traumatisiert wurdest durch die schrecklichen Erlebnisse zum Ende hin und durch die Dir durch die Umstände auferlegten praktischen Aufgaben, Deinen Eltern alles abzunehmen.
Sowas hört sich schlimm für mich an... fühlt sich schlimm an..... will/kann ich noch nicht an mich ran lassen! Ich wähne mich noch in der Hoffnung, mit einem "Stupser" selbst in die richtige Richtung zu gelangen!
Una hat geschrieben:Dein Ex war wohl nicht gerade feinfühlig und empathisch. Da mag die Trennung überfällig gewesen sein.
Nein, das waren nicht seine Qualitäten, er war cholerisch, respektlos, vernichtend. Die Trennung stand eh im Raum, aber -obwohl eine Trennung in diesem Moment eigentlich völlig abwegig erscheinen mag- erschien sie mir in diesem Moment klarer, denn je. Die Aussagen (menschlichen bzw. unmenschlichen) über meinen Bruder von ihm KONNTE ich nicht ertragen, auch, wenn sie sicher nicht in allen Teilen völlig abwegig waren: Mein Bruder mit kriminellem Vorleben = mein Ex Kriminalhauptkommissar....
Una hat geschrieben:Ich würde therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen, denn es kann vielleicht auch mit den Eltern zu tun haben, euren Rollen in der Familie, eurer Geschichte, sowie eben dem Tod und dem Sterben Deines Bruders. Nachdem auch Dein anderer Bruder eine extreme Geschichte hat, liegt hier womöglich etwas viel größerers unter Verschluß in Dir. Vielleicht sogar so etwas wie Schuldgefühle, weil Du die einzig gesunde bist. Wie gesagt: unterbewußt.
Da ist etwas dran! Und leider nicht nur unterbewusst! Ich denke da grad z.B. an meine Krebserkrankung, die ich versuchte, zu verheimlichen bzw. runter zu spielen, damit sie sich nicht auch noch größte Sorge um das dritte, bisher einzig gesunde Kind machen müssen.
ENA hat geschrieben:...aber gut, wenn ich Dich richtig verstanden habe, spürst Du diese Wut,...ja, weil Du den Eindruck hast, nicht richtig zu trauern, weil es nicht richtig rauskommt...und weniger, wegen des Trauerfalls,
Genau so! Ich bin nicht wütend auf meinen Bruder, ich bin auch nicht wütend, dass "es so gelaufen" ist, oder irgendwer an entscheidender Stelle nicht richtig gehandelt hat. Ich bin wütend auf die Situation, die sich nicht löst.... wütend auf mich, das nicht hinzubekommen.
ENA hat geschrieben: Herrje!
Ja, das macht es natürlich alles nur noch dringender und quälender. ...und wenn Du wenigstens für diesen Prozess eine Begleitung hast? Mit Deinem Vater, meine ich? Das andere lässt sich ja eh nicht hoppla-hopp lösen, braucht Zeit.
Gibt es denn niemanden, der Dir in Bezug auf Deinen Vater helfen kann (ich meine jetzt, im Gegensatz zu dem Satz davor, nicht jemand in Bezug auf den seelischen Umgang mit dieser Situation, sondern wirklich etwas ganz Konkretes, Alltagshilfen, jemand, der sich da mit drum kümmert und Dir so wenigstens da etwas die Sorge rausnehmen kann?).
Wenn du damit beginnst, dich denen aufzuopfern, die du liebst, wirst du damit enden, die zu hassen, denen du dich aufgeopfert hast..... (G.B. Shaw)

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Else
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Beitrag So., 08.05.2011, 23:01

Ja, herrje.... Das macht es schlicht für mich zur völligen Katastrophe und ich sitze quasi auf dem Pulverfass. Ich muss das irgendwie -schnellstens- für mich geregelt bekommen, sonst renne ich dem drohenden worst case wirklich ungefiltert und ungeschützt in die Arme. NOCH EINMAL schaffe ich das nicht!

Ich versuche seit langer Zeit das zu regeln. In erster Linie für meinen Paps, aber auch für mich! Es scheitert an meiner Mutter und ich weiß mir keinen Rat mehr.

Bei dem ersten Schlaganfall vor zwei Jahren, wurde 3 (in Worten: DREI) Tage niemand verständigt, nichts veranlasst. Als ich zu Besuch kam, war mein Paps völlig darnieder (davor: superfit und jeden Tag stundenlang spaziergehend unterwegs).... ich bin fast ausgeflippt, war völlig ratlos, war garstig mit ihm und hab auch heftig geschimpft, dass, wenn er nicht freiwillig zum Arzt oder ins Krankenhaus geht, ich in einweisen lasse. Meine Mutter sagte immer nur: er will ja nicht. Meine Wut auf sie kannte kaum Grenzen, denn hier denke ich, das Schlimmeres hätte vermieden werden können....

Ich habe ihn dann einweisen lassen. Es folgte das gleiche, wie bei meinen Brüdern.... würg.

Es wiederholte sich ein Jahr später, nach dem nächsten Anfall und Zusammenbruch in der Badewanne.

Ich habe die Pflegestufe für ihn beantragt, Ablehnung, Widersprüche.... und letztlich das ok für zumindest ETWAS Hilfe, weil ich durch meinen Job eben nur meine freie Zeit helfen kann. Ergebnis: Meine Eltern (bzw. meine Mutter) wollen nicht ständig "fremde Leute" im Haus haben und machen es lieber selbst.... würg. Es wird immer schlechter und schlimmer, aber sie lässt mich stehen, wenn ich das Thema anspreche.. fast 80-jährig ist sie dem nicht mehr gewachsen, sieht es auch, aber es besteht NULL Bereitschaft, sich helfen zu lassen. Tja.... wie weiter?
ENA hat geschrieben:...aber da hast Du doch schon etwas Schönes, eben diese Bereicherung
Ich kann sie aber nicht FÜHLEN, liebe ENA! Ich kann Listen machen, ich kann Dir meinen Bruder auch beschreiben (wenn ich bei den Fakten bleibe), ich kann seine Vorzüge erwähnen, kann Dir faktisch auch benennen, wo wir uns nah waren, Dinge zusammen erlebten, aber IN MIR ist NICHTS, außer Horrorvorstellungen, Bilder von seiner körperlich so desolaten Verfassung, Intensivstation nächtelang und bangend, Kotzen, mein Vater flehend mit ihm auf dem Arm, er kann nicht mehr laufen, nicht mehr sprechen, völlig wirr im Kopf, bittet mich, ihm zu helfen, entschuldigt sich, dass er mich vollpiescht, weil er in Scham versinkt, ich sehe ihn tot hinter seinem Sofa, wo mein Paps ihn gefunden hat, habe den Obduktionsbericht wortwörtlich vor Augen, ich sehe noch die "Verwesungslache", habe noch den üblichen Todes-Geruch in der Nase, als ich die Wohnung aufbrach, um an seine Papiere zu gelangen, damit endlich Schluss ist. Es überlagert einfach alles... auch nach so langer Zeit.

Sorry.... Abbruch.... geht grad nicht weiter.....
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Una
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Beitrag Mo., 09.05.2011, 08:50

Liebe Else,

es ist einfach entsetzlich was Du erlebt hast.
Ich bin schon beim lesen überfordert und bekomme fast Brechreiz.

Mir wird auch klar, warum Du nicht dran kannst: Du steckst noch mitten drin- durch die Eltern.

Du hast sogar Deine Krebserkrankung verheimlicht!!!
Wie geht es Dir jetzt gesundheitlich?

Deine Aufgabe ist die Helferin zu sein, alles zu schaffen,
die Starke für die Eltern und für Dich selbst zu sein.
Woher kommt diese Rolle, liebe Else?

Das ist unmenschlich!

Solange Du alle beschützen willst, bleibst Du gehetzt.

Wenn Deine Eltern sich nicht helfen lassen wollen, dann mußt Du sie die Konsequenzen auch ein wenig spüren lassen. Du kannst es nicht verhindern, dass alte Leute irrationale Entscheidungen für ihr Leben treffen, Du kannst sie aber auch nicht auffangen, sie sind trotz allem erwachsen.

Es ehrt Dich, wie Du Dich einsetzt, aber es macht Dich verrückt.
Ich glaube Du mußt lernen loszulassen.

Liebe Else: Du kannst das Leid leider nicht verhindern.
Es ist das Leben Deiner Eltern und Du hast selbst soviel zu verkraften.
Du kannst nicht alle retten, Du wirst sonst dabei selbst untergehen.
Leben heißt, langsam geboren zu werden. Es wäre auch zu bequem, wenn man sich fertige Seelen besorgen könnte.“

Antoine de Saint-Exupéry (1900-44).

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bittersweet
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Beitrag Mo., 09.05.2011, 16:09

liebe else,

das ist doch alles viel zu viel.

seit deiner kindheit bist du mit den sorgen anderer belastet und trägst verantwortung für deren leben. das konntest du als kind nicht leisten und auch jetzt nimmst du viel zu viel verantwortung auf dich. so viel von dir zu verlangen war und ist nicht angemessen - es ist unmenschlich, wie ich hier schon gelesen habe.
du musst die verantwortung abgeben, auf abstand gehen, auch wenn es noch so schwierig für dich ist. deine eltern müssen fremde hilfe annehmen.
du hattest schon krebs, du verfällst beim gedanken an deine familie in eine art hilflose schockstarre - was soll denn noch passieren? else, du musst auf dich schauen, sonst gehst du unter - auch das wurde schon geschrieben.
Una hat geschrieben: Meine Erfahrung mit diesen unterbewußten Blockaden ist: Weiß man erst mal was dahintersteht,
ist erstens die Angst/Panik weg und zweitens heilt man innerlich.
genau so sehe ich das auch. nur solange du mitten im feuer stehst, hast du keine chance, die dafür nötige (trauer)arbeit zu leisten. das merkst du ja selbst.

besonders gut finde ich übrigens schon immer deine signatur "Wenn du damit beginnst, dich denen aufzuopfern, die du liebst, wirst du damit enden, die zu hassen, denen du dich aufgeopfert hast..... (G.B. Shaw)"....

ich wünsch dir ganz viel kraft, pass gut auf dich auf

lg
bittersweet
All what we see or seam is but a dream within a dream
E.A. Poe

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ENA
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Beitrag Mo., 09.05.2011, 16:50

Liebe Elsi,

ich weiß jetzt grade gar nicht, wieviel ich schreiben "darf", weil ich Dich nicht noch mehr überfordern will. Lies das hier zu dem Thema bitte nur, wenn es geht!

Im Forum bekommt man mitunter ganz viel Input. Das finde ich gut, auch wenn ich manchmal denke:"Boah, soviel auf einmal geht ja gar nicht umzusetzen und damit zu arbeiten!"
...aber so schnell muss es auch gar nicht gehen, sage ich mir dann immer wieder.
Von daher: guck einfach, was geht und was nicht. ...und wenn Du zu diesem Thema im Moment nichts oder nur in Teilen schreiben kannst, dann ist es auch okay so, finde ich!
Else hat geschrieben: In meinen Ohren rauschte es nur noch, als wenn ich unentwegt unter Wasser schwimme, ständiges, lautes, Gepiepse im Kopf, als wenn mich irgendein TV-Sender um Worte prellen will, Schwindel....... urgs.
Oh,oh! Pass bitte auf auf Dich, Elsi! ...und wenn´s gar nicht geht, hol Dir Hilfe. Auch Du darfst das und hast das verdient, Dir helfen lassen zu dürfen!...

Wie geht es denn im Moment mit arbeiten? Geht das gut?

Ich würd Dir ja jetzt irgendwie Ruhe wünschen (von mir aus auch erstmal nur in Form eines Entspannungs- oder Wellness-Wochenende), weiß nur nicht, ob das gut so ist. Ich meine, ob dann nicht noch mehr hoch kommt. Auf der anderen Seite: sich total zuzuschütten, bis zum geht-nicht-mehr anzustrengen, ist sicherlich auch nicht gut. Hm... .
Was tut Dir denn im Moment gut? Gibt es etwas, wodurch Du wenigstens ein kleines bisschen Entlastung bekommen kannst?

Ich würd Dich ja gerne mit zum Singen nehmen. Das tut gut und löst manchmal auch. Nur weiß ich grad nicht, ob lösen so gut ist oder ob dann zuviel kommt. Hm, vielleicht langsam und kontrolliert lösen?
Else hat geschrieben:Sowas hört sich schlimm für mich an... fühlt sich schlimm an..... will/kann ich noch nicht an mich ran lassen! Ich wähne mich noch in der Hoffnung, mit einem "Stupser" selbst in die richtige Richtung zu gelangen!
Ja, das kann ich verstehen, dass sich der Begriff "traumatisches Erlebnis" schlimm anhört!
Vielleicht findest Du noch einen anderen. Vielleicht muss es auch erstmal keinen Begriff haben.
...und zu dem Stupser: Kann ich verstehen und ich würd Dir nur allzu gerne einen Smiley-Stubser geben. Den gibt es hier aber nicht, von daher mag ich Dir aber wenigstens schon mal den hier schicken: !
Else hat geschrieben:obwohl eine Trennung in diesem Moment eigentlich völlig abwegig erscheinen mag- erschien sie mir in diesem Moment klarer, denn je. Die Aussagen (menschlichen bzw. unmenschlichen) über meinen Bruder von ihm KONNTE ich nicht ertragen, auch, wenn sie sicher nicht in allen Teilen völlig abwegig waren: Mein Bruder mit kriminellem Vorleben = mein Ex Kriminalhauptkommissar....
Trotzdem,...geht ja gar nicht!!!
Else hat geschrieben:Ich denke da grad z.B. an meine Krebserkrankung, die ich versuchte, zu verheimlichen bzw. runter zu spielen, damit sie sich nicht auch noch größte Sorge um das dritte, bisher einzig gesunde Kind machen müssen.
Pass gut auf Dich auf!
Else hat geschrieben:Bei dem ersten Schlaganfall vor zwei Jahren, wurde 3 (in Worten: DREI) Tage niemand verständigt, nichts veranlasst.
Hm? Ich weiß nicht genau, wie das ausschaut, aber ich kann mir grade irgendwie nicht vorstellen, dass das harmlos aussieht, dass man ihn mal eben so da liegen lässt bzw. als Betroffener selber sagt, man will keine Hilfe... .
Else hat geschrieben:Ich habe ihn dann einweisen lassen. Es folgte das gleiche, wie bei meinen Brüdern.... würg.
Wie, die hast Du auch einweisen lassen? Kümmert sich denn keiner in Deiner Familie um die Gesundheit? Nix mit Selbstverantwortung?
Else hat geschrieben:Ich habe die Pflegestufe für ihn beantragt, Ablehnung, Widersprüche....
Wieso lehnt denn ein Amt bei so etwas ab? 2 Schlaganfälle hört sich auf jeden Fall nicht so harmlos an.
Else hat geschrieben:Ergebnis: Meine Eltern (bzw. meine Mutter) wollen nicht ständig "fremde Leute" im Haus haben und machen es lieber selbst.... würg.


Ich weiß nicht Recht, ob man da nicht gerichtlich eine gesetzliche Betreuung o.Ä. beantragen kann. Heißt aber wohl wieder, dass Du das machen müsstest.... .
Vielleicht hättest Du dann mehr Ruhe. Denke ich jedenfalls. Auf der anderen Seite stimme ich den anderen aber eigentlich auch zu, wenn die schreiben, dass das in der Verantwortung Deiner Eltern liegt. Du bist und kannst nicht für alles verantwortlich sein!...
...obwohl ich den Druck und den Zwispalt gut nachvollziehen kann!...
Else hat geschrieben:Es überlagert einfach alles... auch nach so langer Zeit.
Sorry.... Abbruch.... geht grad nicht weiter.....
Schon okay, Elsi. Das ist alles so viel, zu viel! Tut mir leid, dass das passiert ist.
´

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ENA
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Beitrag Mo., 09.05.2011, 16:52

Ich weiß grad auch nicht. Ich versuch hier immer nach Lösungen zu suchen, aber vielleicht ist das Schreiben hier auch erstmal einfach nur wichtig für Dich.
Irgendwie denke ich, Du bräuchtest jemanden, der Dir die Sorge um Deine Eltern erstmal abnehmen könnte. Daher auch der Gedanke mit der Betreuung. So hättest Du wenigstens da etwas Luft, um Dich um Deine eigenen Sachen zu kümmern. ...und das klingt wirklich heftig, was sich da zusammen gesammelt hat.

Ich wünsche Dir einen guten Raum, wo Du das alles (los-) lassen kannst. Nicht auf einmal, ist wahrscheinlich zu viel. Einen guten Mix quasi aus Stabilisierung (so, dass Du Dein Leben noch leben kannst) und nebenbei gucken, wie Du langsam, in Deinem Tempo, das Alte verabschieden und loslassen kannst.

Soweit erstmal. Ich lass das jetzt erstmal stehen, schreib aber gerne weiter hier, wenn es nicht zu viel für Dich ist.

Lieben Gruß von mir, Eni!

P.S.: "Post für dem Tiger!"


P.P.S.: Guck mal, Elsi: Für Dich!...Falls es geht... .

http://www.ludwig-ulrike.de/doc/artikel ... ionhp.html

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Tigerkind
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Beitrag Mo., 09.05.2011, 17:02

ENA hat geschrieben:P.S.: "Post für dem Tiger!"
Post für mich ?

Tigger war gerade am Briefkasten ? Gaaaannnnz leer !
Je weiter sich eine Gesellschaft von der Wahrheit entfernt, desto mehr wird sie jene hassen, die sie aussprechen.

-George Orwell-

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ENA
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Beitrag Mo., 09.05.2011, 17:24

Liebe Tigi!

Nein, das war sozusagen ein "Wink mit dem Zaunpfeil" für Elsi!

...aber da Dein Briefkasten heute so leer war, mag ich Dir auch was schicken!!!

Gucke in 2 Minuten mal in Dein PM-Postfach !!!

Lieben Gruß, ENA !

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Tigerkind
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Beitrag Mo., 09.05.2011, 17:39

Oh, wie schön !

Jetzt sitzt ein viel fröhlicherer Tiger vor dem PC !

Danke für die schöne Post, ENA !
Je weiter sich eine Gesellschaft von der Wahrheit entfernt, desto mehr wird sie jene hassen, die sie aussprechen.

-George Orwell-

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ENA
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Beitrag Mo., 09.05.2011, 17:45

..........

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