Wütend über meinen Therapeuten

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Beitrag Sa., 07.05.2011, 01:48

Hallo bluebird,
bluebird hat geschrieben:"Schuld" ist ein hartes Wort.

Ich finde es nicht hart. Ich bin kein Vertreter davon, man sollte den Begriff ganz streichen, weil jeder täte, was er eben könne. Ich glaube aber, es ist gut, damit mit Bedacht umzugehen. In einer Therapie sogar zumindest vorerst mal zu suspendieren.
bluebird hat geschrieben:Aber ich kann mich nicht vom Gedanken distanzieren, dass es schon zu einem grossen Teil an mir liegt, dass es noch nicht wirklich gut läuft in den Stunden.

Hm, erstens hast du Therapie nicht allein in der Hand. Ich würde sagen, das ist ein "Gesamtkunsttwerk".
Und zweitens stimmt aber, es liegt auch an dir, was heißt, es hat mit dir zu tun. Was aber wiederum nicht heißt, es sei deine Schuld. Das sind zwei verschiedene paar Schuhe.
bluebird hat geschrieben:Und da drängt sich eine Schuldsprechung gerne auf, auch wenn es nicht richtig ist.
Ich wünsche dir erfolgreiches Zurückdrägen und Widerstand leisten.
bluebird hat geschrieben:Ich habe halt Angst, dass sich das nie bessert.

Das Vertrauensproblem war in dieser Weise nie mein Problem. Nicht zuletzt, weil ich wusste, ich bin vorsichtig genug und kann mich im Notfall wehren. Es gab aber andere Punkte, wo ich dachte, irgendwann müsste ich doch mal . . . Ich muss gar nichts. - Und das gilt auch für dich, sag`ich einfach mal so frech.
bluebird hat geschrieben:Ich könnte also schon verstehen, dass er irgendwie überfordert ist, ohne Rückmeldungen von mir, er weiss ja überhaupt nicht, woran er ist. Er hat mir auch schon gesagt, dass er nicht an mich rankommt.
Letzteres kannst du einfach als Feststellung bzw. Gefühl von seiner Seite nehmen. Nicht als Kritik. Und gucken, ob da was dran ist, ob du es genauso siehst. So scheint es ja. Er ist sozusagen "nur" ein "Medium", dass du dir näher kommst. - Und, eines, was ein guter Therapeut braucht, ist Geduld. Das gehört zu seinem Handwerk. Darüber brauchst du dir keine Sorgen zu machen. (Es gibt als Ausnahmen zwar auch schlechte, aber so hört es sich nicht an.)
bluebird hat geschrieben:Ich habe ihm auch schon Briefe geschrieben (er hats mir angeboten), weil das einfacher für mich ist, aber das kann ja nicht die ewige Lösung sein.
Ich weiß ja nicht, wie dein Humor gelagert ist. Ich trau mich einfach mal. Falls daneben, überlies es bitte! Nein eine ewige Lösung kann es nicht sein. Schon allein deshalb nicht, weil du nicht ewig in Therapie bleiben wirst.

Falls ich irgendwo Quatsch geschrieben habe, sorry, ich bin schon ziemlich müde. *gähn*

Gruß
Anastasius

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Bluebird
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Beitrag Mo., 09.05.2011, 22:51

Münchnerkindl:

Er weiss nur, dass was passiert ist damals, aber nichts genaueres. Wir gehen bei diesem Thema nur sehr langsam voran, aber finde ich auch gut so, wird mir ja sehr schnell zuviel.

Das mit der Überforderung ist nur eine Vermutung, meine Einschätzung kann auch ganz falsch sein. Er ist ziemlich erfahren mit Traumapatienten, von daher sollte ihn das ja eigentlich auch nicht mehr überfordern. Irgendwie habe ich einfach das Gefühl, dass irgendetwas nicht so ganz stimmt, aber ich kann das nicht benennen. Ich dachte erst, ich erzähle ihm zu wenig. Aber als ich mich dann getraut hab, ihn darauf anzusprechen, meinte er "eigentlich nicht". Oder vielleicht auch eher so, als würde ihn etwas verwirren.

Ich sollte ihn wirklich darauf ansprechen. Na ja, ich nehms mir einfach mal ganz fest vor

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Bluebird
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Beitrag Mo., 09.05.2011, 23:24

Hallo Tellmewhy,

vielen Dank für deinen Beitrag!

Tellmewhy hat geschrieben:Trotzdem kannst du gerade in den Situationen, in denen du dich total vom Eindruck des Therapeuten abhängig fühlst und so, als würde er deine Verletzlichkeit ganz sicher missbrauchen, die Verantwortung für diesen Konflikt teilen, damit du sie nicht allein austragen musst.
Das hat mir noch einmal gezeigt, wie wichtig es wäre, etwas offener zu sein, danke Aber ich frage mich, wie man das lernen kann, wie man sich dazu überwinden kann... Falls du in Therapie bist/ warst, konntest du das von Beginn an? Dinge ansprechen, die dich in der Therapie verwirren, die dich verletzt haben, usw?
Ich glaube ich habe Angst davor, weil ich mich dann doppelt verletzlich mache. Und das schafft auch irgendwie emotionale Nähe, nehme ich an, das ertrage ich nicht so gut. Vielleicht muss ich mich darum so stark abgrenzen. In der letzten Stunde gabs mal kurz einen Moment, in dem habe ich mich richtig wohl mit ihm gefühlt. Aber sobald ich mich dabei "ertappt" habe, wars vorbei. Ich habe mich irgendwie betrogen gefühlt, als würde er mich jetzt "therapeutisch einlullen" und ich fall darauf rein. (Das ist Unsinn, ich weiss.)

lg bluebird

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Tellmewhy
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Beitrag Mi., 11.05.2011, 20:37

Hallo bluebird!
Freut mich für dich, dass du dich ein Stückchen weiter gewagt hast, obwohl der Moment der Wut endlos entmutigend gewesen sein muss. Das Gefühl sich bei etwas Verbotenem zu ertappen..ich erinnere mich an eine Szene, die ich mal auf einem Stadtbummel erlebte:
Mir gings ganz mies, ich lief versunken an einem Zoogeschäft vorbei und dachte mir, "die Gedanken in meinem Kopf an die Tiere da drin sind einfach schöne Gedanken, weil diese Tiere ganz bestimmt nicht so schlecht denken oder überhaupt gar nicht, und auch nicht sich um irgendwas kümmern und den Kopf zerbrechen müssen - wie ich das muss." Und da gings mir ein bisschen besser. Und ich habe mich gefreut über die Kaninchen im Schaufenster, die waren einfach süß. Und ich habe mir sehnsüchtig gewünscht auch so zu sein: süß und kuschelig, dann könnte es wohl jemand mit mir aushalten. Und plötzlich ist meine Stimmung wieder depressiv geworden, weil ich mich gehasst habe dafür, dass ich drauf reingefallen bin. Ich habe genau das getan, was der Zoohändler wollte: ich habe die Kaninchen süß gefunden - das war genau das was er wollte, damit lockt er seine Kunden an, nur damit sie was kaufen und es ist ihm völlig egal, wie ich mich fühle, wenn ich was anderes will. Nämlich, dass ich in meinen Gedanken Bedürfnisse habe, die ich nach außen tragen will ohne mich deswegen schuldig zu fühlen!! (habe ich mir enttäuscht gedacht) Und ich bin wie jeder andere Dumme auch - völlig wertlos. Der Beweis, dass man machen kann mit mir, was jeder will - ich habe nichts aus meiner (schlechten) Erfahrung "gelernt". - Im Nachhinein ist aber einfach mal gar nichts pasiert, muss ich ehrlicherweise zugeben. Ich habe weder wen oder was wichtiges verloren, noch ist mir Schmerz zugefügt worden; ich bin nicht zu etwas gezwungen worden, nichts von dem, was ich als schlecht erlebt habe, hatte mit der Situation zu tun - nur habe ich mich für einen etwas längeren Augenblick total so gefühlt.

Also, was ich dir damit sagen will, ist, dass es gar nichts Furchtbares sein muss, sich zu fühlen als verhielte man sich exakt so wie es der andere vielleicht von einem erwartet. Man lebt auch dann noch, wenn man sich nicht mehr so vehement gegen die Angst wehrt nicht mehr selbstbestimmt zu sein, nur weil man die Erwartungen des anderen erfüllt. Denn bedeutet dies wirklich immer absolut zwangsweise den eigenen Untergang? Oder totale Abhängigkeit? Kann man das nicht auch einfach als selbstverständlich wahrnehmen - die Reaktionen des Gegenüber - ohne davon gänzlich eingenommen zu sein und nur noch außschließlich davon versorgt werden zu wollen?
Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass solche Gedanken schmerzen, wenn man pure, gräßliche Abhängigkeit in einer Beziehung erlebt hat ohne irgendetwas dazu getan zu haben, sondern stetig unter unermesslichem Druck von außen vermittelt wurde, dass diese Beziehung auf Gemeinsamkeit beruhe; wobei es eigentlich nur um einseitige Befriedigung und Vergewaltigung durch den Täter ging, egal ob rein seelischer Natur oder in Verbindung mit physischer Gewalt.
Zuletzt geändert von Tellmewhy am Mi., 11.05.2011, 22:58, insgesamt 2-mal geändert.

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Tellmewhy
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Beitrag Mi., 11.05.2011, 20:40

...wenn ich meine ureigenen Bedürfnisse an meine Therapeutin formuliere, schütze ich mich gleichzeitig immer vor der Konsequenz (die ich mir ganz unerträglich, ja sogar lebensbedrohlich ausmale), indem ich mich vom Bewusstsein, was ich erlebe, immer so abkapsele als würde das alles eh nur in meiner Fantasie passieren. Also auch die Therapie, die Menschen und meine Gefühle. Und dort tut es mir nicht so direkt weh, obwohl ich gleichzeitig wahnsinnig traurig darüber und sehr unglücklich bin.

Aber ich bin davon überzeugt, dass ich mich zumindest innerlich genauso mitteilen kann wie jeder andere: darüber was mich verwirrt, verletzt und vieles mehr. Nur, dass ich es so mache, dass ich mich eigentlich selbst darin kaum verstehen kann und das für mich erstmal übersetzen muss. Und ich sehr oft von Unsicherheit überwältigt bin, aber nur wenn ich mich mit anderen vergleiche, was ich leider zur "Erfolgs-"Kontrolle ständig tun muss..Da entsteht leicht ein Trugschluss, dass man glaubt, seine Gefühle für den Therapeuten übersetzen zu müssen oder man anderen irgendwie beibringen soll, dass sie einen verstehen (genau das denkt man vielleicht gerne, wenn Missverständnisse mit anderen Menschen einem manchmal fast vollständig den Mut rauben sich überhaupt verständlich machen zu wollen). Aber eigentlich lernt man vom Therapeuten nichts völlig Welt-Neues, sondern mehr die eigene Art zu sprechen als solche wieder zur Verständigung mit einem selbst nutzen zu können und im Sprechen niemand außerhalb von seinem Körper mehr standhaft und kategorisch als Bedrohung der eigenen Persönlichkeit vom Gespräch ausschließen zu müssen.

Ob man das lernen kann? Oder eher wie man es lernen kann. Darauf vertrauen, dass es richtig ist, wenn man es tut. Wenn man den Versuch unternimmt sich zu öffnen und über sich eine bestimmte Vorstellung zulässt, die von Wert, Zuneigung, von positiven Gefühlen des anderen für einen selbst geprägt sein darf. Auch wenn man nicht den Ton für sich trifft, den man sich wünscht und das Gefühl hat, kläglich zu versagen, elendiglich an der ""Hürde des anderen" zu scheitern. Denn falsch ist definitiv immer: Alles als falsch zu verurteilen, bevor man sich selbst die Gelegenheit gibt, sein Ich in einem Gespräch jemandem anderem anzuvertrauen. Man braucht auch die Möglichkeit dazu, sein eigenes Urteil über sich zu fällen!! Und das bedeutet für mich der Schritt aus der Vergangenheit raus, der mir vielleicht genauso Schmerz und Verzweiflung und Einsamkeit bereitet, wie es für jeden in der Therapie sein kann.

VLG.-tellmewhy

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Bluebird
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Beitrag Di., 17.05.2011, 01:47

Hallo tellmewhy,

dankeschön für deine Antwort, sie war wieder sehr hilfreich Meine Antwort kommt sehr spät, tut mir leid, aber ich musste erst einmal darüber nachdenken.
Tellmewhy hat geschrieben:Nämlich, dass ich in meinen Gedanken Bedürfnisse habe, die ich nach außen tragen will ohne mich deswegen schuldig zu fühlen!!
Tellmewhy hat geschrieben:Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass solche Gedanken schmerzen, wenn man pure, gräßliche Abhängigkeit in einer Beziehung erlebt hat ohne irgendetwas dazu getan zu haben, sondern stetig unter unermesslichem Druck von außen vermittelt wurde, dass diese Beziehung auf Gemeinsamkeit beruhe; wobei es eigentlich nur um einseitige Befriedigung und Vergewaltigung durch den Täter ging, egal ob rein seelischer Natur oder in Verbindung mit physischer Gewalt.
Das trifft beides sehr gut zu und ich habe mich gefragt, ob vielleicht zwischen diesen beiden Dingen, dieser Abhängigkeit (oder Machtlosigkeit) und dem Problem, Bedürfnisse zu äussern, eine Verbindung besteht? Also, es überrascht mich, dass du das rausgelesen hast. Weil die Schwierigkeiten mit dem Sich-Öffnen gegenüber dem Therapeuten, oder auch allgemein, haben wahrscheinlich schon sehr viel mit dem Verstecken von Bedürfnissen zu tun. Ich habe jeweils Angst davor, dass er weiss, was ich mir wünsche oder erwarte, von ihm wie auch von anderen. Das ist mir grundsätzlich sehr unangenehm und ich sehe noch nicht genau, warum. Vielleicht durch die Angst vor Ablehnung oder durch die grundsätzliche Angst, nicht in Ordnung zu sein, ekelhaft zu sein usw.

Du kennst ja dieses negative Gefühl auch, wenn man Bedürfnisse mitteilt. Hast du einen Namen dafür? Vielleicht ist das eine seltsame Frage, aber ich kann das nicht definieren. Es ist vielleicht so etwas zwischen Angst und Ekel, keine Ahnung... Das selbe, wie wenn einem jemand emotional zu nahe kommt, man will einfach nur flüchten, Abstand. Mir fällt dazu wirklich kein passender Begriff ein.
Tellmewhy hat geschrieben:wenn ich meine ureigenen Bedürfnisse an meine Therapeutin formuliere, schütze ich mich gleichzeitig immer vor der Konsequenz (die ich mir ganz unerträglich, ja sogar lebensbedrohlich ausmale), indem ich mich vom Bewusstsein, was ich erlebe, immer so abkapsele als würde das alles eh nur in meiner Fantasie passieren. Also auch die Therapie, die Menschen und meine Gefühle.
Das klingt sehr hilfreich. Ich habe mir heute überlegt wie es wäre, alles "Schwere" nur noch in der 3.Person zu erzählen. Ich glaube, das würde vieles vereinfachen, dann hätte das Gesagte nicht mehr soviel mit mir zu tun. Ich wollte auch schon gewisse Decknamen in der Therapie einführen, weil ich bestimmte Personen in Bezug auf gewisse Vorkommnisse nicht benennen kann. Hast du sowas schon einmal versucht? Ich traue mich nämlich natürlich nicht, so etwas dem Therapeuten vorzuschlagen. Aber vielleicht wäre das gar nicht so selten?

Ich hoffe ich nerve nicht...

Bluebird

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Tellmewhy
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Beitrag Mi., 18.05.2011, 18:01

Hi Bluebird.
bluebird hat geschrieben:Du kennst ja dieses negative Gefühl auch, wenn man Bedürfnisse mitteilt. Hast du einen Namen dafür? Vielleicht ist das eine seltsame Frage, aber ich kann das nicht definieren. Es ist vielleicht so etwas zwischen Angst und Ekel, keine Ahnung... Das selbe, wie wenn einem jemand emotional zu nahe kommt, man will einfach nur flüchten, Abstand. Mir fällt dazu wirklich kein passender Begriff ein.
Aus welchen Gründen auch immer, die aus der Vergangenheit in dem Moment die Gegenwart durchdringen und besetzen: Es ist das Gefühl abgrundtief und total überfordert zu werden.

Das z.B. in der Situation auftaucht, besser gesagt mit der Vorstellung, dass die Erwartungen, die du an andere (auch an den Therapeuten) herantragen und in deinem Interesse verwirklichen willst = die Voraussetzung dafür, dass du etwas dazu beitragen kannst, dass es dir gut geht: Nur dazu dienen die Angst vor einem Missbrauch durch den anderen zu rechtfertigen (deswegen die Schuldgefühle gegenüber anderen) und dich zwingend deiner eigenen Ohnmacht und auch dem Kontrollverlust über deine eigene Abwehr ausliefern (die Vorwürfe gegen dich selbst).

Dabei ist das Gefühl der Überforderung ein gangbarer Weg, um weg von den Gedanken an die - innerhalb der missbräuchlichen Erfahrung erlebten - Perversion, wieder in den selbstbestimmten, aktiv beteiligten Austausch mit der Realität zu kommen. Weil es eben ein Gefühl ist, dass ganz logisch und deshalb ein gesundes Zeichen ist, und weil es viele Grenzüberschreitungen in sich vereinen konnte, ohne dass man sich tatsächlich überfordert gefühlt hat.

In der Therapie macht der Therapeut sozusagen durch seine Anwesenheit im geschützten Raum das Angebot, dass man -ohne gleich unmittelbar dem Druck des Täters direkt ausgesetzt sein zu müssen - das, was eine Bedrohung für einen selbst war: als solche zum ersten Mal in Gegenwart eines Gegenübers zulassen darf - auch ohne dafür bestraft zu werden. Indem man, entgegen der gemachten Erfahrung, z.B. versucht auf SEINE ART zu formulieren "ANHALTEN, DAS GEFÄLLT MIR SO NICHT!", eben immer dann, wenn man den Eindruck hat ohne die Rücksicht und das Verständnis des anderen dafür (ähnlich wie beim Wandern: für die Erschöpfung, die Anstrengung und auch die Grenze seiner eigenen Möglichkeiten) Überforderung nicht mehr ganz nur zu seinem eigenen Schutz auszudrücken zu können. Und dann nicht ausbrechen, sondern mit dem Therapeuten gemeinsam aushalten (auch der muss es mit aushalten), dass es weh tut, weil einem klar werden kann, dass es die alte Erfahrung ist, die schlimm für einen war, und der Moment in dem man es im Jetzt nochmal quasi-erleben muss, was man nie wieder erleben wollte. Dass das Gute aber an diesem Erleben ist, dass es im Jetzt passiert und den Abstand hat, den man hoffentlich immer weiter ausbauen kann. Bis man vielleicht eines Tages seine Kindheit wie auch das Leben jetzt viel mehr als einen Teil erleben kann, der zu Recht zu einem gehört. Und nicht mehr ausschließlich dominert von Gewalt und Macht von außen (als völlig unkontrollierbaren Teil, vor dem man sich schützen muss, den man gewaltsam von sich getrennt aufrecht erhalten muss).

VG-tellmewhy


PS: Liebe bluebird, es hilft mir übrigens auch dir zu schreiben, weil ich mich gleichzeitig bei allem dazu aufgerufen fühle, genau darüber nachzudenken, wie und ob das jetzt bei mir so ist. Das entwirrt bei mir auch einiges - zumindest macht es mich offener demgegenüber. Weiter als bis hierher bin ich (noch) nicht gekommen.

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Beitrag Do., 19.05.2011, 21:03

...Ich fühl´mich beispielsweise von meinen Aggressionen und meiner Verunsicherung gegenüber der Therapeutin überfordert, und will kein Vertrauen zu ihr, wenn Sie ganz einfach nur Interesse an mir hat und mir das auch zeigt. Ich empfinde Interesse von anderen Menschen immer als üble Schikane, als schiere Demütigung, als Machtmissbrauch, Bloßstellung und als Ausgrenzung. Ich habe das Gefühl diese Vorstellung nicht zu ertragen und daran innerlich zu ersticken. Und der Rückzug in die Fantasie wirkt immer schwächer, je mehr neue gute Erfahrungen ich aushalten muss, die zwar das alte Gefühl aufwärmen, aber eigentlich außer dem nichts mehr damit zu tun haben.
tellmewhy

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Beitrag So., 29.05.2011, 19:48

Oh man, tellmewhy, ich habe deinen Beitrag erst jetzt gesehen! Ich dachte, niemand hätte mehr geantwortet, hab deinen Beitrag irgendwie total verpasst... Tut mir leid!
Tellmewhy hat geschrieben:Ich fühl´mich beispielsweise von meinen Aggressionen und meiner Verunsicherung gegenüber der Therapeutin überfordert, und will kein Vertrauen zu ihr, wenn Sie ganz einfach nur Interesse an mir hat und mir das auch zeigt. Ich empfinde Interesse von anderen Menschen immer als üble Schikane, als schiere Demütigung, als Machtmissbrauch, Bloßstellung und als Ausgrenzung.
Kannst du diese Agressionen denn deiner Therapeutin gegenüber auch äussern, bemerkt sie etwas, oder machst du das mit dir selber aus? Und kommen die auch während der Stunde auf oder nur dazwischen? (Bei mir kommen die immer nur zwischen den Stunden, wenn ich mal wieder das Gefühl habe, dass ich mich doch von ihm nicht manipulieren lassen will. Aber in der Therapie ist immer nur die Verunsicherung da und das Gefühl des Ausgeliefert-Seins.)

bluebird hat geschrieben:Bis man vielleicht eines Tages seine Kindheit wie auch das Leben jetzt viel mehr als einen Teil erleben kann, der zu Recht zu einem gehört. Und nicht mehr ausschließlich dominert von Gewalt und Macht von außen (als völlig unkontrollierbaren Teil, vor dem man sich schützen muss, den man gewaltsam von sich getrennt aufrecht erhalten muss).
Das sehe ich auch so. Dass man das Ganze erst überhaupt mal verstehen kann, und nicht immer irgendwie zu verdrängen versucht oder sich dann selbst als Lügnerin empfindet, weil man es überhaupt jemandem erzählt. Ich kann da momentan gar nicht so wirklich anders damit umgehen, als es im Alltag zu verdrängen, weil es auch noch Täterkontakt gibt. Ich muss so tun, als wäre nichts gewesen. Ich weiss nicht, was ich anderes tun sollte... Gibt es bei dir noch Täterkontakt? (Nur falls du antworten magst, natürlich.)

Schreibst du deiner Therapeutin eigentlich auch Briefe? Falls ja, liest sie die alleine oder lest ihr die zusammen in der Stunde?

Noch einen schönen Abend!

Bluebird

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Beitrag Do., 02.06.2011, 12:26

Hallo Bluebird. Meine Aggressionen. Die hasserfüllte Ablehnung bekommt jetzt leider jeder zu spüren, der mit mir Kontakt hat..Und jeder, dem ich begegne, wird schon automatisch zu meinem Vater als Täter gemacht. Weil ich die Vorstellung nicht ertragen will, dass ich wehrlos bin gegenüber dem Gefühl zuständig zu sein für die Ohnmacht meiner Mutter in Beziehung zu meinem Vater; immer dann, wenn ich eine Beziehung freiwillig zu jemandem möchte, die abhängig von MEINEN Bemühungen wirklich keinen heimlichen Wunsch verbirgt, sich und seine Gefühle nicht doch wieder durch gegenseitige Demütigung und Missachtung und Verletzung zu kontrollieren. Also dass ich eine Beziehung haben will ohne das verdrängende Hintertürchen, das nur wieder einen Bezug zu meinen Eltern darstellen würde! Dann bin ich zwangsweise lieber gleich so, wie ich es mir gar nicht vorstellen mag, nach dem Motto: schlimmer als darauf kann die Reaktion von anderen eh nicht werden. (ja, bestimmt keine gute Lösung auf Dauer!!)

Ich bin jetzt nach schon längerer Therapiezeit für mich drauf gekommen, in was für Kategorien ich Menschen aufteilen muss, um die mich bestimmenden Gefühle und Agressionen gegen andere einigermaßen im Griff zu haben. Also beispielsweise: Frauen so zu sehen, als wären sie vollkommen wert- und nutzlos, quasi nicht existent. Oder Kinder als nicht lebenswert, als Objekte, die erschossen gehören. Ziemlich heftige Phantasien, wie man sehen kann. Davon kann ich mich innerlich zum Glück ganz gut abgrenzen; mich beruhigen indem ich mir versuche klar zu machen, dass ich eigentlich weiß, dass ich davon nicht betroffen bin und dass ich mich auch anders erlebt habe als es von mir verlangt war.

Schwieriger wird es da schon mit der Vorstellung, die ich von Männern im Allgemeinen habe. Ich habe den Verdacht, dass ich Männer genau so sehe, wie ich die Beziehung meines Vaters zu meiner Mutter mitbekommen habe. Das musste ich aber ganz tief in mir begraben. Weil ich nämlich große Angst vor dem hatte, wie mein Vater mit mir umgegangen ist, und ich an meiner Mutter gesehen und gespürt habe, wie sehr sie sich und mir verboten hat, über Gewalt zu sprechen, die man von Männern erfährt (Mein Vater musste in ihrer Vorstellung für mich so gut und allmächtig sein wie Gott). - Ich habe in den letzten drei Therapiestunden immer wieder versucht, darüber zu reden, aber nix geht. Aber ich habe es mir trotzdem fest vorgenommen...Ich glaube, dass ich mich deshalb mit dem Männerbild selbst ganz stark identifiziert habe, damit meine Mutter sozusagen für mein Wohl "stabil" bleiben kann, wenn ich der Täter und all das Böse bin und die Schuld dafür übernehme, dass mein Vater so zu mir war und dass er genauso zu meiner Mutter war, wie er war. Und es dadurch eine Art Berechtigung erhält, dass sie bei alldem nichts unternommen hat, weder für sich noch für mich. Da ich als Kind nicht den Hauch einer Chance hatte mich abzugrenzen - weder von der Beziehung meiner Eltern zueinander, noch von den eigenen schlimmen Erfahrungen meiner Eltern, die sie gemacht haben als sie selbst noch klein waren - hat sich ein derartiges Selbstbild in mir breit gemacht. Es gibt dafür auch einen psychoanalytischen Begriff, es nennt sich "Identifikation mit dem Aggressor". Das ist zwar nur eine Überschrift, aber ich habe mich in vielem, was man darunter in therapeutischem Sinne versteht, wieder erkannt, was mich echt gewundert hat, weil ich bis dahin gedacht habe, dass man diese Gefühle und diese Energie nicht in Worte fassen oder in einen annähernd sinnvollen Zusammenhang zu der Erfahrung bringen kann.


Täterkontakt - Ich habe dafür gesorgt, dass ich tatsächlich in keinster Weise mehr von ihm abhängig bin(das mit der gefühlten Ahängigkeit ist noch nicht geschafft). Das war mir sehr wichtig und ich denke, anders kann man sich auch letztlich nicht vollständig aus dem erlebten Trauma befreien.
Briefe an meine Therapeutin schreibe ich manchmal, wenn es um Organisatorisches geht. Oder ich schreibe so etwas. Das ist dann aber nicht speziell an sie gerichtet und das lesen wir dann auch gemeinsam, um herauszubekommen, was es bedeutet. Hast du deinem Therapeuten geschrieben und den Wunsch, dass der Brief in der Stunde thema ist?

lg.Tellmewhy

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Beitrag Mo., 06.06.2011, 23:08

Guten Abend tellmewhy,

Tellmewhy hat geschrieben:Ich habe in den letzten drei Therapiestunden immer wieder versucht, darüber zu reden, aber nix geht. Aber ich habe es mir trotzdem fest vorgenommen...
Bist du denn mittlerweile in der Therapie schon weiter gekommen, konntest du es schon ansprechen?

bluebird hat geschrieben:Täterkontakt - Ich habe dafür gesorgt, dass ich tatsächlich in keinster Weise mehr von ihm abhängig bin(das mit der gefühlten Ahängigkeit ist noch nicht geschafft). Das war mir sehr wichtig und ich denke, anders kann man sich auch letztlich nicht vollständig aus dem erlebten Trauma befreien.
Ja, Abhängigkeit ist auch so ein Thema von mir... Ich finde das sehr schwer, mich irgendwie abzugrenzen. Ich bekomme auch finanzielle Unterstützung, weil ich am studieren bin, und das wird noch einige Jahre dauern. Ich arbeite schon, aber ohne Unterstützung reicht es leider nicht, auch weil es mir oft nicht so gut geht, da kann ich nicht mehr arbeiten. Dadurch habe ich grosse Schuldgefühle, überhaupt in der Therapie davon zu sprechen, was passiert ist. Ich fühle mich sehr hinterhältig dadurch, Geld annehmen aber dann hinter seinem Rücken solche Dinge erzählen. Das ist doch total daneben von mir, geht einfach gar nicht... Und dann fühle ich mich auch wieder verpflichtet, wenn er mich sehen will. Ich kann nicht nein sagen, weil ich in seiner Schuld bin. Und Kontakt abrechen geht auch sonst nicht, da müsste man Gründe vorlegen und das wäre sehr schlimm, wenn das jemand erfahren würde. Das würde alles zerstören.
bluebird hat geschrieben:Das ist dann aber nicht speziell an sie gerichtet und das lesen wir dann auch gemeinsam, um herauszubekommen, was es bedeutet. Hast du deinem Therapeuten geschrieben und den Wunsch, dass der Brief in der Stunde thema ist?


Also ich schreibe ihm ziemlich oft. Manchmal schauen wir dann die Briefe zusammen in der Stunde an, aber meistens liest er die für sich selbst. Er sagt mir zwar immer, dass ich schreiben darf, aber habe trotzdem immer Angst, dass er dann genervt ist. Sowieso, letzte Stunde war ziemlich schlecht. Er war irgendwie überhaupt nicht sehr freundlich. Ich beginne sowieso in der letzten Zeit ihn abzulehnen. Ich weiss gerade nicht, aus welchem Grund. Weil das ist ein allgemeines Problem, dass ich Männer ablehne nach einer bestimmten Zeit, da gibt es schon einige Parallelen. Oder es passt ganz einfach nicht. Keine Ahnung, was von beidem zutreffend ist...

Bist du immer überzeugt, dass deine Therapeutin die "richtige" für dich ist, oder hast du teilweise auch Zweifel?

Also, ich wünsche dir einen schönen Tag morgen!

Lg Bluebird

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Beitrag Mi., 08.06.2011, 11:52

Hallo! Also ich habs in der letzten Therapiestunde zum Thema gemacht, allerdings musste ich es vorher daheim aufschreiben, was ich zu Männern zu sagen habe, und konnte auch nur die ersten zwei Wörter vorlesen: nämlich, dass Männer Wichser sind und Luschen..hab noch viel mehr aufgeschrieben, was ich vielleicht noch vorlesen werde. Im Endeffekt sind es Beschreibungen, die ablehnend gegenüber Frauen sind-aber so, dass die Frau sich nicht rechtfertigen muss und darum kümmern muss, warum sie jetzt abgelehnt wurde und was sie als Frau ausmacht. Sondern der böse Mann hat dann immer die Schuld und keiner darf das mehr hinterfragen oder anzweifeln.
Ich glaube, dass ich tief im Innern von meiner Mutter in ihrer Beziehung zu meinem Vater unendlich enttäuscht wurde. Und sie hat mir auch noch die Schuld an diesem Gefühl in mir gegeben, immer wenn ich sie fragen wollte, warum sie jetzt von meinem Vater oder von anderen Menschen aufgrund ihres Verhaltens abgelehnt wurde. Oder wenn ich ihre Schwäche und Abhängigkeit abgelehnt habe. Und wenn sie sich von mir völlig grundlos zurückgewiesen gefühlt hat, wenn ich mir so gewünscht habe ihr erzählen zu können, wie ich mich fühle: dass für mich nicht alle Männer so sind wie mein Vater und nicht alle Frauen so sind wie meine Mutter und nicht alle Kinder so wie sie mich und meinen Bruder gerne gesehen hat!

Liebe bluebird, ich finde es schlimm, dass du das Geld von deinem Vater brauchst. Nicht an sich, verstehe mich bitte nicht falsch. Sondern weil ich glaube, dass du nicht soweit bist in der Aufarbeitung, dass es dir keine ernsten Schwierigkeiten machen würde. Es muss von den Gefühlen her jetzt total verwirrend für dich sein und auch ziemlich belastend. Du fühlst dich sogar schuldig demgegenüber, dem du ausgeliefert warst dafür, dass du nur mal über das redest, was passiert ist! Als hättest du kein Recht, dieses Unrecht anzusprechen, nur weil du finanzielle Hilfe von ihm erfährst. Das bräuchtest du ganz sicher nicht, wenn du das Geld einfach so von jemandem bekommen würdest, von dem du gerne unterstützt werden würdest und wo kein Gefühl der Verpflichtung besteht diese Abhängigkeit als etwas Grenzüberschreitendes zu sehen. Wäre das möglich? Ich wünsche dir jedenfalls, dass du dich von der Situation wie du sie jetzt erlebst wenigstens etwas abgrenzen kannst und das eine vom anderen unterscheidest.
Mal unabhängig davon kann ich es gut nachvollziehen wie schwierig es ist, mit psychischem Leid alles einigermaßen gebacken zu bekommen: Wohnen, Leben, Studieren, Therapie; ist bei mir ähnlich gelaufen; ich hatte mit meiner Miete und meinem Nebenjob Glück - sonst hätte ich meine finanzielle Unabhängigkeit nicht selbst organisieren und zahlen können. Für mich war es ist ein ganz wichtiger und letztlich sehr lohnenswerter Schritt. Ob man es dann tatsächlich packt, hängt nicht allein von einem selbst ab, klar. Aber man sollte es sich zumindest zutrauen es immer wieder zu versuchen und optimistisch sein, sofern das geht.

Ehrlich gesagt ist es bei meinem Vater wenig anders als bei deinem - der ist auch süchtig nach Macht über mich, nach Anerkennung von mir und Liebe; danach sich mit seiner Vorstellung von mir zu identifizieren. Und ich fühle mich leider genauso wie du dazu verpflichtet, diese Bedürfnisse zu befriedigen und wenn ich es nicht tue, leidet mein eigenes Sozialleben als "Bestrafung" für diese Weigerung darunter. Weil er es so darzustellen weiß, dass ich ein schlechter Mensch und Kamerad sei, dass man mir nicht vertrauen kann und dass ich undankbar, egoistisch und ablehnend bin. Warum bin ich da nur so verletzlich und schwach? Hoffentlich, naja ich hoffe es fest und glaube daran, dass das irgendwann gar nicht mehr so ist - das es mich dann einfach nicht mehr interessiert und angeht, weil ich es nicht mehr als Beziehung brauche, weil ich eigene Menschen als Freunde habe, die mich wirklich auffangen können und annehmen können. Und nicht so tun als ob, nur um mich missbrauchen zu können. Und ich mich nicht so verletzt und verlassen fühle und traurig bin, dass es mir egal ist worauf und mit wem ich mich einlassen möchte, insbesondere wenn es mein eigener Vater ist.
Das Gefühl, Männer nach einiger Zeit des Kennenlernens abzulehnen, kenne ich. Dieses Gefühl kommt bei mir wohl ursprünglich von meiner Mutter. Aber sie hat mir damit gedroht, dass mich alle hassen, wenn ich es nicht für sie in mir und in meinem Körper begrabe. Deshalb wollte ich die Therapie auch schon dreimal abbrechen, mal halbherzig, mal, weil ich es nicht mehr ausgehalten habe, dass meine Therapeutin dagegen nichts tun kann (gegen diese Ablehnung in mir). Aber ICH muss es ändern. Und ich vertraue meiner Therapeutin schon (also dass sie mir helfen wird, obwohl bis jetzt nur Schmerz in meiner Beziehung drankommen durfte), glaube ich. Sonst wäre ich längst gegangen und hätte auch nie wieder zu ihr zurück kommen wollen und können, nachdem ich ihr die kalte Schulter gezeigt habe.

Alles Gute, viele Grüße
tellmewhy

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Beitrag Mi., 08.06.2011, 21:34

Ah, sorry, ich seh grad, dass ich einfach davon ausgegangen bin, dass es bei dir der Täter auch der Vater ist. Bitte entschuldige, ich wollte nichts einfach so behaupten oder dich damit verletzen. War mein Fehler!
lg
tellmewhy

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Beitrag Mi., 08.06.2011, 23:05

Tellmewhy hat geschrieben:Ah, sorry, ich seh grad, dass ich einfach davon ausgegangen bin, dass es bei dir der Täter auch der Vater ist.
Kein Problem, macht überhaupt nichts. Weist ja auch vieles daraufhin, aber kann das nicht so direkt schreiben, Schuldgefühle und so. Und vielen Dank für deine Antwort!
Tellmewhy hat geschrieben:Also ich habs in der letzten Therapiestunde zum Thema gemacht, allerdings musste ich es vorher daheim aufschreiben, was ich zu Männern zu sagen habe, und konnte auch nur die ersten zwei Wörter vorlesen
Hast du denn teilweise auch Probleme mit dem Dissoziieren? Oder wird es dir dann anderweitig zu viel? Ich dissoziiere zeitweise, wobei mein Thera das meistens bemerkt und dann das Thema wechselt. Oder dann, dass ich nicht mehr richtig atmen kann, das Gespräch erdrückt mich irgendwie, fühle mich dann sehr bedroht und die Ecke getrieben.
Tellmewhy hat geschrieben:Oder wenn ich ihre Schwäche und Abhängigkeit abgelehnt habe.
Hast du dich denn von ihr im Stich gelassen gefühlt, weil sie dich nicht beschützt hat, vielleicht?

Ja, und du hast recht, ich bin gar noch nicht soweit in der Aufarbeitung, kann das auch alles noch nicht wirklich wahrhaben und bin sehr oft auch noch in den Verleugnungsphasen. Auch habe ich nicht sehr viele Erinnerungen, das beschäftigt mich schon. Will mich halt irgendwie vergewissern, ob noch mehr vorgefallen ist oder nicht. Aber kann mich halt nicht erinnern. Ich denke auch immer, dass es sich wahrscheinlich schlimmer anhört als es war. Oder eben dass ich es mir ausdenke. Und ich bin auch nicht wütend über ihn. Ich weiss, irgendwie sollte man, aber ich bin eher wütend über mich selbst. Dadurch habe ich dann zusätzlich das Gefühl, dass ich ihm Unrecht antue. Aber ja, ich muss mal organisieren, vielleicht mit Stipendien usw. könnte es klappen. Bist du denn jetzt fertig mit dem Studium?

Genau so kenne ich das auch, wie du das bei deinem Vater beschreibst, auch dieses "kameradschaftliche", ich soll dann loyal sein durch Sätze wie "das bleibt aber unter uns" usw. Wenn ich nicht genau das tue, was er jetzt will und sich wünscht, bin ich überheblich, bilde mir was ein und so weiter. Er glaubt, dass er auf alles einen Anspruch hat und bestimmt grundsätzlich alles. Auch als ich klein war, hatte ich irgendwie nur eine Meinung zu haben, wenn er mir dies erlaubt hat. Er fühlte sich dann irgendwie gönnerhaft, wenn er mich mal zu etwas entscheiden liess, wobei er natürlich die Rahmenbedingungen festlegte. Das ist schon auch heute noch so. Und die Masche zieht ja auch irgendwie. Ich nehme mir teilweise fest vor, da jetzt einfach mal gegenzuhalten, aber er stellt sich dann als Opfer dar und ich habe dann wieder schlechtes Gewissen und stimme allem zu.

Aber ich glaube eigentlich auch, dass er im Grunde total ängstlich und überfordert im Umgang mit mir ist, und das deshalb so macht. Hattest du dieses Gefühl auch schon?

Viele Grüsse

Bluebird

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Tellmewhy
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Beitrag So., 12.06.2011, 16:37

Hi bluebird. Ich wollte dich fragen, was für Schuldgefühle du hast und ob es die einzigen Dinge sind, die dich an die vergangenen Ereignisse erinnern können?
Auf deine Frage: Ich dissoziiere nicht mehr. Als Kind habe ich manchmal die Kontrolle über meinen Körper und die Wahrnehmung dessen, was um mich herum ist, verloren - das dauerte von Augenblicken bis hin zu längeren Momenten. Bsp.: hatte ich mehrmals das Gefühl, dass sich mein Körper plötzlich auflöst, mit dem Raum verschmilzt und ein Teil der Außenwelt wird und diese dadurch steuern kann. Als ich damit anfing, war es noch hell und als ich aufwachte mit weit aufgerissenen Augen mich dasitzend und in die Ferne starrend, der ganze Körper regunglos wiederfand, war es schon abend geworden.

Als Erwachsene habe ich mit stummen Stimmen zu kämpfen, die eine Art Dialog mit mir führen ohne mich einzubeziehen; einen Dialog den ich nie bewerkstelligen konnte, aber der sich akut immer noch anfühlt so als wäre es von mir verlangt, dieses Überwältigt-Werden trotzdem zu lösen. Es ist aber ein einseitiges Gespräch, das nur aus Befehlen und Anordnungen von außen besteht. Also, ich höre jetzt keine Stimmen oder so. Habe ich auch früher nicht. Aber immer wenn ich als Kind krank war und mich fiebrig irgendwo verkrochen habe und angefangen habe zu träumen, habe ich diese Stimmen plötzlich laut zischend und befehlend wahrgenommen ohne verstehen zu können, was sie genau sagen. Auch dann, wenn ich AKUSTISCH im Traum Zusammenhängedes gehört habe, hatte ich nie das Gefühl, es befolgen zu können, meinen Sinn darin überhaupt zu begreifen. Nur gespürt habe ich instinktiv, dass es Dinge sind, die ich tun soll, die mir zuwider sind, die ich nicht tun kann, nicht tun will, nicht tun möchte. Dinge, für die sich mein kleiner Körper sich viel zu schwach, viel zu unreif und auch zu menschlich angefühlt hat und das aber auch nur im Traum sagen durfte und auch nur dort kläglich versagen durfte. Ich bin zwar vor Angst gestorben, hatte aber immer wieder im Traum das Erlebnis, wieder antreten zu können, "unendlich Leben" zu haben, sozusagen. Deshalb habe ich mich immer erlöst gefühlt, wenn ich dann aufgewacht bin und das Fieber nachgelassen hat, dann hatte ich das Gefühl, ich hätte es jetzt endlich überstanden. Leider nicht en realitas.
Jedenfalls kann ich jetzt nur teilweise an meine Umwelt "andocken" - weil diese Art von Stimmen in Form von wahrgenommenen Gefühlen alles blockieren und völlig umdrehen wollen, was ich erlebe. Oh mann! Und schon der geringste Kontakt, wenn mich jemand ansieht oder ich jemanden sehe oder nur weiß, dass ich überhaupt irgendwas denke, lässt mich wie in einem Computerspiel aufwachen, mit unausweichlichen Herausforderungen, für die ich mein reales Leben stehen und liegen lassen muss. So in etwa fühlt sich das bei mir an.

Was meine Mutter angeht. Auf der einen Seite gibt es eine Vorstellung davon, dass sie mich geliebt und darin auch beschützt hat. Auf der anderen Seite die Erkenntnis wie sehr sie von dem auch abweicht, was ich bei anderen Frauen, die ich mir als Ersatz-Mütter vorgestellt habe, bekommen habe oder mir gewünscht habe. Und eigentlich kann das ganz gut nebeneinander existieren. Kommt aber mein Vater ins Spiel dadurch, dass es mich durch seine Existenz an sich errinnert..wird meine Mutter zu einer Frau, die den Missbrauch an mir an sich nicht nur gebilligt und Schmerz allgemein als wertvolle und stärkende Erfahrung für mich erachtet hat. Sondern sie pflegte auch Gewalt völlig ins Gegenteil zu verkehren, einfach zu leugnen, dass es das in ihrer Welt gibt und ihre eigene Verantwortlichkeit völlig zu ignorieren. Sie hat es für sich ausgeblendet, dass ich an irgendeinem Konflikt mit mir selbst oder wenn es mir nicht gut geht, in irgendeiner Form beteiligt bin. Ebenso hat sie Verhalten meines Vaters, was ich über mich ergehen lassen musste, auch bedenkenlos nachahmend praktiziert ohne sich jemals bewusst darüber zu werden, wer das eigentlich initiiert hat und dass es etwas ganz anderes mit mir macht, als sie das vieleicht wollte. Dass es mich unendlich schwächt und verletzt. Ebenso hat sie es kategorisch abgelehnt, mir irgendeinen Platz zu geben, wenn ich mich bedürftig fühle, und nicht nur als diejenige, die alles weiß und alles kann und nix braucht. Bei meinem Bruder konnte sie das viel besser - Verständnis für ihn haben, z.B. wenn ich ihn aus Wut und Ohnmacht geschlagen habe. Da konnte sie sich hineinversetzen und Mitgefühl haben. Ich hätte ihre Eiseskält so gerne unbedingt, irgendwie durchbrechen wollen.

Ich habe auch das Gefühl, dass mein Vater mit seinen Gefühlen für mich, aber eigentlich generell mit seinen Gefühlen total überfordert ist. Und ich glaube, dass er meint, diese ohne vollkommenen Besitzansprüche an den anderen auch nicht ausleben zu können. Scheiss unreflektierte und unbehandelte Kindheit und Beziehung zu meiner Mutter und deren Kindheit!! *fetter Fluch* (sorry, musste sein,.)

lg, tellmewhy

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