(Was) Schreiben Analytiker eigentlich immer mit?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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carö
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Beitrag Di., 15.03.2011, 09:29

hallo,

mein analytiker hat auch nicht mitgeschrieben als ich ihm gegenübersaß. gar nicht.
als ich dann auf der couch lag, habe ich es ab und an mal kritzel-kratzeln gehört.. aber ganz selten. er hatte auch nur ein dünnes heftchen über mich...

tellmewhy, interessant finde ich allerdings, was du dir für ausführliche gedanken über das mitschreiben machst... das wäre es auf jeden fall mal wert, anzusprechen, meinst du nicht ?
und selbst wenn du des misstrauens "bezichtigt" würdest ? wäre das sooo schlimm ? dann könntest ja auch sagen - nein herr sowieso - ich bin nur neugierig

LG
Es ist krass, was man erreichen kann, wenn man sich traut. (Aya Jaff)

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Uhura
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Beitrag Di., 15.03.2011, 09:37

Meine Analytikerin schreibt ebenfalls viel mit.
Neben dem Ringbuchblock, in dem sie sich ständig Notizen macht, hat sie noch so A4 grosse Karten, die während der Stunde neben sie im Sessel klemmen. Die beschreibt sie offenbar ausserhalb der Stunde mit jeweils mit ein paar Sätzen (ich vermute sie zieht da zu jeder Stunde eine Art Resümee) und markiert diese mit verschiedenfarbigen Marker (!).
Ich finde das völlig normal dass ein Analytiker mitschreibt. Es würde mich sogar sehr beunruhigen, wenn nichts notiert werden würde - kann sie/er sich das Gespräch, oder zumindest die wichtigen Punkte, wirklich alle merken und auch nach einem Jahr nochmal aus den Gehirnwindungen herauskramen und zusammensetzen? Zudem finde ich es sehr anrührend, dass sie ausserhalb/nach den 50 Minuten "an mir weiterarbeitet" und sich Gedanken macht und diese notiert.
Klar hab ich mal gefragt was sie da so alles notiert. Gedanken, Eindrücke, Gefühle und sie wird sie mir nicht zeigen, so wie auch keinem anderen. Die Antwort war für mich in Ordnung und das Thema war gegessen.
Natürlich stibitze ich vom meinem Sessel oft auf die Karten und frage mich, warum die letzte Stunde blau statt neongelb markiert wurde.

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~silence~
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Beitrag Di., 15.03.2011, 09:43



Kleine Anmerkung am Rande:

Soweit ich die orthodoxe psychoanalytische Lehre kenne, wird das Mitschreiben des Analytikers während der Sitzungen sogar als Störung der gleichschwebenden Aufmerksamkeit betrachtet. Denn, wenn der Analytiker schreibt, bekommt er das, was der Analysand währendessen von sich gibt, zwangsläufig nur mit halbem Ohr mit.

~silence~
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"Aber der Mensch hört nicht auf mich".
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metropolis
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Beitrag Di., 15.03.2011, 11:08

Dass Analytiker eigentlich nicht mitschreiben sollten, auf Empfehlung von Freud, ist mir auch bekannt. Aber ich glaube, es gibt immer weniger, die sich daran halten. Warum das wohl so ist? Ist ihr Gedächtnis angesichts der Fülle an Themen und Assoziationen einfach zu schlecht? Brauchen Sie die Aufzeichnungen für die Anträge an die Krankenkasse? Wird das von manchen Ausbildungsinstituten empfohlen und gefördert?
Wer weiß?

Vielleicht frage ich das nächste Mal danach.

Ich muss sagen, mir hilft es, wenn er manchmal durch das Schreiben ein bisschen abgelenkt ist. Das merkte ich gerade heute, als ich ein schambesetztes Thema besprechen wollte und er nicht mitschrieb. Ich hatte seine volle Aufmerksamkeit, er beobachtete mich lange, als ich berichtete. Mich hat das sehr irritiert und verunsichert. Ich fragte ihn irgendwann, ob er denn nicht mitschreiben wolle.
"Ja und dann? Weißt du nicht mehr? Wenn ich und du nicht gekommen wären und den kleinen Häwelmann in unser Boot genommen hätten, so hätte er doch leicht ertrinken können!"

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ENA
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Beitrag Di., 15.03.2011, 11:13

~silence~ hat geschrieben:Mein Analytiker schreibt nicht mit.
Das ist aber auch gut so, denn es würde mich in vielerlei Hinsicht wahnsinnig machen.
Schreibkrampf! ...aber ich versteh schon !...
carö hat geschrieben:tellmewhy, interessant finde ich allerdings, was du dir für ausführliche gedanken über das mitschreiben machst... das wäre es auf jeden fall mal wert, anzusprechen, meinst du nicht ?
und selbst wenn du des misstrauens "bezichtigt" würdest ? wäre das sooo schlimm ? dann könntest ja auch sagen - nein herr sowieso - ich bin nur neugierig
Ja, das finde ich auch... .
Uhura hat geschrieben:Es würde mich sogar sehr beunruhigen, wenn nichts notiert werden würde - kann sie/er sich das Gespräch, oder zumindest die wichtigen Punkte, wirklich alle merken und auch nach einem Jahr nochmal aus den Gehirnwindungen herauskramen und zusammensetzen? Zudem finde ich es sehr anrührend, dass sie ausserhalb/nach den 50 Minuten "an mir weiterarbeitet" und sich Gedanken macht und diese notiert.
Den letzten Punkt kann ich verstehen. Zu dem anderen kann ich nur sagen, dass meine Therapeutin meinte (okay, keine Analytikerin), dass das Wichtigste schon wieder kommen wird!...
...und außerdem bin ich ja auch noch da, die mitdenken kann und weiß, worum es bei mir geht. Ich erinnere mich sicherlich auch nicht mehr an jeden Satz, obwohl ich selber sogar Therapietagebuch schreibe (was ich ihrer Meinung nach auch nicht müsste),...aber ich glaube schon, dass ich weiß, was in mir los ist, welche Themen mich beschäftigen und vertraue ansonsten auch darauf, dass es schon wieder kommen wird, wenn es an der Zeit und wichtig ist... .

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~silence~
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Beitrag Di., 15.03.2011, 11:20

ENA hat geschrieben: Schreibkrampf!


~silence~
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ENA
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Beitrag Di., 15.03.2011, 14:13

Hab ich falsch verstanden, silence. Ich habe gelesen, es würde Deinen Analytiker wahnsinnig machen, wenn er alles in der Stunde mitschrieben müsste, weil es so viel. Sorry, habe ich falsch verstanden, Silence!!!

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Sera
Helferlein
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Beiträge: 36

Beitrag Di., 15.03.2011, 19:58

Mein Analytiker schreibt auch nicht mit.... obwohl, wer weiß, er sitzt ja hinter mir

Nee, ernsthaft. Er hat nur in der ersten Stunde mitgeschrieben. Seitdem bin ich jedesmal überrascht, was er sich alles merken kann!
Per obscuritate ad lucem - Durch die Dunkelheit ans Licht

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Dunkle
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Beitrag Di., 15.03.2011, 22:08

Sera hat geschrieben:Seitdem bin ich jedesmal überrascht, was er sich alles merken kann!
Ja, das war bei mir auch so. In vier Jahren kein Gekritzele hinter mir (da habe ich ein unbestechliches Ohr, ich hörte in der Stille dieser Praxis einfach alles, jedes Magenknurren, Darm-Gurgeln, Aufstoßen, kleines Sich-Kratzen, durch den Bart fahren mit den Fingern, Schlucken usw - dafür entwickelt man ja ein "neurotisches Ohr"
Also, auch ohne Schreiben ein Super-Gedächtnis für von mir erzählte Details. Scheint in den Berufsbegabungen zu liegen.

Ich denke, es ist bei den meisten T.s so, dass sie sich NACH den Stunden kurze Notizen machen und diese VOR der nächsten Stunde noch mal kurz anschauen.

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ENA
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Beitrag Di., 15.03.2011, 22:16

Dunkle hat geschrieben:Ich denke, es ist bei den meisten T.s so, dass sie sich NACH den Stunden kurze Notizen machen und diese VOR der nächsten Stunde noch mal kurz anschauen.
Jow. So kenne ich das auch.

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Lou Salomé
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Beiträge: 208

Beitrag Di., 22.03.2011, 23:26

Wenn Sie mitschreiben würde hätte ich nur Angst.

Darüber was da steht und wie Sie meine Gefühle pathologisiert, "unsere" emotionale Situation in den Stunden, da wissenschaftlich hinklatscht.
"Each has his past shut in him like the leaves of a book known to him by his heart, and his friends can only read the title."

~ Virginia Woolf ~

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Schalldaempfer
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Beitrag Mi., 23.03.2011, 09:05

Jeder Therapeut, jeder Coach, jeder Analytiker schreibt mit (dokumentiert) - in irgendeiner Form. Der Eine wärend der Sitzung, der Andere danach. Andernfalls würde er keine Fortschritte erkennen können aber auch keine aufkeimenden Probleme rechtzeitig orten können - Er muss die Entwicklung beobachten können, dazu dienen in der Regel die Dokumentationen. Weiters dienen diese Protokolle der Qualitätssicherung aber auch im Falle einer Klage durch einen Klienten/Patienten zur Beweisführung sofern es die Verschwiegenheitspflicht zulässt - also dem Selbstschutz.

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Mosaikbild
Helferlein
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Beiträge: 113

Beitrag Mi., 23.03.2011, 09:20

Hallo,

ich mach ne tiefenpsychologische Thera aber meiner ist auch Analytiker. Wir sitzen uns gegenüber und er schreibt nie etwas auf. In keiner Stunde. Manchmal macht mich das wirklich ärgerlich, weil ich denke, er kann sich doch nie alles merken, wenn er die Lebensgeschichte von X Patienten kennt. Und dementsprechend oft denk ich dann "meien Güte das hab ich jetzt schon 5 Mal erzählt" und das nicht bei aktuellem, sondern nur zur Klärung meiner Familienbande, die etwas verworren sind. Da nervt es mich dann schon gewaltig und ich komm mir irgendwie wie einer von vielen Patienten vor, bei denen man sich gar nciht erst die Mühe machen muss, sich was zu merken, weil sie ja eh einfach erzählen sollen, was ihnen in den Sinn kommt.

Andererseits hatte ich eine Jugendtherapeutin, die auch immer mitgeschrieben hat und das hat mich wiederum öfter total nervös gemacht, weil ich mich auch immer gefragt hab, was an meiner Aussage denn jetzt niederschreibenswert war und was sie sich da wohl aufschreibt.
Hat wohl beides seine Vor- und Nachteile.

Auf die Idee, dass mein jetziger Thera sich danach Notizen macht, bin ich noch gar nicht gekommen. Sollte ich vielliecht mal im Hinterkopf behalten, um kein ganz so schlechtes bild zu haben.

Liebe Grüße
Mosaik

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Lou Salomé
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Beiträge: 208

Beitrag Mi., 23.03.2011, 10:40

Schalldaempfer hat geschrieben:Jeder Therapeut, jeder Coach, jeder Analytiker schreibt mit (dokumentiert) - in irgendeiner Form. Der Eine wärend der Sitzung, der Andere danach. Andernfalls würde er keine Fortschritte erkennen können aber auch keine aufkeimenden Probleme rechtzeitig orten können - Er muss die Entwicklung beobachten können, dazu dienen in der Regel die Dokumentationen. Weiters dienen diese Protokolle der Qualitätssicherung aber auch im Falle einer Klage durch einen Klienten/Patienten zur Beweisführung sofern es die Verschwiegenheitspflicht zulässt - also dem Selbstschutz.
Natürlich. Trotzdem bin ich froh, dass ich mir das nicht live "ansehen" muss


Hab einmal meine Mappe gesehen, da war ziemlich viel Gekritzel drin. Frage mich immer, ob man die einsehen dürfte, im Grunde geht es ja um mich.
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~ Virginia Woolf ~


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Beitrag Mi., 23.03.2011, 10:56

Meine Analytikerin schreibt ziemlich viel mit. Wenn ich es bemerke, nehme ich darauf Rücksicht und halte mit dem Reden ein. Es wäre mir lieber, wenn sie sich stets voll auf mich konzentrierte und ihre Notizen erst nach Ende der Stunde anfertigte. Aber so ist es für sie natürlich zeitlich günstiger. Sie würde sicher auch damit argumentieren, daß die während der Stunde entstandenen Notizen authentischer wären. Was sie niederschreibt, interessiert mich nicht, da sie ja ihre Auffassung über das von mir Gesagte mir unmittelbar mitteilt.

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