Sexuell missbrauchende Väter - der Fall Detlef S.

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SamuelZ.
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Beitrag Sa., 19.02.2011, 19:25

Hi Aditi:
wenn die sensationsgier genug befriedigt ist, dann geht man zur tagesordnung über.
Ja, das enttäuscht und verärgert mich eben auch jedesmal aufs Neue. Wo bleibt der Hass auf diesen Mann? Wo bleibt die mediale Unterstützung der Opfer? Wo bleibt die Politik, die Lehren aus diesen Fällen ziehen müsste, z.B. indem die Jugendämter mit viel mehr Geldern unterstützt würden, sodass mehr Mitarbeiter sich um diese Fälle intensiver kümmern könnten? Das ist doch ein Grund, warum solche Missbrauchsfälle unbeachtet jahrzehntelang stattfinden können.

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Laura13
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Beitrag Sa., 19.02.2011, 19:30

Ich möchte euch auch sagen, dass es mich wahnsinnig belastet, immer wieder, wenn so ein "Fall" in die Öffentlichkeit kommt.....natürlich weiß man, dass "sowas" ganz oft passiert....und doch, wird es so wieder ins Bewusstsein gerückt......und auch mir (als Betroffene) geht es so, dass ich sehr sehr aufpassen muss auf mich, gerade bei diesem Thema......mir wird schlecht, ich bekomme Herzrasen, wenn ich das nur in der Zeitung lese.....

Ich finde es aber ganz ganz schlimm und mein Mitgefühl gilt diesen armen Kindern....und mein Hass dem Täter......und meine Wut, den Behörden und Menschen, die ja auch hier wieder ganz klar weg geschaut und eben nicht wirklich und ausreichend geholfen haben. Denn nur so, war dieses jahrzehntelange Martyrium ja möglich......und da kann mir KEINER was anderes erzählen!!!!!

Laura
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Xanny
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Beitrag Sa., 19.02.2011, 19:33

SandyZ. hat geschrieben: Ich denke, mit diesem einen Satz wird alles deutlich, was hier im Forum unter Dissoziation, Stockholm-Syndrom, Borderline, etc. läuft.
Wenn ich den Artikel richtig gelesen habe, hat die Tochter diesen Satz geäußert, als der Vater noch im Gerichtssaal saß. Als er rausgeführt wurde, brauch sie dann in Tränen aus. Die Angst scheint sehr tief zu sitzen, sodass jegliche Wut gar nicht erst entstehen kann.
Auf diese Wut warte ich schon seit Jahren. Die Angst ist einfach überdimensional groß. Ich wurde schon oft gefragt, warum ich meinen Vater nicht anzeige, warum ich es nicht an die Öffentlichkeit bringe. Doch wenn ich mir vorstelle, ich müsste dann im Gerichtssaal...das wäre so, als ob alles nochmal passiert.

Es ist schon so schwer, damit umzugehen. Damit klarzukommen, wenn ich meine eigenen Kinder sehe... neulich sagte mir meine Tochter:"Mama, hattest Du keine schöne Kindheit, oder?" Wenn ich dann sehe, wie sie hier aufwachsen, in ihre Augen sehe....
...
dann bin ich froh, dass sie frei von solchen Belastungen sind, die ich hier täglich zu tragen habe.

Mir stellt sich immer nur die Frage, wie kommen Väter darauf, sich an ihren Töchtern zu vergehen? Was treibt sie an, sehen sie, das sie unrecht tun?
*Ein Freund ist jemand, der Deine Vergangenheit versteht, an Deine Zukunft glaubt und Dich so akzeptiert, wie Du bist*

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SamuelZ.
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Beitrag Sa., 19.02.2011, 19:37

@vallée:
Statt reißerische Berichterstattung und Betroffenheitsbekundungen würde ich mir mal eine ernsthafte und nachhaltige Diskussion darüber wünschen, was in unserer Gesellschaft oder mit dem Mensch sein kaputt ist, das es sowas so oft gibt und es eben nicht, die in den medien dargestellten Einzelfälle sind.
Es gab doch mal die Diskussion um einen "Elternführerschein". Art. 6 GG, der Ehe und Familie unter besonderen Schutz des Staates stellt, sollte ebenso überdacht werden, z.B. indem explizit der Schutz der Kinder über dem der Ehe und Familie stünde.

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SamuelZ.
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Beitrag Sa., 19.02.2011, 19:42

@Xanny:
Mir stellt sich immer nur die Frage, wie kommen Väter darauf, sich an ihren Töchtern zu vergehen? Was treibt sie an, sehen sie, das sie unrecht tun?
Diese Frage stelle ich mir auch immer wieder. Dann suche ich nach individuellen Erklärungen, z.B. der hat dieses oder jenes Problem. Oder ich tendiere zu allgemeineren Aussagen über Männer oder das Patriarchat, das in unserer Gesellschaft leider immer noch stark verankert ist.
Zur Zeit neige ich zu der Erklärung, dass es Männern, die in patriarchalen Strukturen aufgewachsen sind, selbstverständlich erscheint und erlaubt ist, ihr Großhirn (Mitleid, Empathie, Verständnis, Rücksicht, etc.) zur Befriedigung ihrer Triebe auszuschalten und auf ihr Reptilienhirn umzuschalten.
Zuletzt geändert von SamuelZ. am Sa., 19.02.2011, 19:43, insgesamt 1-mal geändert.


montagne
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Beitrag Sa., 19.02.2011, 19:43

Ein Elternführerschein würde sicher Vernachlässigung und Misshandlung durch Unwissenheit reduzieren. Aber sadistisch und antisziale Mishandlungen sicher nicht. gerade solche Täter verstehen sich doch darauf sozial erwünschtes verhalten zu zeigen, wenn es gefordert ist.
indem explizit der Schutz der Kinder über dem der Ehe und Familie stünde.
Bin ich sofort dabei. Ist in Deutschland ja leider andersrum. Es muss verdammt viel passieren, bevor das Jugendamt überhaupt aktiv wird und noch mehr bevor das Kind aus der Familie genommen wird.
amor fati

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Aditi
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Beitrag Sa., 19.02.2011, 19:43

Xanny hat geschrieben: Mir stellt sich immer nur die Frage, wie kommen Väter darauf, sich an ihren Töchtern zu vergehen? Was treibt sie an, sehen sie, das sie unrecht tun?
hallo xanny,

bei sexualisierter gewalt (und ich formuliere bewusst so und spreche nicht von sexuellem missbrauch) geht es nicht um sexualität, sondern ausschließlich um macht!

lg
aditi

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Xanny
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Beitrag Sa., 19.02.2011, 19:53

Aber was gibt es ihnen, diese Macht auszuüben? Also ich hatte als kleines Mädchen gehörigen Respekt vor meinem Vater, da hätte es nicht so weit kommen müssen. Und der Täter hat auch eine Machtstellung in der Familie und im Beruf. Warum dann dieser Drang, und warum auf diese Weise?

Ich versuche das seit Jahren zu verstehen...es klappt nicht.
Elternführerschein hin oder her, in meinem Fall ging das Verstellen ganz gut. Der liebe nette hilfsbereite Mann von nebenan. Niemand hat all das geahnt, trotz Suizidversuch als Kind, diversen psychischen Auffälligkeiten. Sogar als meine Mutter mich zum Jugendamt schickte, weil sie mit meinen Auffälligkeiten nicht klar kam....hätte doch nur mal jemand gefragt oder sich bemüht...
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Marja
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Beitrag Sa., 19.02.2011, 19:59

Was mich am allertraurigsten stimmt, ist, dass kein Ende in Sicht ist. Es ist ein allgegenwärtiges Thema, dem alle ohnmächtig gegenüber stehen. Es hat es schon immer gegeben und wird es auch immer geben. Das ist für mich das Schlimmste bei diesen Themen.
Zuletzt geändert von Marja am Sa., 19.02.2011, 20:02, insgesamt 1-mal geändert.

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SamuelZ.
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Beitrag Sa., 19.02.2011, 20:00

@vallée:
Es muss verdammt viel passieren, bevor das Jugendamt überhaupt aktiv wird und noch mehr bevor das Kind aus der Familie genommen wird.
Das "wird" würde ich persönlich durch "werden kann" ersetzen. Denn die Gesetzeslage lässt es einfach nicht zu, dass der Staat bei einem reinen Verdacht eine Hausdurchsuchung oder ärztliche Untersuchungen vornehmen kann, geschweige denn, dass, wenn sich ein Verdacht als falsch erweist, die Verantwortlichen nicht sofort ihren Posten verlieren.

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Aditi
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Beitrag Sa., 19.02.2011, 20:01

Xanny hat geschrieben:Aber was gibt es ihnen, diese Macht auszuüben?
sie müssen sich ihrer eigenen ohn(e)-macht nicht stellen; müssen sie nicht spüren.

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Beitrag Sa., 19.02.2011, 20:33

SandyZ. hat geschrieben:@Ganter
Zu den 15 Jahren;
Da gehört schleunigst eine Gesetzesnovelle her;
und auch was die Verjährungsfrist betrifft.
Warum wird eigentlich nie wirklich in Erwägung gezogen, solche Männer, die ihre eigenen Töchter geschwängert haben, zu kastrieren?

Meinst du, dass man bei Natascha Kampusch von einer erfolgreichen Bearbeitung sprechen könnte?
Weil du dann eine Herrscharr von Mensch hast, die sagen werden: So ein mensch kann im Kopf repariert werden.
Was ich in so einen Fall denke, möchte ich für mich behalten; und das betrifft nicht nur diese "Männer".

Zu Natscha kann und will ich nichts sagen; da ich da nicht mehr weiß, als das, was durch die Medien ging.
Ich glaube aber -und das heißt nichts wissen- das sie wie viele mit einer "Maske" rumläuft; ob sie das tatsächlich lebt, oder verdeckt - das weiß ich nicht.

Persönlich denke ich: Ein derartiges Erlebnis, oder wie viele andere Erlebnise, legen sich wie eine nicht sichtbare Narbe über die Seele.
Vlt. lernt man damit zu leben; aber ein trigger reicht, und alles ist wieder "da".

Was mich an der Aussage meines Bekannten störrt, daß er meint, daß es ausnahmslos mit dem Willen des Patienten zu tun hat, und da Experten selbst schwerste Kriegstrauma in den Griff bekommen.

Dem widerspricht aber etliches aus dem RL bzw. Erlebnisberichten von hier.

Das was ich eben aus Fernsehberichten heraushören kann (seriösen) oder versuche, ob und inwieweit die Schutzfunktion des Köpers greift.

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neko
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Beitrag So., 20.02.2011, 11:33

ich finde aditi's erklärung sehr treffend: die täter üben macht über die von ihnen abhängigen kinder aus, um ihr eigene ohnmacht nicht spüren zu müssen. damit kann ich mir auch meinen eigenen vater erklären. genau das ist für mich aber auch der punkt, an dem es immer wieder schwierig und schmerzhaft wird: ich habe schon als kleines kind wenn auch sehr diffus die ohnmachtserfahrung gespürt, die in meinem vater saß und lauerte und vor der er weggelaufen ist. als kind hat das immer so eine schwer auszuhaltende mischung aus ganz viel mitleid und schuld produziert. später hat es lange die wut blockiert. in guten tagen glaube ich manchmal, dass mir dieses wissen bei der umwandlung von hass in eine kombination aus verstehen und mich scharf abgrenzen hilft. in schlechten tagen muss ich aber immer noch verdammt aufpassen, dass das alles nicht wieder in mitleid umschlägt. außerdem spür ich imanchmal immer noch all die gefühle, die er in mich ausgelagert hat. da ist der punkt an dem ich heute oft eine ganz reine wut spüre. klingt ein bisschen diffus, aber genauer geht es nicht.


montagne
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Beitrag So., 20.02.2011, 13:58

@Sandy: Ja, ich finde das dumm, das die Individualrechte der Erziehungsberechtigen faktisch über den Menschenrechten der Kinder stehen. Ich habs aber auch schon erlebt, kenne Kinder, bei denen es seitens des Jugenamtes hieß: "Fragen Sie die Kinder, ob die ins heim wollen, wenn nicht, werden wir nicht aktiv, weil wir dazu weder geld noch personal haben." Und welches Kind geht freiwillig ins Heim/Wohngruppe? Die meisten sind doch ihren Eltern treu, auch wenn die denen sonst was antun. Ist bei Jugenämtern in Brennpunktenbezirken keine Seltenheit. keine Mittel, Resignation, die Gesetzeslage tut ihr übriges.
amor fati

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SamuelZ.
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Beitrag So., 20.02.2011, 15:25

@vallée:
Und welches Kind geht freiwillig ins Heim/Wohngruppe?
Da kenne ich einen Fall. Da hat das JA gegen den Willen des Kindes entschieden. Es gibt Kinder und Jugendliche, die sind durchaus mit einem eigenen Willen ausgestattet trotz oder gerade wegen der schlechten Behandlung zuhause. Sie sehen ihre erbärmlichen Eltern als das was sie sind. Ich vermute, das wird in den nächsten Jahren sogar zunehmen, weil die Kinder Möglichkeiten der Aufklärung haben, die älteren Generationen vorbehalten blieb (Internet, soziale Einrichtungen, Austausch mit Gleichaltrigen, etc.).

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