Wie erkläre ich meinen Kindern den Suizid ihres Vaters?

Hier können Sie sich über Belastungen durch eigene oder fremde schwere Erkrankungen, aber auch den Umgang mit Tod und Trauer austauschen.
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linaa
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Beitrag Do., 12.08.2010, 20:45

MrN hat geschrieben:Wenn Du Deiner Tochter auf eine solche Frage sagst, daß es Dir noch viel zu nahe geht, um über alles zu sprechen, ist das keine Lüge.
Damit kannst Du jederzeit dosieren, wieviel Du sagen möchtest.
Diese Erfahrung habe ich am We auch schon machen können.
Die Große hat immer wieder gefragt, wie es passiert sei, ich habe dann gesagt, daß ich es nicht genau wüßte und im Moment auch nicht wissen möchte.

Sie hat dann zwar protestiert, daß sie ein Recht darauf hätte es zu wissen, ich habe dann aber gesagt, daß ich aber auch ein Recht darauf hätte, es im Moment noch nicht wissen zu wollen.

Ich will es ihnen ja auch wohl sagen, ich denke auch, daß sie ein Recht darauf haben, aber alles zu seiner Zeit, so wie sie es können und ich auch.
Elfchen hat geschrieben:Was mir auch sehr wichtig erscheint ist, dass du für die Kinder immer eine gewissen Zuversicht ausstrahlen kannst.
Ich hoffe, daß ich das kann. Zur Zeit versuche ich mit ihnen zusammen eine Struktur zu erarbeiten, bei der jeder seine Meinung und Wünsche einbringen kann. So haben wir eine Aufgabe und ich versuche ihnen dadurch zu vermitteln, daß wir ein Team sind, in dem ich zwar letzentlich den Ton angebe, sie aber mitwirken können.

Es sind nur leider im Moment auch noch viele Fragen offen, die die Große schon stellt und ich ihr noch nicht beantworten kann.

Aber ich denke, es hilft uns allen dreien, uns auf die Gegenwart, bzw. die Zukunft zu konzentrieren.

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linaa
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Beitrag Di., 17.08.2010, 22:08

Heute habe ich der Großen gesagt, daß er es selber gemacht hat.

Sie hat wieder gefragt, warum von seinen Sachen nichts beschädigt ist.
Ich habe sie darraufhin gefragt, ob sie denn irgendeine Idee hätte. Hatte sie nicht, sie würde sich nur wundern.
Ich habe sie dann gefragt, ob sie sich vorstellen könne, daß es kein Unfall gewesen wäre, und was stattdessen gewesen sein könne. Auch darauf wußte sie keine Antwort.

Dann habe ich sie gefragt, ob sie wüßte, was Suizid bedeute, nein, das wüßte sie nicht.

Vor einigen Jahren hat sie schon einmal mitbekommen, daß eine Frau aus unserem Bekanntenkreis sich getötet hat, ich habe es ihr dann darüber erklärt; sie kannte damals die Kinder dieser Frau.

Als Erklärung habe ich ihr gesagt, daß ihr Vater ein Leben zu seinen Bedingungen leben wollte, und nun als es zu seinen Bedingungen nicht mehr weitergehen sollte, er für sich den Entschluß gefaßt hätte, so nicht leben zu wollen.

Ich habe ihr gesagt, daß es ihre Entscheidung sei, ob und mit wem sie darüber reden wolle, und daß ich jederzeit als Ansprechpartner für sie da sei.
Außerdem habe ich ihr die Personen genannt, die es wissen, damit sie weiß, an wen sie sich wenden kann, ohne etwas erklären zu müssen.
Ich habe sie noch mal an ihr Buch erinnert, in das sie alles schreiben kann, was ihr durch den Kopf geht.

Sie war ganz ruhig und hat nur einige sachliche Fragen gestellt, die ich ihr soweit erkärt habe, daß ich ihr gesagt habe, daß er seine Tabletten mitgenommen hätte und davon ja eine zum Einschlafen gedacht sei, er allerdings sieben genommen habe. Ich hoffe so hat sie eine angenehmere Vorstellung davon.

Da sie mich heute schon vorher am Tag weinen gesehen hat, und mich dabei gefragt hat, ob ich mir nichts antun würde, habe ihr fest versprochen, sie niemals im Stich zu lassen. Ich habe ihr gesagt, daß sie ja wohl wüßte, daß es mir eine Zeitlang nicht gut ging, sie aber in den letzten Monaten doch auch mitbekommen hätte, daß ich bereit gewesen wäre dafür zu kämpfen, daß es mir besse ginge, und sie daher sicher sein könnte, daß ich immer kämpfen würde, weil ich immer für sie da sein wolle.


Zum Ende unseres Gespräches habe ich sie gebeten, es noch nicht mit der Kleinen zu besprechen. Ich habe ihr gesagt, daß ich auch bei ihr noch die passende Zeit finden möchte, um ihr das zu erklären, und ich möchte, daß sie es von mir erfährt.
Ich habe ihr auch erklärt, warum ich es ihr erst jetzt sage, daß ich das erst einmal selber für mich verarbeiten mußte, und ich Angst davor hatte, es ihnen zu sagen, weil ich mir nicht sicher war, ob sie damit umgehen könnten, ich aber ihnen gegenüber ehrlich sein wollte.

Ich hoffe, daß sie mit dieser Erklärung erst einmal umgehen kann.


Euch danke ich, daß ihr mir bei meinen Überlegungen geholfen habt, sodaß ich das alles für mich erst einmal sortieren konnte.

Übrigens werde ich solangsam doch etwas wütend auf ihn. Jetzt wo ich mich mit den ganzen Problemen, die ich jetzt zu bewältigen habe, auseinander setzen muß.

LG

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Mialotta
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Beitrag Mi., 18.08.2010, 04:11

Hallo linaa,

mir tut das alles sehr leid und ich bin von deinem letzten Beitrag sehr gerührt.
Du hast es deiner Großen wunderbar erklärt. Du hast ihr auch deine Unsicherheiten mitgeteilt, warst ehrlich und authentisch und das ist meiner Meinung nach das wichtigste. So fühlt sich auch deine Tochter ernst genommen.

Ihr auch die anderen "Mitwisser" als mögliche Ansprechpartner anzugeben ist eine gute Idee. Passt nur auf, dass es nicht ein "Geheimnis" wird, denn das könnte sie evtl. verunsichern bzw. dem Suizid einen zusätzlichen negativen Beigeschmack geben.
Was ich damit ausdrücken möchte: du könntest ihr ja sagen, dass man Krankheiten etc. auch nicht groß in die Öffentklichkeit trägt und selbst Vertrauenspersonen wählt, denen man darüber erzählt.
(sorry, kann es gerade nicht besser formulieren).
Aber noch einmal: ich finde du hast das großartig gemacht!

Ich wünsche dir und deinen Mädels weiterhin ganz viel Kraft.
LG Mialotta

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MrN
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Beitrag Mi., 18.08.2010, 06:54


Linaa, das hast Du wirklich großartig hingekriegt.
LG
MrN

P.S. Verzeih bitte meinem Smiley diese blöde Grinse zu dem ernsten Thema, ich habe leider keinen besseren gefunden...

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Otherwise
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Beitrag Mi., 18.08.2010, 07:52

Hallo linaa,

ich finde du hast deiner Tochter den Suizid ihres Vaters ganz wunderbar erklärt - sofern man in diesem Zusammenhang von wunderbar sprechen kann.

Ich wünschte meine Eltern hätten es auch nur annähernd so gemacht als meine Oma ins Wasser gegangen ist. Ich war damals 10 Jahre, so wie deine Jüngere, und zuerst wurde mir auch ein anderer Grund genannt. Sie hätte zuviel gearbeitet. Ein paar Stunden später ist es aber einfach aus meiner Mama rausgeplatz - oder aus meinem Papa, ich weiß es nicht mehr. Das war schon sehr verstörend für mich zu erfahren, dass meine Oma einfach ins Wasser gegangen ist.
Ich will meinen Eltern keinesfalls einen Vorwurf machen - sie sind einfach selbst nicht gut damit klar gekommen.

Als Betroffene kann ich dir nur raten, weiter so zu machen wie du es bisher gemacht hast. Meine Mama hat sich mir leider nicht als Ansprechpartnerin angeboten - sie hat es verdrängt. Bis heute. Sie sagte die Oma wollte das so und aus.
Ich hatte aber wirklich extrem viele Fragen in mir drin. Ich wollte es verstehen und hab ca. 3 Jahre später begonnen mich mit dem Krankheitsbild Depression auseinander zu setzen. Schließlich wusste ich das meine Oma Depressionen gehabt hat. Das war viel zu früh um mir Gedanken über Depressionen zu machen.
Da ich damals niemanden zum Reden hatte, habe ich es einfach jedem, wirklich wahllos jedem auf die Nase gebunden. Meist mit weinen verbunden. Im Nachhinein betrachtet finde ich, dass es eine seltsame Art von mir war, damit umzugehen. Mitleid haschen. Grauslich sowas eigentlich - aber ich wusste in meinen jungen Jahren halt nicht anders mit diesem Freitod umzugehen.
Kurz nach dem Tod meiner Oma habe ich auch noch erfahren das meine Tante (die Tochter meiner Oma - Schwester meiner Mama) gar nicht eingeschlafen ist als ich 3 war - sondern sich aufgehängt hat.
Das war dann ein bisschen zuviel - das 2 Personen in meiner Familie Suizid begangen haben.

Im Nachhinein betrachtet, denke ich, dass ich zu jung war um diese Dinge zu erfahren. Vielleicht war es aber auch einfach die Art und Weise wie ich es erfahren habe und das ich niemanden zum reden hatte aus meiner Familie.

Du machst es richtig denke ich - du wirst merken wann deine Kleinere so weit ist. Und ich habe - nachdem ich gelesen habe wie du es der Großen erklärt hast - absolut keine Zweifel, dass du den richtigen Zeitpunkt und absolut die richtigen Worte wählen wirst.

lg
sensi

Seit ich dich liebe, bin ich nur ich, wenn ich nicht mehr nur ich bin!

Ich bin dankbar, dass ich erkannt habe, was Leben wirklich heißt!


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linaa
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Beitrag Mi., 18.08.2010, 22:19

Hallo,

danke für Eure Antworten.
MrN hat geschrieben::respekt:
Linaa, das hast Du wirklich großartig hingekriegt.
Das läßt mich ja schon fast ein wenig stolz werden


Sensitive,
grade bei der Kleinen macht es mir noch Sorge, wie ich es ihr sagen soll.
Sie spricht das Thema nur in Bezug auf ihre Gefühle, ihn zu vermissen, an. In diesen Momenten möchte ich das nicht so gerne zur Sprache bringen, da ist es mir zur Zeit noch wichtiger ihr erst einmal ein wenig Trost zu geben.

Sie einfach so zur Seite nehmen, möchte ich auch nicht so gerne. Ich will aber auf jeden Fall vermeiden, daß sie es auf eine ähnliche Weise erfährt wie Du. Wenn sie dann noch einmal ein Schockerlebnis hat, ist es denke ich, schwer in dem Moment an sie heran zu kommen und es ihr so zu erklären, wie ich es bei der Großen gemacht habe.

Die Große war übrigens auch heute noch sehr sachlich. Sie hat mitbekommen, daß ich mich nun mit der finanziellen und versicherungstechnischen Seite versuche auseinander zu setzen.
Sie könne nicht verstehen, warum ihr Vater sich darüber nicht vorher Gedanken gemacht hat, und da schon einiges geregelt hätte.
Ich habe ihr gesagt, daß er das sicher nicht schon lange im Vorraus geplant hätte, sondern es wohl eher kurzfristig von ihm überlegt worden wäre.
Sie meinte daraufhin, das sei doch krank.


Mialotta,
Das mit der Geheimhaltung scheint bei ihr ganz automatisch auch angekommen zu sein. Sie selber sagte heute, daß sie es nicht mal ihrer besten Freundin gesagt hätte und auch nicht wüßte, warum sie das tun sollte.

Ich versuche aber schon ihr das Gefühl zu geben, daß sie es nicht, wie ein Geheimnis hüten muß, bin ihr aber dankbar, daß sie verstanden hat, daß ich es wegen der Kleinen noch vorsichtig angehen lassen möchte.

Heute hat sie etwas genauer nachgefragt, ob bestimmte Personen, wie z.B. sein Bruder das auch wüßten und ob ich es von Angfang an gewußt hätte, was er direkt vorher zu mir gesagt hätte, ob er überhaupt etwas von seinem Vorhaben gesagt hätte, und noch einiges mehr.

Sie hat mich gefragt, ob sein Bruder jetzt auf mich böse wäre, ich sagte, daß er sicherlich wüßte, das es dafür eigentlich keinen Grund gäbe, daß aber auch ich in den ersten Tagen ein schlechtes Gewissen gehabt hätte. Darum hätte ich es ihnen auch in den ersten Tagen nicht sagen wollen, weil ich Angst hatte, das auch sie sich solche Gedanken machen würden, auch zu ihrem eigenen Verhalten meinem Mann gegenüber.
Daraufhin sagte sie, warum denn, es war doch seine Entscheidung, ander Menschen würden das ja auch nicht tun, nur weil sie der Partner trennen wollte.

In dem Moment mußte ich wirklich staunen, wie sachlich sie das ganze offenbar einschätzt, damit hatte ich gar nicht gerechnet.

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linaa
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Beitrag Mi., 18.08.2010, 22:20

Sensitive,
Du hast geschrieben, Du hättest sehr viele Fragen gehabt. Mich würde interessieren, was Dir für Fragen durch den Kopf gegangen sind.
Könntest Du mir genauer beschreiben, wie es Dir damit ging?
Sensitive hat geschrieben:Ich will meinen Eltern keinesfalls einen Vorwurf machen - sie sind einfach selbst nicht gut damit klar gekommen.
Ich kann mich noch sehr gut an meine Reaktion erinnern, als mein Mann ende des Jahres schon mal einen Versuch angedeutet hat. Hätte er es da wirklich gemacht, hätte ich damit sicherlich auch nicht so umgehen können.
Ich habe eine Woche fast nur im Bett gelegen und fühlte mich so erschöpft und hilflos, daß auch ich eigentlich nur noch schlafen und nie wieder aufwachen wollte. Dieses wahnsinnig schwere Gefühl der Verantwortung, verbunden mit der Hilflosigkeit nicht zu wissen, wie ich mit ihm umgehen sollte, dem Schuldgefühl, daß ich ihm ein so auswegloses Grundgefühl gemacht habe. Hin und hergerissen, zwischen meinem eigenen verzweifelten Befinden, Versuchen einen Ausweg zu finden. Da konnte ich einfach garnichts mehr. Ich habe die Mädels zur Schule fertig gemacht und bin gleich vor Erschöpfung wieder ins Bett gegangen, meine Gedanken standen nicht mal während ich geschlafen habe still. Sich dann mit irgendetwas auseinander zu setzen geht eigentlich garnicht. Diese Druck, der sich dann in mir aufgebaut hat, auch weil ich einfach mit niemandem reden konnte, nicht wußte wohin mit dieser Energie, von der ich nicht einmal wußte was es eigentlich war. Ich hatte wirklich das Gefühl mich nicht mehr auf den Beinen halten zu können und verrückt zu werden. Ich hatte Angst, irgendwann anzufangen zu schreien und zu toben und nie wieder damit aufhören zu können.
Wenn Deine Mutter, da niemanden hatte, der das mit ihr aufgearbeitet hat und sie, so wie Du schilderst, gleich mehrmals so ein Erlebnis verarbeiten mußte, kann ich mir gut vorstellen, daß sie kaum in der Lage ist, darüber zu sprechen, weil sie einfach dieses Gefühl, das damit verbunden nie wieder haben will.
So ging es mir auch, die Angst davor dieses Gefühl noch einmal zu erleben, war riesig.

Umso so mehr erleichtert es mich nun festgestellt zu haben, daß es diesmal nicht so war, und auch zu sehen, daß es bei meiner Großen nicht passiert ist. Ich hoffe, daß dieses Gefühl bei ihr und auch bei der Kleinen auch nie aufkommen wird.

LG
Linaa

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Mialotta
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Beitrag Mi., 18.08.2010, 23:18

Liebe linaa,
linaa hat geschrieben:
Das läßt mich ja schon fast ein wenig stolz werden
du darfst stolz auf dich sein!!!
Und auch auf deine Große, die so vernünftig und reif reagiert.
Eure offene und ehrliche Art miteinander ist wirklich toll. Ich wünschte, ich hätte so eine Mutter wie dich gehabt...
Nach allem, was ich hier von dir lese, liebe linaa, bin ich mir sicher, dass du auch bei der Kleinen einen passenden Weg/Zeitpunkt finden wirst.

LG Mialotta

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MrN
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Beitrag Do., 19.08.2010, 01:53

linaa hat geschrieben: grade bei der Kleinen macht es mir noch Sorge, wie ich es ihr sagen soll.
Sie spricht das Thema nur in Bezug auf ihre Gefühle, ihn zu vermissen, an. In diesen Momenten möchte ich das nicht so gerne zur Sprache bringen, da ist es mir zur Zeit noch wichtiger ihr erst einmal ein wenig Trost zu geben.
Genau. Nimm Anteil.
Laß Deine Kleine Dir erzählen, warum sie ihren Vater vermisst. Rede auch über Deine Gefühle.
Wenn sie soweit ist, wird sie die Fragen stellen.
Solange sie den Verlust noch nicht verdaut hat, wäre ich sehr vorsichtig mit Einzelheiten.

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autumnflower
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Beitrag Do., 19.08.2010, 08:55

Liebe linna,

ich möchte mich den anderen anschliessen, ich finde, dass Du genau die richtigen Worten gefunden hast und wirklich sehr stolz auf Dich sein kannst! Vielleicht ist sich Deine ältere Tochter noch nicht jetzt oder in nächster Zeit über Deinen Mut und das Vertrauen, das Du ihr entgegen gebracht hast, indem Du ihr die Wahrheit gesagt hast und Dich nicht versteckt hast, bewusst, aber je älter sie wird, desto besser wird sie verstehen, auch Dich und Deine Ängste in dieser furchtbaren Situation.
grade bei der Kleinen macht es mir noch Sorge, wie ich es ihr sagen soll.
Sie spricht das Thema nur in Bezug auf ihre Gefühle, ihn zu vermissen, an. In diesen Momenten möchte ich das nicht so gerne zur Sprache bringen, da ist es mir zur Zeit noch wichtiger ihr erst einmal ein wenig Trost zu geben.
Du hast das schon so toll bei der Großen gemacht, Du kannst Dich auf Dein Gefühl verlassen, da bin ich mir ganz sicher. Lass sie das Tempo bestimmen, wenn Deine kleinere Tochter noch keine konkreten Fragen stellt, dann würde ich ihr auch noch Zeit geben. Du findest den passenden Moment!

Manchmal möchten Kinder den verbliebenen Elternteil oder nahe Angehörige schützen, es könnte sein, dass sich Deine Töchter zurückziehen. Bei uns war das so und wir haben gute Erfahrungen mit einer Trauergruppe für Kinder gemacht. Dort lernen sie, dass sie nicht reden müssen, wenn sie nicht wollen, auch niemanden schützen müssen, u.v.m. Und absolut hilfreich ist, dass sie Kinder in einer ähnlichen Situation kennenlerenen. Ich kann das nur empfehlen.

Viele Grüße
autumnflower

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linaa
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Beitrag Do., 19.08.2010, 22:48

Unsere Kleine weiß seit heute Abend auch bescheid.

Sie stellte sich die Frage, warum gerade ihrem Papa das passieren mußte.

Nachdem ich sie einige Zeit getröstet habe, und sie immer wieder diese Frage stellte, habe ich sie gefragt, ob sie wüßte, daß es auch Menschen gäbe, die nicht mehr leben wollen, und ob sie sich vorstellen könnte, daß es ihrem Papa auch so gegangen sei.

Sie hat mich dann gefragt,ob ich ihr sagen wolle, daß er Selbstmord begangen habe. Ich habe das dann bejaht.

Ich habe auch ihr dann gesagt, daß er für sich eine genaue Vorstellung gehabt hätte, wie er leben wollte, und daß er nur mit uns so zusammen leben wollte, wie es bisher war und anders eben nicht.

Dann habe ich sie nochmal auf unser Gespräch am Tag der Beerdigung hingewiesen, daß jeder in einem Moment eine Entscheidung für sich treffen müßte ohne zu wissen, wie der andere dann damit umgeht.
Ich hätte mich für eine Trennung entschieden, weil ich den Eindruck gehabt hätte, daß es für uns alle besser gewesen wäre, weil wir uns sonst noch jahrelang so weitergestritten hätten, wie in der Vergangenheit.
Und auch sie hätte mit anderen Entscheidungen oder Verhalten nichts an seiner Entscheidung ändern können.

Sie fragte dann, ob er denn garnicht daran gedacht hätte, daß sie ihn vermissen würde, darauf habe ich geantwortet, daß er da nicht drüber nachgedacht hätte. Das er da einfach gedankenlos gewesen sei, wie er das in der Vergangenheit ja auch des öfteren gewesen wäre, und einfach auch gegen unsere Einwände, oder ohne nachzudenken, ob es uns damit schlecht ginge Entscheidungen getroffen hätte, und gemacht hätte, was und wie er es wollte.

Ich habe dann noch Beispiele aus unserem Bekanntenkreis mit ihr gesucht, wo die Eltern sich auch getrennt haben, und alle mitlerweile wieder glücklich leben, um ihr aufzuzeigen, daß es normalerweise anders ausgeht, wenn eine Ehe beendet wird.

Am Ende des Gesprächs sagte sie, daß es ihr jetzt besser ging, weil ihr diese Frage nicht mehr im Kopf herum ginge.
20 Minuten später hat sie bereits geschlafen. Ich hoffe, daß sie da nun auch gut mit umgehen kann und ich den richtigen Augenblick dafür gefunden habe, ohne sie damit zu überfordern.

Leider, weiß ihr Klassenlehrer noch nicht bescheid, weil sie ja erst seit gut zwei Wochen kennt, und ich ihn eigentlich noch garnicht. Und ich konnte mich bisher auch noch nicht überwinden, es ihm so genau zu sagen, was da passiert ist.
Ich denke zwar, daß er es vielleicht schon gehört hat, aber ich sollte ihn vielleicht doch besser morgen früh versuchen zu erreichen, falls sie in der Schule schon etwas darüber sagt.

Mal sehen, wie es ihr morgen früh geht, und was sie dazu sagt.

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linaa
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Beitrag Do., 19.08.2010, 22:58

Euch noch mal ein Danke für Eure Antworten.

autumnflower,

eine Trauergruppe für Kinder scheint es hier bei uns auch zu geben.

Ich werde versuchen da mal Kontakt aufzunehmen. Unser Kleine hat in ihrem Freundeskreis, darunter ihre beste Freundin, zwei Kinder, die jetzt während der Ferien ihren Opa verloren haben, die drei sprechen schon sehr viel miteinander und trösten sich auch gegenseitig.

Unsere Große hat auch eine Freundin, die vor zwei Jahren ihren Vater verloren hat, da hat auch unsere Große damals schon Anteil genommen und die steht ihr jetzt auch zur Seite.

LG

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Mialotta
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Beitrag Do., 19.08.2010, 23:49

Hallo linaa,

auch die Situation mit deiner Kleinen hast du hervorragend gemeistert. Mir wurde beim Lesen ganz warm ums Herz. Du nimmst deine Kinder so wunderbar ernst, gehst auf sie ein und erklärst es ihnen alles altersgerecht. Das verdient wirklich Respekt.
Ich glaube, es gibt keinen richtigen oder falschen Zeitpunkt für ein solches Gespräch. Es war EUER Zeitpunkt. Und deine Tochter sagte selbst, dass es ihr besser ging nach dem Gespräch, das klingt doch erst einmal beruhigend. Ich bin mir sicher, dass du auch ihr das Angebot gemacht hast, für weitere Gespräche zur Verfügung zu stehen.
Eine Trauergruppe finde ich auch sehr gut. So traurig es auch ist, es ist ja gar nicht so schlecht, wenn Freundinnen ebenfalls mit Todesfällen konfrontiert wurden, so dass sie sich nun austauschen können.

LG Mialotta

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Otherwise
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Beitrag Fr., 20.08.2010, 10:52

Hallo linaa,

dich haben meine Fragen interessiert. Im großen und ganzen haben sich alle meine Fragen um das "Warum" gedreht!

Warum hat sich Oma umgebracht?
Warum hat sie Depressionen gehabt?
Warum hat sie nicht mit uns gesprochen (hat sie eh - ich wusste es nur natürlich nicht, war ja noch jung).
Warum konnte niemand meiner Oma helfen?
Warum hat sich meine Tante aufgehängt?
Warum so grausam?
Warum nicht schmerzloser?
Wieso hat keiner meine Oma gesehen als sie es getan hat?
War ich schuld?
Hätte ich ihr jemals sagen dürfen (ich dummes, dummes Kind), dass sie nicht meine Lieblingsoma ist?
Hat sie es deshalb gemacht, weil sie vielleicht dachte ich hätte sie nicht lieb?
Hätte man ES verhindern können?

Und umso mehr ich erfahren hab, umso mehr Fragen taten sich auf die irgendwie niemand beantworten konnte/wollte.

ZB Warum wurde meine Oma als Kind missbraucht?
Warum missbraucht man Kinder?
Warum hat Oma mit dem Chef gestritten?
War es so schlimm das sie sich töten musste?

usw...

Da waren wirklich alle möglichen Fragen die auch heute gar nicht mehr alle weiß. Aber im Großen und Ganzen war da ein riesengroßes unbeantwortetes WARUM ... und es wird immer bleiben.

Was du über meine Mama schreibst - das sie vielleicht nicht redet aus Angst die Gefühle könnten sie überrumpeln - so etwas habe ich mir selbst auch schon gedacht. Es muss furchtbar für sie sein, die eigene Mutter auf diese Art und Weise zu verlieren. Es hat nunmal einen sehr bitteren Beigeschmack wenn sich jemand umbringt.

lg
sensi

Seit ich dich liebe, bin ich nur ich, wenn ich nicht mehr nur ich bin!

Ich bin dankbar, dass ich erkannt habe, was Leben wirklich heißt!


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linaa
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Beitrag Fr., 20.08.2010, 11:42

Hallo Sensitive,

wenn ich Deine Fragen so lese, denke ich, daß ich meinen Mädels schon viele dierser Fragen gleich beantwortet habe.

Das stelle ich mir wirklich schlimm vor, so viele offene Fragen in dem Alter zu haben und so viele Gedanken, und keiner mit dem man darüber reden kann.

Ich war ungefähr in dem gleichen Alter auch schon mal in einer ähnlichen Situation. Damals hatte sich eine ehemalige Lehrerin von mir selbst getötet, bei er ich ca. ein halbes Jahr vorher aus dem Unterricht geflogen bin, weil ich frech zu ihr war. Ich hatte damals auch Schuldgefühle und konnte mit niemanden darüber reden, weil ich mich nicht getraut habe, zu erzählen aus dem Unterricht geflogen zu sein.

Vielleicht habe ich mich auch deshalb schon mit diesen Fragen beschäftigt.
Sensitive hat geschrieben:Warum hat sich meine Tante aufgehängt?
Warum so grausam?
Warum nicht schmerzloser?
In dem Punkt war ich allerdings nicht ehrlich zu den beiden. Ich habe ihnen, bzw. der Großen, nur gesagt, daß er Tabletten genommen hat, die beim Schlafen helfen.

Sensitive hat geschrieben:Es hat nunmal einen sehr bitteren Beigeschmack wenn sich jemand umbringt.
Das hat es bei uns auf jeden Fall. Obwohl ich mir für mich selber darüber im Klaren bin, daß ich mir nicht die Schuld daran geben muß, habe ich doch große Angst davor, mich vor anderen Verteidigen zu müssen.
Außerdem habe ich immer einen Gedanken im Kopf; das ist die Frau, deren Mann....
Irgendwie hat es den Beigeschmack eines zur Schau stellen.
Ich habe noch nie gerne im Mittelpunkt gestanden, und nun tue ich das, und gerade so etwas ist lange Zeit Thema und kommt sicherlich bei neuen Bekanntschaften immer wieder auf den Tisch.
Andererseits bin ich aber auch kein Typ der lange mit einer Lüge leben kann, Ich könnte nicht jedem sagen, daß er krank gewesen ist, oder einen Unfall hatte, ohne dabei nervös zu sein, ob man mir das auch glauben würde. Gerade weil schon viele wußten, daß ich mich von meinem Mann trennen wollte, und die Vermutung dann nun mal nahe liegt.
Bevor in den nächsten Jahren jeder hinter meinem Rücken tuschelt, gehe ich dann lieber ehrlich damit um.

Und ich denke auch für die Mädchen ist es besser, wenn sie sehen, daß wir damit ehrlich sind, so können sie es auch für sich besser verarbeiten denke ich. Geheimnisse sind immer schlecht und belasten zusätzlich. Ich finde es gibt nichts schlimmeres als seine Gedanken nicht austauschen zu können und keine Antworten zu bekommen.

Mialotta,

ja, ich habe auch der Kleinen das Angebot gemacht, jederzeit mit mir reden zu können.
Heute morgen habe ich sie noch einmal gefragt, wie es ihr geht, und sie sagte, es wäre alles Ok.

Jetzt wo beide Bescheid wissen, mache ich mir zumindest keine Sorgen mehr, daß sie es irgendwann mal zufällig aufschnappen und dann nicht wissen, wie sie damit umgehen können.
Sie wissen jetzt, daß ich bereit bin, offen damit umzugehen, und ich daher auch weiterhin in allen Bereichen ihr Ansprechpartner bleiben kann.

Denn so wie autumnflower es gestern scon geschrieben hat, könnten sie sonst meinen, daß ich mich schützen müßten und das Thema daher bei mir dann nicht ansprechen wollen.

Ich habe den beiden gesagt, daß wir in Zukunft ein Team sind, daß zusammenhalten und füreinander da sein sollte, da gehört denke ich dann auch Offenheit dazu.

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