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Mi., 09.01.2013, 13:40
Hallo Charlotte
Zu Deiner Frage vom Februar des vergangenen Jahres:
Ich habe ähnliche Ängste und lerne seit Jahren, damit umzugehen. Das ist alles andere als einfach, denn sein eigenes Herz hat jeder Mensch immer dabei. Bei vielen anderen Phobien kann man ausweichen, z.B. im Kino ganz aussen statt mitten in einer Reihe sitzen usw. Erstmals hatte ich – noch bedeutend häufiger als zur Zeit – vor etwa fünf Jahren diese beängstigenden "Aussetzer" bzw. Herzstolperer. Im Dezember 2012 waren plötzlich wieder diese Herzstolperer da! Da bin ich vielleicht wieder erschrocken! Ich erinnerte mich sofort an Ende 2007 und an das beruhigende Resultat der Untersuchung beim Kardiologen: Alles okay, nichts Pathophysiologisches – aber psychische Ursachen. Ich begab mich in eine Psychotherapie, bekam einen Selektiven-Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer, trank weniger Alkohol und bald einmal waren die Extraschläge verschwunden.
Vor einer Woche war ich nun beim Hausarzt. Die schweren Herzängste haben meinen Kreislauf gewaltig in Unruhe versetzt. Jetzt bekam ich ein zusätzliches Blutdruckmedikament; einen leichten Betablocker nehme ich schon seit Jahren. Langsam fährt mein System runter in normalere Bereiche. Aber es gibt noch immer dieses Aussetzen von einzelnen Schlägen, bei sonst regelmässigem Puls. "Aushalten" soll man dies lernen, habe ich kürzlich gelesen. Das ist wirklich leichter gesagt als getan – ein gewisses Unbehagen bleibt.
Das war eine kleine Vorgeschichte, jetzt zu Deiner Frage betr. Umgang mit der Angst:
Seit bald 40 Jahren gab es bei mir immer wieder schwere Angstzustände, die sich mehrmals bis zu Panikattacken entwickelten und mit Blutdruckwerten von bis zu 240/134 begleitet waren. Ich landete dann mehrmals auf dem Schragen eines Arztes oder in Notfallstationen von Spitälern. Vor 10 Jahren begann ich zu forschen, woher denn diese extreme Sensibilität und Ängstlichkeit überhaupt kommt. Schon seit der Kindheit nahm ich mich selbst als überragend ängstlich wahr. Und tatsächlich: Der wahre Kern meines fragilen Kostüms (dieser extremen Vulnerabilität, also Verletzlichkeit) liegt in der frühen Kindheit, wo ich – wie ich erst seit drei Jahren weiss – ein lebensbedrohliches Trauma mit Schädelhirnverletzungen überlebt habe.
Ich gehe nun nicht näher darauf ein sondern sage einfach: Mir hat es enorm geholfen, die Wahrheit zu erfahren. Jetzt verstehe ich mich (und meine Reaktionen) bedeutend besser und ich habe gelernt, mich selbst zu lieben und zu respektieren. Ich möchte dieses "Verständnis für sich selbst" als erste Etappe auf dem Weg zu ertragbareren Ängsten betrachten. Denn es ist doch wirklich ein nicht zu unterschätzender Faktor, wenn man sich für seine Ängste auch noch schämt.
Wenn man wirklich schwere, oftmals scheinbar "übertriebene" Ängste hat, dann sind es möglicherweise "Ängste des Inneren Kindes", also archaische Ängste. In uns allen ist ja das Kind, das wir einmal waren, noch immer lebendig. Es gilt nun also, seinem verängstigten Inneren Kind zu helfen, es in die Arme zu nehmen und zu schützen. Und jetzt kommen wir zu meiner eigens (vielleicht nicht nur für mich) entwickelten "Therapie", die ich inzwischen bei schweren Angstzuständen oder drohenden Panikattacken anwende: Ich schreibe alles auf, um mir selbst klar zu werden über das ganze Bedrohungsszenario. Das mache ich gerade dann, wenn ich vielleicht bereits zittere vor Angst, wenn mir übel wird und ich Todesangst leide. Ich halte durch und schreibe. Die schwere Angst wird so (ich habe das Wissen über die Zusammenhänge in unserem Gehirn dem Buch "Das Netz der Gefühle" von Joseph LeDoux entnommen), sozusagen auf die höhere, kognitive Ebene gehoben. "Angst wird verstehbar", sozusagen. Bei mir hilft das – ich kann damit zwar nicht verhindern, dass ich erneut in einen “Angststrudel” gerate, aber ich kann damit immerhin Panikattacken vermeiden.
Bei Herzstolpern (oder eben: Extrasystolen) und allen anderen Unregelmässigkeiten am Herzen ist auf jeden Fall eine FACHÄRZTLICHE UNTERSUCHUNG angezeigt. Das Meiste ist harmlos, um aber pathologische Entwicklungen auszuschliessen oder diese früh zu erkennen, ist der Arztbesuch – inkl. Belastungs-EKG – unerlässlich. Wenn dann der wahrscheinliche Befund – also "ungefährlich" – eintritt, hilft dies auch schon mal gegen unbegründete Angst. Aber natürlich ist Angst auch irgendwie normal, sie schützt den Menschen und warnt ihn. Wenn man aber immer wieder überragenden Ängsten ausgesetzt ist oder davon kaum mehr loskommt, ist wahrscheinlich schon der Gang zum Therapeuten angezeigt.
Alles Gute!