Demut und Verrat - Begriffserklärung

Hier können Sie Fragen zu Begriffen, Diagnosen und sonstigen Fachworten stellen, die einem gelegentlich im Zusammenhang mit Psychologie und Psychotherapie begegnen oder die Bedeutung von Begriffen diskutieren.

mio
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Beitrag Do., 10.12.2015, 22:28

Hallo Möbius, hallo Solage,
Solage hat geschrieben:Das ist ja mal eine nette Geschichte Möbius.
Dem schließe ich mich an . Und ich finde es schon demütig, er hätte die falschen Lorbeeren ja auch einfach annehmen können, hat er aber nicht. Sondern einfach zugegeben: Ich bin auch nur ein Mensch.

Lieben Gruss,

mio

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Solage
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Beitrag Do., 10.12.2015, 22:35

Dieser Papst hat ja die Demut verneint, er sei ja nur dick! Aber eben nicht demütig. ..."Ich bin auch nur ein Mensch"...Hmmm?
Oder aber, es kann genau diese Äußerung auch wiederum "Überhöhung" sein.
Ich großer Papst, habe doch auch was Menschliches.....Wow...Ich bin gut! Ich steige zu euch herab....
Weiß ned so recht.....

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Möbius
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Beitrag Do., 10.12.2015, 22:36

Liebe Solange,

Du hast sehr schnell geantwortet ! Vielleicht ist es Dir inzwischen ja auch schon aufgegangen: Wer sich von dem Kompliment schmeicheln lässt, demütig zu sein, der ist nicht demütig - der gibt nur vor, demütig zu sein, um anderen etwas vorzumachen ! Das ist ja gerade der "eigentliche" Witz an dieser schönen Anekdote: in dem Johannes XXIII das Kompliment, demütig zu sein, zurückgewiesen, sich selbst dagegen als Antwort auf das Kompliment ins Lächerliche zog, hat er sich gerade erst als wahrhaft demütig erwiesen.

Gruß
Möbius

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Möbius
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Beitrag Do., 10.12.2015, 22:43

Und vielleicht zeigt diese Anekdote von Johannes XXIII auch, daß zu wahrer Demut kein sauertöpfischer Moralismus gehört, sondern: Heiterkeit !

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Solage
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Beitrag Do., 10.12.2015, 22:48

Meinst Du das echt lieber Möbius?
Wenn ich ein Kompliment ins Lächerliche ziehe, bin ich dann wahrhaftig demütig?
Wenn ich Schmeicheleien abwehre, weil....weil auch immer....Bin ich dann wahrhaftig demütig?
Oder erfülle ich damit nicht auch einen erwartenden Zweck?
Weiß ich aber jetzt in diesem Fall auch nicht. Finde das Verhalten dieses Papstes auch nett.
Mag übrigens die Äußerungen unseres jetzigen Papstes auch.

Heiterkeit findet sich auch bei den nicht demütigen Menschen....

Sauertöpferischer Moralismus und wahre Demut....passt eh nicht!

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Möbius
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Beitrag Do., 10.12.2015, 22:57

Nicht jeder, der heiter ist, ist auch demütig - aber wer nicht heiter ist, kann auch nicht demütig sein !

Mio hat es schon richtig erkannt: die Komplimente, die man dem Papst für seine Demut machte, waren falsche Lorbeeren - man wollte ihn auf's Glatteis führen, seine Reformen der Kirche als Fassadentünche "entlarven". Das hat Johannes XXIII. blitzschnell erkannt - jemand, der Papst wird, ist schließlich nur höchst selten doof.

Woraus man auch ersehen kann: zu wahrer Demut gehört auch: ein gerüttelt Maß an Witz und Intelligenz. Der Dummheit verbleibt nur "die strenge Würde der Beschränktheit" (Thomas Mann nach Horst Geyer: "Über die Dummheit").


Landkärtchen
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Beitrag Do., 10.12.2015, 23:02

Vielen Dank für eure Rückmeldungen.

Nein, in der Situation selber haben wir uns nicht ausgetauscht (auch später nicht). Sie tat es einfach und legte sich ins Bett. Ich war auch zu sehr mit meinen Wehen beschäftigt als das ich das in diesem Moment hätte thematisieren können. Zum Zeitpunkt als ich in die Badewanne stieg hatte ich schon 24 Stunden lang regelmäßige Wehen und nicht eine Minute geschlafen.

Wie ich mich in diesem Moment gefühlt habe? Verzweifelt, müde, erschöpft, ausgesperrt ... die schlafende Person habe ich nach kurzer Zeit nicht mehr wahrgenommen. Ich glaube das Wort Verrat fiel beim Schildern der gesamten zwei Tage. Ich fuhr z.B. in Begleitung dieser Person über eine Stunde mit verschiedenen öffentlichen Verkehrsmitteln und heftigen Wehen zweimal zum Geburtsort. Wenn mir eine gute Freundin ihre Geburt so schildern würde, dann würde ich auch von Verrat sprechen. Denn es wurde eine Begleitung zugesagt die es nicht gab.
Für mich ist der Gedanke verraten worden zu sein sehr schmerzhaft, denn es wiederholte sich das was ich seit meiner Kindheit kannte. Es tut weh selbst als Erwachsene wieder „drauf reingefallen zu sein“. Ich wollte es viele Jahre nicht wahrhaben wollen.

Landkärtchen
Was wäre das Leben, hätten wir nicht den Mut, etwas zu riskieren?

Vincent van Gogh

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Solage
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Beitrag Do., 10.12.2015, 23:08

Lieber Möbius,
ja, falsche Lorbeeren sind doch schnell erkannt.
Interessant finde ich, dass gerade intelligente Menschen, die in gehobenen Positionen sind, diese "Lorbeeren" doch immer wieder gerne ernten und auch brauchen.
Das hat dann nix mit Intelligenz zu tun.

Päpste werden von den Kardinälen gewählt, die sich aus ihrer Wahl auch wieder was versprechen....
Also, da soll dann das Gedankengut weitergeben werden....schön angepasst und brav. Möglichst ohne groß auszuscheren. Da ist dann so ein "sich nicht rumtragen lassen" für mich gar nix.
Weil an den Inhalten hat sich doch bis heute nix geändert.
Aber freilich, feiern wir halt solche Päpste, die Humor zeigen, sich nicht in der Sänfte tragen lassen.
Aber nach wie vor den Pflichtzölibat aufrechterhalten, Geschiedene nicht zur Kommunion zulassen und Frauen das Priesteramt verwehren.....

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Möbius
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Beitrag Do., 10.12.2015, 23:14

Man macht immer die gleichen Fehler, fällt immer wieder auf das selbe herein: der "Wiederholungszwang" - ein unverarbeitetes Trauma drängt auf seine Wiederholung, um die Verarbeitung nachholen zu können: "Jenseits des Lustprinzips" - ohne Freud, kein Leid !

Das geht soweit, daß uns der Wiederholungszwang, der im Unbewußten funktioniert, uns dazu bringt, immer wieder die Situationen aufzusuchen, in denen uns das Ungemach überkommt.

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Möbius
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Beitrag Do., 10.12.2015, 23:16

Liebe Solange,

Johannes XXIII war demütig - Du bist es nicht ! (Und ich leider auch nicht !)

Gruß

Möbius

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Solage
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Beitrag Do., 10.12.2015, 23:24

Jaja, und damit ist dann alles erklärt und man ist "draußen"....Immer die selben Fehler, da gibt es kein Entrinnen!
Tja.....da braucht es dann auch keine Therapie...weil die selben Fehler immer und immer wieder sich wiederholen. Ich erkenne in der Analyse diese Muster, aber die Fehler, die Fehler, die Fehler...ja ....die bleiben....Ja, das ist TATSÄCHLICH sehr, sehr schwer Möbius! Sehr schwer!

Ja Möbius, ich bin nicht demütig, Du bist es nicht und ob es dieser Johannes wirklich war, weiß ich nicht!
Hatte er doch eine Machtposition inne, die man nicht einfach so geschenkt bekommt. Wir kennen den auch nicht persönlich, können nur über ihn lesen und glauben, was wir lesen....
Demut vor Gott, vor Jesus, vor den Menschen, vor dem Leben...Ja, Demut vor uns....doch ....
Respekt habe ich schon. Respekt vor dem Leben, vor der Schöpfung...DOCH!

Gruß
Solage


mio
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Beitrag Do., 10.12.2015, 23:43

Hallo Landkärtchen,
Landkärtchen hat geschrieben: Für mich ist der Gedanke verraten worden zu sein sehr schmerzhaft, denn es wiederholte sich das was ich seit meiner Kindheit kannte. Es tut weh selbst als Erwachsene wieder „drauf reingefallen zu sein“. Ich wollte es viele Jahre nicht wahrhaben wollen.
ja, das kann ich gut verstehen. Und ich denke dass Deine Therapeutin genau deshalb auch mit Dir da drauf schaut, was Du aber ja wohl selbst weisst. Es ist übel, solche Gefühle dann nochmal ganz "bewusst" zu durchleiden, aber nach dem bewussten Durchleiden wird es besser. Und vor allem: Die Wahrscheinlichkeit, dass Dir so ein "Irrtum" noch mal passiert, die sinkt! Und dafür lohnt es sich finde ich.

Lieben Gruss,

mio

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Solage
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Beitrag Do., 10.12.2015, 23:55

Liebe Landkärtchen,

ich kenne das auch aus meiner Kindheit, das tut sooooo sauweh!
So weh, dass ich auch immer wieder darauf reinfalle, in der Hoffnung, in der irrigen Hoffnung?

Bin da bei mio....die Wahrscheinlichkeit solcher Wiederholungen wird geringer....Aber nicht, weil man da zumacht und mauert.... Sondern eben genau diese Gefühle, diese große Angst verlassen zu werden, diese Angst zuzulassen und in der therapeutischen Begleitung auszuhalten......Doch, da geht was....

Mir hilft da die korrigierende Erfahrung mit meinem Therapeuten....Der lässt mich aber nicht mehr durch das Leid gehen, sondern stemmt sich dagegen....Aber gerade durch seine besondere sehr authentische Art....spüre ich komischerweise das Leid in einer anderen, gereinigteren Form. Das macht der nicht mal bewusst. Das spüre ich einfach. Das ist viel wert. Es darf weh tun, aber nicht destruktiv sich auflösend weh...sondern so ein "gutes Weh". Wenn Du das verstehen kannst....schwierig gerade...So wie endlich weinen zu können, weil es weh tut und dadurch Entlastung eintritt.


mio
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Beitrag Fr., 11.12.2015, 00:10

Hmm, nochmal zum Papst und seiner Demut. Ich bin beileibe keine Freundin der katholischen Kirche. War auch nie katholisch, selbst zu dem Zeitpunkt nicht, zu dem ich noch das "offizielle" Mitglied (wenn auch nur auf dem Papier) einer Weltanschauungsgemeinschaft - sprich in der "Kirche" - war. Nichts desto trotz finde ich, dass ein solches Verhalten von wahrer Größe zeugt. Und vielleicht gibt es da einen Zusammenhang? Zwischen "wahrer Größe" und Demut?

Und na ja, Demut ist für mich weit ab von demütigen oder gar gedemütigt werden. Vielleicht auch deshalb so ein "verwirrender" Begriff, weil Demut bedeutet, nicht mehr "demütigbar" zu sein?

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Solage
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Beitrag Fr., 11.12.2015, 00:30

Wer sich demütig gibt, muss deswegen nicht demütig sein.

Falsche Demut ist Kriechertum und ausbeutbar.

Echte Demut ist für mich frei von Eitelkeiten und Anerkennung haben wollen. Frei von Macht, sondern zeigt sich in echter Hingabe. Hingabe an das Leben, die Schöpfung. So jetzt meine Erklärung.

Mit demütigen hat das für mich auch gar nix zu tun. Ganz im Gegenteil. Mit Wertschätzung, mit der Verbeugung vor dem Leben, der Schöpfung....auch der Ehrfurcht vor dem Leben!

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