Asperger-Autismus? Oder einfach nur taktlos?
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- sporadischer Gast
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Gibt es Angehörigen-Gruppen für Geschwister von Aspergern?
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Also manchmal gibt es das bei Fachstellen in Zusammenhang mit Beratungsangeboten. Zumindest in meiner Region (Ost-CH). Nicht nur Geschwister, sondern auch Partner etc.
Ich lehne die Bezeichnung ‚Asperger‘ jedoch ab. Wir sind Autisten. Wir erleben autistisch. Seit dem ICD 11 gibt es nur noch die Spektrumsdiagnose. Die äussere Symptomatik ist viel zu vielschichtig für diese veralteten Kategorien. Und ich hoffe, meine Schwester ist in erster Linie Schwester von mir als Mensch, nicht von einer Diagnose.
Ich lehne die Bezeichnung ‚Asperger‘ jedoch ab. Wir sind Autisten. Wir erleben autistisch. Seit dem ICD 11 gibt es nur noch die Spektrumsdiagnose. Die äussere Symptomatik ist viel zu vielschichtig für diese veralteten Kategorien. Und ich hoffe, meine Schwester ist in erster Linie Schwester von mir als Mensch, nicht von einer Diagnose.
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- sporadischer Gast
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Danke für die Info! Ich lebe in der Grenzregion zur Ost-Schweiz, vielleicht finde ich dort etwas.
Zum Begriff Asperger: Der Begriff half und hilft meinem Bruder, die Diagnose besser zu akzeptieren. In unserer Nachbarschaft lebt ein junger Mann mit frühkindlichem Autimsus, er ist schwer behindert - mit dem Begriff Asperger kann sich mein Bruder davon besser abgrenzen und das ist wichtig für ihn.
Was ich bei der Spektrumsdiagnose nicht verstehe: Es gibt innerhalb dieses Spektrums sehr große Unterschiede. Besagter junger Mann zum Beispiel wird niemals alleine, sondern nur mit intensiver Betreuung (1:1) leben können, andere hingegen schaffen es recht gut, alleine zu leben. Da finde ich eine Differenzierung sinnvoll. Wie siehst du das? Und noch eine Frage, die ich bislang nicht wirklich beantwortet bekommen habe: ADHS zählt nicht zum ASS?
Zum Begriff Asperger: Der Begriff half und hilft meinem Bruder, die Diagnose besser zu akzeptieren. In unserer Nachbarschaft lebt ein junger Mann mit frühkindlichem Autimsus, er ist schwer behindert - mit dem Begriff Asperger kann sich mein Bruder davon besser abgrenzen und das ist wichtig für ihn.
Was ich bei der Spektrumsdiagnose nicht verstehe: Es gibt innerhalb dieses Spektrums sehr große Unterschiede. Besagter junger Mann zum Beispiel wird niemals alleine, sondern nur mit intensiver Betreuung (1:1) leben können, andere hingegen schaffen es recht gut, alleine zu leben. Da finde ich eine Differenzierung sinnvoll. Wie siehst du das? Und noch eine Frage, die ich bislang nicht wirklich beantwortet bekommen habe: ADHS zählt nicht zum ASS?
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- sporadischer Gast
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@Leyndin: Auf deine Anregung hin bin ich auf die Autismushilfe St. Gallen gestoßen. Sie bietet Partner-Treffen an, was für mich auch gut sein könnte, da dort - im Gegensatz zu der Gruppe, in der ich sonst bin und wo es meist um Kinder geht - erwachsene Menschen im Mittelpunkt stehen. Danke nochmal für deinen Tipp!
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Super, ja die Autismushilfe in St. Gallen hat gute Angebote. Da bin ich auch schon in der Beratung gewesen.
Das mit der Differenzierung im Spektrum sehe ich folgendermassen:
Autismus ist von kognitiver Beeinträchtigung zu trennen. Wie bei nichtautistischen Menschen auch.
Intelligenz ist auch in der autistischen Population normalverteilt, die qualitativen Wahrnehmungsbeeinträchtigungen bedingt durch Autismus können je nach Ausprägung, Umweltfaktoren und personalen Faktoren das eine oder andere weiter begünstigen oder hemmen.
So wird es auch im ICD11 dargestellt. Autismus selbst kennzeichnet sich durch Schwierigkeiten in der interpersonellen Interaktion, mit der Reizverarbeitung und die ausgeprägten Interessen.
So ist z.B. Sprach- und Kognitionsentwicklung untrennbar miteinander verbunden, gut nachzulesen z.B. bei Zollinger, Entdeckung der Sprache. Wenn also zusätzlich zum Autismus eine Intelligenzentwicklungsstörung vorliegt, ist wahrscheinlich auch die Sprachentwicklung beeinträchtigt, was wiederum die Interaktionsprobleme durch die autistische Grundkonfiguration verstärkt.
Für mich war es auch ein grosser Schritt zu akzeptieren, dass ich dieselbe Diagnose habe wie Klienten, die wie euer Nachbar vollumfänglich auf Hilfe angewiesen sind. Ich habe ein abgeschlossenes Studium und ein selbstständiges Leben. Aber: Es gibt keine Hierachie von ‚leicht‘ oder ‚schwer‘. Intelligenz ermöglicht vielleicht mehr Maskierung, aber zu welchem Preis? Vor allem wie lange. Denn ‚leicht‘ suggeriert dem Aussen, dass die Probleme nicht individuell schwerwiegend sind. Dass jemand mit ‚leichtem‘ Autismus ja scheinbar(!) mühelos maskieren kann und deshalb keine Barrierefreiheit braucht. Das Resultat sind oft Zusammenbrüche und vorzeitiges Ausscheiden aus dem Berufsleben.
Das mit der Differenzierung im Spektrum sehe ich folgendermassen:
Autismus ist von kognitiver Beeinträchtigung zu trennen. Wie bei nichtautistischen Menschen auch.
Intelligenz ist auch in der autistischen Population normalverteilt, die qualitativen Wahrnehmungsbeeinträchtigungen bedingt durch Autismus können je nach Ausprägung, Umweltfaktoren und personalen Faktoren das eine oder andere weiter begünstigen oder hemmen.
So wird es auch im ICD11 dargestellt. Autismus selbst kennzeichnet sich durch Schwierigkeiten in der interpersonellen Interaktion, mit der Reizverarbeitung und die ausgeprägten Interessen.
So ist z.B. Sprach- und Kognitionsentwicklung untrennbar miteinander verbunden, gut nachzulesen z.B. bei Zollinger, Entdeckung der Sprache. Wenn also zusätzlich zum Autismus eine Intelligenzentwicklungsstörung vorliegt, ist wahrscheinlich auch die Sprachentwicklung beeinträchtigt, was wiederum die Interaktionsprobleme durch die autistische Grundkonfiguration verstärkt.
Für mich war es auch ein grosser Schritt zu akzeptieren, dass ich dieselbe Diagnose habe wie Klienten, die wie euer Nachbar vollumfänglich auf Hilfe angewiesen sind. Ich habe ein abgeschlossenes Studium und ein selbstständiges Leben. Aber: Es gibt keine Hierachie von ‚leicht‘ oder ‚schwer‘. Intelligenz ermöglicht vielleicht mehr Maskierung, aber zu welchem Preis? Vor allem wie lange. Denn ‚leicht‘ suggeriert dem Aussen, dass die Probleme nicht individuell schwerwiegend sind. Dass jemand mit ‚leichtem‘ Autismus ja scheinbar(!) mühelos maskieren kann und deshalb keine Barrierefreiheit braucht. Das Resultat sind oft Zusammenbrüche und vorzeitiges Ausscheiden aus dem Berufsleben.
Nachtrag: Gute Literatur, wenn du dich einlesen magst, findest du aktuell bei den Autoren Ludger Tebartz van Elst, Thomas Girsberger, Christine Preissmann (ist auch selbst betroffen), Tony Attwood…
ADS (Autismus deutsche Schweiz) hat auch immer wieder tolle Angebote, bald einen Kongress, bei dem man auch online on demand teilnehmen kann. Sie haben für Mitglieder auch ein internes Forum. Du kannst mir auch eine PN senden, wenn du mehr über regionales o.ä. wissen möchtest.
ADS (Autismus deutsche Schweiz) hat auch immer wieder tolle Angebote, bald einen Kongress, bei dem man auch online on demand teilnehmen kann. Sie haben für Mitglieder auch ein internes Forum. Du kannst mir auch eine PN senden, wenn du mehr über regionales o.ä. wissen möchtest.
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- sporadischer Gast
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Dein letzter Absatz der ersten Nachricht - wie soll ich es ausdrücken - berührt mich. Du hast mir damit sehr gut das Problem verständlich gemacht. Das trifft auch auf meinen Bruder zu.
Er hat ebenfalls eine Uni abgeschlossen. Abgesehen von den Studienzeiten hat er bisher aber nicht alleine gelebt, sondern bei unserer Mutter. Ohne sie (und ihre Finanzen) wäre es - aus meiner Wahrnehmung - nicht immer gut gegangen, da er, bedingt durch Depressionen, die wohl auf den Autismus zurückzuführen sind, immer wieder längere Ausfälle in seiner Selbständigkeit hat.
Danke auch für die Literaturtipps und dein Angebot der PN zu regionalen Angeboten!
Er hat ebenfalls eine Uni abgeschlossen. Abgesehen von den Studienzeiten hat er bisher aber nicht alleine gelebt, sondern bei unserer Mutter. Ohne sie (und ihre Finanzen) wäre es - aus meiner Wahrnehmung - nicht immer gut gegangen, da er, bedingt durch Depressionen, die wohl auf den Autismus zurückzuführen sind, immer wieder längere Ausfälle in seiner Selbständigkeit hat.
Danke auch für die Literaturtipps und dein Angebot der PN zu regionalen Angeboten!
Es freut mich, wenn mein Beitrag für dich hilfreich ist.
Mir ist auch wichtig auszudrücken, dass Autismus nicht einfach die Begründung für Probleme ist, sondern wir es (wie jeder Mensch) verdient haben, dass man auch bei uns genau hinschaut, was sonst noch vorliegt und nicht Probleme einfach mit ‚ach ja, ist Autist, hat eh Probleme‘ abtut.
Die autistische Konfiguration an sich ist nicht das Problem. Das Problem entsteht in der Welt, die an einer vermeintlichen Norm orientiert ist, in der andere Konfigurationen häufig anecken. Nicht nur Autist:innen. Auch andere Formen der Neurodiversität, ob angeboren oder erworben. Deine Frage nach dem ADHS: Das gehört auch ins Spektrum der Neurodiversität, aber nicht ins Autismus-Spektrum. Es ist aber eine häufig anzutreffende Komorbidität. Genau wie Tics, Depressionen, Traumafolgestörungen. Ich hab das kein ADHS, aber ich bin durch verschiedene Faktoren komplex traumatisiert: Es ist gar nicht so leicht herauszufinden was von meinen Symptomen nun wo zu gehört und die richtige Hilfe und Therapie zu finden.
Depression ist auch eine Reaktion des Nervensystems auf Überlastung. Wenn die Belastungen des Individuums auf Reizfilterschwäche, schwache Theory of Mind, schwache exekutive Funktionen, starke Anstrengung in der sozialen Interaktion etc treffen, die Belastung des normalen Existierens einfach mal sowieso schon verd***** viel Kraft kostet - dann bleiben Folgen nicht aus.
Ich habe meine Diagnose das erste Mal mit Anfang 20 erhalten. Schock und Aha Erlebnis. Die Anpassung des Lebens ist auch Jahre später nicht abgeschlossen. Es ist schmerzhaft, nach und nach Dinge zu wahrzunehmen, die mir nur unter grösster Kraftanstrengung oder gar nicht (mehr) gelingen. Aber es ist auch gut, herauszufinden wo meine Stärken liegen. Und dann mit Anpassungen und Hilfen immer wieder einen Schritt weiterzukommen.
Ich wünsche dir und deinem Bruder, dass ihr einen individuellen Weg findet, der eure Belastungen und Stärken würdigt und euch hilft, einen Frieden damit zu haben, dass ihr seid, wie ihr seid.
Mir ist auch wichtig auszudrücken, dass Autismus nicht einfach die Begründung für Probleme ist, sondern wir es (wie jeder Mensch) verdient haben, dass man auch bei uns genau hinschaut, was sonst noch vorliegt und nicht Probleme einfach mit ‚ach ja, ist Autist, hat eh Probleme‘ abtut.
Die autistische Konfiguration an sich ist nicht das Problem. Das Problem entsteht in der Welt, die an einer vermeintlichen Norm orientiert ist, in der andere Konfigurationen häufig anecken. Nicht nur Autist:innen. Auch andere Formen der Neurodiversität, ob angeboren oder erworben. Deine Frage nach dem ADHS: Das gehört auch ins Spektrum der Neurodiversität, aber nicht ins Autismus-Spektrum. Es ist aber eine häufig anzutreffende Komorbidität. Genau wie Tics, Depressionen, Traumafolgestörungen. Ich hab das kein ADHS, aber ich bin durch verschiedene Faktoren komplex traumatisiert: Es ist gar nicht so leicht herauszufinden was von meinen Symptomen nun wo zu gehört und die richtige Hilfe und Therapie zu finden.
Depression ist auch eine Reaktion des Nervensystems auf Überlastung. Wenn die Belastungen des Individuums auf Reizfilterschwäche, schwache Theory of Mind, schwache exekutive Funktionen, starke Anstrengung in der sozialen Interaktion etc treffen, die Belastung des normalen Existierens einfach mal sowieso schon verd***** viel Kraft kostet - dann bleiben Folgen nicht aus.
Ich habe meine Diagnose das erste Mal mit Anfang 20 erhalten. Schock und Aha Erlebnis. Die Anpassung des Lebens ist auch Jahre später nicht abgeschlossen. Es ist schmerzhaft, nach und nach Dinge zu wahrzunehmen, die mir nur unter grösster Kraftanstrengung oder gar nicht (mehr) gelingen. Aber es ist auch gut, herauszufinden wo meine Stärken liegen. Und dann mit Anpassungen und Hilfen immer wieder einen Schritt weiterzukommen.
Ich wünsche dir und deinem Bruder, dass ihr einen individuellen Weg findet, der eure Belastungen und Stärken würdigt und euch hilft, einen Frieden damit zu haben, dass ihr seid, wie ihr seid.
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- sporadischer Gast
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Wenn ich lese, womit du konfrontiert bist, verspüre ich Mitgefühl. Deine Zeilen beinhalten aber auch Positives undd sagen mir, dass du - selbst wenn es schwer ist - weiterkommst. Ich kann mich nicht so schön ausrücken wie du, deshalb in aller Schlichtheit: Ich wünsche dir das Allerbeste!
Deine Wünsche für mich und meinen Bruder könnten passender und besser nicht sein, vielen Dank!
Darf ich noch fragen: Arbeitest du im psychosozialen Bereich?
Deine Wünsche für mich und meinen Bruder könnten passender und besser nicht sein, vielen Dank!
Darf ich noch fragen: Arbeitest du im psychosozialen Bereich?
Vielen lieben Dank. Schlichte Worte sind auch schöne Worte.
Kurze Antwort auf deine Frage: Jein. Psycho- eher nein, sozial klar ja. Lange Antwort: per PN.
Kurze Antwort auf deine Frage: Jein. Psycho- eher nein, sozial klar ja. Lange Antwort: per PN.
also wir sind nur für betroffene Erwachsene, Angehörige sind in einer Gruppe, die man HPE nennt. weiß ich jedoch selber nicht sehr viel drüber
Wiener SHG für Asperger Autist(inn)en & HSP
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