Ossi-Wessi-Debatte noch aktuell?

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ENA
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Beitrag Do., 25.03.2010, 21:37

Hallo Leute!

Jetzt machts mich immer mehr neugierig, so dass ich jetzt auch mal kurz fragen mag...:
metropolis hat geschrieben:Mir schien als hätte man hier andere Prioritäten und Maßstäbe.
Magst Du erzählen, welche?
metropolis hat geschrieben:Er war der Meinung, dass Ossis arbeitsfaul, nicht so ehrgeizig und gebildet seien wie die Westdeutschen.
Wieso? Wie kommen solche Vorurteile zu Stande? Weil es nicht soviel "Reichtum" gab? Aber es war doch ein ganz anderes System... .
schmetterling.1983 hat geschrieben:Ich habe "Ostdeutsche" Freunde hier, "Westdeutsche" Freunde, genau so wie welche die Ihre Wurzeln in Afrika oder Asien haben.Es ist alles ein wenig anders, aber dennoch findet man bei jedem etwas, was man gemein hat.
Das sehe ich auch so.
schmetterling.1983 hat geschrieben:...die Bananen die plötzlich überall auftauchnten und die anderen vielen spannenden Sachen ....
Was denn noch?
Dunkle hat geschrieben:sehr viele Vorurteile und vor allem sehr viel Verbitterung gegen die "Wessis" und allgemein gegen die neue Zeit. Das wird manchmal auch an die nachfolgende Generation vererbt, dass das Feindbild "Wessi" heißt, bzw. man einfach misstrauisch ist und die "alte Zeit" beschwört.
Magst bzw. kannst Du erklären, warum das so ist? Also jetzt nicht das "Vererben", aber diese Sichtweisen, die Verbitterung, das Feindbild,...?

Einen schönen Abend noch, ENA!

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Dunkle
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Beitrag Do., 25.03.2010, 22:27

Anastasius hat geschrieben:Decken sich die Vorurteile manchmal mit dem, was wirklich der Fall ist?
Ja!

ich habe all das erlebt: "Besserwessis" und "Jammerossis", westdeutsche Borniertheit und östlichen Kleingeist.

Das alles ist ja nicht erfunden, kommt nicht von ungefähr.

es bleibt die Frage, ob Erfahrungen sich weiterentwickeln können oder ob sie sich zum Hemmschuh auswachsen.


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Beitrag Do., 25.03.2010, 22:58

metropolis hat geschrieben: Hast du auch eine Meinung zu meinen Fragen bezüglich Ossi-/ Wessi- Diskriminierung
Ja, hier im Osten empfinden manche Leute, daß sie diskriminiert worden sind, z. B. an den Hochschulen. Da mußte sich ja nach der Wende jeder neu bewerben ("Evaluierung"). Ich hab's nur von den Medizinern gehört: Wer nicht im in der Medizin führenden Land, den USA, eine Weile gewesen war, hatte gar keine Chance bei der Bewerbung um einen Lehrstuhl. Und welcher Ossi konnte das vorweisen? Dann haben die Chefs ihre Leute aus dem Westen nachgezogen. Die blieben z. T. auch nur so lange bis sie ein besseres Angebot (meist wieder im Westen) hatten. Ich denke, dieses Problem hat sich aber nun bald durch Zeitablauf erledigt.

Du hattest eingangs nach den Vorurteilen gefragt. Ganz ohne Ressentiments wird man nicht auskommen, um sich die Welt zu erklären. In der DDR gab es ja eine Blüte des politischen Witzes; das hat sich dann in Witzen über Wessis fortgesetzt, die ja immer ein Körnchen Wahrheit enthalten:

Was ist der Unterschied zwischen einem Fuchs und einem Wessi?
Der Fuchs ist schlau und stellt sich dumm - der Wessi macht es anders rum...

Warum braucht man im Westen 13 Jahre fürs Abitur?
Weil 1 Jahr davon Schauspielunterricht ist...

Was ist der Unterschied zwischen Gott und einem Wessi?
Gott weiß alles, Wessi weiß alles besser.


Witze über Ossis gibt's übrigens weniger, vielleicht weil das Thema viel weniger Wessis betrifft:

Steht ein Schwabe auf der Neckarbrücke und schaut hinunter. Dort sitzt ein Mann am Ufer und trinkt eifrig das dreckige Neckarwasser. Schreit der Schwabe von der Brücke herab: “Halt, sind Sie verrückt? Das Wasser ist doch total giftig, wenn Sie zuviel trinken können sie sterben!” Sagt der Mann: “Wäs?Wäs hämn Se gsagt? Schwabe: “Gaaaaaaaaaaanz langsam und in grossen Schlücken trinken! Aber nicht zu schnell, es ist kalt!”

Es gibt drei Möglichkeiten einen Betrieb zugrunde zu richten.
1.Mit Alkohol,das ist die sicherste.
2.Mit Frauen,das ist die schönste.
3.Mit einem Ossi,das ist die schnellste.

Anastasius hat geschrieben:sehr bedauere, eine ihrem Sinn nach verfassungskonträre Eingemeindung der DDR. (D. h. Es hätte eine Volksabstimmung über eine neu erarbeitete Verfassung geben müssen.
Die weitverbreitete Auffassung, wonach die DDR nach Art 23 GG der Bundesrepublik einfach beigetreten sei, ist irrig. Vielmehr geschah dies auf der völkerrechtlichen Grundlage des Einigungsvertrags. Es fand sich wegen der Dynamik der Prozesse 1990ff keine Mehrheit für die Neufassung einer Verfassung nach Art. 146 GG. Auch wurde Art 146 nicht aufgehoben; Es kam allerdings zu einem Einschub, wonach das GG für das gesamte wiedervereinigte Deutschland gelte bis in freier Entscheidung vom deutschen Volk eine andere Verfassung angenommen werde. Ich finde das GG als eine der besten Verfassungen weltweit, und es wurde und wird ja auch ständig aktualisiert, so daß es nicht nötig ist, eine neue Verfassung zu beschließen.
ENA hat geschrieben: Als ich eben mit jemandem Beiträge gewechselt habe, habe ich erfahren, dass sie in der Nähe von Leipzig lebt. Das einzigste, was mich daran interessiert hat, war, ob Leipzig schön ist...
Dann komm doch mal her, ich mach' den Stadtführer für Dich.
Zwackel hat geschrieben:Meiner Erfahrung nach hat ein "Ossi" in Westdeutschland nicht mehr oder weniger Vorurteile zu befürchten, als ein Bayer in Berlin.
Bild
Zerrissene hat geschrieben:Na, ich Ossi bin mit einem Wessi verheiratet. Es gibt schon gewisse Unterschiede, auf die ich jetzt aber nicht näher eingehen will...
Hat Dein Nick damit zu tun?
ENA hat geschrieben:

metropolis hat geschrieben:Er war der Meinung, dass Ossis arbeitsfaul, nicht so ehrgeizig und gebildet seien wie die Westdeutschen.
Wieso? Wie kommen solche Vorurteile zu Stande? Weil es nicht soviel "Reichtum" gab? Aber es war doch ein ganz anderes System... .
Genau, das System: Es war für einen "volkseigenen" Betrieb extrem schwer, jemandem zu kündigen. Dann gab es viel Frust während der Arbeit, weil Material fehlte etc. Die Arbeitsmoral litt darunter stark. Wer konnte, ging während der Arbeitszeit einkaufen ("später gibt's nichts mehr") oder zum Friseur, zum Arzt sowieso. Beruflicher Ehrgeiz war unattraktiv, habe ich oben schon begründet. Die (theoretische) Bildung des durchschnittlichen DDR-Bürgers, besonders die politische (weil man wissen wollte/mußte, was tatsächlich in der Welt los war und man das aus der Zeitung nicht erfuhr), war m. E. besser als die des durchschnittlichen Westdeutschen. Es wurde in Ermangelung anderer Vergnügungen mehr gelesen. Nur die weit eingeschränken Reisemöglichkeiten behinderten den gemeinen Ossi z. B. im Blick auf seine Sprachkenntnisse und Weltgewandtheit.

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Dunkle
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Beitrag Do., 25.03.2010, 23:00

ENA hat geschrieben:
Dunkle hat geschrieben:sehr viele Vorurteile und vor allem sehr viel Verbitterung gegen die "Wessis" und allgemein gegen die neue Zeit. Das wird manchmal auch an die nachfolgende Generation vererbt, dass das Feindbild "Wessi" heißt, bzw. man einfach misstrauisch ist und die "alte Zeit" beschwört.
Magst bzw. kannst Du erklären, warum das so ist? Also jetzt nicht das "Vererben", aber diese Sichtweisen, die Verbitterung, das Feindbild,...?
Hi ENA, das betrifft vor allem die, die wirtschaftlich keine Chancen (mehr) hatten, seit Beginn der Wende langzeitarbeitslos waren etc. Da die Kontakte mit Westdeutschen meist die wohlhabenderen Wessis betraf, zeigten sich die Unterschiede besonders hart. In der DDR hatte man auf Anhäufung von Geld und Eigentum kaum eine Chance. Wenn sich nun Rentner-Ost mit Pensionär-West vergleicht, kommt Unmut auf - und das trotz eines Lebens voller Arbeit. Nicht jeder aus der älteren Generation Ost sieht das so gelassen, dass er über ungleich weniger Materielles verfügt, als die Jahrgangsgleichen aus dem Westen. Für manche wird aus dieser Sache der ganz große Betrug, d.h. sie fühlen sich um all das doppelt und dreifach betrogen. Und schon wird sich die DDR zurück gewünscht, aber nicht wegen den Schlechtigkeiten der DDR (die hat man sowieso vergessen), sondern wegen dieses Zustandes, in dem man damals diese wirtschaftlichen Unterschiede tatsächlich nicht so bemerkte und deswegen mehr (vermeintlich) sozialer Friede herrschte.

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metropolis
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Beitrag Do., 25.03.2010, 23:19

Genau, das System: Es war für einen "volkseigenen" Betrieb extrem schwer, jemandem zu kündigen. Dann gab es viel Frust während der Arbeit, weil Material fehlte etc. Die Arbeitsmoral litt darunter stark. Wer konnte, ging während der Arbeitszeit einkaufen ("später gibt's nichts mehr") oder zum Friseur, zum Arzt sowieso. Beruflicher Ehrgeiz war unattraktiv, habe ich oben schon begründet. Die (theoretische) Bildung des durchschnittlichen DDR-Bürgers, besonders die politische (weil man wissen wollte/mußte, was tatsächlich in der Welt los war und man das aus der Zeitung nicht erfuhr), war m. E. besser als die des durchschnittlichen Westdeutschen. Es wurde in Ermangelung anderer Vergnügungen mehr gelesen. Nur die weit eingeschränken Reisemöglichkeiten behinderten den gemeinen Ossi z. B. im Blick auf seine Sprachkenntnisse und Weltgewandtheit.
Ja, dem brauch ich ja nichts mehr hinzufügen. Dies war wohl die Argumentationsgrundlage meines Ex-Freunds. Allerdings war das im Jahr 2000 und da sah ich nun wirklich nicht ein, warum man die Ossis über einen Kamm scheren sollte. Pauschalisierungen, die sowieso nur aus Hörensagen bestehen, wollte ich nicht ernstnehmen. Ich kannte solche "Ossis" nicht. Arbeitsfaul, das sagen nun diejenigen, die ihre Ehefrauen lieber zu Hause bei Herd und Kindern lassen, während Berufstätigkeit für (fast) jede ostdeutsche Frau eine Selbstverständlichkeit war (sorry das musste mal raus)
"Ja und dann? Weißt du nicht mehr? Wenn ich und du nicht gekommen wären und den kleinen Häwelmann in unser Boot genommen hätten, so hätte er doch leicht ertrinken können!"

Theodor Storm

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Beitrag Fr., 26.03.2010, 02:12

Hallo Sir,
Die weitverbreitete Auffassung . . . usw.
Was die Verfassungsmäßigkeit angeht, da bin ich anderer Auffassung. (Soll ja selbst innerhalb des Verfassungsgerichts vorkommen. ) Finde den Vorgang als . . . na ja. Gerade weil (!) mir die Verfassung lieb und teuer ist!!!
wonach die DDR nach Art 23 GG der Bundesrepublik einfach beigetreten sei, ist irrig. Vielmehr geschah dies auf der völkerrechtlichen Grundlage des Einigungsvertrags. . . . etc.
Siiiir, weiß ich doch alles.

Gruß
Anastasius


Zerrissene
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Beitrag Fr., 26.03.2010, 07:34

Also, kleines Beispiel von mir. Mein Mann (ein Wessi) würde sich NIEMALS früh um 8.00 Uhr beim ALDI anstellen, um irgendein Artikel aus der Werbung abzukriegen. Überhaupt sind ihm die Hamsterkäufe fremd.

Dann, mein Kühlschrank muss immer voll sein und ich sehe zu, dass er nie leer wird, d.h. ich betreibe Vorratswirtschaft (würde ihm nicht in den Sinn kommen...). Überhaupt ist er, was das Essen betrifft, sehr verwöhnt. Beim Eis muss es immer Häagen-Dazs sein, weil die anderen Eissorten ihm nicht schmecken.

Er kriegt die Krise, wenn sich vor der Kasse oder vor einem Geschäft eine lange Schlange bildet, und schon 5 Minuten Warten sind ihm zu "anstrengend".

Er kann auch nicht verstehen, wieso ich mich rechtzeitig um neue Schuhe für mein Kind bemühe (das hat Zeit, kannst ihm ja welche kaufen, wenn die anderen zu klein sind...).

Vom Wesen her merke ich auch, dass er nicht in der DDR aufgewachsen ist (er ist so selbstbewußt, so EITEL). Bitte, liebe Wessi-Leser dieses threads, habt Verständnis für meine Wortwahl...

Und ich denke, MEIN MANN hätte die DDR nicht überlebt, was sein Freiheitswille und seine Unabhängigkeit betrifft. Es sei denn, er hätte es geschafft abzuhauen.

Zerrissene

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ENA
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Beitrag Fr., 26.03.2010, 08:21

Naja, diese Beispiele KÖNNEN ein Zeichen für Ost/West-Verhalten sein... .
Allerdings hatte diesen Vorratsgedanken auch meine Oma (West). Die hat sogar Waschmittelpakete, Bettwäsche, Handtücher gehortet,...und immer die Werbungen durchgeschaut, wo mal etwas preiswert war,... . Dann hat sie gleich mehrere Pakete davon gekauft und gehortet. Ich glaube, dass hatte bei ihr etwas mit dem Krieg zu tun.

...und wegen 8 Uhr bei Aldi: Ich glaube, dass nicht nur Menschen aus den östlichen Bundesländern es sind, die im ganzen Land verteilt, morgens früh bei Neueröffnungen oder Schlussverkauf die Nasen an den Fensterscheiben großer Kaufhäuser plattdrücken und darauf warten, eingelassen zu werden.

Dieses :"Ich esse nur diese und jene Sorte, wenn was anderes draufsteht, schmeckt es mir nicht!", kenne ich auch von vielen Leuten, nicht nur von reicheren.... . Mir fällt das grade auch bei Jugendlichen auf. Das schiebe ich auch nicht auf Ost/West... .

...und ungeduldig sein und nicht lange warten wollen,...da begegne ich auch immer wieder Leuten von. Grade auch in der Bahn (die schubsen und drängeln dann, scheiß-egal, wer da vor steht und ob der andere sich noch bewegen kann, labern einem unfreundlich an und wenn man dann was erwiedert, bekommt man nur:"Ach halt die Klappe!"...zu hören (und das ist manchmal sogar noch freundlich...!).

Also wie gesagt, das können Ost-West-Beispiele sein,...aber so ganz generell denke ich einfach, dass sich da auch einfach Menschen unterschiedlichen Wesens, unterschiedlichen Temperaments,...begegnen können, die diese Beispiele genauso nennen könnten,...und dabei können es sich auch einfach um nur in Westdeutschland geborene Menschen handeln,...wobei es sich meistens ja eh mischt und Leute dabei sind, die ganz andere Wurzeln haben, sei es ein anderen deutsches Bundesland, sei es Italien, sei es Indien, sei es Kanada, sei es Ecuador,... .

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ENA
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Beitrag Fr., 26.03.2010, 08:43

Sir hat geschrieben:Dann komm doch mal her, ich mach' den Stadtführer für Dich.
Ja, cool ! Also wenn ich mal nach Leipzig komme und ich noch im Forum bin, dann melde ich mich bei Dir und der anderen Person und dann machen wir eine gemeinsame Stadtrundfahrt, ja? Gibt es denn was, was typisch ist in/für Leipzig? (Mir fällt grad nur "Leipziger Allerlei" ein,...aber ich denke, da gibt es bestimmt noch mehr !!!).
Sir hat geschrieben: Es war für einen "volkseigenen" Betrieb extrem schwer, jemandem zu kündigen.
Das heißt, der Staat musste einem kündigen?...Hatte denn zwangläufig jeder einen Arbeitsplatz (nur dann mitunter mit fehlendem Material?)
Sir hat geschrieben:Dann gab es viel Frust während der Arbeit, weil Material fehlte etc. Die Arbeitsmoral litt darunter stark.
Oh, das kenne ich auch hier...aber gut, vielleicht war das in der DDR auch einfach viel grundlegender, häufiger,...alltäglicher?
Sir hat geschrieben:Beruflicher Ehrgeiz war unattraktiv, habe ich oben schon begründet.
Wo denn? ...
Dunkle hat geschrieben:In der DDR hatte man auf Anhäufung von Geld und Eigentum kaum eine Chance.
Was passierte dann?
Dunkle hat geschrieben:Wenn sich nun Rentner-Ost mit Pensionär-West vergleicht, kommt Unmut auf - und das trotz eines Lebens voller Arbeit.
Dunkle hat geschrieben:Und schon wird sich die DDR zurück gewünscht, aber nicht wegen den Schlechtigkeiten der DDR (die hat man sowieso vergessen), sondern wegen dieses Zustandes, in dem man damals diese wirtschaftlichen Unterschiede tatsächlich nicht so bemerkte und deswegen mehr (vermeintlich) sozialer Friede herrschte.
Ja!...Diese Denkweise kann ich aufgrund diesen Hintergrundes sehr gut nachvollziehen!...
metropolis hat geschrieben:während Berufstätigkeit für (fast) jede ostdeutsche Frau eine Selbstverständlichkeit war (sorry das musste mal raus)
Damit die Familie mehr Geld hatte, weil es sonst zu wenig war, nehme ich mal an (wobei ich aber auch viele Leute hier kennengelernt habe, wo beide Eltern arbeiten). ...oder auch einfach, weil sie es gewöhnt waren? Wenn man denkt "Es ist so" ...und "Die anderen machen es doch auch so"....ist es ja auch oft für einen selber erstmal so...und vollkommend normal!...Bis man vielleicht ans Umdenken kommt... .

Liebe Grüße, ENA!

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metropolis
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Beitrag Fr., 26.03.2010, 09:11

ENA hat geschrieben:
metropolis hat geschrieben:während Berufstätigkeit für (fast) jede ostdeutsche Frau eine Selbstverständlichkeit war (sorry das musste mal raus)
Damit die Familie mehr Geld hatte, weil es sonst zu wenig war, nehme ich mal an (wobei ich aber auch viele Leute hier kennengelernt habe, wo beide Eltern arbeiten). ...oder auch einfach, weil sie es gewöhnt waren? Wenn man denkt "Es ist so" ...und "Die anderen machen es doch auch so"....ist es ja auch oft für einen selber erstmal so...und vollkommend normal!...Bis man vielleicht ans Umdenken kommt... .
Nein, das ist ja genau der Unterschied zwischen Ossi- und Wessi-Mentalität. Um Geld ging es nicht.
In der DDR mussten die Frauen nicht arbeiten, weil der Mann so wenig nach Hause brachte, sondern weil es einen gesellschaftlichen Druck gab. Frauen, die zur Kinderbetreuung zu Hause blieben, wurden kritisch beäugt. Die Details dieses Umstands können die älteren Semester hier im Thread bestimmt besser erklären. Ich vermute so etwas wie: jeder soll etwas für die Gemeinschaft leisten und die Arbeitslosigkeit sollte statisch äußerst gering gehalten werden. Arbeitslose, das durfte es offiziell nicht geben. Jeder sollte einen Arbeitsplatz haben, obwohl effektiv nicht genug Arbeit vorhanden war. Alles Augenwischerei.
Finanziell waren im Prinzip alle DDR-Bürger abgesichert, durch breite staatliche Unterstützung: geringe Mieten, billige Lebensmittel, Kinderbetreuung usw. Ein hohes Gehalt war dadurch überflüssig. Was hätte man sich auch davon kaufen sollen. Aus diesem Grund glaube ich nicht, dass Frauenarbeit aus finanziellen Gründen unerlässlich war.

(Bitte um Korrektur durch die DDR-Profis, falls nötig)
"Ja und dann? Weißt du nicht mehr? Wenn ich und du nicht gekommen wären und den kleinen Häwelmann in unser Boot genommen hätten, so hätte er doch leicht ertrinken können!"

Theodor Storm

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Dunkle
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Beitrag Fr., 26.03.2010, 12:39

Habe Metros Ausführungen kaum etwas hinzuzufügen, "die beruftstätige Frau" war in der staatlichen Ideologie einfach tief verwurzelt. Das Frauenbild (theoretisch) war im "Sozialismus" der DDR-Prägung schon ein (in gewisser Weise) fortschrittlicheres als jenes, dem die westdeutsche Hausfrau entsprach. Eine Frau sollte in der DDR genau gleiche Chancen haben. Frauen wurden darum überall speziell gefördert. Alleinerziehende, Frauen, die als Studentinnen oder schon in Ausbildungen Kinder bekamen: Das war kein Grund, um die berufliche Karriere an den Nagel zu hängen! Überall gab es Krippen, Kindergärten und Schulhorte, bis 18 Uhr kriegte man sein Kind (kostenlos) betreut. Frauen wurden auch oft dazu aufgefordert, den Ausbildungsgrad zu erhöhen, sie wurden zum Fernstudium ermuntert, das selbstverständlich von dem zu diesem Studium delegierenden Betrieb finanziert wurde. Also, wenn man als Frau berufliche Karriere in der DDR machen wollte, da stand einem niemand im Weg!

Das ist allerdings immer nur der theoretische Teil.
In der "sozialistischen Familie" war der Sozialismus nämlich gar nicht eingezogen. "Mutti" musste trotz Abendstudium den Haushalt schmeißen und am nächsten Morgen um sechs wieder ihren brüllenden Säugling in die Krippe bringen...
Und die Kinderbetreuung war natürlich auch dementsprechend ideologisch kontaminiert. Wer das alles nicht wollte, der hatte es dann echt schwer. Denn argumentativ gegen eine solche Rundum-Betreuung eines Staatsbürgers etwas zu finden, das konnte nur "individualisitisch" und "reaktionär" ausgelegt werden.

Was ich wirklich bedenkenswert finde und was mir im Westen oft immernoch übel aufstösst, sind die "Klassenunterschiede"...
Ich finde schon, dass man selten einen studierten Menschen trifft, der aus einer "echten Arbeiterfamilie" stammt. Es geht doch in der sozialen Stellung immer sehr auch um die Herkunft. Mein Vater ist promovierter Naturwissenschaftler, meine Mutter Lehrerin, als Westkind hätte ich eine gut bürgerliche Kindheit gehabt. In der DDR wuchs ich mit Eltern und zwei Brüdern in einer 65qm-Mietwohnung auf, ein Auto hatten wir nie...
Es ging unter den Normalbürgern vielleicht etwas weniger um Geld...und das war schon etwas "gleicher" als im Westen.

Klar, weniger sichtbar gabs Strukturen die als Ersatz für bürgerliche Wohlhabenheit dienten. Mancher kannte z.B. einen Handwerker, der ihm dies und das in der Wohnung noch anbauen konnte, dafür besorgte er diesem Handwerker dann andere Dinge, die es schlecht zu kaufen gab (Standardfrage bei solchen Artikeln: "Kommst du da ran?") Manche bekamen von Verwandten Westgeld geschenkt und bezahlten Handwerker davon, oder erkauften sich eine Anmeldung auf einen Autokauf (dazu musste man sich anmelden und ca. 10-12 Jahre warten...darum wurden diese Anmeldungen gehandelt). Also, so gleich wars dann auch wieder nicht, solche Sub-Strukturen bestimmten das Leben auch sehr...

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MrN
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Beitrag Fr., 26.03.2010, 13:01

Eigentlich wollte ich mich zu diesem Thema nicht äußern. Ich für meinen Teil werde wohl mein Leben lang "anders" bleiben. Eigentlich fühle mich ja auch "nur" um meine Zukunft betrogen - und zwar von Ost wie von West. Ist natürlich Quatsch, weil die Zukunft beginnt ja gerade erst...

Dennoch überfiel mich eben die Erinnerung. Vor ein paar Tagen hingen plötzlich überall Plakate: Nach vielen Jahren wieder "Silly"!??? Wen, bitte schön, sollte denn hier mitten in Bayern diese uralte Ostdeutsche Band interessieren?!!! Ja, wenn's jetzt "Karat" oder die "Puhdys" wären, die waren ja schon damals im Westen gut bekannt. Aber "Silly" hat ein ganz anderes Kaliber - und hatte jenseits der Grenze überhaupt jemand davon Notiz genommen?! Die Texte, die Musik waren mir als Student Inbegriff einer gedrückten, aber doch vitalen Lebensstimmung, welche sich durch Aufrichtigkeit Respekt ertrotzt. Und damit entstand mir Kraft und die Hoffnung, psychologische und soziale Krusten in der Gesellschaft mögen demnächst aufbrechen.
Egal, wie dem auch sei - ein wenig von dieser Aufbruchstimmung könnte ich heute wieder vertragen. Also war das Album für mich ein Muß!!!
Zu meiner Überraschung mußte ich im Plattenladen gar nicht zweimal fragen, sondern bekam sofort, was ich wollte. Insofern also keine Ost-West-Debatte mehr.

Hab dann daheim gleich reingehört. Ja, das ist "Silly" - aber leider auch nicht. Die neue Sängerin kann diese Stimmung auch sehr differenziert ausdrücken, aber es fehlen halt klanglich ein paar Register, die Tamara Danz, ein wirkliches Ausnahmetalent, früher voll ausgereizt hat. Auch leiert die Instrumentalisierung häufig ohne den gewohnten Biß, aber die Texte sind immer noch spritzig und originell, versehen mit der charakteristischen subversiven Poesie.
Na ja, wen's interessiert...
Und ich stell mal ein Video mit der unglaublichen Originalstimme zu den Musikvideos.

Zum Thema:
Solange junge Ossis den "blühenden Landschaften" Kohlscher Prägung entfliehen, um anderswo ihr Glück zu machen, und diejenigen, welche dort bleiben, vor Frust und Fremdenhaß bald platzen, wird diese Debatte wohl noch immer aktuell bleiben.
Aber wie gesagt, dazu wollte ich mich ja eigentlich nicht äußern...

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ENA
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Beitrag Fr., 26.03.2010, 16:58

Hallo und erstmal Danke für die Antworten!...Jetz bin ich ja schon wieder ein bisschen schlauer!

MrN:
Ich habe mir grade Deine beiden Links angesehen bzw. angehört und ich glaube, ich weiß, was Du mit dem Unterschied meinst. Ich find die Musik auch gar nicht mal so schlecht, habe allerdings kein Vergleichsvideo gefunden, wo beide Sängerinnen das selbe Stück singen. Nun ja... .

...und da hab ich noch ein, zwei, drei Fragen. Vielleicht kann mir die jemand beantworten:
Ich habe vor einiger Zeit mal eine Reportage über die Zeit des Mauerfalls und die Zeit danach gesehen. Da wurd von der Währungsreform gesprochen, wo es also keine Ost-Mark mehr gab, sondern D-Mark (Westgeld?).
Wie wurd das eigentlich gemacht: Wurd da einfach neues Geld gedruckt und dann konnten die Leute die Ostmark eintauschen?
...und wie ist das mit den Firmen gewesen?...Wieso wurden plötzlich so viele arbeitslos?...

Das mit dem Geld erinnert mich jetzt irgendwie auch ein bisschen an die Nachkriegszeit. Ich weiß nicht, führt vielleicht ein bisschen zu weit, aber....:
In einer Reportage wurd gesagt, dass es nach dem Krieg kein Geld mehr gab (soweit logisch) und die ersten zwei Jahre echte Hungerjahre waren. Dann gabs eine Währungsreform und die D-Mark wurde eingeführt... . Woher kam das Geld, wie wurde das aufgeteilt und wieso waren plötzlich, nachdem es das Geld gab, die Läden mit Lebensmittel voll?...An der Masse des bedruckbaren Papiers, was vielleicht von irgendeinem Land zum bedrucken von Geldnoten eingeführt wurde, mag es wohl nicht gelegen haben!!! Denn das hätte man auch früher machen können!...und nicht erst nach zwei Jahren ... .

Man, das Thema wirft Fragen auf!...

LG, ENA!

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Dornröschen Dorn
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Beitrag Fr., 26.03.2010, 17:41

Meine Mutter ist davon noch stark geprägt. (kein Wunder wenn sie fast ihr ganzes Leben unfrei gelebt hatte als "Ossi" ). Dann heisst es hier immer noch: "Die Wessis fahren immer die dicksten Autos." (von den Urlaubern zb)

Ich hingegen bin 1988 geboren und hab vom Wessi, ossi, Mauer Zeug nix mehr mitbekommen und bin auch sehr froh drum, dass ich diese Schranken im Kopf garnicht habe. Für mich ist es total egal ob Wessi oder Ossi. Manchmal stört es mich von meiner Mutter. Aber es ist nunmal so.. Wenn sie oder andere daran Spass haben dann bitte.. Ich heisse jeden willkommen egal ob Wessi mit dickem Auto oder Ossi mit Begrüßungsgeld höhnischen Sprüchen..

LG
Erfahrungen sind die Schlüssel zu noch mehr Glück und Vollkommenheit, für alle Schlösser, die das Leben mir noch bringen wird..



Lieben Gruss und bis bald!

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Daffodil
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Beitrag Fr., 26.03.2010, 17:47

Hallo an alle,
ein sehr schöner Thread, denn ich finde, dass man sich eigentlich nicht genug darüber austauschen kann. Was mir zum Beispiel in diversen Fernsehsendungen übel aufstößt, ist, dass den Ossis nicht richtig zugehört wird und dass das Verständnis für die tiefe Ambivalenz fehlt, die sowohl das Leben in der DDR als auch die Wende mit sich brachte. Diese Ambivalenz zeichnet für mich viele Ossis aus. Oben hat ja schon jemand den Humor erwähnt, mit dem man der ganzen Sache begegnet ist.
Mein Vater zum Beispiel wurde kurz nach der Wende arbeitslos und ist auch nie wieder so richtig ins Arbeitsleben eingestiegen, immer mal Umschulungen, ABMs, befristeter Vertrag solange das Amt gefördert hat, aber eigentlich die meiste Zeit arbeitslos. Das hinterlässt natürlich seine Spuren und ich würde behaupten, das dieser Frust nicht gerade förderlich für die Ehe meiner Eltern war. Aber was sind wir gereist nach dem Mauerfall. Das Auto voll mit Konserven aus dem Aldi und mit dem Zelt nach Italien. Das gehört für mich zu den schönsten Kindheitserinnerungen. Und trotzdem habe ich geheult am Tag der Wiedervereinigung, weil ich nicht begreifen konnte, dass das Land in dem ich geboren wurde, einfach aufhörte zu existieren.
Zu den Vorurteilen: Wie die anderen schon sagten, ist das in den Generationen unterschiedlich. Meine Mutter betont zum Beispiel immer, wenn jemand aus dem Westen kommt. Dann ist die Ärztin eine Westärztin und nicht einfach nur aus Hamburg oder Stuttgart. Und das kann dann je nach dem ein Qualitätsmerkmal sein, wie bei der Ärztin, oder ein negatives Urteil nach dem Motto: karrieregeil, geldfixiert, Yuppie und dergleichen, oder beides gleichzeitig.
In meiner Generation ist das relativ egal. Es fällt mir nur bei Selbstverständlichkeiten auf, wie dunkle sie schon beschrieben hat. Oder wenn man nicht mehr mitreden kann, wenn sich an die Kindheit erinnert wird.

Wen die Wendezeit aus prvatem Blick interessiert, dem sei folgendes Projekt ans Herz gelegt:

https://www.wir-waren-so-frei.de/

Das ist ein Archiv von Privatfotos und Videos aus der Zeit und teilweise mit persönlichen Geschichten dazu.

Viele Grüße,
Daffodil

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