Weinen in der Therapie: Könnt ihr’s? Warum (nicht)?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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SamuelZ.
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Beitrag So., 22.11.2009, 19:35

Hallo Alle:

ich finde es sehr beruhigend zu lesen, dass ich nicht die einzige bin, die sich in der Therapiepraxis nicht 100% gehen lassen kann. Hatte mir schon vorgestellt, dass andere Patienten zu ihrem Therapeuten ein so starkes Vertrauensverhältnis und innige Beziehung haben, dass die Tränen nur so rollen, wenn der Leidensdruck da ist. Ich halt so "merkwürdig" bzw. "abweisend" bin, dass es gar nicht dazu kommen kann.

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SamuelZ.
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Beitrag So., 22.11.2009, 19:41

Hallo silence:
Das habe ich mal angesprochen und mein Thera meinte, dass ich mich so selber schütze. Mich nervt das sehr, weil ich immer das Gefühl habe, die Dinge nur halb hervorgebracht zu haben.
Das Gefühl habe ich später dann auch. Vertane Chance. Vllt hätte sein Beisein während meiner Tränenflut einige lange verschüttete Erinnerungen wachgerufen oder mit seiner Hilfe ans Tageslicht gebracht werden können.

Ich erinnere mich gerade, wie er in der ersten Diskussion zu diesem Thema (vor fast einem Jahr) meinte, wahrscheinlich hätte ich nicht "richtig" weinen können, weil er sich vor mir schützen musste.!!!!

Hatte ich nicht verstanden, und verstehe ich jetzt immer noch nicht.

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Caramel
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Beitrag So., 22.11.2009, 19:44

Hm, kannst du da noch mal nachfragen? Denn vielleicht ist das ja auch etwas, was bei dir unbewusst jetzt abläuft, eben die Angst, ihn zu überfordern mit deinen Tränen.

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SamuelZ.
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Beitrag So., 22.11.2009, 19:50

Hallo Dunkle,
bzw. ist es die Scham davor, dass Du die Kontrolle verlieren könntest
Ja, richtig, den Punkt "gefühlter Kontrollverlust" hatten wir auch noch angesprochen.
Aber du kannst ihm Deine gefühle beim Zu-Hause-Weinen ja auch gut beschreiben, oder?
Das habe ich ihm auch gesagt. Mithilfe der Dinge, die wir in den Sitzungen besprochen haben, kann ich mich und diese Zustände besser verstehen, fühle mich nach den Weinanfällen zuhause sogar erleichtert und erlöst. Das habe ich in der Therapie nach meinen zwei Weinanfällen nicht so gefühlt. Evtl. weil auch gar nicht die Zeit da war, wirklich alles herauszuweinen. Zuhause habe ich drei bis vier Stunden zur Verfügung. Manchmal auch länger.

Ich gehe nicht geschminkt in die Sitzung. Deshalb fällt die Befürchtung, mit verschmierter Wimperntusche dazusitzen, weg. Wäre mir glaube ich relativ egal. Ich bekomme diese großflächigen roten Flecken - die wie Quallen aussehen - ins Gesicht und auf Dekollete. Ich schäme mich nicht dafür, habe aber festgestellt, dass er mir dann etwas zu lange fasziniert ins Gesicht starrt. Das finde ich dann unangenehm.

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candle
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Beitrag So., 22.11.2009, 19:55

Laura13 hat geschrieben: Ja, da gebe ich dir recht...bei mir zumindest hat es sehr viel damit zu tun...denn ich bin ja auch so erzogen worden, dass man sich für Tränen schämen muss....
Du hast es für Dich erkannt. Alles, was man sich wohl nicht wagt zu tun, ist erstmal vielleicht Selbstschutz. So sehe ich das auch bei Sandy, weil beinahe jeder Thread ohne offensichtliche Lösung ausläuft.

Kontrollverlust, ja hat vielleicht auch mit Scham zu tun. Es könnte ja jemand das Innere lesen.

candle
Es ist besser ein Kerze anzuzünden, als über die Dunkelheit zu klagen.
Sommer-Stumpenhorst

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Laura13
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Beitrag So., 22.11.2009, 20:08

Liebe Sandy,
Hatte mir schon vorgestellt, dass andere Patienten zu ihrem Therapeuten ein so starkes Vertrauensverhältnis und innige Beziehung haben, dass die Tränen nur so rollen, wenn der Leidensdruck da ist..
Daran kann es bei mir nicht liegen, denn ich habe eine sehr innige Beziehung zu ihm und ein großes Vertrauen....etwas, das ich sonst zu keinem anderen Menschen habe...und trotzdem ist das mit dem Weinen nicht wirklich möglich...allerdings habe ich auch nicht das Gefühl, dass mein Thera das als Problem sieht...?! Jeder Mensch ist da eben anders.....vielleicht kommt es bei mir auch noch....

LG
Laura
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SamuelZ.
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Beitrag So., 22.11.2009, 20:10

Hallo Lena und Caramel:
Lena hat geschrieben:Ich merke auch, dass viele Menschen in meiner Umgebung nicht damit umgehen kann, wenn ich weine.
Ich glaube, dass trifft auch einen wunden Punkt bei mir. Vielleicht ist mein "gehemmtes" Verhalten tatsächlich eine Reaktion auf seine Bemerkung, dass er sich vor mir schützen muss, wenn ich losweine?

Wie gut, dass mir das wieder eingefallen ist!! Ich werde es beim nächsten Mal unbedingt ansprechen. Diese Ängste habe ich vermutlich nicht nur meinem Therapeuten ggüber sondern auch anderen Menschen.

LG
Sandy

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SamuelZ.
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Beitrag So., 22.11.2009, 20:19

Liebe Caramel:
Ich darf weinen, ich nehme mir den Raum zum Weinen... Erleichterung also, keine Anstrengung.
!!! Diesen Gedanken habe ich sofort in mein Therapietagebuch übernommen. Danke!!!

Ja, ich sehe es auch so, dass da ein qualitativer Unterschied besteht zwischen Alleine-Weinen und Beim-Therapeuten-Weinen. Wahrscheinlich macht mir die Nähe, die ich mir eigentlich zu ihm wünsche, auch schon wieder Angst. Bei mir vermute ich eine Angst, mich mit meinen Gefühlen dann trotz seiner Anwesenheit alleine zu fühlen, oder - wie Dunkle schon meinte - nicht getröstet zu werden. Beim Weinen vom Anderen nicht wahrgenommen zu werden oder irgendeine andere, ablehnende Reaktion zu erfahren, scheint mir große Angst zu machen.

Liebe Grüße
Sandy

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~silence~
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Beitrag So., 22.11.2009, 20:30

Hallo Sandy
SandyP. hat geschrieben:Ich erinnere mich gerade, wie er in der ersten Diskussion zu diesem Thema (vor fast einem Jahr) meinte, wahrscheinlich hätte ich nicht "richtig" weinen können, weil er sich vor mir schützen musste.!!!!
Vielleicht meint er damit, dass Du ihn nicht mit Deinen Tränen belasten möchtest ... mein Thera meint auch oft, dass ich ihn schonen möchte und deshalb bestimmte Dinge nicht erzähle etc.

Eventuell geht seine Äußerung in so eine Richtung?

LG
~silence~
"Mir geht es nicht gut", sagte die Seele ~
"Aber der Mensch hört nicht auf mich".
"Dann lass mich krank werden", sagte der Körper ~
"Dann muss er auf Dich hören".

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Beitrag So., 22.11.2009, 20:31

Liebe Laura,
Daran kann es bei mir nicht liegen, denn ich habe eine sehr innige Beziehung zu ihm und ein großes Vertrauen....etwas, das ich sonst zu keinem anderen Menschen habe...und trotzdem ist das mit dem Weinen nicht wirklich möglich...
Das beruhigt mich ein wenig. Denn ich habe ihn eigentlich auch sehr gern. Aber irgendwas scheint dann doch zu fehlen, in mir oder in unserer Beziehung, dass ich vor ihm nicht weine, wenn mir danach ist.

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SamuelZ.
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Beitrag So., 22.11.2009, 20:34

Liebe Silence,
dass ich ihn schonen möchte
aber spürst du das denn mit der "gewollten Schonung"? WEnn ich in mich hineinhorche, dann fühle ich keinen Anlass, ihn vor meinen Tränen schützen zu müssen. Wie sollte sich das anfühlen? Was würde ich mir dann denken, wünschen? Was würde ich damit bezwecken wollen?

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Caramel
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Beitrag So., 22.11.2009, 20:36

SandyP. hat geschrieben: Aber irgendwas scheint dann doch zu fehlen, in mir oder in unserer Beziehung, dass ich vor ihm nicht weine, wenn mir danach ist.
Tut dir dieser Gedanke weh?

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*AufdemWeg*
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Beitrag So., 22.11.2009, 20:37

Hallo Sandy,

ich bin ein Mensch
der ohnehin sehr selten weint.
Auch in der Therapie nicht.
Aber das kommt bei mir schlichtweg einfach daher
dass ich mich bei meiner Therapeutin so
sicher und so gut fühle,
dass mir bei ihr einfach nie zum weinen zumute ist.
Es ist also NICHT so,
dass ich etwas zurückhalte,
sondern das Gefühl ist gar nicht erst da.
Anfangs dachte ich immer,
in meiner Therapie läuft etwas schief;
mittlerweile sehe ich das aber anders,
unabhängig vom weinen.

GLG
ADW
Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.



Albert Einstein, 14.03.1879 - 18.04.1955

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~silence~
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Beitrag So., 22.11.2009, 20:45

Hallo Sandy
SandyP. hat geschrieben:aber spürst du das denn mit der "gewollten Schonung"? WEnn ich in mich hineinhorche, dann fühle ich keinen Anlass, ihn vor meinen Tränen schützen zu müssen. Wie sollte sich das anfühlen? Was würde ich mir dann denken, wünschen? Was würde ich damit bezwecken wollen?
Ich merke schon manchmal, dass ich meinem Thera bestimmte Dinge nicht zumuten möchte - schließlich ist er auch nur ein Mensch, der sich dann womöglich noch Sorgen um mich macht. Das möchte ich auf keinen Fall! Sicher ist er professionell genug, um die Dinge nicht zu nah an sich heranzulassen. Und trotzdem will ich ihm einfach Manches nicht zumuten. Es könnte (bei mir) zumindest so sein, dass ich ihm meine Tränen einfach nicht auch noch aufbürden möchte.

Natürlich ist das nicht besonders toll, aber ich arbeite dran.
Die Gründe zu erkennen ist sicher der erste Weg.

LG
~silence~
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Elena
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Beitrag So., 22.11.2009, 22:51

Ich denke, es liegt daran, sich nicht richtig gehen zu lassen, verursacht durch die Angst, dass der Therapeut einen nicht richtig beruhigen kann, gerade, wenn man als Kind traurige und negative Gefühle mit sich selber ausmachen musste und es nicht kennt, getröstet und beruhigt zu werden.
Meine Therapeutin weiss mittlerweile, dass ich oft beruhigt werden muss, dass macht sie dann auch echt gut. Ich glaube, erst wenn man wirklich weiss, dass einen jemand stützen kann, kann man auch vor dieser Person weinen.

LG Elena

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