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Di., 23.03.2010, 10:50
Hallo,
ich kann leider nicht helfen, sondern habe selbst Probleme mit Minderwertigkeitskomplexen ... bzw. meine Freundin. Ich wollte mich anhängen und mir Rat holen, da es doch ein sehr komplizierter Fall ist (denke ich).
Also ... Ich bin neunzehn Jahre alt und habe eine Freundin (25), die bereits Mutter ist, jedoch unter schweren Minderwertigkeitskomplexen leidet, die sich mittlerweile schon in Selbsthass und regelrechter Selbstzerstörung äußern.
Sie hat mir aus ihrer Vergangenheit erzählt und für mich ist der Ursprung der Komplexe ganz klar: Ihre Eltern haben insgesamt vier Kinder, sie ist das Jüngste. Ihre Schwester und ihr ältester Bruder waren Wunschkinder. Sie und der jüngere Bruder waren 'Unfälle', wobei ihre Eltern sie das ständig spüren ließen. Sie musste schon mit sieben Jahren 'erwachsen' werden, weil ihre Mutter sich im Haushalt um nichts gekümmert hat und sie das für die gesamte Familie übernommen hat. Von anderen (mehr oder weniger) engen Verwandten durfte sie sich mit sechs Jahren anhören, dass ihre Eltern keine Probleme hätten, wenn sie nur nie geboren worden wäre. Ihr wurde von allen Seiten ständig vorgehalten wie hässlich und dumm sie nicht sei und dass sie es nie zu etwas bringen würde. Zudem hatte sie in jüngeren Jahren extremes ADS, was jedoch nicht richtig behandelt wurde (ihr wurden männliche Hormone verabreicht, weshalb sie auch keinen sehr weiblichen Körper hat - sie sieht von den weiblichen Rundungen her aus wie ein kleines Kind, ist aber 1,80 m groß). Ihren Eltern wurde gesagt, dass sie im Unterricht störe und daraufhin wurde sie in eine Schule für 'Problemkinder' gesteckt. Der Unterricht beschäftigte sich damit, dass sie (aus nicht nachvollziehbaren Gründen) Hunde zeichnen musste. Sie war damit mehr als nur unterfordert und hat die Schule regelmäßig geschwänzt, deswegen hat sie auch keine vernünftige Ausbildung, was diese Komplexe noch weiter unterstützt. Bis sie 18 (oder so) war, war sie immer nur bei ihrer Familie, hatte auch keine Freunde und hat deswegen auch langsam eine Angst vor anderen Menschen entwickelt, was zusätzlich noch dadurch unterstützt wurde, dass sie mit 18 von einem Bekannten der Familie (der ihr Vater hätte sein können) vergewaltigt wurde. Ihre Ängste nahmen zu (sie hat es niemandem erzählt) und ihr Vater hat sie daraufhin in eine psychiatrische Anstalt gesteckt, in der sie alleine in einem Raum gesessen und sich die Zeit damit vertrieben hat im Pool ihre Kreise zu schwimmen. So hat sie so viel abgenommen, dass sie nur noch Haut und Knochen war und hat das Essen vollkommen verlernt. Wenn sie heutzutage normal viel isst, krümmt sie sich hinterher unter Magenschmerzen und muss eine Handvoll Tabletten nehmen, um es aushalten zu können.
Jetzt ist sie von ihren Eltern aus Deutschland zu mir nach Österreich gezogen, was die Probleme natürlich nicht weniger gemacht hat, aber sie zumindest zum ersten Mal richtige Liebe erleben darf. Es geht ihr jetzt schon sehr viel besser. Sie vertraut mir vollkommen und hat mir so ziemlich alles aus ihrer Kindheit erzählt, sie isst schon viel mehr als vorher und ihr Magen gewöhnt sich auch langsam wieder daran, sie ist auch mit ihrer Tochter nicht mehr allzu überfordert, weil ich ihr helfe, auch wenn wir beide manchmal die weiße Flagge hissen. Trotzdem verfällt sie immer wieder in tiefe Depression und leidet zusehens immer mehr unter ihren Minderwertigkeitskomplexen. Mittlerweile muss ich, wenn ich morgens zur Arbeit gehe (sie bleibt bei unserer Tochter zu Hause), alle Messer aus der Küche räumen und weg sperren, weil sie Angst hat dem Drängen sich selbst zu verletzen, nicht mehr stand halten zu können. Unserer Tochter und mir gegenüber würde sie jedoch nie aggressiv werden.
Sie hat in Deutschland immer nur schlechte Erfahrungen mit Psychologen gemacht, die sie nicht ernst genommen und alles noch schlimmer gemacht haben und jetzt weigert sie sich (verständlicherweise) sich in Behandlung zu begeben, was auch nicht so wirklich funktionieren würde, weil sie zu Hause bei unserer Tochter bleiben muss.
Ich habe es schon geschafft ihr ein paar ihrer Komplexe zu nehmen, aber so langsam kann ich das nicht mehr ohne mir Hilfe zu holen. Es überfordert mich einfach, weil ich Angst habe, dass sie sich etwas antun könnte, während ich arbeite und das macht mich fertig. Kann mir jemand von euch helfen? Könnt ihr mir sagen wie man am besten damit umgeht und was ich tun kann, um ihr besser zu helfen? Mir ist klar, dass das nicht so schnell geht und ich hab in den letzten fünf Jahren schon mehr erreicht, als mir jeder Psychologe zugetraut hätte, aber ich möchte, dass diese Aggressionen verschwinden, ohne, dass sie mit Tabletten zugeschüttet wird ... Ich will schließlich nicht eines Tages nach Hause kommen und sehen wie sie sich den Arm absäbelt ...
Vielen Dank schon mal im Voraus und ich hoffe, ihr könnt mir weiter helfen.
Liebe Grüße
-Alex
"Nichts hindert uns mehr, natürlich zu sein, als das Bestreben, so zu erscheinen."
- Francois De La Rochefoucauld