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Fr., 16.01.2009, 15:18
Spannendes Thema. Ich muss zugeben, dass ich mit diesem Wege des sich übers Netz kennenlernen und dann eine Partnerschaft eingehen eher fremdele, obwohl ich seit vielen Jahren das Netz ganz regelmäßig nutze und mich keineswegs als Neuling mit Berührungsängsten bezeichnen würde. Ich kann mir das für mich nicht vorstellen. Ich weiß auch von mir selbst, dass ich im Netz nicht so bin wie im real life. Das hat nicht unbedingt was mit Verstellung zu tun, aber vorm Rechner ist mal halt viel cooler und gelassener. Für mich ist das auch ein Stück weit 'nicht echt'. Sagen wir, jemand würde mich im Netz treffen und sich bestimmte Vorstellungen machen. In der Realität träfen sie so unter Garantie nicht zu. Schriftliche Kommunikation ist naturgemäß sehr verkopft. Ich kann keine Emotion direkt zum Ausdruck bringen, sondern muss sie über die Schriftlichkeit filtern. Ich bin aber nicht nur mein Kopf.
Tiefgründig unterhalten kann man sich auch außerhalb des Netzes, ebenso wie man online nur oberflächlich palavern kann. Da sehe ich keine zwangsläufige Verbindung. Ich finde, Kommunikation im Netz vom Potential her eher weniger tiefgründig als sie es in der Realität sein kann, denn es fehlt halt weitgehend einfach, den anderen zu riechen, schmecken, sehen oder fühlen.
Auf mich wirkt auch vieles im Netz wie Nähe, die es bei genauerer Betrachtung gar nicht ist. Was angenehm ist, da es auch nicht die aus wirklicher Nähe resultierende Verantwortung mit sich bringt, was aber auch täuschen kann. Beispielsweise habe ich schon irrsinnige Streitigkeiten in irgendwelchen Foren gehabt, die mich auch durchaus beschäftigt haben, doch wenn ich mir überlege, ich hätte einen solchen Streit mit jemandem, den ich 'wirklich' kenne, hätte mich das doch vollkommen anderes berührt. Vor allem viel stärker. Ich hätte auch wahrscheinlich ganz anders agiert und reagiert. Vor allem viel einlenkender wahrscheinlich. Vielleicht reagiere ich auf eine Provokation im Netz spielerisch oder ignoriere sie, was mir in der Realität sehr oft nicht möglich wäre. Vielleicht schreibe ich im Netz etwas spöttisches und keiner merkt es, weil es ohne den entsprechenden Tonfall nicht rüberkommt. Da muss ich für Spott dann oft viel weniger dezent daherkommen als ich es außerhalb des Netzes tun würde oder es ganz lassen - in beiden Fällen bemerkt der Leser nicht, wie ich mit ihm reden würde, stünden wir uns gegenüber und hat somit einen ganz anderen Eindruck. Ich finde, es gibt 1000 solcher Sachen. Man kennt nur einen Teil des anderen, einen oft verzerrten Teil, selbst wenn derjenige sich nicht absichtlich anders darstellt. Wenn man sich dann trifft, kann man sich natürlich ganz kennenlernen und trotzdem mögen, oder gar lieben, aber die Idee, man kenne jemanden genauso gut oder gar besser wenn man ihn nur aus dem Netz trifft, halte ich für unzutreffend. Der andere hat meiner Meinung nach gar keine Chance, dem Bild zu entsprechen, das man sich im Vorfeld macht. Aber muss er das? Da kommt es dann mit Sicherheit darauf an flexibel zu sein.