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Mi., 20.06.2018, 22:04
Ich habe nur die erste und die aktuell letzte - neunte - Seite des threads gelesen; es kann also sein, daß ich hier etwas schreibe, was schoneinmal gesagt worden ist.
Juristisch unterliegen Patienten an sich keinerlei öffentlich-rechtlichen Pflicht zur Verschwiegenheit über ärztliche oder psychotherapeutische Behandlungen wie die "Berufsgeheimnisträger": Ärzte, Psychotherapeuten, rechtsberatende Berufe, Geistliche und noch einige "Randgruppen" wie Patentanwälte.
Aber eine Pflicht zur Verschwiegenheit kann zivilrechtlich vereinbart werden als Teil des "Behandlungsvertrages". Solche zivilrechtlich vereinbaren "Diskretionsabreden" sind in vielen Rechtsverhältnissen üblich und es gibt auch Verschwiegenheitsverpflichtungen, die sich aus der Natur des Rechtsverhältnisses ergeben, ohne daß sie besonders vereinbart werden müssen, zB Betriebgeheimnisse im Arbeitsverhältnis.
Soweit ich noch weiß - ich bin 2011 aus meinem Anwaltsberuf ausgeschieden, habe keinerlei Anschluß mehr an die Entwicklung von Rechtssprechung und Gesetzgebung - sind Diskretionsabreden bei der Psychotherapie durchaus zulässig. Sie haben auch einen sachlichen Grund: den Schutz der Therapie vor sachwidriger Beeinflußung von aussen. In der Gruppentherapie gibt es noch einen besonderen Grund: jedes Gruppenmitglied erfährt u.U. intimste Geheimnisse der anderen Gruppenmitglieder. Daher hätte ich als Anwalt wohl jedem Therapeuten, der Gruppentherapie anbieten will, dringend geraten, eine solche Diskretionsabrede schriftlich mit jedem Mitglied der Gruppe abzuschließen. Der Therapeut ist schließlich rechtlich verpflichtet, die Wahrung seiner eigenen Schweigepflicht durch entsprechende Maßnahmen sicherzustellen.
Ein Verstoß gegen eine solche Diskretionsabrede kann zivilrechtlich geahndet werden: von der Klage - auch im Eilverfahren - auf Unterlassung bis hin zum Schadensersatz. Häufig werden auch empfindliche Vertragsstrafen - Geldzahlungen - für eine Verletzung der Diskretionsabrede vereinbart. Auch das ist zulässig, weil sich der Schaden, der durch eine Verletzung der Diskretionsabrede entsteht, häufig schwer geldlich quantifizieren lässt.
Solche Diskretionsabreden haben aber ihre Grenzen, wie auch die öffentlich-rechtlichen Schweigepflichten der Berufsträger. Zur "Wahrung rechtlicher Interessen" dürfen sich die Berufsträger über die Schweigepflicht und auch zur Diskretion zivilrechtlich verpflichtete Patienten hinwegsetzen. Was ein "rechtliches Interesse" ist, kann ich schwer ohne nachschlagen allgemein definieren. Das klassische Beispiel ist die rechtliche Auseinandersetzung zwischen dem Berufsträger und dem von der Schweigepflicht Geschützten, also hier: Therapeut und Patient. Muß der Therapeut sein Honorar einklagen, ist er "insofern" von der Schweigepflicht befreit: dem Gericht gegenüber und auch seinem Anwalt und sonstigen Personen, die er zur Prozeßführung informieren muß wie zB einem Privatgutachter. Entsprechendes gilt, wenn der Therapeut vom Patienten wegen Pflichtverletzungen verklagt oder Anzeige gegen den Therapeuten bei Staatsanwaltschaften oder Kammern und sonstigen Aufsichtsbehörden stellt.