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Sa., 28.09.2019, 03:13
Nein, ein Therapeut kann keine gute Beziehung zu jemanden aufbauen, den er nicht sympathisch findet, das wäre ja dann nicht echt, die Wertschätzung nicht ernst gemeint und das merkt der Patient. Es kann kein gutes therapeutisches Arbeitsbündnis entstehen, dass von Vertrauen und Wertschätzung getragen ist.
Es geht ja in der Therapie nicht nur um kognitives Reflektieren. Der Therapeut arbeitet in der Therapie auch mit den eigenen emotionalen Reaktionen auf den Patienten und das funktioniert nur, wenn er emotional offen für den Patienten ist. Es ist vielmehr die Aufgabe des Therapeuten, etwas zu finden, was er an dem Patienten schätzen und mögen kann. Gelingt ihm das nicht, sollte er den Patienten nicht nehmen.
So schwierig ist es übrigens gar nicht, auch an Patienten, die vielleicht auf den ersten Blick schwierig wirken, etwas liebenswertes zu finden. Gerade für solchen Patienten sind die probatorischen Sitzungen da, damit der Therapeut irgendwas beim Patienten finden kann (und natürlich umgekehrt der Patient beim Therapeuten), wo er quasi "andocken" und eine positive Verbindung zu ihm aufnehmen kann oder ob es mit diesem Patienten halt gar nicht geht. Selbst bei Straftätern kann das funktionieren, wenn es gelingt, den Menschen hinter der Straftat mit seinen Beweggründen, Ängsten und seinem Leid, aber auch seinen Ressourcen zu sehen.
Das alles gilt für eine (ambulante) Psychotherapie im engeren Sinne. Es gibt natürlich im stationären Setting oder auch im Strafvollzug Therapeuten, die sich ihre Patienten nicht frei aussuchen können, sondern zugewiesen bekommen. Allerdings arbeiten die dann i.d.R. nicht wirklich psychotherapeutisch, sondern eher psychoedukativ und dabei spielt dann die Sympathie tatsächlich nur eine untergeordnete Rolle. Aber selbst diese Therapeuten haben i.d.R. ein Vetorecht, wenn ein Patient für sie absolut gar nicht geht. Davon abgesehen werden normalerweise im Strafvollzug auch nur Therapeuten arbeiten, die mit den Straftaten ihrer Patienten emotional umgehen können.
It is better to have tried in vain, than never tried at all...