_leer_ hat geschrieben: ↑Di., 17.12.2019, 21:09
Es gibt mir einfach eine Hilfestellung, dass ich weiter komme und neue Impulse für meine Gedankengänge bekomme und Zusammenhänge erkenne. Warum gehe ich zu einer Therapie? Ich möchte wissen, warum ich bestimmte Gefühle, die mich negativ belasten, immer wieder bekomme, da ich gerne mit diesen Umgehen möchte.
Das ist aber rein auf der Kopfebene. Das Wissen allein verändert rein gar nichts, meiner Erfahrung nach. Anstatt wissen zu wollen, warum du bestimmte Gefühle immer wieder hast, könnte es ja auch die Möglichkeit geben, dass du möchtest, dass sich dein Erleben innerhalb dieser Gefühle verändern sollte. Dafür müsstest du dich aber auch ein Stückweit vom rein Kognitiven fortbewegen.
Dieses Erleben innerhalb der Gefühle materialisiert sich (für mich zumindest) oft an den anderen Personen, in den Beziehungen. Noch nicht mal, was sie unmittelbar sagen oder machen, sondern an dem was ich ihnen zuschreibe und in meiner Vorstellung überstülpe. Das ist sozusagen meine Brille, durch die ich meine Umwelt und die Beziehungen betrachte, und die Vieles verzerrt und daher manches Gefühlserleben für mich auch problematisch macht.
_leer_ hat geschrieben: ↑Di., 17.12.2019, 21:09
Da ich aber selber nicht auf die Lösung komme, weshalb diese Gefühle immer wieder auftreten, habe ich mir Hilfe bei einem Therapeuten gesucht, weil ich erhoffe, dass er etwas Licht in das dunkle bringt.
Vielleicht musst du deine Frage(n) anders stellen, damit du eine Antwort findest? Ich meine jetzt nicht dem Therapeuten gegenüber, dass er dann antworten wird, sondern dass deine Fragestellung auf mich schon so wirkt, als ob die Antwort am Ergebnis auch nichts ändern wird. Und auch hier: Der Therapeut soll dir bitteschön die "Lösung" anbieten. Es gibt keine "Lösung", warum bestimmte Gefühle auftauchen. Sie tauchen auf. Punkt. Manchmal gibt es Auslöser, manchmal nicht. Den Auslöser zu kennen, ändert noch gar nichts. Manchmal kann man den Auslöser vermeiden. Das kann dann wiederum dazu führen, dass man irgendwann dann alles vermeidet. Kann irgendwie nicht die Lösung sein, finde ich.
Eine analytische Therapie passiert ganz stark auf der Beziehungsebene. Das was zwischen dir und dem Analytiker passiert. Deine ganz subjektive Sicht der Dinge. Das macht Angst, weil man sich ziemlich entblößt fühlt. Das ist ziemlich ernüchternd, weil du immer wieder damit konfrontiert wirst, dass deine subjektive Sicht eben genau das ist: subjektiv. Was nicht heißt, dass sie verkehrt ist, aber du erlebst auch immer wieder, dass das Gegenüber eine andere Haltung einnimmt.
So wie ich dich wahrnehme, bewegst du dich auf einer ganz anderen Ebene. Du willst die "Fakten". Und die soll der Therapeut dir bitteschön liefern. Fertig als Paket. Und dann soll alles in Ordnung sein. Wenn du dir so sicher bist, dass die Fakten dir weiterhelfen, dann würde ich an deiner Stelle auch mal überlegen, ob diese Therapieform für dich die richtige ist. Denn dort in der Analyse wird es diese "Fakten" für dich nicht geben. Das ist so, als ob du beim Metzger ein Brot kaufen willst. Beim Metzger kannst du alles mögliche andere bekommen, aber für ein Brot solltest du zum Bäcker gehen.
Oder es gäbe noch die Möglichkeit, dass du dich so an diese Fakten klammerst, weil alles andere viel zu viel Angst macht, was auf der Beziehungsebene passiert. Oder du das einfach nie kennengelernt hast. Und dass du dich an die Fakten klammerst um dem, was Angst machen mag, auszuweichen.
Ob davon was zutrifft, wirst du selbst am besten wissen.
_leer_ hat geschrieben: ↑Di., 17.12.2019, 21:09
Woran würde ich merken, dass sich was in Bewegung setzen würde?
Ich kann nur sagen, woran ich das für mich gemerkt habe: Es ging mit der Analytikerin auf einmal auch um Konflikte, Auseinandersetzungen. Es ging darum, was ich mir von ihr wünsche, erwarte. Und da weiß ich auch, dass sie mir realistisch betrachtet, diese Erwartungen nicht erfüllen kann und wird, aber gleichzeitig macht es für mich Sinn, diese Erwartungen mal anzuschauen und genauer zu betrachten. Weil diese Erwartungen im Alltag mein Erleben prägen, meine Wahrnehmung beeinflussen. Weil diese (oft unausgesprochenen) Erwartungen das sind, über das ich im Alltag und in den Alltagsbeziehungen ganz oft stolpere. Es ging um Gefühle. Die von ganz früher sind, und eigentlich mit der Analytikerin als Person wenig zu tun haben, aber die sich auf einmal an der Analytikerin (und dem, was sie sagte und tat) festmachten.
Bewegung kam dadurch, dass ich angefangen habe, in den Stunden Dinge anders zu machen. Die Analytikerin ist relativ konstant geblieben. Aber ich habe mich mehr gezeigt, mehr von dem gezeigt, was ich sonst niemandem zeige. Und vielleicht auch mir selbst zeige.,
Das ist alles verdammt unbequem und schmerzhaft und sind beileibe in der Regel keine glorreichen Aha-Momente, wo mir ein Licht aufgeht. Sondern es hat auch mal geknallt, es gab auch mal Stunden, die völlig offen geendet sind, wo ich mich gefragt habe, wie es überhaupt weitergehen kann zwischen uns. Und gleichzeitig ist da die Erfahrung, dass die Analytikerin für mich da ein Gegenüber ist, dass sie mich ernstnimmt, dass sie mich nicht kleinredet, auch wenn sie eine andere Haltung hat, dass sie konstant da ist als Gegenüber (was etwas ist, was ich früher nie hatte). Und das ist für mich die neue Erfahrung, das unmittelbare Erleben, das dann auch so manches im Alltag verändert. Nicht die Erkenntnisse an sich.
Ich glaube fast, du bist so sehr auf deine Erkenntnisse, die du suchst, fixiert, dass du all das andere, was der Analytiker dir auf der Beziehungsebene anbietet, gar nicht wahrnimmst?