Autonomie fördern (bei Langzeittherapien)?
Du gehst davon aus, dass ein Kontakt zu sich selbst nur dann möglich ist, wenn der Patient "zurückgeschubst" wird durch die Rahmenbedingungen (das analytische Setting) in einen "abhängigen Zustand". Das mag bei bestimmten Störungsbildern auch so sein, vor allem bei Symbiotikern, die nie über dieses Stadium hinausgekommen sind und die meiste Zeit ihres Lebens so ein "falsches Selbst" gelebt haben. Und selbst da ist es mittlerweile umstritten:
"In der neueren Literatur wird eine Symbiose eher als Abweichung von einer normalen Entwicklung einer Mutter-Kind-Beziehung betrachtet. Die Ergebnisse der Säuglingsforschung, insbesondere von Daniel N. Stern zeigen, dass sich Säuglinge schon sehr früh als selbstständige und von der Mutter getrennte Wesen erleben können.[2]"
(Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Symbiose_(Psychologie))
Bei Patienten die eine andere Problematik/ein anderes Störungsbild haben tut diese "Abhängigkeitserfahrung" hingegen nicht Not um Zugang zu finden bzw. ist teils sogar kontrainduziert. Und auch das "falsche Selbst" sollte für eine Analyse so stabil sein, dass es sich nach und nach "aushebeln" lässt ohne dass der Patient deswegen zu sehr dekompensiert.
Die Behauptung: Therapie braucht Abhängigkeit! betrachte ich gelinde gesagt als gefährlich, weil irreführend.
http://www.paracelsus-magazin.de/alle-a ... apie-.html
"In der neueren Literatur wird eine Symbiose eher als Abweichung von einer normalen Entwicklung einer Mutter-Kind-Beziehung betrachtet. Die Ergebnisse der Säuglingsforschung, insbesondere von Daniel N. Stern zeigen, dass sich Säuglinge schon sehr früh als selbstständige und von der Mutter getrennte Wesen erleben können.[2]"
(Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Symbiose_(Psychologie))
Bei Patienten die eine andere Problematik/ein anderes Störungsbild haben tut diese "Abhängigkeitserfahrung" hingegen nicht Not um Zugang zu finden bzw. ist teils sogar kontrainduziert. Und auch das "falsche Selbst" sollte für eine Analyse so stabil sein, dass es sich nach und nach "aushebeln" lässt ohne dass der Patient deswegen zu sehr dekompensiert.
Die Behauptung: Therapie braucht Abhängigkeit! betrachte ich gelinde gesagt als gefährlich, weil irreführend.
http://www.paracelsus-magazin.de/alle-a ... apie-.html
- Werbung
Mio:
Vielleicht liest du noch mal den ersten Beitrag dieses Threads? Da steht nämlich, dass ich genau DAS nicht möchte: dass hier von Usern diskutiert wird, für die das Thema kein Thema ist. Wenn für dich also der Konflikt "Abhängigkeit vs. Autonomie" keiner ist, dann kannst du da vielleicht einfach nicht mitreden?
Vielleicht liest du noch mal den ersten Beitrag dieses Threads? Da steht nämlich, dass ich genau DAS nicht möchte: dass hier von Usern diskutiert wird, für die das Thema kein Thema ist. Wenn für dich also der Konflikt "Abhängigkeit vs. Autonomie" keiner ist, dann kannst du da vielleicht einfach nicht mitreden?
Ja, das ist es. Und es steckt ja auch ein in manchen Fällen "sinnvoller" Gedanke dahinter (die "Rückführung" zum eigenen, früh verlorenen "Selbst" durch die Aufdeckung tiefer innerer Konflikte und Bedürfnisse durch Regression). Nur jedem wird das nicht helfen und es wird nicht jeder Mensch "gut" oder "wie gewünscht" auf sowas reagieren.MariJane hat geschrieben:Ok, aber ich glaube, dass ist eine Frage der Therapieschule. Zumindest meinte mein jetziger Therapeut mal, dass es in mancher Therapieschule gewünscht ist. Er hält davon glücklicherweise genauso viel wie ich.
Kann es nicht sein, dass wir hier alle von verschiedenen Graden und Formen der Abhängigkeit sprechen? Das ist ja doch ein sehr weiter Begriff.
Wenn mit Abhängigkeit gemeint ist, dass man die Hoffnungen auf eine Behandlung und den Behandler setzt, dass es guttut, dass einem endlich mal jemand zuhört, dass man merkt, dass es einem Mut gibt, endlich wirklich gesehen zu werden - dann ja, das ist völlig in Ordnung.
Wenn mit Abhängigkeit aber gemeint ist, dass mein Therapeut mir ständig im Kopf herumspukt, dass ich mir bei jeder Gelegenheit denke "Was würde er/sie jetzt wohl dazu sagen?", "Oh Gott, nächste Woche fällt die Stunde aus, wie soll ich das nur aushalten" oder "Wenn die Therapie zu Ende ist, dann bin ich auch am Ende" oder dergleichen, dann wird es für meine Begriffe kritisch.
Selbiges gilt, wenn man alles, was der Therapeut sagt, ungefiltert annimmt, nicht kritisch hinterfragt und einen Hauch von Zweifel schon gleich gar nicht mehr zulässt. Das ist für mich auch schulenubhängig. Das kann doch im Interesse keiner Schule liegen.
Aber das ist nur meine Meinung.
Wenn mit Abhängigkeit gemeint ist, dass man die Hoffnungen auf eine Behandlung und den Behandler setzt, dass es guttut, dass einem endlich mal jemand zuhört, dass man merkt, dass es einem Mut gibt, endlich wirklich gesehen zu werden - dann ja, das ist völlig in Ordnung.
Wenn mit Abhängigkeit aber gemeint ist, dass mein Therapeut mir ständig im Kopf herumspukt, dass ich mir bei jeder Gelegenheit denke "Was würde er/sie jetzt wohl dazu sagen?", "Oh Gott, nächste Woche fällt die Stunde aus, wie soll ich das nur aushalten" oder "Wenn die Therapie zu Ende ist, dann bin ich auch am Ende" oder dergleichen, dann wird es für meine Begriffe kritisch.
Selbiges gilt, wenn man alles, was der Therapeut sagt, ungefiltert annimmt, nicht kritisch hinterfragt und einen Hauch von Zweifel schon gleich gar nicht mehr zulässt. Das ist für mich auch schulenubhängig. Das kann doch im Interesse keiner Schule liegen.
Aber das ist nur meine Meinung.
- Werbung
Es ging Dir doch darum, die Autonomie zu fördern, oder?isabe hat geschrieben:Mio:
Vielleicht liest du noch mal den ersten Beitrag dieses Threads? Da steht nämlich, dass ich genau DAS nicht möchte: dass hier von Usern diskutiert wird, für die das Thema kein Thema ist. Wenn für dich also der Konflikt "Abhängigkeit vs. Autonomie" keiner ist, dann kannst du da vielleicht einfach nicht mitreden?
Wieso förderst Du nicht mal Deine Autonomie und lässt auch Meinungen zu, die Dir nicht "hilfreich" vorkommen? Anstatt sie kategorisch abzuwehren?
Zumal Du ja eigentlich darauf hinauswolltest, wie Autonomie gefördert werden kann im Ausgangthread. Und sie wird gefördert, wenn die Abhängigkeit zwar "zugelassen" (soweit nötig) aber auch "begrenzt" (soweit möglich) wird.
Jetzt hingegen ist sie plötzlich wieder ein - und nur -, also eine zwingende Notwendigkeit. Und das ist sie eben nicht immer. Inwieweit es bei Dir notwendig oder sogar eher schädlich ist kann ich nicht beurteilen.
Die Grundsatzaussage lässt sich so allerdings nicht treffen. Und es kann auch ein Abhängigkeits-Autonomie Konflikt vorliegen für den das Fördern der Abhängigkeit erst recht negativ wäre.
Sandrin:
Aber es ist ja auch denkbar, dass man traurig ist, wenn der Therapeut nicht da ist; dass man gerne bei ihm ist; sogar, dass man ihn liebhat - dass man aber trotzdem sagt: "Ich bin ein eigener Mensch und mache das, was ich für richtig halte".
Aber es ist ja auch denkbar, dass man traurig ist, wenn der Therapeut nicht da ist; dass man gerne bei ihm ist; sogar, dass man ihn liebhat - dass man aber trotzdem sagt: "Ich bin ein eigener Mensch und mache das, was ich für richtig halte".
Mio:
Bitte nicht schon wieder! Du weißt doch, wohin das führt.
Ich lese das jetzt nicht mehr, sorry.
Bitte nicht schon wieder! Du weißt doch, wohin das führt.
Ich lese das jetzt nicht mehr, sorry.
Gute Lösung Isabe. Und kein Grund sich zu entschuldigen.isabe hat geschrieben:Ich lese das jetzt nicht mehr, sorry.
@ Isabe: Das unterschreibe ich (außer das mit dem Liebhaben, das ginge mir persönlich zu weit).
Wichtig ist halt nur, dass man aufpasst, die Grenzen des Gefährlichen nicht zu überschreiten, und die Gefahr besteht schon, wenn man anfällig ist und das von außen noch gefördert wird. Aber wohlfühlen darf man sich, traurig sein darf man auch, keine Frage!
Wichtig ist halt nur, dass man aufpasst, die Grenzen des Gefährlichen nicht zu überschreiten, und die Gefahr besteht schon, wenn man anfällig ist und das von außen noch gefördert wird. Aber wohlfühlen darf man sich, traurig sein darf man auch, keine Frage!
Ja, das mit dem Liebhaben sehe ich kritisch, aber ich würde es nicht grundsätzlich ausschließen. Es ist für mich auf keinen Fall ein Ziel oder ein Muss, aber ich denke, wenn man es ausschließt, verbaut man sich ja auch was.
Na, wenn ich grundsätzlich sage: "Ich darf den Therapeuten nicht liebhaben", dann ist das ja auch kein Sich-Einlassen.
Darf ich dazu mal eine Frage stellen, die mich persönlich sehr interessiert?
Ich verstehe Psychoanalyse (und um die scheint es ja hier meist zu gehen) so, dass der Therapeut einem hilft, sich selbst zu finden. Dabei bleibt er wertfrei und auch in einem gewissen Sinne- so mein Verständnis- eine weiße Wand. Gleichzeitig sollen wohl aber genau in diesem Setting tiefe Gefühle entstehen, oder?
Funktioniert das wirklich?
Ich verstehe schon, dass da jemand einfach da ist und man dem viel Vertrauen, Dankbarkeit etc. entgegenbringt, aber dass man andere Gefühle für eine weiße Wand entwickelt, kann ich mir kaum vorstellen. In der gesunden kindlichen Entwicklung sind deine Eltern ja eben keine weißen Wände, sondern reagieren auf dich (im besten Falle angemessen). Deshalb finde ich das gerade einfach schwer vorstellbar. Und Frage deshalb.
Ich verstehe Psychoanalyse (und um die scheint es ja hier meist zu gehen) so, dass der Therapeut einem hilft, sich selbst zu finden. Dabei bleibt er wertfrei und auch in einem gewissen Sinne- so mein Verständnis- eine weiße Wand. Gleichzeitig sollen wohl aber genau in diesem Setting tiefe Gefühle entstehen, oder?
Funktioniert das wirklich?
Ich verstehe schon, dass da jemand einfach da ist und man dem viel Vertrauen, Dankbarkeit etc. entgegenbringt, aber dass man andere Gefühle für eine weiße Wand entwickelt, kann ich mir kaum vorstellen. In der gesunden kindlichen Entwicklung sind deine Eltern ja eben keine weißen Wände, sondern reagieren auf dich (im besten Falle angemessen). Deshalb finde ich das gerade einfach schwer vorstellbar. Und Frage deshalb.
Die "weiße Wand" ist ja kein Analytiker, und das war auch nie wirklich der Fall. In der Analyse entstehen, teils automatisch, teils hervorgerufen, diese kindlichen Gefühle. Aber der Therapeut ist ja keine Wand, sondern ein Mensch, nur sagt er z.B. eher selten solche Sachen wie: "Oh, das geht mir auch so" usw. Aber fühlen tut er das vielleicht trotzdem gelegentlich. Und das wiederum fühlt dann der Patient. Und dann kommuniziert man manchmal auf so einer "stillen" Ebene, die ziemlich intensiv ist. Es entstehen Spannungen, manchmal positive, manchmal negative, die dadurch intensiviert werden, dass eben nicht alles ausgesprochen wird.
Wenn es gut läuft, kommt es immer auch zu Entspannung und zu Lockerheit; ansonsten wäre das vermutlich kaum auszuhalten. Es verdichtet sich eben das gesamte Gefühlsleben, und das ist nicht nur beim Patienten der Fall.
Wenn es gut läuft, kommt es immer auch zu Entspannung und zu Lockerheit; ansonsten wäre das vermutlich kaum auszuhalten. Es verdichtet sich eben das gesamte Gefühlsleben, und das ist nicht nur beim Patienten der Fall.
Danke für die Erläuterung! Ich kann mir das jetzt tatsächlich besser vorstellen und sogar in einem gewissen Sinne verstehen.
- Werbung
-
- Vergleichbare Themen
- Antworten
- Zugriffe
- Letzter Beitrag
-
- 152 Antworten
- 12860 Zugriffe
-
Letzter Beitrag von Broken Wing