Unterschied Selbstzahler - Kassenfinanzierung

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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Lockenkopf
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Beitrag Mo., 26.12.2016, 00:12

isabe hat geschrieben:Ich denke, dass der Betrug bzw. die Unehrlichkeit schon dort anfängt, wo man ignoriert, dass viele Menschen (und dass das so ist, weiß ich) mehrere Therapien brauchen, obwohl sie "nur" ein Problem haben, das aber immer dasselbe ist - das also in der ersten Therapie nicht behoben werden konnte (Depressionen usw.). Es wird aber regelmäßig (!) so getan, als sei diese erste Therapie ein Erfolg (weil der Therapeut sonst zugeben müsste, dass er nicht so erfolgreich war).

Wenn man schon DAS mal anerkennnen würde, dass ein nicht unerheblicher Teil der Patienten mit einer einzigen Therapie eben nicht geheilt ist (und dann entweder aufgibt oder privat zahlt oder später weitermacht), dann wäre es quasi logisch, dass sich etwas ändern müsste.
Dein Denkansatz hapert ganz gewaltig. Wenn Du dir den ICD 10 anschaust, dein Beispiel Depression nimmst, so steht dort direkt unter der Überschrift

Affektive Störungen (F30-F39)
... Die meisten dieser Störungen neigen zu Rückfällen. ...

Das heißt, es liegt in der Natur dieser Störungen, immer wieder aufzutauchen. Heilung ist gar nicht möglich. Die letzte Episode ist bestenfalls vollremiert (= zurückgebildet), bis zur nächsten Episode.
Liebe Grüße
Lockenkopf

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Lockenkopf
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Beitrag Mo., 26.12.2016, 00:35

Mondin hat geschrieben:Kein Versicherter bekommt z. B. endlos Ergotherapie verordnet oder sonst irgendeine Maßnahme, wenn keine medizinische Indikation dafür vorliegt. Also muss er entweder verzichten oder selbst bezahlen. Warum sollen dabei psychisch Kranke eine Ausnahme bilden?
Ich habe einen 72 jährigen Pat. in Therapie, welcher nach einer Poliomyelitis (Kinderlähmung) jetzt im 54. Jahr in Folge Physiotherapie 2 mal wöchentlich erhält. Er ist privatversichert.
Würde eine Indikation für Ergotherapie vorliegen, gehe ich davon aus, das er diese über den selben Zeitraum bekommen hätte.

Ein gesetzlich Versicherter mit gleichem hohem therapiebedarf, der von seiner KK vergleichbares finanziert bekommt kenne ich nicht.
Liebe Grüße
Lockenkopf

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Kaonashi
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Beitrag Mo., 26.12.2016, 00:39

Ich hatte eine Kollegin (sie ist jetzt in Rente), die gesetzlich versichert ist und ebenfalls in der Kindheit Kinderlähmung hatte. Sie bekam alle zwei Jahre eine stationäre Reha bezahlt und dazwischen immer mal Krankengymnastik oder Massagen. War bei ihr also mit gesetzlicher Versicherung auch kein Problem. Vielleicht kommt's auch auf den Arzt an.

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Beitrag Mo., 26.12.2016, 00:43

mio hat geschrieben:Ich denke auch, dass wir in einem Land leben in dem es eine sehr gute psychotherapeutische Versorgung gibt. Vielleicht sollte man auch immer ein wenig mitbedenken, dass ambulante Psychotherapie ja nicht als "erhaltende" Massnahme gedacht ist, sondern als "verbessernde"?
.
Doch. Psychotherapiesitzungen können auch dem Erhalt des erreichten dienen, so wie jede andere Therapie auch.
Zu dem Zweck werde die Sitzungen dann aber gestreckt.

Unter diesem Aspekt habe ich die letzten Jahre der kassenfinanzierten Psychotherapie verbracht.
Zuletzt geändert von Lockenkopf am Mo., 26.12.2016, 00:45, insgesamt 1-mal geändert.
Liebe Grüße
Lockenkopf

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Beitrag Mo., 26.12.2016, 00:44

Kaonashi hat geschrieben:Ich hatte eine Kollegin (sie ist jetzt in Rente), die gesetzlich versichert ist und ebenfalls in der Kindheit Kinderlähmung hatte. Sie bekam alle zwei Jahre eine stationäre Reha bezahlt und dazwischen immer mal Krankengymnastik oder Massagen. War bei ihr also mit gesetzlicher Versicherung auch kein Problem. Vielleicht kommt's auch auf den Arzt an.
Und dazwischen immer mal wieder KG und Massagen, aber nicht fortlaufend.
Liebe Grüße
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Beitrag Mo., 26.12.2016, 00:53

mio hat geschrieben:
Allerdings dauert es hier in D denke ich schon eine ganze Weile bis jemand so weit als "austherapiert" und damit "chronisch krank" gilt, dass ihm eine psychotherapeutische Behandlung vollkommen versagt wird. Häufiger dürfte es vorkommen, dass bestimmte Therapieformen/Settings als ungeeignet gesehen werden oder aber ein Therapeut einen Patienten abgibt, weil er den Eindruck hat ihm nicht helfen zu können. Das ist aber keine Frage des "Systems" - denn das System bietet durchaus Hilfe und Unterstützung an - sondern eine Frage des Einzelfalls.
Chronisch krank ist jeder, dessen Erkrankung länger als 6 Monate anhält, das dürfte auf die große Mehrzahl psychisch Erkrankter zutreffen und hat rein garnichts mit Psychotherapiefähigkeit oder austherapiert zu tun.
Liebe Grüße
Lockenkopf


montagne
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Beitrag Mo., 26.12.2016, 01:53

Im Vergleich zu anderen Ländern lebt man in Deutschland in einem guten System, ohne Frage.
Trotzdem leider nicht audreichend, nicht menschlich genug in vielen Bereichen. Zum Teil werden Mittel auch am falschen Ende ausgegeben, finde ich zumindest.

OPs, Pillen und Aparate-Medizin wird viel bezahlt. Das sind die großen Lobbys.
Therapien werden zu wenig bezahlt.

Vom System aus gesehen oder vom "Beitragszahler" aus gesehen muss man sich auch fragen, was die opportunen Kosten dessen sind, Therapien derartig zu limitieren: mehr stationäre Aufenthalte, mehr Krankentage (an denen jemand nicht einzahlt, sondern bekommt), mehr Menschen in AU und früher in AU, mehr Operationen, Ärztehopping, Therapeutenwechsel.....

Und ich denke bei so manchem chronisch Kranken sei es psychisch, sei es physisch, ist der Erhalt des Status Quo schon ein sehr gutes Therapieergebnis. Wäre menschlich und würde eben auch eine Menge Kosten sparen.

Ich habe nichts gegen Effizenzdenken, aber gegen diese Milchmädchenrechnung, die im Gesundheitswesen existiert. Ich meine wer sollte das nicht wollen, schnellstmöglich zu deutlich mehr Lebensqualität und Gesundheit kommen? Nur so simpel funktioniert der Mensch nicht.
Also ich meine, wenn man den Menschen zur maximalen Leistung FÜR die Gesellschaft bringen will, dann muss man Zeit und Beziehung einkalkulieren.

Aber ich glaube, das Problem, dass die Leistungslust, die in (fast) jedem ja durchaus angelegt ist, nicht gefördert wird, sondenr zerstört wird, ist ein Problem, dass über das Gesundheitswesen, das auch eher Passivität belohnt, auch wenn es da snicht will, hinausgeht.
amor fati


isabe
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Beitrag Mo., 26.12.2016, 10:17

Hinter dieser Denke steckt ja auch der gesellschaftliche Konsens darüber, dass psychische Krankheiten eben keine richtigen Krankheiten sind.

Ich bin mir nicht einmal sicher, ob diese Scheinakzeptanz (nicht nur in Bezug auf psychische Krankheiten!) nicht viel schlimmer ist als offene Ablehnung; denn man ist ja argumentationsmäßig immer schon bestens ausgerüstet mit dem "Was-wollt-ihr-denn-noch-alles?"-Totschläger. So würde man Menschen mit körperlichen Krankheiten niemals begegnen: "Was willst du denn noch? Du hattest erst vor einem halben Jahr eine Lungenentzündung!"


mio
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Beitrag Mo., 26.12.2016, 11:09

Lockenkopf hat geschrieben:Unter diesem Aspekt habe ich die letzten Jahre der kassenfinanzierten Psychotherapie verbracht.
Wenn ich mich recht entsinne war das aber allein Deine Ausgestaltung der Therapie und nicht die Deines Therapeuten? Den hast Du ja gar nicht auch mal "machen lassen" sondern Du hast darüber bestimmt, was gemacht wird und was nicht.

Für mich liest sich das nur "bedingt (behandlungs)bedürftig/fähig", denn wenn Du in der Lage bist derart über den Therapieverlauf (selbst) zu bestimmen, dass Du ihn regelrecht diktierst, dann könntest Du Dir im Grunde auch jemand anders zum "reden" suchen. Ein Patient der sowieso schon weiss, was zu tun ist und was nicht und wie die Therapie zu laufen hat (also Therapieresistent ist im Grunde) braucht für meine Begriffe keinen Fachmann aus dem Sektor Psychotherapie als "teures Ohr" sondern dem würde auch psychosoziale Begleitung ausreichen, denn zuhören tun diese Menschen auch.

Von "zum - ausschließlich - zuhörenden Ohr degradierten Psychotherapeuten" auf Kassenleistung halte ich absolut nichts, diese Hilfe für Betroffene lässt sich nämlich - für die Gesellschaft - auch billiger haben. Da liegt dann für meine Begriffe keine ausreichende Therapiefähigkeit vor und ein Psychotherapeut der so mit sich umspringen lässt ohne das zu begrenzen handelt für meine Begriffe nicht seinem Auftrag entsprechend. Egal ob privat- oder kassenfinanziert. Nur wenn es privatfinanziert ist dann ist es mir egal, denn wer sich von wem sein (eigenes) Geld aus der Tasche ziehen lässt ist ja dann Privatsache.

Im Grunde bist Du mit Deiner ganz "individuell beschlossenen Ausgestaltung einer Kassenleistung" sogar ein gutes Beispiel dafür, wie es nicht gedacht ist. Und Dein Therapeut ist ein gutes Bespiel für jemanden der aus einer Art Bequemlichkeit heraus nicht begrenzt, obwohl er schon lange vor dem Therapieende bemerkt haben müsste, dass nicht mehr er den Therapieverlauf steuert sonder er (Dein Therapeut) längst von Dir gesteuert wurde. So ist Psychotherapie aber nicht gedacht. Auch wenn eine solche "Macht über einen anderen" vielleicht erst einmal "stärkend wirken" kann, aber zu einer grundlegenden Verbesserung des zugrundeliegenden Problems oder gar zu einer Heilung kann es so nicht kommen.

Das ist dann wie ein "teure Pille" die zwar "vorübergehend" hilft, aber deren Wirkung nach "Absetzen" derselbigen recht schnell wieder verpufft. Und dafür finde ich Psychotherapeutische Leistungen zB. zu teuer, zumal das auch anders erreicht werden kann, da hierfür keine fachliche Qualifikation des Gegenübers notwendig ist, da dieses ja sowieso "nix zu sagen" hat.

Kurz: Ich setze die Bereitschaft des Patienten wirklich nachhaltig etwas verändern zu wollen - und dazu gehört eben auch, dass auch dem Fachmann mal vertraut wird und nicht alles selbstentschieden - als Grundlage für eine erfolgsversprechende Behandlung voraus, fehlt diese in Bezug auf Psychotherapie grundlegend und langfristig, dann kann für meine Begriffe auch auf günstigere Hilfsangebote zurückgegriffen werden, wie zB. psychosoziale Betreuung.

Dh. jetzt nicht, dass ich der Meinung bin der Patient solle zum "Spielball" des Therapeuten werden, aber eine gewisse "Compliance" muss für eine erfolgreiche Behandlung gegeben sein. Fehlt diese - und zwar nicht nur einmal gegenüber einem einzelnen Therapeuten sondern generell gegenüber der Behandlung als solcher - dann halte ich eine psychotherapeutische Behandlung ab einem gewissen Punkt für wenig erfolgsversprechend und damit auch nicht mehr indiziert.

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Broken Wing
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Beitrag Mo., 26.12.2016, 12:35

@ Isabe: Yep. Manchmal verschiebt sich das von "Reiß dich zusammen" zu "'Du willst dich nicht verändern', 'Du lässt die Therapie nicht zu'". Alles undenkbar in der Körperbehandlung. Sowas würde sich kein Arzt trauen, wenn er nicht triftige Gründe hat.
Psychisch Kranke hingegen dürfen sich nicht gegen miese Therapeuten wehren. Die Psychos werden nicht aus dem Verkehr gezogen, denn sie sind nie schlecht, der Patient kommt lediglich nicht mit ihnen aus, im schlimmsten Fall stimmt die Chemie einfach nicht, im besten Fall ist der Patient krank und die Abneigung daher krankheitsbedingt.

Ein grund, warum ich nie stationär gehe. Erstens hatte ich ja schon mal den Genuss und zweitens kann ich mir die Leute nicht aussuchen. Die Guten hauen früher oder später ab, übrig bleiben schwer angeschlagene Psychos.
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Broken Wing
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Beitrag Mo., 26.12.2016, 13:17

Wer seinen geist einem durchschnittlichen Psychotherapeuten aussetzt, sich von einem Psychiater behandeln lässt mit Medikamenten, von denen bestenfalls keine Gefahr ausgeht, der soll das bitte tun.
Wie super ist das denn, dass man sich die Klinik de Fakto nicht aussuchen kann, dass man sogar in Spitälern zwangseingewiesen wird, die wegen vergangener und nicht verfolgter aktueller Fälle mehr als nur einen zweifelhaften Ruf in der Bevölkerung genießen?

Im übrigen habe ich auch in der Körperbehandlung Dinge selbst bezahlt, die es bei einem Kassenarzt gratis gegeben hätte. Aber die Qualität war um Welten besser, sowohl bei der Beratung und Aufklärung als auch der Behandlung. Wenn man es darauf anlegt, gibt es auch keine Schleimerei mit roten Teppichen und Therapien, bis das Konto leergeräumt ist. Da kommt es auf das eigene Geschick an.
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lisbeth
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Beitrag Mo., 26.12.2016, 13:38

montagne hat geschrieben: OPs, Pillen und Aparate-Medizin wird viel bezahlt. Das sind die großen Lobbys.
Therapien werden zu wenig bezahlt.

Vom System aus gesehen oder vom "Beitragszahler" aus gesehen muss man sich auch fragen, was die opportunen Kosten dessen sind, Therapien derartig zu limitieren: mehr stationäre Aufenthalte, mehr Krankentage (an denen jemand nicht einzahlt, sondern bekommt), mehr Menschen in AU und früher in AU, mehr Operationen, Ärztehopping, Therapeutenwechsel.....
Völlig d'accord. In Sachen OPs und Apparatemedizin wird oft sogar mE zu viel bezahlt und zu schnell, da braucht man sich nur mal die Zahlen zu RückenOPs oder Knie/Hüftgelenke anschauen und das liegt D Lichtjahre jenseits dessen, was in anderen Ländern praktiziert wird und womit die meisten Menschen dort anscheinend ganz gut leben (und ich rede nicht über UK, wo man auf so eine OP über ein Jahr warten muss...)
Und die Rückenschmerzen werden von einem CT oder MRT nicht besser. Und ab ca. 40 Jahren sind da bei fast jedem Menschen degenerative Auffälligkeiten zu entdecken. Ob das die Ursache der Schmerzen ist, bleibt aber völlig offen...

Gleichzeitig sind auch in der somatischen Medizin die Ausgaben budgetiert. Der Unterschied ist, dass es idR keinen Gutachter gibt, der bei ärztlichen Entscheidungen draufschaut (der MDK in manchen, klar definierten Fällen z.B. bei Hilfsmitteln usw. - aber es ist nicht die Regel). Dass die Psychotherapeuten darüber nicht amused sind, ist völlig nachvollziehbar. Aber auch hier stellt sich für mich die Frage: Besteht man auf seiner Maximalforderung (Völlige Gleichstellung mit ärztlichen Leistungen) oder ist man bereit, an der einen oder anderen Stelle Abstriche hinzunehmen, um überhaupt in den Versorgungskatalog der GKV mit aufgenommen zu werden?

Das heißt nicht, dass es keine Probleme gibt und das heißt auch nicht, dass ich alles super finde.
Auch im somatischen Bereich sehe ich großen Optimierungsbedarf... Warum wird im Zahnbereich keine Prävention von der Kasse bezahlt (PZR) bzw. nur bis zum 18. Geburtstag? Unser System hat grundsätzlich ein Problem mit Prävention, also auch mit Rückfallprävention bei psychischen Krankheiten. Mit der neuen Psychotherapie-Richtlinie gibt es Stunden für Rückfallprävention. ABer: was sich erstmal gut anhört: Diese Stunden werden vom bewilligten Kontingent abgezogen. Also wird einzig der Zeitraum verlängert, in dem ich diese bewilligten Stunden nehmen kann (12 oder 18 Monate oder so statt bisher 6 Monate...) Hahahah. Selten so gut gelacht. Gleichzeitig ist der Weg, den diese Änderungen über den Gemeinsamen Bundesausschuss nehmen total intransparent und nicht nachvollziehbar... Nicht gut.

Grundsätzlich denke ich, es ist Tonnen Geld in unserem System vorhanden. Die Frage ist, wie man es verteilt. Zwischen ambulant und stationär. Zwischen sprechender und apparativer Medizin. usw.

Trotzdem bleibe ich dabei, hier in D geht es uns relativ gut, auch im psycho-sozialen Bereich. Ich kann mir idR meine behandelnden Ärzte und Therapeuten im ambulanten Bereich aussuchen. Das gibt es auch nicht überall und das finde ich extrem kostbar. Und ich weigere mich auch das völlig schwarz-weiß zu betrachten. Ich kann die Defizite sehen und benennen und gleichzeitig aber auch froh sein über ein System, das deutlich mehr möglich macht als woanders.

Und nochmal: Solange eine medizinische Notwendigkeit besteht, bekommst du idR auch deine Psychotherapie. Auch ambulant. Der Umweg über stationär ist nicht unbedingt nötig. Auch nicht über AU.
Aber ich glaube, das Problem, dass die Leistungslust, die in (fast) jedem ja durchaus angelegt ist, nicht gefördert wird, sondenr zerstört wird, ist ein Problem, dass über das Gesundheitswesen, das auch eher Passivität belohnt, auch wenn es da snicht will, hinausgeht.
Der Weg dorthin (zu weiterer therapeutischer ambulanter Unterstützung) ist anstrengender und du brauchst Unterstützer (Ärzte und Therapeuten) die das mittragen. Also eigentlich das Gegenteil von Passivität. Du musst dich selbst kümmern. Das wird dir nicht auf dem Tablett gereicht.

Die Suche hat mich dann auch in anderen Bereich "aktiviert". Hätte ich lieber bei meiner bisherigen Therapeutin weiter gemacht als mich auf die Suche zu begeben zwecks Verfahrenswechsel? Ganz sicher. Hat es mir geschadet, dass ich mir eine neue Therapeutin suchen musste? Eher nicht. Ich habe eine Menge über mich selbst gelernt in dieser Phase. Was ich brauche und was ich mir wünsche. Und die "Zwangs-Evakuierung" aus der therapeutischen Komfortzone hat bei mir auch nochmal viele Dinge deutlich in Bewegung gebracht und somit dazu geführt dass meine Symptomatik sich weiter deutlich verringert hat in den letzten 12 Monaten.

Und das ist aktuell das, was für mich unterm Strich zählt.
When hope is not pinned wriggling onto a shiny image or expectation, it sometimes floats forth and opens.
― Anne Lamott

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Mondin
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Beitrag Mo., 26.12.2016, 13:48

Lockenkopf hat geschrieben: Ein gesetzlich Versicherter mit gleichem hohem therapiebedarf, der von seiner KK vergleichbares finanziert bekommt kenne ich nicht.
Er müsste klagen. Das ist nun einmal leider so. Es gibt nichts geschenkt. Das kann man ungerecht finden, muss man aber nicht. Auch jemand der privat versichert ist muss sich ggf. mal mit seiner Kasse streiten und hat hohe Zuzahlungen; das sehe ich bei meinem Mann und mir ebenfalls. Nur weil man Privatpatient ist, ist eben nicht alles besser.

Es kommt auch sehr viel auf das eigene Durchsetzungsvermögen an.

.....

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Mondin
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Beitrag Mo., 26.12.2016, 14:15

Landkärtchen hat geschrieben:Ich finde es ist auch eine Frage von Vertrauen und Selbstbestimmung.
Ich bin davon überzeugt, dass ich selbst spüre wann der richtige Zeitpunkt ist die Therpie zu beenden.
Wenn das immer funktionieren würde, dann bräuchte es gar keine Begrenzungen mehr. Ich halte das für utopisch.
Doch ich erlebe es zunehmend, dass Menschen das systematisch "abtrainiert" wird. Vertrauen in sich und andere zu entwickeln und eigene Entscheidungen zu treffen.Vor diesem Hintergrund ist es dann verständlich, dass ein vorgegebenes Stundenkontingent eingefordert und erwünscht wid.


Ganz genau.
Es gibt einem eine Orientierung von Außen.
Es verhindert in erster Linie, dass Therapien endlos fortgeführt werden, warum auch immer. Ich halte es für sinnvoll, dass es zwischendrin immer mal Prüfungen gibt ob eine bestimmte Form der Therapie noch Sinn macht.

Ich selbst habe nach nicht einmal 150 Stunden in Übereinkunft mit meinem Thera das Ganze abgeschlossen, weil er mir genug beigebracht hatte um alleine weitermachen zu können. Das halte ich für den Idealfall, dass der Therapeut einen lehrt auf eigenen Füßen zu stehen und selbstständig für sich zu sorgen.

Ich hatte natürlich noch jede Menge Symptome und Probleme, allerdings konnte ich das Meiste davon in den kommenden 10-15 Jahren ganz allein bewältigen und eindämmen. (Und was jetzt noch übrig ist, damit muss ich eben einfach leben.) Da hätte weitere Therapie auch nicht groß was dran geändert, weil es oft in erster Linie eine Frage der Zeit und der Übung ist, bis man gewisse mentale Skills etablieren, sich ausprobieren und Vertrauen zu sich selbst entwickeln kann.

Ich sehe die zunehmende "gekaufte Freundschaft", die scheinbar in vielen Praxen stattfindet, sehr kritisch, da sie Abhängigkeiten erzeugt, die eigentlich in einen ganz normalen Freundeskreis gehören und sich dort schnell relativieren würden. Anders gesagt, ein völlig normales und idR kostenloses Vertrauensverhältnis wird "beim Profi" teuer erkauft, weil der Patient nicht in der Lage ist diese Kontakte in einem anderen Rahmen zu unterhalten oder auch nur einmal eine Weile ohne so etwas auskommen zu können. Anstatt jedoch Anleitung zu bekommen, wie er das verbessern könnte, wird er irgendwann zum Selbstzahler und damit vermutlich nicht selten zur reinen Melkkuh ohne das zu realisieren.

Auch Therapeuten sind keine (stets korrekten) Engel. Das Beste ist es meiner Erfahrung nach, den Fokus konsequent auf die eigene Selbstständigkeit auszurichten. Dann reichen auch die Kontingente, bzw. man wird Mittel und Wege finden gut für sich zu sorgen, auch gegen eventuell sich ergebende Widerstände.

Das System ist nicht immer das Problem. Ein Teil des Problems ist ebenso die zunehmende Unselbstständigkeit und damit Erwartungshaltungen, die zwingend enttäuscht werden müssen.

Grüßerle!
Mondin


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Beitrag Mo., 26.12.2016, 14:26

Mondin hat geschrieben:Nur weil man Privatpatient ist, ist eben nicht alles besser.
Bisweilen dürfte sogar das Gegenteil der Fall sein, Stichwort: Übertherapiert. Ein Privatpatient sollte auf alle Fälle ebenso "mündig" auf die Leistungen von Ärzten schauen wie ein gesetzlich Versicherter.

"Physiotherapie" ist ja eine vergleichsweise "günstige" (und unbedenkliche) Leistung/Behandlungsform, der Orthopäde oder gar die Operation bringt da deutlich "mehr Geld" in die Kassen und zieht sie auch raus, dementsprechend. Und ich gehe stark davon aus, dass zB. nicht nur ein Privatpatient aus rein finanziellen Gründen operiert wurde, auch wenn die Erfolgsquoten eher gering sind.

Ich habe zB. zwei angerissene Innenmensiki die mir solange ich ein paar "Vorsichtsmassnahmen" beachte auch keinerlei Probleme bereiten. Und ich bin bis heute froh, dass ich damals als mir einer davon massive Probleme bereitete im zweiten Anlauf an einen "seriösen" Mediziner geriet, der mir von einer Operation abriet (im Gegensatz zu dem Mediziner bei dem ich zuerst war, der am liebsten den "ganzen Massnahmekatalog" - an dessen Ende eine OP stand - abgearbeitet hätte, ob nun sinnvoll oder nicht und ich bin noch nicht mal privat sondern nur gut gesetzlich versichert) und meinte, dass sich das wenn ich ein paar Verhaltensregeln beachte ganz von selbst wieder geben wird und er eine Behandlung nur dann für sinnvoll hält, wenn die Beschwerden trotz beachteter Verhaltensregeln in 6 Monaten immer noch da sind. Eben weil es auch nach einer OP keinerlei Gewährleistung für eine Verbesserung gäbe und im Zweifel sogar eine Verschlechterung eintreten kann. Er hatte recht, es besserte sich ganz ohne Behandlung nur durch die Beachtung der Verhaltensregeln. Und das ist bis heute (seit ca. 15-20 Jahren) so geblieben.

Und gerade in Bezug auf Psychotherapie sind viele privat versicherte Menschen sogar schlechter gestellt als die gesetzlich Versicherten, da der "Leistungsumfang" von Privatversicherung zu Privatversicherung stark schwankt. Und es ist ja nicht jeder privat versicherte Mensch "reich".

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