doppelgängerin hat geschrieben:Mich hat in der Jugend die Musik gerettet, glaube ich. Ich habe Musik (klassische hauptsächlich) gemacht, sehr intensiv und das hat sich lebendig in einer Weise angefühlt, hat mich MICH in dem, was das Leben ist, spüren lassen, dass es aushaltbar(er) war.
Und es gab Ziele: noch jenes Konzert, noch diese Probe.
Jetzt ist es vielleicht immer noch ähnlich.
Das ist mir vertraut, wenn auch in einem anderen Kontext (Wissenschaft: Noch dieser Aufsatz, noch jener Vortrag, vielleicht dieses Buchprojekt). Die narzisstische Zufuhr, die (mir) die erfolgreich durchgeführten 'Stationen' gegeben haben, bargen meistens gerade so viel an Lust, dass sie bis zur nächsten Station trug. Das ist in meinem Fall weggebrochen. Und ich kann mich erinnern: Auch damals, als es das noch gab, war es manchmal eher knapp.
Landkärtchen hat geschrieben:Was mir jetzt / heute hilft? Ganz banal (und mir auch ein wenig peinlich ): mein Pflichtbewusstsein. Mir hilft zu wissen, dass ich morgen, um die und die Zeit, einen Arbeitsauftrag habe, den ich erfüllen "muss".
Auch das ist mir sehr vertraut.
Und übrigens und an alle chronisch Suizidalen, die hier schreiben, gerichtet:
Es fühlt sich gut an, hier auf Vertrautes zu stoßen ....
Und ich find's genauso banal und peinlich (ausgerechnet diese teutsche 'Tugend' "Pflichtbewusstsein" - is doch zum Kotzen).
Mach ich also auch diesen Spagat. Meine Pflicht (das DaZeln) allerdings lässt mich wenig Freude ernten. Da, wo ich wirklich manchmal Freude bei der Arbeit verspüre, da gibt es keine Pflicht, da muss ich mir den Arbeitsauftrag selbst erteilen. (Und dieses ewig Intrinsische empfinde ich als sehr anstrengend).
Danica hat geschrieben:Offensichtlich handelt es sich um ein genetisch-biologisches Programm, mit aller Gewalt leben zu wollen, das jedem lebendigen Wesen inne wohnt.
Ja, das vermute ich auch. - Und mich ärgert das ungemein: Bin ich Mensch tatsächlich so sehr immer noch reine Biologie?! Wozu hab ich denn ein Menschenhirn?!
Sowohl mein Ärger als auch diese Fragen sind naiv. Doch hier darf ich sie vielleicht mal aussprechen ...
Um mit diesem Dilemma womöglich leichter umgehen zu können, um es klarer zu verstehen.
doppelgängerin hat geschrieben:Dass man (ich) so erbärmlich ist, nichtmal dies eine Leben leben zu wollen, das doch inzwischen ganz passabel, eigentlich ganz ordentlich, teilweise ganz schön ist? [...]
Da ist nur Schweigen.
Trotz der Übermacht der Todessehnsucht, die da zeitweise ist. Die alles erwürgt. Die alles Lebendige aus mir saugt. Die alles Schöne um mich frisst. Trotz der Angst, die sie mit sich bringt. Und trotz dessen, dass diese Suizidalität für mich oft so schwer wiegt, wie ein Fels, nicht tragbar. Und dass ich gern anders denken, leben und fühlen können würde.
Wenn ich versuche, mich an mein Leben Nr. 1 vor dem Liebsten zurückzuerinnern (in dem die Suizidalität mich auch schon begleitet hat, allerdings meistens 'unterschwellig', als eine Art Hintergrundrauschen), dann glaube ich, dass ich da oft dieses Leben auch "ganz passabel, eigentlich ganz ordentlich, teilweise ganz schön" fand.
Ich habe mich allerdings, soweit ich mich recht besinne, nicht für "erbärmlich" gehalten, wenn ich das suizidale Hintergrundrauschen damals gehört und überlegt habe, ihm nachzugeben (und ich tu das auch heute nicht).
Und noch ein Unterschied: Die Todessehnsucht erlebe ich keineswegs
nur als etwas, das alles "erwürgt", und noch viel weniger als etwas, das "alles Schöne frisst". (Vielleicht möchte ich sie deshalb auch gar nicht missen.) - Ich erlebe sie durchaus
auch als etwas, das vieles freisetzt und vieles ermöglicht (z.B. die Produktion und die Konsumtion von Poesie).
(Auch wenn's mittlerweile eine Platitüde ist, ich zitier einfach nochmal den ollen Platen: "Wer die Schönheit angeschaut mit Augen / ist dem Tode schon anheimgegeben")
SoundOfSilence hat geschrieben:ich manchmal selber darüber erschrecke, wie schnell ich "kippe". Zwar sind bestimmte Gedanken, bestimmte "Fluchtwege" für mich immer präsent, aber gelegentlich bringt mich eine "Kleinigkeit" an den Rand. Ich weiß, dass ich das eigentlich nicht tun werde/will - aber der Rand ist plötzlich so nah, dass ich mir selber nicht ganz traue. Dann treten "Zwangsgedanken" auf.
Wenn solche "Kleinigkeiten" mich an den 'Rand' bringen, erschrecke ich auch (irgendwann), denn dann sehe ich wieder einmal genau das: Dass ich mir selbst nicht trauen kann. Ich will nicht unbedacht von eigener Hand sterben, ich will keinen Kurzschluss-Suizid. Ich will mir
endlich trauen können. - Und vermutlich ist das auch wieder nur naiv und illusorisch.
~
Hier schrieben mehrere von der Angst vor dem Sterbeprozess. Ich teile sie. Doch mir erscheint ein "natürlicher" Sterbeprozess furchteinflößender als ein wohldurchdachter Suizid.
Ich glaube allerdings, dass ich noch viel mehr Angst als vor dem Sterben davor habe, dass ich mit meiner Überzeugung (so muss ich das wohl nennen) zum Thema 'Tod' falsch liege und es nach dem Sterben doch nicht aufhört. - Nein, ich denke da an keine sonstwie religiös geformten Vorstellungen, nicht an Himmel, Hölle oder Wiedergeburt. Ich denke da allenfalls an sowas wie 'Eingang ins Nirwana', bei dem ja
irgendwas dort
hineingeht ...
Das liegt logischerweise an der Unfähigkeit, mir als Menschenwesen das Nichts vorstellen zu können (müsste mal wieder Nietzsche lesen, egal jetzt).
So wenig, wie ich nicht denken kann (außer vielleicht in bestimmten Schlafzuständen), so wenig kann ich das Nichts denken.
Theoretisch weiß ich das. Die Praxis halt ich nicht aus: Mich wurmt das, denn vielleicht ist's genau das, was mir diese Sache mit dem Tod so schwer macht.
Einen herzlichen Gruß an alle chronisch Suizidalen (sollte hier jemand lesen und kein chronisch suizidaler Mensch sein, möge er sich nicht darüber grämen, dass ich ihn jetzt nicht grüße: Ich gehe einfach davon aus, dass hier Menschen, die nicht chronisch suizidal sind, nicht lesen, denn was sollte sie dieses Thema interessieren? Auch will der Thread weder Bildungslücken schließen noch eine Schaulust befriedigen)
Widow