Unsere unbewussten Muster - sind sie überwindbar?

Haben Sie bereits Erfahrungen mit Psychotherapie (von der es ja eine Vielzahl von Methoden gibt) gesammelt? Dieses Forum dient zum Austausch über die diversen Psychotherapieformen sowie Ihre Erfahrungen und Erlebnisse in der Therapie.
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hawi
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Beitrag Mi., 26.06.2013, 08:33

Hallo elana,

ich las grad zunächst allein die Threadüberschrift.
Schaute hier rein, erst auf die letzte, dann auf die erste Seite.
Tat das vor allem, weil ich gestern einen Beitrag auf 3sat kulturzeit sah, der zum Thema hier passt, zumindest mir zu passen scheint.

Vielleicht ja bereits Bekanntes, ich selber lese dazu allenfalls mal sporadisch.

Würde deine Frage zwar immer sehr klar mit JA beantworten. Auch ähnlich, wie du es bereits in deinem Eingangsbeitrag schreibst, „überwinden“ als nicht so recht passenden Begriff, sehen.

Gestern auf Kulturzeit http://www.3sat.de/mediathek/index.php? ... &obj=37059 wurde von „gestalten“, „umbauen“, „verändern“, gesprochen.

„Es ist der Geist der sich den Körper baut“.
Diese Ansicht von Schiller wurde, wenn vielleicht auch nicht endgültig bewiesen, so doch zumindest als sehr stimmig aus heutiger Sicht dargestellt.

Muster, alle, wir bauen sie uns. Bauen sie schon recht fest, standhaft. Aber sie lassen sich umbauen, so gestalten, dass sich drin wohnen lässt. Muster, die zu Gefängniszellen wurden, lassen sich ändern, nicht schnell, auch nicht durch Abriss, aber so, dass drin Leben nicht lebenslängliche Strafe bedeutet.

LG hawi
„Das Ärgerlichste in dieser Welt ist, daß die Dummen todsicher
und die Intelligenten voller Zweifel sind.“
Bertrand Russell

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montagne
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Beitrag Mi., 26.06.2013, 09:20

Ich finde es schwierig diese Fragen allgemein und pauschal beantworten zu wollen.
Versucht man es doch, maßt man sich einerseits eine Deutungshoheit an, die man nicht hat. Andererseits engt man eigene Möglichkeiten ein. Denn wenn etwas so und so allgemein ist, dann auch für einen selbst. Dann kann man andere Möglichkeiten, die es gäbe für sich gar nicht erst sehen oder nicht in Erwägung ziehen.


Nutzbringender fände ich die Fragen:
Kann und will (!) ICH MEINE leidbringenden Muster und Persönlichkeitsanteile ändern? Wenn ja, was brauche ich dazu? NLP, Analyse, Yoga, Kirche, VT, DBT, Schematherapie...?


Es ist ja in Studien (Die Metastudie von Grawe et al zu zitieren reicht wohl fürs erste) erwiesen, dass auch Persönlichkeitsstörungen behandelbar sind, auch schwere Fälle von Borderline. Muster sind sowieso veränderbar. Und das mit unterschiedlichen Therapien, Verhaltenstherapie, humanistische Verfahren, tiefenpschologische Verfahren und Analyse.
Eine Garantie auf Erfolg gibt es nicht und es gab für jede Therapieform einen gewissen Anteil von unbefriedigenden Ergebnissen. Denke das spiegelt sich ja auch hier im Forum ganz gut wieder.

Ich erlebe das zumindest in meiner Therapie auch so, dass sich bis dato unbewusste Muster verändern lassen. Manchmal wird mir das Muster erst bewusst, wenn es sich schon in Veränderung befindet. Auch mein Bindungsstil hat sich verändert und tut es noch. Dadurch ändern sich zwangsläufig Persönlichkeitsanteile, die mir zuvor mächtig im Weg standen. Manch ein anderes Muster ist mir wiederum bewusst, erweist sich jedoch als hartnäckig.
Das ist aber nur meine persönliche Erfahrung. Für andere kann und wird anderes gelten. Sodass ich eben abermals denke, es ist müßig diese Fragen allgemeingültig beantworten zu wollen.


Und was ich abgesehen davon auch denke, ist, dass in therapieerfahrenen Kreisen manches kritisch beäugt und pathologisiert wird, was längst im Spektrum der Normalität liegt. Und zwar an sich und anderen. Was u.a. auch an einem Halbwissen liegt und an einer Konzentraton auf Fehlerhaftes und Falsches am Individuum.

Jeder Mensch, auch der durch und durch therapierte wird sicher eine Anzahl dysfunktionaler Muster haben und weißer Flecken auf der seelischen Landkarte. Einfach, weil man sich ja auch nicht nur in sich und aus sich entwickelt, sondenr gleichzeitig immer neue Entwicklungsaufgaben an einen herantreten. Die brauchen immer wieder neue Entwicklung und ermöglichen Teils ja auch erst gewisse Entwicklungsschritte.
amor fati

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Beitrag Mi., 25.09.2013, 02:43

montagne hat geschrieben:Und was ich abgesehen davon auch denke, ist, dass in therapieerfahrenen Kreisen manches kritisch beäugt und pathologisiert wird, was längst im Spektrum der Normalität liegt. Und zwar an sich und anderen. Was u.a. auch an einem Halbwissen liegt und an einer Konzentration auf Fehlerhaftes und Falsches am Individuum.
Ja, so sehe ich das auch, diese unbewussten Muster sind Teil des Normalität-Spektrums, dysfunktional werden sie erst, wenn sie nicht mehr zur Umgebung passen bzw. als nicht mehr sinnvoll erlebt werden oder sich als hinderlich und unangepasst erweisen. Wenn ich bedenke, wie sehr heute alles logistisch automatisiert wird, z. B. Schichtarbeit etc., werden wir in der heutigen Zeit zu unnatürlichen und eigentlich schädlichen Verhaltensweisen gezwungen, was nun als Normalität gilt, obwohl es nicht wirklich so ist.

Allein schon der Stress in der heutigen Leistungsgesellschaft ergibt scheinbar krankhafte Muster, wobei ungeklärt bleibt, ob diese dysfunktionalen Reaktionen in Wirklichkeit nicht gesunde Reaktionen auf ungesunde Vorgaben sind. So leben wir alle in Wirklichkeit in einer kranken Gesellschaftsstruktur und können demnach nur dysfunktional wirken, wer sich nicht anpassen kann. Die Frage ist, wer gesünder ist, der Leistungsfähige, der NOCH gesund erscheint, oder der Kranke, der den Leistungsansprüchen nicht mehr nachkommt, evtl. vermeidet er so den Herzinfarkt, während der andere sich zu Tode schuftet in der Arbeitsüberlastung und der fehlenden Selbstwahrnehmung.

Es wird doch oft gesagt, dass derjenige, der am Boden liegt und sich nicht mehr rührt, mehr verletzt ist als derjenige, der laut schreit. So gesehen könnten all jene, die nicht merken, dass sie in dysfunktionalen Mustern leben, viel mehr "krank" sein als diejenigen, welche sich krank fühlen und dies noch wahrzunehmen imstande sind. Es ist alles relativ.

Aber ich habe immer noch den Eindruck, dass jemand nicht ganz rauskommt aus seinen persönlichen unbewussten Mustern, die sich von Kind an entwickelt haben aufgrund der Biographie und Persönlichkeit. Natürlich lernt man dazu, aber wenn jemand sich scheinbar stark verändert, ist es doch eher so, dass diese Fähigkeit zur Flexibilität oder dann Wechselfreudigkeit ein eigenes Muster bildet und sich ebenso wiederholt.
Lieben Gruß
elana

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Beitrag Mi., 25.09.2013, 03:02

hawi hat geschrieben:„Es ist der Geist der sich den Körper baut“.
Diese Ansicht von Schiller wurde, wenn vielleicht auch nicht endgültig bewiesen, so doch zumindest als sehr stimmig aus heutiger Sicht dargestellt.

Muster, alle, wir bauen sie uns. Bauen sie schon recht fest, standhaft. Aber sie lassen sich umbauen, so gestalten, dass sich drin wohnen lässt. Muster, die zu Gefängniszellen wurden, lassen sich ändern, nicht schnell, auch nicht durch Abriss, aber so, dass drin Leben nicht lebenslängliche Strafe bedeutet.
Ein schönes Bild vom Haus, das wir uns selbst bauen, Teile davon entfernen, anderes wiederum anbauen, aber der Grundriss wird wohl schon recht fix bleiben. Dabei denke ich an meine Jugend, wo ich mein Zimmer umbauen wollte, eine Tür sollte in die Wand rein zum benachbarten Zimmer. Mein Vater schlug die Wand ein, aber dann merkte er, dass er einen Grundpfeiler stehen lassen musste, wodurch die Türe zum Dreieck wurde. Ich glaube, meine Muster bleiben ein Bermuda-Dreieck, aber warum ändern, ich fand die dreieckige Tür voll geil!
Lieben Gruß
elana

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Beitrag Mi., 02.10.2013, 21:08

Ich werde jetzt versuchen, mein Haus umzubauen. Das wird Zeit brauchen, deshalb verabschiede ich mich hier wieder für eine Weile. Ich hoffe, der Umbau gelingt mir. Den Grundriss erkenne ich jedenfalls schon.
Lieben Gruß
elana

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Ulrich
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Beitrag Sa., 05.10.2013, 08:56

Um unbewuwsste Muster überwinden zu können, muss man erst mal glauben können, dass sie da sind. Diese Fähigkeit an das Unbewusste zu glauben ist eine Fähigkeit, die nicht angeboren ist. Man kann sie sich aneignen, natürlich nur, wenn die Notwendigkeit dazu besteht. Die Notwendigkeit besteht dann, wenn sich selbst als unangepasst erlebt, oder wenn man zwar äußerlich angepasst ist, sich aber nicht wohl dabei fühlt.

Wenn man es zumindest für möglich hält, dass man selbst belastende unbewusste Muster "hat", dann ist vielleicht der nächste logische Schritt, dass man sie sich bewusst macht. Die Frage ist natürlich seit jeher: was bringt dieses Bewusstmachen eigentlich? Diese Frage lässt sich nach meiner Erfahrung nicht allgemein beantworten. In vielen Fällen ist es leider so, dass das Bewusstmachen eines unbewussten Musters (verdrängter Wunsch oder Erinnerung/Trauma) "nur" zu einem Verstehen des Symptoms führt, aber es löst sich noch nicht auf. Um es aufzulösen, muss man weiterforschen. Manche Symptome lösen sich auch nach jahrelanger Selbsterforschung nicht auf. Andere Symptome lösen sich erstaunlich leicht auf, trotz ihrer pathologischen Schwere. Ich denke, dass sich alles, was zum "Charakter" gehört am schwersten auflösen lässt. Das liegt vielleicht daran, dass man gewisse Haltungen als einen Ausdruck seines Ichs oder Person ansieht und man möchte seinen Grundsätzen nicht gern untreu werden. Und das, obwohl man eigentlich weiß, dass sie unter "Erziehungseinfluss" entstanden sind. Den Faktor der Triebdynamik sollte man aber keineswegs vernachlässigen. Es reicht nicht aus, sich mit den Fehlern der Eltern zu beschäftigen. Man muss sich auf mit jenen Dingen beschäftigen, die tief ins Unbewusste reichen, und die, wenn man sie erwähnt von den meisten Menschen mit herablassenden Bemerkungen zurückgewiesen werden. Das hängt mit dem Widerstand gegen das Verdrängte zusammen (dieser Hinweis macht viele Leute richtig wütend). Manche Therapeuten umschiffen ja nicht nur die Triebdynamik. Sie lassen auch die gesamte (verdrängte) Kindheit außen vor, was vielleicht besser ist, als sich auf eine einseitige Weise mit den Komplexen der Kindheit zu beschäftigen. Wenn man z.B. in der Analyse entdeckt, dass der Vater gemein gewesen ist, dann hat man erst mal ein riesen Problem zusätzlich: ein Stück "goldene Kindheit" ist zusammengebrochen. Die Gefühle der Liebe, die man bisher für den Vater noch hatte brechen zusammen oder werden geschwächt. Man fängt vielleicht sogar an ihn zu beschuldigen. Auf eine solche Weise können ganze Familien auseinander gerissen werden. Der Grund, wieso die Entdeckung, dass der Vater gemein gewesen ist, als so enttäuschend erlebt wird ist der Ödipuskomplex, der natürlich bei jedem etwas auf persönliche Weise strukturiert ist. Z.B. haben Leute, die ohne Vater aufwuchsen vermutlich gar keinen Ödipuskomplex, zumindest keinen im klassischen Sinn.

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Beitrag So., 06.10.2013, 07:34

@Ulrich

Interessant, wie Du das ausführst und weiterleitest. Bei mir wurden diese wunden Punkte schon auch berührt in der Therapie, auch dass mein Vater nicht nur gut war. Nachdem ich mir die unbewussten Muster, die ich für möglich hielt, bewusst machte, stellte sich für mich tatsächlich die Frage, ob ich das ändern kann oder will, weil sie eben - wie Du sagst - mit Grundsätzen verbunden sind, denen ich nicht einfach so ohne Weiteres untreu werden kann. Aber ich beginne, sie wenigstens zu relativieren. Mir reicht das. Meinen inneren Motor, der mich antreibt, auch verknüpft mit der Triebdynamik meiner verdrängten Verletzlichkeiten, erkenne ich nun gut, wobei es vor allem darum geht, mich zu schützen und mich durchzusetzen, also Autonomie und Sicherheitsbedürfnis.

Was den Ödipus-Komplex betrifft, hat das ja mehr mit inneren Bildern und äußern Projektionsflächen zu tun und nicht mit den realen Eltern. Von daher glaube ich nicht, dass dies bei jemandem ohne Vater ganz anders ist.
Lieben Gruß
elana

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Ulrich
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Beitrag Di., 08.10.2013, 07:20

(e) hat geschrieben:

Was den Ödipus-Komplex betrifft, hat das ja mehr mit inneren Bildern und äußern Projektionsflächen zu tun und nicht mit den realen Eltern. Von daher glaube ich nicht, dass dies bei jemandem ohne Vater ganz anders ist.
Ohne die Beschäftigung mit diesen inneren Bildern läuft bei mir gar nichts. Wenn du diese Bilder nicht brauchst ist das natürlich gut. Denn niemand sollte in eine Jauchegrube steigen, bloß aus Neugier oder Langeweile.

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Beitrag Do., 31.10.2013, 11:44

Na ja, ich rücke immer mehr von der Psychoanalyse ab, auch wenn ich einiges in diese Richtung gelesen habe, aber irgendwo finde ich es zu einfach als Erklärungsmodell, gerade auch weil die Fachwelt selbst sich weiterentwickelt hat und nicht beim Ödipus-Komplex stehengeblieben ist. Es ist EIN Aspekt unter vielen in den Fachbüchern, nicht mehr und nicht weniger. Ich hänge mich da nicht speziell an dieses Krankheitsmodell.

Klar sehe ich meine Entwicklung auch in Bezug auf meinen Vater, der in meinem Leben zentral ist. Sein Einfluss auf mich war groß. Obwohl ich noch Brüder habe, war er die einzige für mich wesentliche männliche Beziehungsperson in meiner Kindheit. Ich habe ihn geliebt, aber auch gefürchtet, ich lernte an ihm, wie ich einen ärgerlichen Mann besänftigen kann, wie ich allgemein besser klarkomme mit Männern. Ich gewöhnte mich an seine tiefe, jähzornige Stimme und gewann sie irgendwann lieb, als ich älter wurde, ich spürte darin auch die Wärme und seine Liebe zu mir.

Als mein Neffe dann dieselbe Stimme bekam im Stimmbruch, war das zuerst sehr verstörend, meine kindliche Angst wurde neu geweckt. Ich zuckte jedes Mal zusammen, wenn mein Neffe laut wurde. Na ja, mein Vater war ein unheimlicher, aber auch kuscheliger Bär. Ich liebte ihn, ich besänftigte seine männlichen Aggressionen. Ich habe sehr viel bei ihm trainiert und konnte das dann auch bei anderen Männern anwenden.
Lieben Gruß
elana

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Ulrich
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Beitrag Do., 31.10.2013, 19:24

Ich würde, wäre ich dein Therapeut, DENKEN:

"Warum hat sie wohl so viel Angst vor der Stimme des Neffen? Es muss eine Zeit gegeben haben, wo sie die gleiche Angst vor der Stimme ihres Vaters hatte. Die Stimme des Vaters war bestimmt nie sonderlich angsteinflößend, aber die Patientin hat es aufgrund ihrer ödipalen Triangulation oder aufgrund von Wutausbrüchen oder Gewalttätigkeit ihres Vaters so erlebt. Die Stimme wurde sie für sie zum Signal dafür, dass der gefährliche Mann da ist. Aber das werde ich ihr nicht sagen. Sie hält mich sonst für verrückt. Ich werde lieber aufgrund dieser Erkenntnis erst mal weiter behandeln, als eine Frau, die vor ihrem Vater Angst gehabt haben muss."

Aber eigentlich weiß ich nicht, ob Therpeuten überhaupt so viel nachdenken über ihre Patienten. Dazu haben sie nämlich kaum Zeit. Während der Patient redet, kann man ja nicht viel nachdenken, und zwischen den Stunden auch nicht, und in der Freizeit beschäftigt man sich lieber mit was anderem als mit dem Job.

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Beitrag Mo., 04.11.2013, 03:51

Hi Ulrich

Ich hab das schon ausreichend mit meinem Therapeuten besprochen. Ich gehe nicht davon aus, dass mein Therapeut sich keine Gedanken macht. Allerdings ist er kein Psychoanalytiker, sondern Tiefenpsychologe und kognitiver Verhaltenstherapeut. Da ich ihm öfter E-Mails schrieb, wird er sicher immer wieder über meine Situation nachgedacht haben, notgedrungen.

Klar hatte ich als Kind Angst vor meinem jähzornigen Vater, nicht nur ich, sondern alle Kinder in der Familie. Ich war noch die Mutigste, trotzdem musste auch ich diese Angst loswerden. Dazu braucht es keine ödipalen Deutungen. Es war beängstigend, wobei ich heute meinen Vater besser verstehen kann, es ging ihm damals nicht gut, er war komplett überfordert mit so vielen Kindern. Es war eine schwierige Situation für ihn, aber er war kein Schläger, nur einfach launisch, unberechenbar und jähzornig. All das bin ich nicht und mag ich auch heute nicht an anderen. Trotzdem liebte ich meinen Vater und merke auch jetzt, dass ich diese für mich schlechten Eigenschaften an anderen verzeihen kann.

Eigentlich ist es so, dass ich schon sehr schnell Gefühlsausbrüche jeglicher Art als beunruhigend empfinde. Ich selbst bin zu unbeweglich, wenn es um den Ausdruck großer Gefühlsausbrüche geht. Das liegt mir fern. Nur meine Mutter kann mich unter gewissen Umständen dazu treiben, wenn sie mich zu sehr vereinnahmt. Nur bei ihr traue ich mich das, weil ich weiß, dass sie mich immer lieben wird, auch wenn ich mich gegen sie wehre. Bei anderen bin ich da viel vorsichtiger.

Da merke ich schon ein unbewusstes Muster, um beim Thema des Threads zu bleiben. Derzeit bin ich in einen Mann (ein Anwalt, nicht mein Therapeut) verliebt, der für meine Begriffe recht sprunghaft ist. Dabei klingeln bei mir gleich die Alarmglocken, aber ich spüre auch, dass ich es bin, die hier überreagiert. Mittlerweile fühle ich mich dieser Emotionalität gewachsen, ein Zeichen, dass ich mich in der Therapie entwickelt habe, wo mir anfangs sogar das überfreundliche Verhalten meines Theras auf die Nerven ging. Ich kann solche Gefühlsbewegungen nun besser aushalten. Es triggert mich nicht mehr so, auch wenn ein Mann mal etwas ärgerlich ist. Auch ich selbst bin emotional beweglicher geworden, komme mehr aus mir raus, meine Mimik hat sich belebt. Trotzdem spüre ich, dass ich noch in meinem Muster drinstecke, aber es ist etwas aufgelockert.
Lieben Gruß
elana

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Ulrich
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Beitrag Mo., 04.11.2013, 06:15

In einer realen Beziehung gibt es nichts zu analysieren. Da gibt es auch nichts zu erinnern. Du kannst dir die Erinnerungen an deinen jähzornigen Vater also eigentlich schenken. Sie bringen dich in der Beziehung mit deinem Therapeut und deinem Freund kein Stück weiter. Vergiss deinen Vater einfach. Falls er noch lebt, so wird das vielleicht etwas schwierig.

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Beitrag Mo., 04.11.2013, 06:29

@Ulrich: Ich weiß, was Du meinst, Du betrachtest das offenbar mehr auf einer Metaebene, diese sehe ich auch, trotzdem betrachte ich auch die wörtlich-reale. Das ist so ähnlich wie bei der Traumdeutung: Manchmal ist eine Pfeife einfach nur eine reale Pfeife und kein Phallussymbol, um mal Freud aufzugreifen. Ich interessiere mich eben auch für die reale Pfeife und muss da nicht unbedingt überall ödipale Hintergründe vermuten, ist nicht meins, muss nicht sein, hilft mir nicht weiter. Sogar meine Träume sind sehr realitätsbezogen. Aber schön, dass es Dir hilft. Jedem das seine.
Lieben Gruß
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Ulrich
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Beitrag Mo., 04.11.2013, 11:14

Mit realer Beziehung meinte ich befriedigende Beziehung.

Wenn du die Erinnerungen an deinen jähzornigen Vater nicht loswirst, d.h. wenn diese Erinnerungen dir lästig sind, dann solltest du sie dir vielleicht analysieren lassen, oder analysiere sie selbst. Eigentlich sollte die Kindheit abgeschlossen sein. Wenn dauernd unangenehme Erinnerungen aus der Kindheit auftauchen, muss man selbst entscheiden, ob man damit leben möchte. Unter Umständen kann auch das Eingreifen eines Therapeuten diese Erinnerungen hervorgelockt haben. Dann ist er auch für deren Beseitigung zuständig. Aber vielleicht ist er dazu nicht fähig, oder nicht bereit. Oder er könnte es zwar, aber man hat kein Geld mehr, um ihn zu bezahlen. Selbstanalyse ist eine weitere Möglichkeit. Natürlich ist es nicht so einfach, und es geht nicht immer blitzschnell. Man muss, das habe ich ja schon mehrmals geschrieben viel psychoanalytische Literatur lesen, um an die Deutungen heranzukommen. Man sucht sich dann die passenden Deutungen selbst aus.

(e) hat geschrieben:@Ulrich: Ich weiß, was Du meinst, Du betrachtest das offenbar mehr auf einer Metaebene, diese sehe ich auch, trotzdem betrachte ich auch die wörtlich-reale. Das ist so ähnlich wie bei der Traumdeutung: Manchmal ist eine Pfeife einfach nur eine reale Pfeife und kein Phallussymbol, um mal Freud aufzugreifen. Ich interessiere mich eben auch für die reale Pfeife und muss da nicht unbedingt überall ödipale Hintergründe vermuten, ist nicht meins, muss nicht sein, hilft mir nicht weiter. Sogar meine Träume sind sehr realitätsbezogen. Aber schön, dass es Dir hilft. Jedem das seine.
Bei mir war es so, dass ich mich drei Jahre gegen ödipale Deutungen gewehrt habe und als ich es endlich akzeptierte, kehrte Ruhe ein. Symptome verschwanden. Ich weiß nicht, ob du leidest. Ich kenne deine Symptomatik nicht, und ich weiß nicht, ob bei dir überhaupt eine vorhanden ist. Wenn du also kein ernsthaftes psychisches Problem hast, dann brauchst du dich mit der Meta-Ebene, wie du es nennst, auch nicht weiter zu beschäftigen.

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Beitrag Mo., 04.11.2013, 17:32

Hey Ulrich

Die Kindheit und überhaupt die Vergangenheit ist für mich schon abgeschlossen. Nur manchmal kommen ein paar Erinnerungen noch, aber nicht dauernd. Ich konzentriere mich mehr auf die Gegenwart und Zukunft. Psychoanalytische Literatur zu meiner Problematik habe ich auch viel gelesen (nicht nur, aber auch). Ich habe die Hintergründe und Deutungen meiner Symptomatik bereits gefunden. Außerdem gibt es bei mir ein psychoanalytisches Gutachten mit einem klar strukturierten psychoanalytischen Krankheitsmodell, das mir bei der Suche wertvoller Hinweisgeber war und innerhalb der Therapie vertieft wurde. Nun geht es darum, das Erkannte praktisch umzusetzen. Ich leide vor allem unter meinen Kontrollzwängen, da braucht es zusätzlich noch Expositionen.

Welche Symptomatik ist es denn bei Dir?
Lieben Gruß
elana

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