Nuklearkatastrophe in Japan

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MrN
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Beitrag Mo., 14.03.2011, 16:43

Bezüglich der zwei Explosionen in Fukushima:
Als ich am Sa Mittag die erste Explosion auf n-tv sah, dachte ich: "Mein Gott, den Reaktor hat's zerlegt wie in Tschernobyl!!!" Später kamen dann die Bilder, daß nur das Dach vom Reaktorgebäude weg ist...
Das deutet auf eine Explosion außerhalb der Reaktorhülle hin. - Daher ist die Meldung realistisch, daß die Reaktorabschirmung noch (hoffentlich weitgehend) intakt ist. Der Unterschied zwischen Block 1 und Block 3 dürfte sich dadurch erklären, daß im ersten Falle infolge der wohl kaum noch zu bezweifelnden Kernschmelze deutlich mehr Wasserstoff freigesetzt worden ist, welcher im Reaktorgebäude überall in gefährlicher Konzentration in der Raumluft enthalten gewesen sein dürfte, als das Knallgas gezündet hat. Im Block 3 konnte die Kernschmelze vermutlich im Ansatz verhindert werden. Daher kann man dort von einer geringeren Menge an Wasserstoff ausgehen, welcher sich zum Zeitpunkt der Explosion dazu noch direkt unter dem Dach angesammelt haben dürfte. Daher hat es offensichtlich nur das Dach nach oben weggesprengt. Deshalb ist es ziemlich gut möglich, daß die Reaktorhülle in Block 3 keinen nennenswerten Schaden erlitten hat.

So erklärt sich der Unterschied im Erscheinungsbild der beiden Explosionen. In Block 2 sieht es tatsächlich danach aus, daß man mit der Notkühlung noch eine Explosion verhindern konnte.
Der Austritt radioaktiver Substanzen ist daher dadurch begründet, daß in die drei Blöcke massiv Mehrwasser eingebracht wird, welche Masse - sei es als Dampf, sei es als siedendheiße Brühe - natürlich aus dem Kühlkreislauf auch wieder entfernt werden muß. Daher kann die Reaktorkühlung derzeit nicht mehr als geschlossenes System betrieben werden.

Zur Diskussion über die Restlaufzeiten:
Es macht kaum Sinn, einen Reaktor mit frischen Brennstäben sofort vom Netz zu nehmen, da das Kernmaterial noch in hohem Maße spaltbar ist. Normalerweise sollte nur Kernbrennstoff für die Lagerung vorgesehen werden, wo keine Kettenreaktion mehr möglich ist.
Unter diesem Gesichtspunkt ist ein Betreiben der Kernanlagen bis zu einem Zeitpunkt, wo die Brennstäbe faktisch verbraucht sind, auch für die Sicherheit der Anlagen die beste Lösung.
Vielleicht ist es daher allein dem Umstand zu verdanken, daß Block 1 in Fukushima angeblich noch im März stillgelegt werden sollte, daß es nicht zu einem schlimmeren Szenario gekommen ist: Bei fast verbrauchten Brennstäben entwickelt sich die Kernschmelze jedenfalls nicht mehr so rasant, was den Betreibsleuten überhaupt erst die Zeit für Gegenmaßnahmen verschafft haben könnte.
Unverantwortlich wäre es demnach, veraltete Anlagen mit neuen Brennelementen auszustatten, wofür ja im Grunde eine großzügige Verlängerung der Restlaufzeiten durch die Politik Tür und Tor öffnet.

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geronimos secret
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Beitrag Mo., 14.03.2011, 17:05

Hier ein Beleg für die unglaubliche Macht der Energiekonzerne, die den Wahlkampf gezielt für ihre Zwecke beeinflußt und gelenkt haben:
http://www.spiegel.de/wirtschaft/sozial ... 72,00.html
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stern
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Beitrag Mo., 14.03.2011, 17:11

MrN hat geschrieben:Bezüglich der zwei Explosionen in Fukushima:
Was ich verwirrend finde, ist die unterschiedliche Nachrichtenlage. Ich glaube, es ist nichtmal unbedingt nur gezielte Vertuschung (wie teils in Tschernobyl)... sondern zum erheblichen Teil auch, dass es sich das Ausmaß zum jetzigen Zeitpunkt wirklich nur schwer abschätzen lässt .

Technisch bin ich nicht so bewandert wie du, daher danke für deine Erläuterungen... mir machen solche Meldungen Sorgen, die hoffentlich auch eine Abkehr von so manchen Allmachtsphantasien bewirken:
Die drei Reaktoren können nach Experten-Einschätzung fast nur noch sich selbst überlassen werden. „Es bestehen aus technischer Sicht kaum Möglichkeiten, den Unfallablauf noch irgendwie zu beeinflussen“, sagte der ehemalige Geschäftsführer der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit, Lothar Hahn. Es gebe unterschiedliche Einschätzungen, ob es bereits Leckagen gebe.
http://www.welt.de/vermischtes/weltgesc ... elzen.html
Ich hoffe zumindest, dass es (Kernschmelze in 3 Reaktoren) nicht nur reine Zeitfrage ist, vermag es aber selbst nicht zu beurteilen .
Zuletzt geändert von stern am Mo., 14.03.2011, 17:15, insgesamt 1-mal geändert.
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geronimos secret
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Beitrag Mo., 14.03.2011, 17:13

@Mrn,
danke für die Erklärung betreff der Unterschiede der Detonationen in Fukushima, die plausibel erscheint. Ich habe mittlerweile im Ministerium für Strahlenschutz angerufen, wo ich eine ähnliche Erläuterung von einem Mitarbeiter des Ministeriums erhalten habe. Dennoch scheint mir durch die Wucht der Explosion die Gefahr groß zu sein, dass der Behälter möglicherweise doch beschädigt worden sein könnte, möglicherweise ist dadaurch mehr Radioaktivität ausgetren als bei der ersten Explosion...
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Lilly111
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Beitrag Mo., 14.03.2011, 17:30

vallée hat geschrieben:Was im Fall von Fokushima nicht stimmt sind (laut N-TV und Phönix-bericht gestern) mutwillige, eklatante Verstöße gegen die Sicherheitsvorschriften. Jahrelang gefälschte Wartungs- und Reparaturprotokolle und dergleichen. Auch im Fall von Tschernobyl war es ja nicht versagende Technik, sondern menschliches Versagen, mangelnde Ausbildung und Fahrlässigkeit.
Diese Schlampereien gibt es in deutschen AKW nicht? Dann guck mal das Frontal21-Video.
Ich halte das für einen möglicherweise gefährlichen Irrtum mit den Fingern auf andere zu zeigen (die haben da und dort Fehler gemacht) und zu glauben in unseren AKW ist alles schön. Mitnichten !!!

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montagne
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Beitrag Mo., 14.03.2011, 17:39

@Schneekugel: Ich denke man hat schon menschliches Versagen im Sinne unbeabsichtigter Fehler einkalkuliert. Wenn Einzelheiten mal übersehen werden, Anzeigen falsch gelesen werden, sich doch mal paar Minuten keiner im Kontrollraum befindet. ich denke für all sowas gibt es doppelte und dreifache Absicherung. (Nur Vermutung.)
Im falle von Fokushima sind es aber laut der genannten Quellen mutwilluge Fahrlässigkeiten, die man ja nicht wirklich einkalkulieren kann (ehrlich gesagt war ich geschockt, als ich es hörte). Es geht da um Schmiergeld, Erpressung und eben jahrlang gefälschte Wartungs- und Reparaturprotokolle. Wie soll man mit sowas rechnen? Irgendwo muss man den Menschen vertrauen und die kalkulation auf etwas fundieren. Nämlich darauf, das die beteiligten ihre Arbeit nicht perfekt, aber nach besten Wissen und Gewissen tun, was eben offenbar nicht so war.

In Tschernobyl würde ich als Laie die Ursache des GAUs auch als ziemliche Dummheit, die an grobe Fahrlässigkeit grenzt einstufen. Da kamen ja mehrere Dinge zusammen, die von außen betrachtet unlogisch sind und weit mehr als akute Fehler oder falsche Entscheidungen.
Auch ein abgeschaltetes Kernkraftwerk ist auf die Versorgung mit elektrischer Energie angewiesen, beispielsweise zur Aufrechterhaltung der Kühlung und für die Instrumentierung und Überwachung. Im Normalfall wird der Bedarf aus dem öffentlichen Energieversorgungsnetz gedeckt. Ist das nicht möglich, laufen Notstromaggregate an.

Im Rahmen einer zwecks Wartungsarbeiten anstehenden Abschaltung des Reaktors sollte nun gezeigt werden, dass die Rotationsenergie der auslaufenden Turbinen bei gleichzeitig unterstelltem Netzausfall ausreicht, die Zeit von etwa 40 bis 60 Sekunden bis zum vollen Anlaufen der Notstromaggregate zu überbrücken. Nach Sicherheitsvorschriften hätte der Versuch bereits vor der kommerziellen Inbetriebnahme im Dezember 1983 durchgeführt werden sollen.

Ein (durch Xenon-135) unvergifteter Reaktor ohne Abbrand hätte sicherere Voraussetzungen geboten. Ein im Block 3 des Kraftwerkes bereits durchgeführter Versuch war 1985 fehlgeschlagen, weil die Spannung zu schnell abfiel.[2] Nun sollte der Versuch im Block 4 mit einem verbesserten Spannungsregler wiederholt werden.

Es war vorgesehen, den Versuch bei reduzierter Reaktorleistung (zwischen 700 bis 1.000 MWth) durch Schließung der Dampfzufuhr zu den Turbinen einzuleiten.

(Quelle: wiki)

@Lilli: Wo zeige ich mit dem Finger? Ich nenne Infos aus den Medien, ob die nun stimmen, weiß nicht.. aber da es von N-TV und Phönik kam, kann man sie bis zum dementi wohl erstmal als wahr annehmen.
Und wo sage ich, das in Deutschen AKWs alles schön ist? Wo nimmst du das her? Über die Zustände in deutschen AKWs habe ich bisher noch nicht gesprochen.
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Lilly111
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Beitrag Mo., 14.03.2011, 18:02

vallée hat geschrieben:@Lilli: Wo zeige ich mit dem Finger? Ich nenne Infos aus den Medien, ob die nun stimmen, weiß nicht.. aber da es von N-TV und Phönik kam, kann man sie bis zum dementi wohl erstmal als wahr annehmen.
Und wo sage ich, das in Deutschen AKWs alles schön ist? Wo nimmst du das her? Über die Zustände in deutschen AKWs habe ich bisher noch nicht gesprochen.
Vallee, an einer solchen Argumentation stört mich die Einseitigkeit. Das ist wie das oben genannte Beispiel: schließlich hätten wir in Deutschland keine Tsunamis. Und keine korrupten AKW-Betreiber (oder waren es die Mitarbeiter?). Und die Russen waren schlicht zu dumm.
Eine solche Argumentation impliziert immer auch: Uns kann das ja nicht passieren, weil ..... wir nicht so dumm, so korrupt, so was auch immer sind.
Aber genau das könnte sich als gefährlicher Irrtum herausstellen. Dass es uns genau so nicht passieren kann ist klar, aber dafür sind hundert andere Verkettungen von unglücklichen Umständen (nichts anderes ist eine Katatrophe) denkbar.

btw: Wir könnten ohne Probleme (auch ganz ohne Energieeinsparung) auf sieben AKW verzichten. Warum laufen sie dennoch?

http://www.spiegel.de/wirtschaft/untern ... 52,00.html

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stern
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Beitrag Mo., 14.03.2011, 18:07

vallée hat geschrieben:@Schneekugel: Ich denke man hat schon menschliches Versagen im Sinne unbeabsichtigter Fehler einkalkuliert.
Sicher bin ich da auch nicht... aber ich meine menschliches Versagen ist auch ein Faktor, der ins Restrisiko (schlimmes Wort) einkalkuliert wird (stat. gesehen zumindest)... kann mir allerdings auch gut vorstellen, dass dieser menschliche Faktor auch in andere Risikokategorien/-klassen einzuberechnen ist. Habe eben auch noch etwas nachgesehen, vgl. auch hier:
Restrisiko
Das beschriebene Sicherheitskonzept [hier: Kernkraftwerke] zielt auf ein sehr hohes Ausmaß an Sicherheit sowohl gegen technisches Versagen als auch gegen menschliche Fehler ab. Null kann ein solches Risiko jedoch nie werden, da die Auslegung der Sicherheitsvorkehrungen auf bestimmten technischen Annahmen beruht und auch ein gleichzeitiges Versagen aller Sicherheitsvorkehrungen niemals ganz ausgeschlossen werden kann. Das bei einer gewählten Auslegung verbleibende Risiko bezeichnet man als Restrisiko.
http://de.wikipedia.org/wiki/Sicherheit ... Restrisiko
Zur allgem. Definition des Restrisikos: http://de.wikipedia.org/wiki/Restrisiko
Im Japan-Fall wird zumindest von Restrisiko gesprochen... wobei ich das intuitiv weniger bzw. nur z.T. als gegeben sehe, wenn bereits vor der Katastrophe eklatante Mängel offensichtlich waren (was ich nicht gut beurteilen kann). Allgem.: Wenn man schon Risikorechnungen anstellt (gibt es ja in vielen Bereichen, typ. auch Versicherungen, Ratings und tralala) so sollten Sicherheitsvorkehrungen allerdings so gehalten sein, dass nur ein geringeres Restrisiko verbleibt (ansonsten spricht das evtl. für unzureichende Absicherung anderer Risiken)... so theoretisch gesehen zumindest. 0 ist die Gefahr natürlich nie bzw. 100%ige Sicherheit gibt es nicht, sonst gäbe es keine Risiken. Und dass stat. Wahrscheinlichkeit individuell nix aussagt, und der Eintritt letztlich zufallsbedingt ist, sagte ich schon (Restrisiken sollen besonders "zufallsbedingte" oder durchaus wahrscheinlich anzunehmende Risiken erfassen, wie Erdbeben, Flugzeugeinstürze, etc. die nicht technisch oder anderweitig abgesichert sind, oder unwägbares menschliches Versagen). Ob's in Fukushimo allerdings primär Zufall bzw. Restrisiko war, hmmm. Just my 2 cents. Und @ Lilly prophylaktisch : Implizieren will ich damit nix... ich sehe es auch nicht bei vallée.
Zuletzt geändert von stern am Mo., 14.03.2011, 18:46, insgesamt 4-mal geändert.
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Beitrag Mo., 14.03.2011, 18:15

Ich verstehe noch immer noch, Lilly, wo du das hernimmst das meine Aussagen irgend etwas über die deutschen AKW-Betreiber implizieren. Ich nenne Ursachen (bewerte sie auch nach Laienansicht, ja, sag das aber auch so), die in Tschernobyl zum GAU geführt haben und in Japan zu massiven Problemen. Was du mir daraus andichtest, was ich über deutsche AKWs impliziere ist schlichtweg falsch. Verstehe nicht warum du das machst.

Ich glaube, ganz ehrlich, wenn du meine Beiträge ganz gelesen und verstanden hättest, wäre dir aufgefallen, das ich eher das Gegenteil von dem impliziere was du mir unterstellen willst.

Ich schrieb bereits:
Was im Fall von Fokushima nicht stimmt sind (laut N-TV und Phönix-bericht gestern) mutwillige, eklatante Verstöße gegen die Sicherheitsvorschriften. Jahrelang gefälschte Wartungs- und Reparaturprotokolle und dergleichen. Auch im Fall von Tschernobyl war es ja nicht versagende Technik, sondern menschliches Versagen, mangelnde Ausbildung und Fahrlässigkeit.

Ist natürlich kein Argument für Atomkraft, im Gegenteil. Atomkraft ist eine Technologiedie im Ernstfall keine Fehler verzeiht, im Gegensatz zu anderen Technologien. Der Mensch macht aber nunmal Fehler. Und da wir jetzt im 21. jahrhundert, anders als noch vor 30-40 Jahren ganz andere, mehr technologische Möglichkeiten haben Energien zu sparen und zu gewinnen, ist es wohl and er zeit Atomkraft abzuschaffen.
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Beitrag Mo., 14.03.2011, 18:28

Hier nochmal eine Quelle, wenns interessiert, über die eklatanten Schlampereien des Betreibers des Fukushima-AKWs. Ähnliches wurde gestern auch schon über Nachrichtensender bekannt.
http://www.sueddeutsche.de/wissen/akw-b ... -1.1071430

Und das ist in meinen Augen ein noch anderes Problem, als das Restriskio- und menschliches Versagen-Problem. da wird jeder Prozess, jede Eventualität ja schon mehrfach abgesichert. Bis alle Glieder der Kette, alle Faktoren ausfallen und es zu einem Störfall kommt (was ja nicht gleichbedeutend mit GAU ist), muss einiges passieren. Aber wie soll man mit so einer Mutwilligkeit, Verantwortungslosigkeit umgehen, dass kann man doch gar nicht hintersichern.
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Lilly111
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Beitrag Mo., 14.03.2011, 18:32

Vallee, Danke für dein letztes Zitat.
Dann habe ich dich falsch verstanden. Sorry, ok?

Was haltet ihr von dem 3-monatigen Muratorium?

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Lou Salomé
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Beitrag Mo., 14.03.2011, 18:35

Selene hat geschrieben:Ich ärgere mich eher über das "Entgegenkommen" von Merkel und Röttgen, ihren Spagat zwischen "an der Brückentechnologie festhalten" und "aber ja nicht die Gunst der Wähler verlieren". Baden-Württemberg überprüft jetzt seine Atomkraftwerke, also genau das Land, in dem demnächst gewählt wird und der amtierende CDU-Ministerpräsident massiv unter dem Druck der Grünen steht. Das finde ich pietätlos. Dass man die japanische Katastrophe auch auf sich selbst und das eigene Land bezieht, finde ich keine falsche Egozentrik, sondern eine richtige.
Sehe ich genauso. Dass das Thema jetzt wieder in den Mittelpunkt rückt finde ich gut und richtig, und es schließt keinenfalls aus, dass man gleichzeitig großes Mitgefühl hat für das was in Japan geschieht und/oder hilft.

Heuchlerisch ist es nur, dass Merkel und co. jetzt aufeinmal ganz betroffen tun und die Laufzeitverlängerung überdenken wollen. Fukushima hat keinerlei Erkenntnise über AKWs und Atomstrom gebracht, die Frau Merkel nicht auch vorher schon bekannt waren.
Jetzt auf einmal wegen einer Katastrophe das Thema wieder aufzugreifen ist reine Berechnung.

Die Leute sind betroffen wg. Japan => machen sich Gedanken, auch um unsere AKWs => Ich als Politiker muss so tun als würde mich das interessieren damit mein Image und das der Partei wieder steigt

Warum sonst braucht es erst eine Katastrophe damit gehandelt wird? Hätte ja auch viel früher passieren können. Weil diese Katastrophe die perfekte Gelegenheit ist die Menschen auf emotionaler Ebene anzusprechen. "Hach ich bin ja so besorgt, ich bin ja soo betroffen, wir helfen den Japanern natürlich vorerst und danach reden ich und ein paar andere hohe Tiere nochmal ganz gründlich über die Lage in Deutschland, damit ihr armen Leute keine Angst haben müsst und seht wie toll ich mich kümmere."
Dieses Regierung hat im Moment gar keine andere Wahl, wenn sie sich nicht noch die letzte Sympathie verspielen will, als den Leuten entgegenzukommen, oder zumindest vorerst so zu tun als würden sie das in Betracht ziehen.

DAS finde ich schlimm. Dass das Thema wieder ins Rollen kommt und vielleicht sogar gehandelt wird (wenn auch vielleicht aus falscher/ verlogener Motivation seitens Politik) aber finde ich super und sehr wichtig. Die Ereignisse in Japan sind unglaublich traurig und ich wünschte das wäre alles nicht passiert, aber meistens sind leider genau solche Katastrophen notwendig um die Leute mal aufzuwecken.

Ich meine damit nicht dass das irgendwer verdient hat. Niemand hat so eine Katastrophe verdient. Aber man muss sich auch mal vor Augen führen, dass Frau Merkel und alle anderen hohen Tiere der Welt, die die Atomenergie so anbeten, die ersten und vielleicht auch einzigen sind, die in einen ganz tollen Sicherheitsbunker kommen, wenn der Supergau hier eintritt. Und das ärgert mich, die Großen entscheiden, die normalen Menschen müssens im schlimmsten Fall ausbaden. Statistik hin oder her, wenn ich in einem abstürzenden Flugzeug sitze bringts mir auch nichts dass es statistisch gesehen das sicherste Verkehrsmittel der Welt ist.

Und das süße Wörtchen "minimini-Restrisiko" bekommt nochmal ein ganz anderes Gesicht, wenn man sich mal überlegt welche Auswirkungen solch ein unwahrscheinlicher Restfall haben kann.

Und das Risiko und der Müll sind noch nichtmal der Hauptpunkt. Es geht darum, dass wir gegen die Zeit arbeiten und langfristig ohnehin keine Wahl haben.
Und die von manchen so rosa verpackte "Brückenlösung" ist, wenn man sich mal eingehend mit dem Thema beschäftigt keine Brücke, sondern sie ist so wie sie jetzt mit der Laufzeitverlängerung (die übrigens ein Vertragsbruch zugunsten der saureichen Stromkonzerne war) betrieben wird, eine massive Blockade des (notwendigen!) zügigen Ausbaus und Nutzens erneuerbarer Energien im hier und jetzt. Die längere Laufzeit sorgt bildlich dafür dass der Atomstrom "die Leitungen verstopft" und somit den Ausbau alternativer Quellen verlangsamt.

Hier wurde erwähnt dass ein zu schneller Umstieg, uns des Wohlstandes beraubt. (wenn ichs richtig verstanden habe..)
Aber unter dem Aspekt Zeit ist das Blödsinn.
Die Kategorie "rechnet sich das wirtschaftlich" gibt es schlicht und einfach nicht, eben weil wir keine Wahl haben.
Und Aufschieben macht nichts besser. Natürlich: Heute auf morgen geht nicht. Aber der Plan, der vor der neuen Laufzeitverlängerung gemacht wurde, war sehr wohl durchdacht und wurde bis dato nicht nur gerade so geschafft von Seiten der neuen Energieformen sondern sogar weit übertroffen.
Außerdem kann man Äpfel nicht mit Birnen vergleichen, es ist eine komplette Energiewende nötig, das wirtschaftl. System mit neuen Energieformen ist und kann auch nur ein völlig anderes sein.
Weg von dem Monopol, dass die Preise beinahe willkürlich festlegen kann hin zu einer dezentralen Energieversorgung durch tausende unabhängige Investoren. Es gibt bereits so viele Positivbeispiele, dass es mich immer wieder erschreckt, wie die Leute sich von den Worten mancher Politiker und Interessenvertreter einlullen lassen.
Zuletzt geändert von Lou Salomé am Mo., 14.03.2011, 20:24, insgesamt 3-mal geändert.
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Beitrag Mo., 14.03.2011, 19:32

Lou Salomé hat geschrieben:Hier wurde erwähnt dass ein zu schneller Umstieg, uns des Wohlstandes beraubt. (wenn ichs richtig verstanden habe..)
Vgl. nur z.B. Obama, der seinen Energiekurs auch mit Wohlstandsicherung begründete. Und stelle von heute auf morgen nur alle Kraftwerke in Japan, China und den USA ab... und sehe die Folgen (meine Vorstellungen reichen mir, so dass mich insoweit gar niemand einlullen könnte). Daher ist das einzige, was ich sagen wollte, dass ich davon ausgehe, dass ganz kurzfristige Realisierung global betrachtet unwahrscheinlich ist (für Ausstieg bin ich ebenfalls... aber es erfordert wohl mittel- und langfristiges Umdenken). Und von "uns" redete ich kaum, ich sehe es globaler... in D. sehe ich es als ungleich unproblatischer an, zügiger umzusteigen (was ich auch begrüße... wobei ich mir um mich selbst hier ehrlich gesagt kaum Sorgen machen bzw. sonst müsste ich noch einige anderen Sorgen auch näher an mich heranlassen... und ich bin fast froh, dass nicht alles an pot. Risiken oder Nachrichten so nah an mich geht, wie das Schicksal der Menschen in Japan. Der endgültige Ausstieg ist in D ja schon seit einiger Zeit parteiübergreifend beschlossen, Kernenergie wird von der Regierung auch als Auslaufmodell gesehen bzw. als Brücke bis zum endgültigen Absprung). Man könnte, wenn ich richtiges gehört habe, in D sogar eine AKW sofort vom Netz nehmen, was auch ins Auge gefasst wird, vgl.:
Nach Moratorium gehen mehrere AKW vom Netz
Berlin (dpa) - Unter der Eindruck der beispiellosen Atomkatastrophe in Japan werden mehrere deutsche Meiler in Kürze vom Netz genommen.
Das ist letztlich die Konsequenz des von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag angekündigten Moratoriums für die erst im Herbst beschlossenen längeren Atom-Laufzeiten. Es soll drei Monate gelten.
... Angesichts der Katastrophe in Japan will Merkel auch auf internationaler Ebene eine Debatte über die Kernkraft. «Sicherheit steht über allem», sagte Merkel. «Wir können nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.» Solche Erdbeben und Flutwellen wie in Japan seien in Deutschland zwar nicht wahrscheinlich, sagte die Kanzlerin. Dennoch zeigten die Ereignisse in Japan, dass für unmöglich gehaltene Risiken eintreten könnten.
http://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/in ... -Netz.html
Diese Vorhaben jetzt als Instrumentalsierung oder pietätslos auszulegen, hm... wieso hier nicht auch wie folgt argumentieren?:
selene hat geschrieben:Dass man die japanische Katastrophe auch auf sich selbst und das eigene Land bezieht, finde ich keine falsche Egozentrik, sondern eine richtige.
Oder als (jetzt doch einsetzendes, noch stärkeres) Umdenken/Zäsur (was vielleicht die Konsequenz in einigen Ländern sein wird, wobei nach den Artikeln die ich einstellte, auch deutlich wird, dass in manchen Ländern der Umstieg (noch?) nicht so stark vorangetrieben wird wie in D. Sondern die Atomgläubigkeit oder -abhängigkeit noch eine höhere zu sein scheint als hierzulande). Oder kann es die Politik nicht richtig machen, egal wie sie es macht... insbes. wenn es die Regierung ist . Nee, würde ich echt nicht ganz verstehen, wenn Atomgegner nun das Moratorium und Konsequenzen beschiessen sollten... geht ja in die Richtung des gewünschten. Ich bin auch für den Ausstieg, und find's gut (@ Lilly)... denn Katastrophen haben ein verheerendes Ausmaß und Endlagerung geht auch Dauer nicht. Allerdings hängt ein Rattenschwanz dran, wenn man es vom Zaun bricht (vermutlich weniger hier in Europa als in anderen Ländern). Daher finde ich besser: gezielt und geplant Umdenken, ohne Holzhammermethoden, die auch ein paar Rattenschwänzen halbwegs Rechung zu tragen versuchen. Sonst kommt man vom Regen in die Traufe, meine Meinung. Ich glaube auch, weit liegen alle Thread-Beteiligten nicht auseinander.
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Lilly111
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Beitrag Mo., 14.03.2011, 20:11

@stern & all
Ich bin keineswegs für die sofortige Abschaltung aller AKW, aber die Laufzeitverlängerung (11. und 12. Novelle des Atomenergiegesetzes) hätte es nicht geben dürfen. Das war, wie Lou Salomé richtig schreibt, Vertragsbruch. Statt aber diese beiden Novellen einfach zurückzunehmen, setzt man die Laufzeitverlängerung nur für 3 Monate aus. Warum? In der Hoffnung, dass sich die Öffentlichkeit in unserer schnelllebigen Zeit in 4 Monaten wieder beruhigt bzw. andere Sorgen hat? Oder um einerseits die Landtagswahlen zu retten und andererseits der Atomlobby trotzdem gewogen zu bleiben? Ich kann an dem Aussetzen (ist ponetisch nah dran am Aussitzen - eine Spezialität von Frau Merkel) nichts wirklich Positives entdecken. Es ist ein Aufschieben, Warten auf eine bessere politische Großwetterlage. Dann kann man immer noch schauen, ob man nicht vielleicht doch weitermachen kann wie bisher.

Nein, man kann nicht weitermachen wie bisher.

Und das auch ganz unabhängig davon, ob in Japan nun der Super-GAU eintritt oder es "nur" beim GAU bleibt. Wieviel radioaktive Strahlung letztlich wirklich ausgetreten ist oder in den nächsten Tagen und Wochen noch austreten wird, ändert nur noch etwas am Ausmaß der Katastrophe und somit auch an der Anzahl der zukünftig Krebskranken.

Falls sich hier jemand fragt, warum ich so emotional bei diesem Thema bin.
Ich habe Schilddrüsenkrebs.

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Lou Salomé
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Beitrag Mo., 14.03.2011, 20:14

stern hat geschrieben: Daher ist das einzige, was ich sagen wollte, dass ich davon ausgehe, dass ganz kurzfristige Realisierung global betrachtet unwahrscheinlich ist (für Ausstieg bin ich ebenfalls... aber es erfordert wohl mittel- und langfristiges Umdenken).
Da gebe ich dir völlig Recht. "Vom Zaun brechen" bringt gar nichts, und global ist es um einiges komplizierter als hier in Deutschland.
Was ich meinte war rein auf uns hier bezogen und die Tatsache, dass die verbindliche Abmachung und Planung bzgl. der Auslauffrist vor der dann beschlossenen Laufzeitverlängerung (eine Abmachung von Leistung und Gegenleistung – die Gegenleistung der Atombtreiber wurde durch die Verlängerung mal einfach so in Luft aufgelöst ) sich schnell als Erfolg und mehr als realistisch erwiesen hat und es somit keinerlei Legitimation für diese Verlängerungen gab. Die positiven Entwicklungen waren schneller und besser als erwartet, die Zahlen sprechen da ganz einfach für sich.
Wenn man davon ausgeht, dass die positive Entwicklungen bzgl. neues Energiekonzept der letzten Jahre exponentiell steigt (der Anfang ist ja immer schwieriger als wenn es dann mal läuft), ist es einfach nur korrupt diesen Vertrag für nichts und wieder nichts zu brechen.
Die schreien alle "wir haben nicht mehr viel Zeit" (und so ist es auch..) und bringen dann diesen Knaller von Verlängerung aus offensichtlich finanziellen Gründen
Diese Vorhaben jetzt als Instrumentalsierung oder pietätslos auszulegen, hm...
Um Gottes Willen, ich meinte damit nicht, dass ichs lieber hätte das Merkel und co. weitermachen wie zuvor. Ich finde es nur sehr TRAURIG und verlogen, dass das erst jetzt, durch diese Katastrophe kommt. Ich finde die Beweggründe verlogen aber was daraus hoffentlich folgt freut mich natürlich.
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